seine Kritik der neutestamentlichen
Schriften, die er mit der
Abhandlung über «Die Christuspartei in der korinth. Gemeinde,
der Gegensatz des paulinischen und petrinischen
Christentums» (in der
«Tübinger Zeitschrift für
Theologie», 1831) und der
Schrift «Die sog. Pastoralbriefe des
ApostelsPaulus» (Stuttg. 1835) eröffnete. Die auf die
Apostelgeschichte und die paulinischen
Briefe sich beziehenden Untersuchungen sind zusammengefaßt in
«Paulus, der
Apostel Jesu Christi, sein Leben und Wirken, seine
Briefe und seine
Lehre»
[* 2] (Stuttg. 1845; 2. Aufl. hg. von Zeller, 2 Bde.,
Lpz. 1867),
die auf die evang. Überlieferung bezüglichen
Studien in den «Kritischen Untersuchungen über die kanonischen
Evangelien, ihr Verhältnis zueinander, ihren Charakter und Ursprung» (Tüb.
1847),
zu denen «Das Markusevangelium nach seinem Ursprung und Charakter» (ebd.
1851) einen Nachtrag bildet. Baur betrachtet die neutestamentlichen
Schriften als die litterar.
Denkmäler jenes kirchenbildenden
Prozesses; der Standpunkt, von dem aus sie berichten und beurteilen, sei bestimmt durch die jene Zeit bewegenden
Tendenzen,
paulinische, judaistische, unionistische, in ihren verschiedenen Ausprägungen und Abstufungen (daher
die Bezeichnung «Tendenzkritik» für die BaurscheAnsicht).
Vor dem Jahre 70 seien von den neutestamentlichen
Schriften nur die vier großen paulinischen
Briefe (Galater,
Korinther,
Römer)
[* 3] und die Offenbarung Johannis entstanden, die Mehrzahl überhaupt erst im 2. Jahrh. Im Laufe
der weitern Forschungen sind die kritischen
Ansichten B.s, zum
Teil von seinen eigenen
Schülern, vielfach
berichtigt oder gemäßigt worden. So hat schon die Gesamtauffassung von dem Entwicklungsgange des ältesten
Christentums,
wenn auch der von Ritschl und seiner Schule dagegen erhobene «principielle»
Widerspruch unberechtigt war, mancherlei Linderungen erfahren müssen.
Ebenso hat aber auch die Kritik der einzelnen neutestamentlichen
Schriften, besonders der drei ersten
Evangelien und einiger kleinerer
Briefe, vielfach andere Wege eingeschlagen als Baur. Aber gerade einige der am meisten angefochtenen
Punkte seiner Kritik, insbesondere seine Beurteilung der johanneischen Litteratur, aber auch die geschichtliche
Auffassung
der paulinischen
Briefe und in gewissem
Sinne auch der
Apostelgeschichte, sind durch die neuern Forschungen
nur immer allseitiger bestätigt worden (s.
Evangelien und Evangelienkritik).
Die ganze
Richtung bezeichnet man mit dem
Namen der
Tübinger Schule; als ihr Organ erschienen 1842-57 die von Zeller begründeten
«Theol. Jahrbücher», (Vgl. B.s
Schrift: Die
Tübinger Schule und ihre
Stellung zur Gegenwart, Tüb. 1859; 2. Aufl.
1860.) Eine ausführliche
Darstellung der Leistungen B.s findet sich in
«Unserer Zeit», Bd. 6 (Lpz.
1862); vgl. noch
Weizsäcker, Ferd.
Christ. Baur (Stuttg. 1892).
FranzAdolfGregor, Forstmanns
Bruder von Gust.
Adolf Ludw. und Wilh. Baur, geb. zu
Lindenfels im Odenwald, studierte in Gießen,
[* 4] wurde 1855 Professor an der Forstlehranstalt
Weißwasser
in
Böhmen,
[* 5] 1860 Oberförster zu Mitteldick bei
Darmstadt,
[* 6] 1864 Professor an der
land- und forstwirtschaftlichen
Akademie Hohenheim
in
Württemberg,
[* 7] 1878 Professor der Forstwissenschaft an der
UniversitätMünchen.
[* 8] Er schrieb: «Lehrbuch der niedern Geodäsie»
(Wien
[* 9] 1858; 4. Aufl., Berl. 1886),
«Die
Fichte
[* 10] in
Bezug auf Ertrag, Zuwachs
und Form» (Berl. 1876),
«Untersuchungen über den Festgehalt und das Gewicht des Schichtholzes und der
Rinde» (Augsb. 1879),
«Die Rotbuche in
Bezug auf Ertrag, Zuwachs und Form» (Berl. 1881),
«Handbuch der Waldwertberechnung»
(ebd. 1886),
«Formzahlen und
Massentafeln für die
Fichte» (ebd. 1890). Außerdem redigiert Baur seit 1866 die
«Monatsschrift für Forst- und Jagdwesen», welche seit 1879 u. d. T.
«Forstwissenschaftliches Centralblatt» in
Berlin
[* 11] erscheint.
Gust.
Adolf Ludw., evang.
Theolog,
Bruder des vorigen, geb. zu Hammelbach im Odenwald, studierte in Gießen, habilitierte
sich daselbst 1841 und wurde 1847 außerord., 1849 ord. Professor; 1861 wurde er Hauptpastor an der Jakobigemeinde
zu
Hamburg,
[* 12] 1870 Professor und erster Universitätsprediger in
Leipzig,
[* 13] wo er starb. In seinen theol.
Anschauungen
ist Baur von Schleiermacher ausgegangen. Von seinen
Schriften sind hervorzuheben: «Grundzüge der Homiletik» (Gieß. 1848),
«Grundzüge der Erziehungslehre» (4. Aufl.,
ebd. 1887),
«Geschichte der alttestamentlichen
Weissagung» (Bd. 1, ebd. 1861),
«Die vorchristl. Erziehung» «Stuttg.
1884, in K. A.
Schmids »Geschichte der Erziehung", 1. Bd.). Ferner
erschienen von ihm Predigtsammlungen u. d. T.: «Predigten» (Gieß. 1858),
«Predigten über die epistolischen
Perikopen» (2
Bde., Hamb. 1862),
Hans, Bildhauer, geb. zu Konstanz,
[* 14] trat 1846 beim Bildhauer Öchslin in Schaffhausen
[* 15] in die
Lehre und bezog 1851 die Kunstakademie zu
München. 1856 erhielt er den
Auftrag, zwei lebensgroße
Statuen: St.Conradus und St.
Pelagius, für den
Dom zu Konstanz in Sandstein auszuführen, denen später noch zwei weitere, die des
Markgrafen
Bernhard von
Baden
[* 16] und des
Bischofs Gebhard von Konstanz, folgten. Nach einigen kunstgewerblichen
Arbeiten und
Büsten
modellierte er die Kolossalfigur des Rheinstroms für die
Kehler Rheinbrücke, sowie die beiden Sandsteinstatuen,
HerzogBerthold
von Zähringen und
GroßherzogLeopold von
Baden, für die Rheinbrücke zu Konstanz. 1873 vollendete er
das mit einer Victoria
[* 17] geschmückte Siegesdenkmal zu Konstanz, weiterhin etliche Dekorativ- und Heiligenbilder für
Baden-Baden
[* 18] und Lahr.
[* 19] Im letzten Jahrzehnt entstanden das
Denkmal des
Komponisten Kreutzer für Meßkirch und die
Statue des Fürsten
JohannGeorg I. von Hohenzollern-Sigmaringen für die Stadt Sigmaringen. Baur lebt in Konstanz.
Wilh., evang. Theolog,
Bruder von Gust.
Adolf Ludw. Baur, geb. zu
Lindenfels im Odenwald, besuchte 1844-48 die
Universität Gießen und das Predigerseminar zu Friedberg,
[* 20] wurde 1855 Pfarrer
in Ettingshausen bei Lich, 1862 in Ruppertsburg bei Laubach, 1865 Pastor zu
Hamburg und Leiter der dortigen
Stadtmission, 1872
Hof- und Domprediger zu
Berlin, 1879 Oberkonsistorialrat, 1881 Propst des
Stifts zum
HeiligenGrabe, 1883 Generalsuperintendent
der Rheinprovinz
[* 21] und
¶
mehr
ist Mitglied des Centralausschusses für Innere Mission. Seiner Richtung nach gehört Baur der Gruppe der positiven Union an.
Als Geistlicher richtete er sein Augenmerk auf eine volkstümliche Predigt, auf Belebung des geistlichen Volksliedes und der
christl. Volksfeste; von seinen Schriften gehören dahin das «Beicht- und Kommunionbuch» (5. Aufl., Gotha
[* 23] 1886)
und «Lazarus von Bethanien und seine Schwester» (2. Aufl., Gieß. 1869).
Seine Predigtart zeigt sich in dem Jahrgang «Predigten über freie Texte»: «Christus und die Gemeinde» (Brem. 1889). Der Neubelebung
christl.-patriotischer Gesinnung dienen vor allem die «Geschichts- und Lebensbilder
aus der Erneuerung des religiösen Lebens in den deutschen Befreiungskriegen» (5. Aufl., Hamb.
1893) und «Das deutsche evang. Pfarrhaus»
(3. Aufl., Brem. 1884); ferner «Das Leben des Freiherrn vom Stein» (3. Aufl., Berl. 1891),
«Lebensbilder aus der Geschichte der Kirche und des Vaterlandes» (Brem.
1887) und «Prinzeß Wilhelm von Preußen»
[* 24] (2. Aufl., Hamb. 1888). Seine Gesamtanschauung
giebt das Buch: «Von der Liebe, ein Zeugnis für lebendiges Christentum» (3. Aufl., Stuttg. und Calw 1887). Mit R. Kögel und
Emil Frommel giebt er die «Neue Christoterpe» heraus.