Rechtsverfassung der Baiwaren (Nürnb. 1866);
Heigel und
Riezler, Das Herzogtum Bayern
[* 2] zur Zeit
Heinrichs des Löwen
[* 3] und
Ottos von
Wittelsbach
(Münch. 1867). – Zur neuern Geschichte: Heigel, Die Wittelsbacher
(Münch. 1880);
1)
Arrondissement im franz. Depart.
Calvados, hat 948,89 qkm, (1891) 68745 E., 136 Gemeinden und zerfällt in die 6 Kantone
Balleroy (221,31 qkm, 13164 E.), Bayeux (80,49 qkm, 12463 E.),
Caumont (142,05 qkm, 9186 E.), Isigny (209,18
qkm, 14526 E.), Ryes (121,43 qkm, 9272 E.), Trévières (174,43 qkm, 10134 E.). – 2) Hauptstadt des
Arrondissements Bayeux im
franz. Depart.
Calvados in der
Normandie, im fruchtbaren
Thale der Aure, 8 km vom
Meere, an der Linie Mantes-Cherbourg derFranz.
Westbahn, ist altertümlich und, außer der Hauptstraße, schlecht gebaut, aber ein wohlhabender Ort. Die
Kathedrale, die
vom
Bischof Robert des Ableiges (gest. 1231) angefangen, später mehrmals verschönert wurde,
zeichnet sich durch ihre herrlichen
Portale und ihre drei
Glockentürme von überraschender Kühnheit aus. Bayeux ist der Sitz
eines
Bischofs, einesCivil- und Handelsgerichts, einer Handelskammer, hat ein großes und ein kleines
Seminar, Kommunal-Collège, Museum, öffentliche
Bibliothek von 15000
Bänden, Gesellschaften für Kunst, Wissenschaft, Litteratur
und
Ackerbau, 2
Zeitungen und 1
Theater,
[* 5] 1 Mönchs- und 6 Nonnenklöster.
Die Stadt hat mit ihren vier Vorstädten (1891) 7147, als Gemeinde 8102 E., ansehnliche Porzellan-,
Spitzen-
und Mützenfabriken,
Baumwollspinnereien und lebhaften
Handel mit Schlachtvieh und
Pferden, mit
Butter, Getreide,
[* 6] Geflügel und
Äpfeln sowie mit Cider und
Wein. In der öffentlichen
Bibliothek wird die im 18. Jahrh. wieder aufgefundene berühmte
Tapisserie
de Bayeux aufbewahrt, eine ausgezeichnete, 50 cm in der Höhe, 70,3
m in der Länge messende
Stickerei auf
feiner weißer Leinwand, die in meisterhafter
Anordnung und mit lat. Erläuterungen versehen, in 58 Gruppen die Hauptereignisse
der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer darstellt. Die
Arbeit soll von Mathilde, der Gemahlin Wilhelms, gefertigt
sein; gewiß ist nur, daß sie dem 11. Jahrh. angehört. Das nicht nur
in künstlerischer, sondern auch geschichtlicher
Beziehung bedeutende Werk wurde von
Thierry in dessen «Histoire de la conquête
de l'Angleterre par les Normands» (Bd. 1) beschrieben
und seitdem mehrfach in
Stahlstich und 1879 von J. Comte in 79
Blättern photographisch vervielfältigt.
Bayeux, die alte Hauptstadt der gallischen Baiocasses,
war in der Römerzeit als Augustomagnus, wie Reste
einer Wasserleitung
[* 7] und eines Gymnasiums beweisen, eine bedeutende Stadt. Im frühern Mittelalter Baiocassis und Baiocä
(Baiocum), wurde es seit etwa 360 Bischofssitz (Baioca) und Hauptort einer
fränk. Gaugrafschaft,
Baiocassinus, der spätern Landschaft
Bessin, des Litus Saxonicum, wo
Karl d. Gr. überwundene
Sachsen
[* 8] angesiedelt hatte. Im 9. Jahrh.
wurde es von dem
NormannenRollo erstürmt und hielt sich als Mittelpunkt der normann.
Herrschaft am längsten frei von franz. Art und
Sitte. Im engl.
Kriege wurde die Stadt 1346 von Eduard Ⅲ., 1417 von
Heinrich
Ⅴ., 1450 von
Dunois erobert. Im 16. Jahrh. litt sie viel durch die Hugenottenkriege,
erlebte unter
Ludwig ⅩⅢ die blutige Bestrafung der rebellischen «Va-nu-pieds»,
unter
Ludwig ⅩⅣ. die grausame Verfolgung der
Protestanten. In der Revolutionszeit hielt sie mit ihrer zahlreichen Geistlichkeit
treu zu den
Bourbonen. –
Vgl. F. Pluquet, Essai historique sur Bayeux (1830).
(spr. behl),Pierre, franz. Freidenker und Dialektiker, geb. zu
Carlat in der
Grafschaft Foix, empfing den ersten Unterricht von seinem
Vater, einem reform. Geistlichen, besuchte dann die
Schule zu Puy-Laurens, wo anhaltende
Studien seine Gesundheit für immer schwächten, und studierte zu
Toulouse
[* 9]
Philosophie
bei den
Jesuiten. Hier wurde er bewogen, zum
Katholicismus überzutreten; aber seine Familie that alles,
ihn wieder für die reform.
Kirche zu gewinnen, und so kehrte er nach 17
Monaten zu ihr zurück.
Hierauf studierte er in Genf
[* 10] und Coppet die
Philosophie des Descartes. Nach einigen Jahren kehrte Bayle nach
Frankreich zurück, ließ
sich zuerst in Rouen
[* 11] nieder und lebte dann in
Paris,
[* 12] wo er Unterricht erteilte, bis er 1675 den philos.
Lehrstuhl zu
Sedan
[* 13] erhielt, auf welchem er mit Auszeichnung bis zur Aufhebung dieser
Akademie, 1681, lehrte. Hierauf ward er
auf den philos. Lehrstuhl nach Rotterdam
[* 14] berufen. Infolge seiner freisinnigen
Ansichten namentlich vom Theologen Jurieu heftig
angegriffen, wurde er 1693 seines
Amtes entsetzt und ihm selbst die Erteilung von Privatunterricht verboten.
Fortwährende
Angriffe und Streitigkeiten verbitterten seine letzten Lebensjahre. Er starb
Veranlaßt durch die Erscheinung eines
Kometen
[* 15] 1680, gab er seine «Pensées diverses écrites à un docteur de
Sorbonne, à
l'occasion de la comète qui parut au mois de décembre 1680» (Rotterd. 1682 u. ö.;
nebst
«Addition» [1694] und «Continuation» [2 Bde.,
1705]; in 5. Aufl. vereinigt, 4 Bde.,
1721) heraus, ein Werk voll Gelehrsamkeit, in welchem viele Gegenstände aus der
Metaphysik,
Moral,
Theologie, Geschichte und
Politik abgehandelt werden. Diesem folgte die «Critique générale de
l'histoire du Calvinisme de
Mr. Maimbourg» (4 Bde., Villefranche 1684). Die in
Holland herrschende Preßfreiheit veranlaßte ihn, mehrere in
Frankreich unterdrückte
Bücher herauszugeben, u. a. einige auf
Descartes sich beziehende
Schriften. Er unternahm 1684 mit
Bernard, La Roque u. a. eine periodische
Schrift: «Nouvelles de la
république des lettres» (56 Bde., Amsterd.
1684–1718). Die Religionsverfolgungen in
Frankreich gaben ihm Veranlassung zu dem angeblich aus dem
Englischen übersetzten
«Commentaire philosophique sur ces paroles de
JésusChrist: Contrains-les d'entrer» (3 Bde.,
Canterbury 1686),
der eine kräftige
Verteidigung der Grundsätze der
Toleranz enthält. Sein «Dictionnaire historique et critique» (zuerst 2 Bde.,
Rotterd. 1695
u. 1697; neuere Aufl. 1702; am vollständigsten von Desmaiseaux, 4 Bde.,
Amsterd. und
¶
mehr
Leid. 1740; neueste Ausg., 16 Bde.,
Par. 1820–24; deutsch von Gottsched, 4 Bde.,
Lpz. 1741–44) war das erste Werk, das unter seinem Namen erschien. Dies Werk brachte ihn mit dem Konsistorium in Konflikt,
und neue Feinde erweckte ihm seine «Réponse aux questions d'un provincial»
(5 Bde., Rotterd. 1704) und die
Fortsetzung der «Pensées sur la comète» in Jacquelot und Leclerc, die beide seine religiösen Ansichten angriffen. Seine
«Œuvres diverses» sind im Haag
[* 17] (4 Bde.,
1727–31 u. 1737) erschienen. Emile Gigas gab heraus: «Choix de la correspondance inédite de Pierre Bayle 1670–1706 d'après
les originaux conservés à la bibliothèque royale de Copenhague» (Kopenh. 1890).
Bayle steht an der Spitze der neuen Dialektiker und Skeptiker. Wenn vor ihm die Erneuerungen der antiken Skepsis sich mit mehr
oder weniger Aufrichtigkeit in den Dienst der kirchlichen Dogmatik gestellt hatten, so nahm der Skepticismus in ihm durch
die Wendung auf das religiöse Wissen eine Richtung, vermöge deren er in erster Linie den Kampf der Aufklärung
gegen die Kirche eröffnete. Er kämpfte gleichmäßig gegen die theol. Scholastik wie gegen die Versuche einer philos.
Vernunftreligion und galt deshalb den einen als Ketzer, den andern als Dunkelmann. In ihm selbst aber hatte jener Widerspruch
zwischen Glauben und Wissen so wenig Versöhnung gefunden, daß man z. B. aus dem «Dictionnaire»
den Eindruck gewinnt, als habe die Artikel sein Glaube, die Noten sein Wissen und seine dialektische Kritik geschrieben. Aber
gerade diese Noten gewannen vermöge ihres kampfgewandten, lebensvollen und allgemein verständlichen Stils in Verbindung mit
dem beispiellos umfassenden gelehrten Wissen, das darin niedergelegt war, eine gewaltige Macht über die
franz. Geister, und von seinem «Dictionnaire» aus verbreitete sich der den
Franzosen so naheliegende Skepticismus als die allgemeine Denkart der aufgeklärten Bildung in die weitesten Kreise.
[* 18]
Wenn aber im allgemeinen Bayle weit bedeutender in der Analyse fremder Irrtümer als in der Aufstellung eigener
Sätze war, so geht doch durch all sein Denken eine positive Überzeugung hindurch: die fortwährende Betonung
[* 19] der Unabhängigkeit
des moralischen Handelns und des moralischen Werts von der religiösen Überzeugung, eine für die Toleranz des Aufklärungszeitalters
entscheidende Lehre,
[* 20] welche Bayle auf den verschiedensten Wegen positiv und negativ zu erhärten suchte,
und welcher er namentlich den später vielfach angefochtenen Ausdruck gab, er könne sich sehr wohl einen gut geordneten Staat
von Atheisten denken.
Allein es war selbstverständlich, daß in dem geistigen Drange der Zeit aus den Schriften des Mannes sich mehr die negativen
Seiten heraushoben, und so ist er in der Erinnerung der Menschen immer mehr als der dialektische Skeptiker
stehen geblieben, vor dessen Kritik die Dogmen keiner Religion, keiner Konfession standhielten. –
Vgl. Desmaiseaux, La vie
de Pierre Bayle (2 Bde., Haag 1722–32; deutsch von
Kohl, Hamb. 1731);
L.Feuerbach, Pierre Bayle (Ansb. 1838; 2. Aufl., Lpz.
1848);
K. Fischer, Fr. Bacon und seine Nachfolger (2 Aufl., Lpz. 1875, S. 441 fg.).