mehr
auch verarbeitet. Die Ägypter schätzten Gewänder aus Baumwolle hoch, wie wir aus dem biblischen Berichte über den Aufenthalt der Juden in Ägypten wissen. Joseph erhielt ein baumwollenes Kleid als Geschenk von dem damaligen Pharao. Im Ostindischen Archipel ist die Verwendung der Baumwollhaare zur Anfertigung von Gewändern eine uralte.
Den Bewohnern von Amerika war die Kultur der Baumwolle und ihre Verarbeitung zur Zeit der Entdeckung bereits bekannt. Unter den Geschenken, die Columbus von den Einwohnern von Guanahani erhielt, befand sich auch Baumwolle; die Bewohner des Innern von Hispaniola mußten ihm alle drei Monate 25 Pfd. als Tribut liefern, und auf Cuba fand man große Vorräte von Rohstoff und allerlei Fabrikaten. In Südamerika bestanden die bunten Kopftücher und Schürzen der wilden Indianer aus Baumwolle, die Brasilianer fertigten ihre Hamaks und Jagdgarne daraus, die Peruaner ihre ärmellosen Hemden und Mäntel.
Bei den Mexikanern war die Baumwolle fast das einzige Bekleidungsmaterial. Unter den Geschenken, die Montezuma dem Cortez bot, befanden sich 30 der feinsten baumwollenen Mäntel, außer Teppichen u. s. w., von denen Cortez einige dem Kaiser Karl V. sandte, an dessen Hofe diese Neuheiten die größte Bewunderung erregten. Auf weißen baumwollenen Zeugen entwarfen auch die Maler, die sich unter den Gesandten Montezumas an Cortez befanden, Zeichnungen aller der Merkwürdigkeiten, die sie bei den Spaniern gesehen hatten. In das nördl. Amerika ist die Kultur und Verarbeitung der Baumwolle aber erst durch Europäer eingeführt worden.
Wie die Araber den Anbau der Baumwolle nach Europa brachten, so fingen sie auch zuerst an, dieselbe zu verarbeiten, indem sie Baumwollmanufakturen in Spanien gründeten. Abu Abdallah sandte an Karl d. Gr. als Geschenk baumwollene Zeuge, die in Spanien verfertigt worden waren. Unter Abdarrhaman entwickelte sich diese Industrie noch weiter und gelangte im 12. Jahrh. zu hoher Blüte; im 14. Jahrh. wurde sie in Granada schwunghaft betrieben. Die Christen aber hatten schon im 13. Jahrh. bedeutende Baumwollmanufakturen in Barcelona.
Sicilien verdankt die Einführung dieser Industrie im 12. Jahrh. gleichfalls den Saracenen. In Italien führte Venedig zuerst die Baumwollmanufaktur ein; hier blühte sie im Anfang des 14. Jahrh. und verbreitete sich bald über die benachbarten ital. Städte. Florenz glänzt um diese Zeit durch seine ausgezeichnete Weberei, Appretur und Färberei. Von Italien kam die Baumwollindustrie bald nach der Schweiz, und zwar hauptsächlich nach Zürich, wo im 14. und 15. Jahrh. der Handel mit Baumwolle und baumwollenen Zeugen ein sehr lebhafter war. Um dieselbe Zeit gelangte die Baumwolle von Venedig nach Augsburg; durch den regen Handelsverkehr zwischen diesen beiden Städten fing Augsburg bald an, sehr beträchtliche Mengen von Geweben nach den Niederlanden auszuführen, von wo es später den Rohstoff bezog.
Denn den Niederlanden wie England wurde zwar schon im Anfang des 14. Jahrh. Baumwolle durch Genuesen und Venetianer zugeführt, indes verwandte man dieselbe, soweit bekannt, nur zu Licht- und Lampendochten. Die Holländer sollen aber zuerst in Europa Kattun, wie den indischen, angefertigt haben, eine Kunst, die wohl zu Anfang des 16. Jahrh. nach England übersiedelte. Prot. Flüchtlinge brachten die Baumwollspinnerei und Weberei hierher, unter Heinrich VIII. begann die Verarbeitung der Baumwolle in Lancashire, und eine Parlamentsakte Eduards VI. spricht schon von Baumwollwaren von Manchester, Lancashire und Cheshire.
Manchester wurde der Hauptplatz der Fabrikation baumwollener Gewebe (Kanevas, Barchent, Fustian, Dimity u. a.) und lieferte bald baumwollene Sammete und Velvetins. Aber erst durch die Einführung des Kattundrucks und die gesetzliche Beschränkung der Einfuhr ostind. Zeuge 1700 und 1721 gelangte die englische Baumwollindustrie zu stärkerer Entfaltung, und seit Erfindung der Spinnmaschinen, namentlich in den zwei letzten Jahrzehnten des 18. Jahrh., ist sie mit Riesenschritten vorwärts geeilt, so daß sie die aller andern Länder Europas überflügelt hat.
Der Erfindungsgeist und die Energie des angelsächs. Stammes lieferten in einem halben Jahrhundert unendlich viel mehr als alle Weisheit des Orients in Jahrtausenden. Den Engländern folgten die Franzosen, Schweizer und Deutschen bald nach. In Deutschland war Sachsen eins der ersten Länder, und Plauen die erste Stadt, wo Kattunfabriken im großen angelegt wurden, und noch immer ist Sachsen das Hauptland für die deutsche Baumwollindustrie. Zu diesen europ. Gebieten sind in neuester Zeit die Vereinigten Staaten von Amerika und Britisch-Ostindien hinzugetreten, so daß eine Zweiteilung Europas in Großbritannien und den Kontinent vorausgesetzt, vier verschiedene Richtungen zu unterscheiden sind, nach denen sich der auf der Erde produzierte Rohstoff verteilt, um fabrikmäßig verarbeitet zu werden.
Gegenwärtig nimmt die Baumwollspinnerei und Baumwollweberei, was Umfang der Etablissements, Verbrauch des Rohmaterials, Zahl der beschäftigten Hände und Anwendung maschineller Hilfsmittel anlangt, unter allen Zweigen der Textilindustrie die erste Stelle ein. Sie zuerst hat von den Erfindungen der neuern Zeit im Fache des Maschinenwesens Gebrauch gemacht; die Spinnmaschine, der mechan. Webstuhl fanden in der Baumwollindustrie zuerst Anwendung, ja verdanken ihr Erfindung und konstruktive Entwicklung; Druck- und Appreturmaschinen nahmen von ihr den Weg in andere Gebiete der Faserstofftechnik. In ihrem Rohstoff fast vollständig von außereurop. Gebieten abhängig, tritt in der Baumwollindustrie das Übergewicht europ. Intelligenz und europ. Kapitals auf das glänzendste zu Tage und läßt sie als eins der lehrreichsten Beispiele unserer technischen und wirtschaftlichen Erfolge erscheinen.
2) Statistisches. Von dem gewaltigen Aufblühen der in Europa selbst giebt zunächst der jährliche Verbrauch Europas von Baumwolle Aufschluß; derselbe belief sich im Durchschnitt: 1846-50 auf 518 Mill. kg, 1851-55 auf 704 Mill. kg, 1856-60 auf 871 Mill. kg, 1861-65 auf 665, Mill. kg, 1866-70 auf 1040 Mill. kg, 1871-72 auf 1018 Mill. kg, 1881-82 auf 1156 Mill. kg und 1889-90 auf 1661 Mill. kg. Die Anzahl sämtlicher Spindeln Europas belief sich 1832 auf 11,8 Mill., 1880 war sie auf 58,6 Mill. Gestiegen. Anfang 1895 wird die Anzahl sämtlicher Baumwollspindeln der Erde auf etwa 90 Mill. zu veranschlagen sein, der Gesamtverbrauch des Jahres 1894 dürfte 2000 Mill. kg überstiegen haben.
Weitaus an der Spitze der Produktion sowohl Europas wie der ganzen Erde steht Großbritannien; im übrigen macht den Anteil der einzelnen Länder an der Baumwollindustrie nachstehende Tabelle ersichtlich:
mehr
Länder | Jahr | Spindeln in Mill. | Webstühle | |
---|---|---|---|---|
Großbritannien | 1892 | 45,35 | 627000 | |
Vereinigte Staaten von Amerika | 1892 | 15,28 | 260000 | |
Deutschland | 1893 | 6,07 | 125000 | |
Frankreich | 1890 | 4,91 | 72784 | |
Rußland | 1890 | 4,27 | 97000 | |
Ostindien | 1892 | 3,40 | 47300 | |
Österreich-Ungarn | 1891 | 2,90 | 76550 | |
Spanien | 1888 | 1,97 | 9000 | |
Schweiz | 1891 | 1,96 | 25600 | |
Italien | 1890 | 1,80 | 30000 | |
Belgien | 1889 | 0,95 | ---- | |
Niederlande | 1887 | 0,35 | ---- | |
Schweden | 1884 | 0,30 | ---- | |
Brasilien | 1885 | 0,23 | 4836 | |
Griechenland | 1884 | 0,08 | 600 | |
Japan | 1890 | 0,38 | ---- | |
Zusammen | 94,20 | ---- |
Hierbei ist jedoch nicht zu übersehen, daß Maschinen- und Handwebstühle vielfach nicht getrennt sind.
Noch deutlicher tritt die volkswirtschaftlich hervorragende Bedeutung der Baumwolle hervor, faßt man die zu ihrer Verarbeitung nötigen Anlagen ins Auge. Berechnet man die durchschnittlichen Anlagekosten der Baumwollspindel nur mit je 35 M., so ergiebt sich ein Anlagekapital von mehr als 3,4 Milliarden M., und schlägt man die Anlagekosten pro Webstuhl auf rund 900 M. an, so erhält man für etwa 1,5 Mill. Webstühle eine Summe von 1350 Mill. M. Der alljährlich zur Verarbeitung gelangende Rohstoff repräsentiert an den Verbrauchsstätten trotz der Anfang 1895 sehr niedrigen Preise einen Wert von etwa 1800 Mill. M. Veranschlagt man den Kohlenkonsum pro Spindel und Jahr nur auf 60 Pfd. Steinkohle, den pro Webstuhl auf 30 Ctr. durchschnittlich, so haben die Kohlenwerke den Baumwollspinnereien und Webereien jährlich 58,9 Mill. Ctr. Kohlen zu liefern. Ein ganzes Heer von Arbeitern ist erforderlich, um mit den Maschinen die ungeheure Arbeit zu bewältigen. Nimmt man nur 8 Arbeiter auf 1000 Spindeln und 2 Arbeiter auf 3 Webstühle an, so ergiebt sich eine Arbeiterzahl von 1 750000 Personen. Das Gesamtanlage- und Betriebskapital wird mindestens 6 Milliarden M. erreichen, ebenso hoch ist etwa der Wert der jährlich erzeugten Halb- und Ganzfabrikate.
Dabei hat sich die Menge des erzeugten Baumwollgarns weit bedeutender vermehrt, als die Steigerung der Wertsummen erkennen läßt. Denn die Preise von Baumwollwaren sind fortwährend niedrigere geworden. Es kostete:
1781 | 1840 | 1881 | 1394 | |||
---|---|---|---|---|---|---|
1 Pfd. Baumwollgarn Nr. 100 | 6 sh. | 3 sh. | 2½ sh. | 1¼ sh.. | ||
1 " | " | " | 40 | 5½ sh. | 10 d. | 6¾ sh. |
1 Yard Kaliko | 1 sh. | 2½ d. | 2 d. | 1 d. |
Man hat eben gelernt, immer sparsamer zu sein und durch Vervollkommnung der Maschinen aus verhältnismäßig geringerm Rohstoff gutes Garn zu erzeugen. So wurden in den franz. Spinnereien verbraucht bei Herstellung der Garnnummern Nr. 15: 30,1 kg Baumwolle, von Nr. 40: 9,75 kg, von Nr. 100: 2,3 kg und von Nr. 150: 1,19 kg. Zu Gespinsten über Nr. 40 werden meist die besten amerik., ägypt. und levantin. Marken verarbeitet.
England, das Mutterland der Baumwollindustrie, behauptet in derselben, besonders hinsichtlich ihrer Ausdehnung, noch immer den ersten Rang. Wenngleich die Löhne dort höher sind, so hat doch England noch so viele und große Vorteile voraus, daß ihm der Welthandel in den Baumwollerzeugnissen nicht so leicht streitig gemacht werden kann. Die mächtige Reederei, die das Mutterland mit den großen Kolonien verbindet, die riesige Einfuhr der Baumwolle aus den Häfen aller Weltteile vermittelt und die fertigen Waren mit den geringsten Kosten ihren Bestimmungsorten zuführt, sodann die Nähe des größten Baumwollmarktes bei den Manufakturbezirken, das ausgedehnte Eisenbahnnetz, der große Kolonialbesitz, die seit Jahrzehnten bestehenden Geschäftsverbindungen und Absatzgebiete, endlich die große Maschinenindustrie, die unablässig bestrebt ist, die wirksamsten Hilfsmittel für Spinnerei, Weberei und Druckerei zu liefern: sie sind die gewichtigsten Faktoren für das Übergewicht der englischen Baumwollindustrie. Ihre Entwicklung ist seit 1850 eine außerordentliche gewesen; 1850 bestanden 1932 Spinnereien mit 20,977 Mill. Spindeln, 1878 dagegen 2674 Etablissements, 39,597 Mill. Spindeln, 514 911 Maschinenstühle und 482 903 Arbeiter; 1885 waren dieselben auf 2635 Etablissements, 44,348 Mill. Spindeln, 560 955 Maschinenstühle und 504 069 Arbeiter gestiegen.
Für 1895 sind etwa 46,5 Mill. Spindeln und 630000 Webstühle anzunehmen. Den Wert aller in England erzeugten Baumwollwaren berechnet Ellison für 1875-78 auf jährlich 1880 Mill. M. Zieht man als Wert des eingeführten Rohstoffs 770 Mill. M. ab, so verbleiben für Zins, Löhne, sonstige Kosten und Nutzen 1110 Mill. M. Von dem produzierten Quantum behielt Großbritannien für 340 Mill. und versandte für 1540 Mill. M. Die besten Abnehmer sind noch immer Britisch-Ostindien (30-32 Proz.) und Australien, dann Mittel- und Südamerika und die Türkei nebst Afrika.
Die Hälfte aller Garne geht dagegen nach dem europ. Kontinent. England vermag Garn bis zu den feinsten Nummern (Nr. 600 engl.) zu liefern; man hat es hier auch so weit gebracht, durch Einführung der Mule-Selbstspinner die Zahl der in den Spinnereien verwendeten Personen auf 6 auf 1000 Spindeln zu vermindern. Der gewaltige Aufschwung dieser Industrie ist den arbeitsparenden Erfindungen von Hargreaves, Arkwright, Crompton insbesondere zuzuschreiben; der Gesamtverbrauch an Baumwolle, der 1775 erst 2,16 Mill. kg betrug, stieg 1800 auf 23,218, 1850 auf 315, 1881 auf 650, endlich 1894 auf etwa 880 Mill. kg.
Nächst England kommen die Vereinigten Staaten von Amerika, die 1832 erst 1,2 Mill. Spindeln besaßen, in dem Zeitraum von 1861 bis 1880 aber ihre Spindelzahl von 5 335 727 auf 10 653 435 vermehrt haben, 1892 bereits 15,28 Mill. Spindeln besaßen und demzufolge statt 187 Mill. kg, wie damals, 1894 etwa 480 Mill. kg verarbeiten. In diesen Spinnereien und an den 225 759 mechan. Webstühlen arbeiteten 1885: 196 480 Leute. Solche Etablissements bestehen schon in 24 Staaten, weitaus die meisten (weit über ein Drittel) aber in Massachusetts, nächstdem in Rhode-Island, Connecticut, New-Hampshire und den übrigen Staaten der Nordostküste.
Indessen reichen für die feinern Gespinste und Gewebe ihre Leistungen nicht aus; es findet daher trotz hoher Zölle eine ansehnliche Einfuhr statt, die seit Einführung der MacKinley-Bill freilich bedeutend gesunken ist. Für 1890 wird das Anlagekapital der 904 Fabriken zu 354 Mill. Doll., der Produktenwert zu 268 Mill. Doll. angegeben, wobei nicht zu übersehen ist, daß die dortige Baumwollindustrie zur Zeit vorzugsweise billigere Ware liefert. Die Arbeiterzahl betrug 221 585, deren Jahreslohn 69,5 Mill. Doll.
mehr
Deutschland nimmt den dritten Rang ein. Die mechan. Baumwollspinnerei und Weberei wurde Ende des 18. Jahrh. durch einige Etablissements in Rheinland, Westfalen, Sachsen, Schlesien und Bayern begründet; die junge Industrie hatte aber gegen die engl. Konkurrenz einen sehr schwierigen Stand. Erst von etwa 1840 ab entwickelte sie sich besser. Die Zahl der Baumwollspindeln, 1846 erst 750 298, betrug 1861 bereits 2 235 195; 1871 kam Elsaß-Lothringen hinzu, das damals 1,89 Mill. Spindeln zählte. Nach der Zählung von 1875, der letzten dieser Art, waren im Deutschen Reich beschäftigt 4 200 811 Spindeln, davon 3 533 278 Feinspindeln, 504 891 Waterspindeln und 162 642 Zwirnspindeln. Die Gesamtzahl der beschäftigten Personen betrug 66 675. Für das J. 1895 sind über 6 Mill. Spindeln mit etwa 85000 Arbeitern anzunehmen.
Der Wert der eingeführten Garne belief sich 1893 aus 47,6 Mill., der ausgeführten auf 21,2 Mill. M. Die eingeführten Garne sind größtenteils engl. und schweiz. Fabrikat von höhern Feinheitsnummern. Die Baumwollwarenindustrie hatte einen ebenso schweren Kampf zu bestehen als die Spinnerei; jetzt sendet sie aber ihre Produkte nach allen Ländern. Die Einfuhr kommt zum größten Teil aus England, zeigt aber in jüngster Zeit einen erheblichen Rückgang. Von baumwollenen Waren wurden eingeführt 1860: 543, 1870: 1300, 1880: 1386, 1890: 1478, 1893: 1795 t;
ausgeführt 1860: 8310, 1870: 8840, 1880: 15 152, 1890: 28 190, 1893: 33 204 t. Für Baumwollwaren belief sich der Wert der Einfuhr auf 10,9 Mill., der der Ausfuhr auf 170,2 Mill. M. Im J. 1893 setzte sich die Ausfuhr zusammen aus 20 074 t Zeugwaren, 8800 t Strumpfwaren, 2870 t Posamenten und 1460 t Gardinen, Spitzen u. dgl.; bei dem letzten Posten ist aber die Einfuhr von annähernd gleicher Stärke. Bei der Baumwollweberei hat die mechan. Weberei die Handweberei fast völlig verdrängt; nur bei einigen Zweigen, für die sie sich besonders eignet, ist die letztere beibehalten worden.
Nach der Gewerbezählung von 1875 (neuere Erhebungen fehlen) waren nur 8198 Handstühle, aber 80 465 Maschinenwebstühle vorhanden und 203 489 Personen in der Weberei beschäftigt. Dazu kamen noch die Bleichereien, Färbereien und Druckereien mit 20 277 Menschen, so daß sich das ganze in der Baumwollindustrie thätige Arbeiterheer auf 290 111 (für 1895 etwa 400000) beziffert. Was die lokale Verbreitung anlangt, so sind die beiden Hauptgebiete das Elsaß und das Königreich Sachsen. Sachsen übertrifft in Erzeugung und Ausfuhr der sehr wertvollen baumwollenen Strumpfwaren alle Industrieländer, wie auch seine Fabrikation von Posamenten und Gardinen sehr bedeutend ist. Weiter sind wichtige Fabrikationsgebiete Württemberg und Baden;
in Bayern: Schwaben, Neuburg und Oberfranken;
in Preußen: Rheinland, Westfalen, Schlesien, Hannover;
in Thüringen: Gera, Greiz u. a.
Die Baumwollindustrie Frankreichs hat durch die Lostrennung von Elsaß-Lothringen einen sehr schweren Verlust erlitten, der bis 1892 nur erst zum Teil ausgeglichen ist. Man zählte 1882: 1065 Etablissements mit 107 949 Arbeitern, 4 716 897 beschäftigten und 210 727 stehenden Spindeln, sodann 71 977 beschäftigte und 2968 stillstehende Kraftstühle, außerdem 39 719 Handstühle. Frankreich ist gegenwärtig mit nahezu 5 Mill. Spindeln auf seine Spinnereien in der Normandie (Rollen und Umgegend) für ordinäre Garne und auf die Feinspinnereien in Lille, Amiens und St. Quentin angewiesen. Es muß aber von Garnen immer noch sehr bedeutend einführen. Die Baumwollweberei und -Druckerei ist in der Normandie in ziemlicher Ausdehnung vertreten; die Fabriken arbeiten ausschließlich für das Inland und können einer Konkurrenz im Auslande noch nicht begegnen. Unübertroffen ist die Weberei undichter Stoffe in Tarare und Umgegend, die an 50000 Arbeiter beschäftigt.
Die Baumwollindustrie der Schweiz ist durch den Fleiß und Unternehmungsgeist ihrer Bewohner und durch das genaue Studium der Bedürfnisse fremder Länder zu einer Ausdehnung und Vollendung gelangt, die sie den größten Industriestaaten ebenbürtig an die Seite stellt und sie auf den meisten überseeischen Märkten eine erfolgreiche Konkurrenz aufnehmen läßt. Die Zahl der Spindeln belief sich 1884 auf 1 880000, die der mechan. Webstühle für rohe Gewebe auf 18 208, für bunte auf 6702. In allen Etablissements waren 42 819 Personen thätig.
Für 1895 sind etwa 2,2 Mill. Spindeln, 27000 Webstühle und 60000 Arbeiter anzunehmen. Die mit großer Intelligenz und mächtigen Geldkräften betriebene Spinnerei, die sich früher vorzugsweise in den Nummern 60-100 aus ägypt. Baumwolle und den feinern Sorten aus Sea-Island bewegte, erstreckt sich jetzt auch auf gröbere Sorten und Strumpfgarn von besonders guten Qualitäten. Ein großer Teil der Garne wird nach Österreich, Frankreich, Deutschland und Italien ausgeführt, während ein anderer Teil im Lande selbst verwebt wird. Unter den Erzeugnissen der Weberei nehmen die für Ostasien bestimmten sog. «Sarongs», eine Nachahmung ind. Gewebe, eine bemerkenswerte Stelle ein, weil es bei denselben auf die möglichst getreue Nachahmung aller Web- und Druckfehler ankommt. Die Maschinenstickerei beschäftigt über 12000 Maschinen und etwa 20000 Arbeiter.
Der Schwerpunkt der belgischen Textilindustrie liegt in Leinen und Wolle, doch ist, zumal wenn man die Ausdehnung und Volkszahl erwägt, auch die Baumwollindustrie recht beachtenswert. Das Land verfügt über rund 1 Mill. Baumwollspindeln, bezieht aber noch Garne aus England für seine Webwaren, deren Ausfuhr sich dem Werte nach zwischen 18-20 Mill. M. bewegt.
Auch die Baumwollindustrie Österreichs (Cisleithaniens) nimmt eine hervorragende Stellung ein; ihre Geschichte reicht bis ins 18. Jahrh. zurück, und schon im Anfang des 19. Jahrh. wurden bedeutende Spinnereien in Böhmen und Niederösterreich errichtet. Diese gewerbliche Thätigkeit beschäftigte 1891 nahezu 3 Mill. Feinspindeln und ist in Böhmen (Reichenberg) mit 940000, in Niederösterreich mit 480000, in Vorarlberg mit 250000, in Oberösterreich mit 160000 Spindeln konzentriert.
Sonst finden sich Etablissements in Steiermark, Görz, Mähren und Krain. Beim mechan. Betrieb waren 48000 Kraftstühle wirksam, davon 34 400 in Böhmen (Reichenberg). Die Handweberei unterhält nur noch 26 200 Stühle gewerbsmäßig. Die Spinnereien Ungarns unterhalten etwa 60000 Spindeln. Österreich bezieht seine Rohbaumwolle zum größten Teile über Triest; es wird meist ostindische und ägyptische versponnen. Man führt Garne aber immer noch stark ein (1893: Einfuhr 119 204, Ausfuhr 23 207 Doppelzentner), dagegen ist die Ausfuhr von Baumwollwaren beträchtlich (1893: Einfuhr l9 413, Ausfuhr 33 219 Doppelcentner).
Die Spinnereien und Webereien Rußlands vermehren und vergrößern sich unter den hohen
[* ] ^[Abb. 1. Kamm-Egreniermaschine.]
[* ] ^[Abb. 2. Schlag- und Wickelmaschine mit Siebtrommel.]
[* ] ^[Abb. 3. Sägen-Egreniermaschine.]
[* ] ^[Abb. 4. Wirkungsweise der Schlagflügel.]
[* ] ^[Abb. 5. Klopfwolf (Whipper).]
[* ] ^[Abb. 6. Kombinierte Vorbereitungsmaschine.]
[* ] ^[Abb. 7. Einfache Schlag- und Wickelmaschine.]
mehr
Eingangszöllen gewaltig. Die Spinnereien stammen aus den vierziger, die Webereien aus den fünfziger Jahren. Ihren Sitz hat die Industrie namentlich in den Gouvernements Petersburg, Moskau, Wladimir, Twer sowie in den balt. und poln. Gouvernements (Lodz). Man zählte 1877 schon 67 Spinnereien mit 2 796 283 Spindeln und 48 672 Arbeitern und 106 Webereien mit 54 566 Webstühlen und 62 567 Arbeitern, 1890 bereits über 4 200000 Spindeln. 1889 bestanden in Rußland für die gesamte Textilindustrie 2979 Fabriken mit einer Erzeugung von 522 Mill. Rubel Wert.
Etwa zwei Drittel dürften davon auf die Baumwollindustrie entfallen. Die Erzeugnisse der russ. Industrie sind zwar ebenso wie die der spanischen, italienischen und holländischen meist nur für den heimischen Bedarf berechnete Waren, und diese Länder sind keineswegs reif zur Konkurrenz auf dem Weltmarkt; es läßt sich indes ein wesentlicher Aufschwung seit 10 Jahren nicht verkennen. Nur die skandinavischen Länder haben noch eine sehr geringfügige Baumwollindustrie, obschon dort die Regierung ernstlich bemüht ist, eine solche durch Schutzzölle ins Leben zu rufen.
Mehemed Alis Versuche, etwas Ähnliches für Ägypten zu thun, sind infolge grober Mißwirtschaft fehlgeschlagen. Dagegen hat sich die Baumwollindustrie Britisch-Indiens in der neuesten Zeit in außerordentlicher Weise gehoben. Dieselbe beschäftigte 1869 erst 390000 Spindeln, 1875-76 in 47 Etablissements schon 1 100 112 Spindeln und 9139 Webstühle, aber 1885 in 81 Etablissements bereits 2 047000 Spindeln und 16 443 Webstühle, an denen 66 163 Personen Beschäftigung fanden. Der Hauptsitz der ostindischen Baumwollindustrie ist Bombay. 1892 war die Zahl der Spindeln wiederum, und zwar auf 3,4 Mill., der Webstühle (einschließlich der für fremde Rechnung beschäftigten Handstühle) auf 47 300 gestiegen. Ein weiterer Aufschwung ist von der 1895 geplanten Erhöhung des Zollschutzes auf Baumwollwaren zu erwarten.
Die Baumwollmanufaktur der wichtigsten Produktionsländer hat zwar in der neuesten Zeit unter dem Rückgang der Preise gelitten, eine quantitative Einschränkung hat sie aber dennoch nicht erfahren.
Ein übersichtliches Bild über die Rolle, welche die Baumwollindustrie im Export spielt, zugleich über ihre Bedeutung in den betreffenden Ländern, giebt die folgende Tabelle (Ausfuhr in Millionen Mark):
Länder | Baumwollgarne | Baumwollwaren | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1886 | 1888 | 1890 | 1892 | 1886 | 1888 | 1890 | 1892 | |
Großbritannien | 281,5 | 296,7 | 306,6 | 251,2 | 1095,5 | 1142,9 | 1181,8 | 1067,9 |
Deutschland | 18,3 | 17,5 | 19,9 | 20,9 | 183,5 | 186,1 | 167,9 | 156,2 |
Frankreich | 2,2 | 2,5 | 2,8 | 2,5 | 85,5 | 81,8 | 87,9 | 76,4 |
Vereinigte Staaten von Amerika | 1,6 | 1,9 | 1,9 | 2,9 | 56,3 | 37,7 | 51,3 | 42,4 |
Österreich-Ungarn | 2,0 | 2,1 | 2,6 | 2,7 | 13,2 | 11,5 | 10,7 | 12,1 |
Schweiz | 16,5 | 18,6 | 17,9 | 14,4 | 110,4 | 108,1 | 108,6 | 88,1 |
Belgien | 3,4 | 3,4 | 6,2 | 3,1 | 13,5 | 16,4 | 18,7 | 19,5 |
Über Technisches s. die Artikel Baumwollspinnerei, Spinnerei und Weberei; über specielle Beschaffenheit der Baumwollfaser s. Gespinstfasern; über Anbau und Ernte der Baumwolle sowie über die Handelssorten, die Produktion, Aus- und Einfuhr der Rohbaumwolle s. Baumwolle.
Aus der sehr umfangreichen Litteratur über die Baumwollindustrie sind hervorzuheben: Baines, History of cotton manufacture in Great Britain (Lond. 1835; deutsch von Bernoulli, Stuttg. 1836);
Royle, The fibrous plants of India (Lond. 1855);
Engel, Die Baumwollindustrie im Königreich Sachsen (Dresd. 1856);
Ellison, Handbook of the cotton-trade (Lond. 1858; deutsch von Noest als Handbuch der Baumwollkultur und -Industrie, 2. Ausg., Brem. 1869);
MacHenry, The cotton-trade (Lond. 1863);
Reybaud, Le coton, son régime, ses problèmes, son influence en Europe (Par. 1863);
Alian, Fabrication des étoffes (ebd. 1864);
Ries, Die Baumwollspinnerei in allen ihren Teilen (Wenn. 1868; 2. Aufl. 1885);
Leigh, Science of modern cotton spinning (2. Aufl., 2 Bde., Lond. 1873);
Ries, Der Führer des Baumwollspinners (2. Aufl., Weim. 1874);
Podaro, Relazione sulla coltura dei cotoni in Italia (mit Atlas, Neapel 1878);
Richard, Die Gewinnung der Gespinstfasern (Braunschw. 1880);
Dana, Cotton from seed to loom (Neuyork 1878);
Jannasch, Die europ. Baumwollen-Industrie (Berl. 1882);
Amtlicher (deutscher) Bericht über die Wiener Weltausstellung im J. 1873 (Heft 5: Weigert, Textil- und Bekleidungsindustrie, Braunschw. 1874);
Offizieller (österreichischer) Ausstellungsbericht (Heft 13: Peez, Baumwolle und Baumwollwaren, Wien 1874);
Schulze-Gävernitz, Der Großbetrieb ein wirtschaftlicher und socialer Fortschritt.
Eine Studie auf dem Gebiete der Baumwollindustrie (Lpz. 1892).