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der bisher die kärntnerische Mark verwaltet und hier den Grund zu einer gesonderten Entwicklung gelegt hatte. Arnulf starb 899. Ihm folgte sein unmündiger Sohn Ludwig das Kind bis 911. Unter ihm gewannen Egoismus und pfäffischer Hochmut die Führung in Deutschland [* 2] vollkommen und die Freiheit des Volks ging in Trümmer; als die äußern Feinde, namentlich die Normannen und Magyaren, in immer kühnern Anläufen die Reichsgrenzen überschwemmten, überließ der fränk. Hof [* 3] das den Ungarn [* 4] am meisten ausgesetzte bayr. Land seinem Schicksal. 907 führte Liutpold, der Stammvater des Geschlechts, das noch heute in Bayern [* 5] herrscht, die Blüte [* 6] des bayr. Adels gegen die Magyaren. Eine furchtbare Niederlage, bei der er selbst fiel, war die erste Ursache davon, daß Bayern den Mitbewerb um die Hegemonie in Deutschland verlor.
Während der Stamm der Franken in voller Auflösung begriffen war, versuchte sich bei den andern deutschen Stämmen, Schwaben, Bayern, Sachsen, [* 7] das Stammesherzogtum in der Gewalt zu befestigen und die erschütterte königl. Macht zu ersetzen. In Bayern standen an der Spitze die Liutpoldinger; Liutpolds Sohn Arnulf (907–937) führte ein monarchisches, von den Franken unabhängiges Regiment, und als Heinrich Ⅰ. deutscher König wurde, erkannte ihn Arnulf an, ohne seiner Machtfülle etwas zu vergeben.
Aber eine stetige auswärtige Politik vermochte er Bayern nicht wiederzugeben. Indessen war es Heinrich Ⅰ. gelungen, durch einen Angriff auf die östl. Reichsfeinde seine Macht zu begründen, und als Arnulf 937 starb und sein Sohn Eberhard Otto d. Gr. die Huldigung versagte, wurde er abgesetzt. Die Selbständigkeit der Herzogsgewalten wurde von Otto Ⅰ. gebrochen, ihr Charakter des Reichsamtes wiederhergestellt. Ein anderer Sohn Arnulfs, Berchtold, folgte 938–945. Im J. 947 erhielt Ottos Ⅰ. Bruder, Heinrich, der die Liutpoldingerin Judith geheiratet hatte, das bayr. Herzogtum. Im engsten Anschluß an das Reich suchte er in Bayern seine Herrschaft zu begründen und die seit 907 verlassene bayr. Politik wieder aufzunehmen. Er starb aber schon 955. Ihm folgte sein Sohn Heinrich Ⅱ. (s. d.), der Zänker, für den seine Mutter Judith die vormundschaftliche Regierung führte. Aber anstatt gleich dem Vater nach Osten und Süden seine Kraft [* 8] zu lenken, suchte er seinem Vetter Kaiser Otto Ⅱ. im Reiche selbst Widerstand zu bereiten. Schwaben und selbst Burgund strebte er zu unterwerfen. Statt dessen ward er 976 abgesetzt, die bayr. Ostmark ward wie die Nordmark selbständiger gemacht, Kärnten und die ital. Marken wurden dem Herzogtum entrissen.
B.s Macht war gebrochen. Es wurde mit dem schwäb. Herzogtum vereinigt. Nach dem Tode Ottos von Schwaben (976–982) und Kaiser Ottos Ⅱ. (983) gelang es zwar Heinrich Ⅱ. Bayern wiederzugewinnen, allein Kärnten blieb unter dem Liutpoldinger Heinrich Ⅲ. (983–985) von Bayern getrennt. Noch einmal schien für Bayern eine Zeit der Restauration zu nahen, als Herzog Heinrich Ⅳ., Heinrichs Ⅱ., des Zänkers, Sohn, 1002 den deutschen Königsthron als Heinrich Ⅱ. (s. d.) bestieg.
Doch behielten die östl. Provinzen ihre Selbständigkeit, Bayern blieben hier im Südosten die Thore verschlossen, und Kaiser Heinrich führte die bayr. Politik dem Westen und Norden [* 9] zu. Einen Lützelburger, Heinrich Ⅴ., gab er dann den Bayern 1004 zum Herzog. Dieser wurde zwar 1009 abgesetzt, erlangte aber 1018 die herzogl. Würde wieder. Als er 1026 starb, waren im Reiche die Salier (s. d.) zur Herrschaft gelangt, und diese verfolgten betreffs B.s eine den Sachsen vollkommen entgegengesetzte Politik.
Hatten diese versucht, und Sachsen einander zu nähern, so ward jetzt Bayern als Kronland mit dem Westen verbunden und geriet mit Sachsen in Gegensatz. Die Königssöhne erhielten meist selbst die herzogl. Würde in Bayern, so Heinrich Ⅲ. (als Herzog Ⅵ., 1027–42). Er übertrug dann das Herzogtum dem Lothringer Heinrich Ⅶ., der 1047 starb. Heinrich Ⅲ. behielt das Herzogtum bis 1049, verlieh es dann dem Lothringer Konrad (s. d.) von Zütphen, den er jedoch schon 1053 wieder absetzen mußte.
Von da ab blieb das Herzogtum bei der Königsfamilie, bis 1061 Kaiserin Agnes durch Verleihung desselben an Otto von Nordheim (s. Heinrich Ⅳ., Kaiser) sich die Sachsen zu gewinnen suchte. Doch der Herzog strebte, Bayern zum Widerstand gegen Kaiser Heinrich IV. zu ziehen, aber der salische Einfluß behauptete sein Übergewicht, und in den furchtbaren Bürgerkriegen unter Kaiser Heinrich Ⅳ. blieb Bayern das Kernland der salischen Königsmacht. Erst in den letzten Zeiten Heinrichs Ⅳ. wurdeder Einfluß des Ostens auch in Bayern wieder vorwiegend.
Nordgauische Große waren es, die, vereint mit den Sachsen, Heinrich Ⅴ. zum Siege über den Vater verhalfen. Auf Otto von Nordheim, der 1070 abgesetzt wurde, folgte Welf Ⅰ. (s. Welfen, 1070–77). Auch er wurde abgesetzt, und der Kaiser behielt das Herzogtum bis 1096 in eigener Verwaltung. Dann erhielt es Welf Ⅰ. zurück bis zu seinem Tode 1101. Ihm folgte Welf Ⅱ. (1101–20), diesem Heinrich Ⅸ. (s. d., 1120–26). Unter den ersten Welfen setzte sich zuerst die Erblichkeit der herzogl. Würde fest.
Durch die Ehe Heinrichs Ⅸ. mit Wulfhilde, der Billungerin, dann namentlich seines Sohnes, Heinrichs Ⅹ. (s. d.), des Stolzen, mit Gertrud, der Tochter Kaiser Lothars, ward noch einmal eine Vereinigung der östlichen nationalen Oppositionspolitik gegen die westliche, unter roman. Einfluß arbeitende versucht. Der Kampf der Welfen und Staufer nahm seinen Anfang, als nach dem Tode Lothars Konrad Ⅲ. zum König gewählt wurde und Heinrich Ⅹ., zugleich Herzog in und Sachsen, sich in seinen Hoffnungen betrogen sah.
Heinrich Ⅹ. wurde 1138 abgesetzt und die Herzogswürde in Bayern kam an die Babenberger Leopold (1139–41) und dessen Bruder Heinrich Ⅺ. Jasomirgott (1143–56). Von Kaiser Friedrich Ⅰ. wurde dann Heinrich der Löwe (s. d.) wieder zum Herzog in Bayern eingesetzt; allein die Ostmark wurde, wie früher Kärnten, von Bayern losgetrennt und zum eigenen Herzogtum Österreich [* 10] erhoben, das den Babenbergern erblich verliehen wurde. Bayern wurde von allen Seiten eingeschnürt und so in seiner stetigen Fortentwicklung gehindert. ^[]
2) Mittlere Geschichte Bayerns. Das Herzogtum unter den Wittelsbachern bis zur Einführung des Erstgeburtsrechts unter Albrecht Ⅳ. 1180–1506. Nach dem Sturze Heinrichs des Löwen [* 11] übertrug Kaiser Friedrich Barbarossa dem Pfalzgrafen Otto Ⅰ. (s. d.) das bayr. Herzogtum, doch wurde seine letzte Mark im Osten, Steiermark, [* 12] selbständiges Herzogtum. Otto starb bereits 1183 und hinterließ das Herzogtum seinem unmündigen Sohn Ludwig Ⅰ. (1183–1231). Es zeigte sich, daß die Entwicklung zur territorialen Macht nicht auf die Herzogskreise beschränkt blieb. Sie drang weiter hinab zu den Bischöfen und Grafen, und das Streben der Städte nach Autonomie ist in gleichem Sinne aufzufassen. Dem konnte nur ¶
[* 13] ^[Abb. Geschichtliche Entwickelung Bayerns.] ¶
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Einhalt geboten werden, wenn es dem Herzog gelang, seine persönliche Macht zu einer alle andern überragenden zu gestalten. Otto Ⅰ. bereitete dies vor durch das damals beliebte Mittel der Heiraten. Sein Sohn Ludwig folgte auf diesem Wege. Vor allem aber kam dem Herzog das Aussterben der Grafengeschlechter dabei zu Hilfe. Schon den drei ersten Wittelsbachern erwuchs aus dieser und andern Thatsachen die Verdreifachung ihres ursprünglichen Hausbesitzes. Die wichtigste Errungenschaft unter Ludwig Ⅰ. war die Erwerbung der Rheinischen Pfalz (s. Pfalz) 1214. Allein schon unter Otto Ⅱ. (1231–53) zeigten sich sichere Zeichen des Verfalls.
In dem Kampfe um die erledigten Herzogtümer Österreich und Steiermark zog Otto Ⅱ. gegen Böhmen [* 15] den kürzern. Nach seinem Tode 1253 teilten seine Söhne Ludwig Ⅱ. (1253–94) und Heinrich ⅩⅢ. das Land unter sich (1255), so daß Ludwig Ⅱ. Oberbayern mit der Rheinpfalz und der Kurwürde, Heinrich Niederbayern erhielt. Der Schwerpunkt [* 16] der Entwicklung B.s liegt für die nächsten Jahrhunderte in dem selbständigen Eingreifen der Stände, und Herzog Otto Ⅲ. von Niederbayern (1290–1312) erteilte denselben in der sog. Ottonischen Handfeste die niedere Gerichtsbarkeit (1311). Indessen war den Wittelsbachern ein neuer Rival im Hause Habsburg erstanden.
Die Zwietracht der Brüder Ludwig Ⅱ. und Heinrich ⅩⅢ. hatte zu dem Emporkommen dieses Geschlechts am meisten beigetragen. Österreich ging dauernd in den Besitz Habsburgs über, und jetzt strebte dieses Geschlecht zugleich mit Bayern nach der deutschen Königskrone. Friedrich der Schöne von Österreich und Ludwig Ⅳ. von Oberbayern (1302–47) wurden 1314 gleichzeitig zu Königen gewählt (s. Ludwig Ⅳ., der Bayer). 1328 erlangte Ludwig die Kaiserkrone. Seine Regierung ist eine für Deutschland ungünstige gewesen und für Bayern brachte sie keinen dauernden Vorteil.
Während er seine Kraft nach allen Seiten zersplitterte, gelang es ihm nicht, die nächstliegenden Interessen genügend wahrzunehmen. 1329 schloß er mit seinen Neffen, den Söhnen Rudolfs (1294–1319) zu Pavia einen Vertrag, wonach diese die Rheinpfalz und einen Teil der Oberpfalz erhielten. Die Kurwürde sollte unter beiden Linien abwechseln. 1324 übertrug der Kaiser die erledigte Mark Brandenburg an seinen Sohn Ludwig, doch mußte dieser bei dem Tode Heinrichs von Kärnten 1335 auf dessen Lande verzichten.
Österreich nahm Kärnten und Krain, [* 17] Böhmen nahm Tirol. [* 18] 1340 starb die niederbayr. Linie aus, und Kaiser Ludwig vereinigte also Bayern wieder in seiner Hand. [* 19] Im Herbst 1342 vermählte er seinen Sohn Ludwig von Brandenburg [* 20] mit Margarete Maultasch (s. d.) und bemächtigte sich ihres Erbes Tirol. 1346 zog er die erledigten Provinzen Holland und Hennegau ein, während sein Sohn Stephan in Schwaben für Begründung der Wittelsbachschen Macht thätig war. Da starb Ludwig plötzlich im Okt. 1347. Wittelsbachs Kraft war nach allen Seiten zersplittert, das ganze Reich stand ihm als Gegner gegenüber und fiel dem glücklichern Luxemburger, dem König Karl von Böhmen (Karl Ⅳ.) zu.
In das 14. Jahrh. fällt die Ausbildung einer landständischen Verfassung in Bayern, indem der Adel und die Städte die Verlegenheiten der Fürsten zur Erlangung von Rechten und Freiheiten benutzten und die Besitzer geistlicher Herrschaften und Güter sich an sie anschlossen. Die Stände (Prälaten, Ritter und Städte) traten zusammen, so oft es ihnen beliebte, und zwar entweder als «gemeine Landschaft» (vereinigte Stände) oder als einzelne Stände, deren jeder einen Bund für sich bildete.
Die Blüte der landständischen Macht fällt in dieselbe Zeit, da die herzogl. Macht durch die beständigen Teilungen fortwährend geschwächt wurde. Das Eindringen des röm. Rechts und damit das Eintreten gelehrter Juristen zunächst in die Obergerichte (nach der Mitte des 15. Jahrh.) arbeitete an der langsamen Entkräftung der heimischen Verfassung, und mit Hilfe Kaiser Maximilians Ⅰ. gelang es dann Albrecht Ⅳ. (s. d., 1465–1508), dem Übel durch Einführung der Erstgeburtsordnung 1506 abzuhelfen. Bayern hatte in der Zwischenzeit vielfache Teilungen über sich ergehen lassen müssen.
Die sechs Söhne Kaiser Ludwigs des Bayern teilten 1349 das Land in Niederbayern mit den holländ. Provinzen und Oberbayern mit Tirol, Brandenburg und Lausitz. In Niederbayern erfolgte 1353 eine weitere Teilung in Niederbayern-Landshut und Niederbayern-Straubing. 1363 kam Oberbayern an Niederbayern-Landshut. 1392 erfolgte eine neue Teilung in Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut, Bayern-München. An diese drei wurde 1429 Bayern-Straubing verteilt. Bayern-Ingolstadt fiel 1447 an Landshut, [* 21] dieses 1504 an Bayern-München, welches den Stamm fortpflanzte und den Teilungen ein Ende machte. – Die auswärtigen Besitzungen waren längst verloren. 1363 starb Meinhard von Tirol, der Sohn Ludwigs des Brandenburgers (1324–61) und der Margarete Maultasch.
Diese übertrug Tirol an Habsburg. 1373 zwang Kaiser Karl Ⅳ. den Wittelsbacher Otto im Vertrag zu Fürstenwalde [* 22] zur Abtretung Brandenburgs an das Haus Luxemburg. [* 23] 1433 zwang ebenso Philipp der Gute von Burgund Jakobäa (s. d.), die Tochter Wilhelms Ⅱ. von Bayern, zur Aufgabe der niederländ. Provinzen, deren sich dann auch bald die Habsburger bemächtigten. Damit waren die Errungenschaften Kaiser Ludwigs alle wiederum dahin, und selbst die Kurstimme hatte Bayern verloren, die in der Goldenen Bulle Karls Ⅳ. endgültig Böhmen zugesprochen wurde, während die pfälz. Linie der Wittelsbacher im Alleinbesitz ihrer Kurstimme blieb. Der socialen und religiösen Umwälzung warf sich an der Seite Habsburgs entgegen, ein Schritt, der für die folgende Periode der bayr. Geschichte von weittragender Bedeutung sein sollte.
3) Neuere Geschichte Bayerns seit 1508 bis zu seiner Erhebung zu einem Königreich 1806. Albrechts Ⅳ. ältester Sohn, Wilhelm Ⅳ., übernahm nach dem Tode des Vaters 1508 die Regierung. In ihm zeigte sich der Geist der neuen Zeit, und die Stände, namentlich der Adel, fürchteten bald für ihre Selbständigkeit. Man trieb Wilhelms Bruder Ludwig an, die Mitregierung für sich zu fordern. Erst die immer deutlicher werdenden Absichten Kaiser Maximilians, den Zwist der Wittelsbacher für Habsburg auszunutzen, wie ihm dies im Landshuter Erbfolgekrieg (s. d., 1503–5) mit Kufstein gelungen war, trieb die Brüder zur Einigung. Von 1515 bis zum Tode Ludwigs 1545 führten sie ein gemeinschaftliches Regiment. Anfangs der Lehre [* 24] Luthers keineswegs abgeneigt, zu deren Aufnahme sich das bayr. Volk allenthalben anschickte, schlugen die Herzöge bald einen andern Weg ein, als sie bemerkten, daß diese Lehre sich nicht auf das religiöse Gebiet beschränkte. Da ohne Kurstimme war und bei der Beratung über das Reichsregiment (Jan. 1521) die Besorgnis auftauchte, die Kurfürsten würden die ganze Reichsregierung in ihre ¶