Arbeitsleistungen zur Nutznießung überweisen, und es war den Befreiten dann die Möglichkeit geboten, die Häuser nebst
Zubehör, sowie unter Zustimmung der Gutsbesitzer auch das Land als Eigentum zu erwerben. Die
Ablösung erfolgte in der
Weise,
daß die Leistungen des
Bauern nach dem Zinsfuß von 6 Proz. kapitalisiert wurden und von der
so berechneten
Summe 20 Proz. sofort an den Grundherrn zu bezahlen waren, während die Regierung demselben
den Rest von 80 Proz. in fünfprozentigen Schatzscheinen oder Loskaufscertifikaten abtrug und
von den
Bauern diesen
Vorschuß im Laufe von 49 Jahren in Gestalt einer
Zins und
Amortisation darstellenden Quote von 6 Proz.
desselben einzog.
Als
Käufer konnten sowohl Einzelne und Genossenschaften wie auch, im Anschluß an das in
Rußland weitverbreitete
System des
Gemeindebesitzes (s. Mir), die Bauerngemeinden auftreten, deren Mitglieder dann solidarisch für
die Loskaufssumme wie für die übrigen
Abgaben hafteten. Im ganzen wurde ungefähr ein Drittel des adligen Grundbesitzes,
nämlich 35 779 014 Dessiatinen (390 886 qkm) an 9 795 163
Bauern überwiesen. So unabweisbar die in
Rußland
auch geworden war, so konnte sie doch, als tiefer
Eingriff in das bestehende Wirtschaftssystem, auch nicht ohne manche mißlichen
Folgen bleiben, deren Tragweite durch den geringen Bildungsstand und die zunehmende
Trunksucht der
Bauern,
vielfach auch durch das mit landwirtschaftlichem Fortschritt nicht vereinbarte
System der Feldgemeinschaft vergrößert wurde.
Während bald nach der Emancipation der Bodenpreis in einigen Gouvernements 50 und mehr Prozent hoher stand als der Ablösungspreis
von 1861, war er in andern Landesteilen mehr oder weniger erheblich unter den letztern zurückgegangen. Eine
amtliche Untersuchung der landwirtschaftlichen Verhältnisse seit der Bauernemancipation wurde 1872 durch eine
Kommission veranstaltet, die
einen ausführlichen
Bericht mit vielen
Anlagen (5 Bde., Petersb.
1873; russisch) veröffentlicht hat. Einen kurzen Überblick desselben giebt
Walcker: «Die russ.
Agrarfrage» (Berl. 1874).
-
In betreff der Bauernemancipation im allgemeinen vgl. Sugenheim,
Geschichte der Aufhebung der
Leibeigenschaft und Hörigkeit in Europa
[* 2] (Petersb. 1861).
Karl Maximilian von, Geodät und Ingenieur, geb. zu
Arzberg in Oberfranken, widmete sich
1836-41 zu
Nürnberg
[* 3] und
München
[* 4] technischen
Studien, war bis 1844 an der
Bauleitung für die Fichtelgebirgsbahn beteiligt und
wurde hierauf als Hilfslehrer an die Ingenieurschule zu
München berufen. Hier wurde er 1846 außerord., 1851 ord. Professor
der Geodäsie und Ingenieurwissenschaften. Von 1858 bis 1868 war Bauernfeind außerdem als
Baurat und Referent
im bayr. Ministerium des Innern thätig, 1868 wurde er zum Direktor der nach seinem
Plane aus der
Münchener Polytechnischen
Schule umgeschaffenen
Technischen Hochschule ernannt, welches
Amt er bis 1874 und wieder 1880-83 bekleidete.
Seit 1865 Mitglied der königlich bayr.
Akademie der Wissenschaften und der europ.
Gradmessung,
[* 5] wurde er 1873 vom
König von
Bayern
[* 6] in den persönlichen Adelsstand erhoben. Er trat 1890 in den
Ruhestand und starb in
München. Zu
B.s geodätischen
Schriften gehört:
«Theorie und Gebrauch des Prismenkreuzes»
(Münch. 1851). Die Erfindung dieses allgemein
angewendeten
Instrumentes beruht auf der Entdeckung des Verfassers, daß durch
totale Reflexion dreiseitiger
Glasprismen von bestimmter Gestalt einfallende
Lichtstrahlen um konstante Winkel
[* 7] von bestimmter
Größe abgelenkt werden. Mit
dieser Entdeckung war auch das zum
Messen von Entfernungen dienende Bauernfeindsche Distanzprisma erfunden. Hierauf folgte
B.s Hauptwerk: «Elemente der Vermessungskunde» (2 Bde.,
Stuttg. 1856-58; 7. Aufl. 1890). Durch seine
«Beobachtungen und Untersuchungen über die Genauigkeit barometrischer
Höhenmessungen»
(Münch. 1862) wirkte Bauernfeind bahnbrechend in der vielumstrittenen Frage über den Wert der Barometermessungen,
indem er zeigte, daß und warum die auf diesem Wege gefundenen
Höhen eine tägliche
Periode haben, also von den durch Nivellieren
erhaltenen nach bestimmten Regeln abweichen.
Anknüpfend an diese
Arbeit liefert dieAbhandlung über «Die atmosphärische
Strahlenbrechung
[* 8] u. s. w.»
l2 Abschn.,
Münch. 1864-67) eine
Theorie dieser Erscheinung.
In den «Ergebnissen aus
Beobachtungen der terrestrischen
Refraktion»
(3 Hefte,
Münch. 1880-88) wird zum erstenmal nachgewiesen, daß die trigonometrisch bestimmten
Höhen eine tägliche
Periode
haben.
AndereSchriften sind: «Beobachtungen und Untersuchungen über die Eigenschaften und praktische Verwertung
der Naudetschen Aneroidbarometer»
(Münch. 1874),
«Das Präcisionsnivellement in
Bayern rechts des Rheins» (endgültig bearbeitet von Oertel, ebd. 1893). Von
den ingenieurwissenschaftlichen
Arbeiten B.s sind anzuführen: «Beitrag zur
Theorie der Brückengewölbe» (1846),
«Vorlegeblätter
zur Brückenbaukunde» (3. Aufl., 2 Bde.,
Stuttg. 1876),
«Vorlegeblätter zurStraßen- und Eisenbahnbaukunde»
(Münch. 1856),
«Vorlegeblätter zur
Wasserbaukunde mit erläuterndem
Text» (ebd. 1866),
«Grundriß der Vorlesungen über Erd- und
Straßenbau» (ebd. 1875). Eine 1856 verfaßte,
nicht gedruckte
Denkschrift über
eiserne Brücken gab Veranlassung zur Ausbildung und Patentierung des Paulischen Brückensystems.
Eduard von, Lustspieldichter, geb. zu
Wien,
[* 9] studierte daselbst die
Rechte,
wurde 1826 Konzeptspraktikant bei der niederösterr. Regierung, erhielt 1830 eine
Stelle bei der Hofkammer und 1843 bei der
Lotteriedirektion; später wurde er Leiter des Lottogefälls. Eine
Reise durch Süddeutschland nach
Paris
[* 10] und
London
[* 11] (1845)
verleidete ihm die vormärzlichen Verhältnisse
Österreichs, die er schon vorher in seinen als Petition
gegen die Censur eingereichten
«Pia desideria eines österr. Schriftstellers» (1842) kritisiert hatte; 1848 verließ er den
Staatsdienst, um sich ganz der Litteratur zu widmen. Er wurde später geadelt und lebte bis zu seinem
Tode, zurückgezogen
in seiner Vaterstadt. Nach einigen mißglückten dramat. Versuchen schlugen «Leichtsinn
aus Liebe» (1831) und besonders «Das Liebesprotokoll»
(1831) durch. Von seinen
Lustspielen haben dann namentlich «Die Bekenntnisse» (1834),
«Bürgerlich und romantisch» (1835) und
die
Allegorie der Staatszustände «Großjährig» (1846) dauernden Bühnenerfolg
gehabt. Nächstdem sind hervorzuheben: «Das
Tagebuch» (1836),
«Alkibiades» (1889)
abfielen. B.s Salonstücke sind wahrhafte gesellschaftliche Gemälde, die das moderne Leben selbst, nicht bloß das beschränkte
bürgerlicher Familienkreise, und die geistige Bewegung der Zeit widerspiegeln. Die Charaktere sind lebendig gezeichnet, die
Situationen geschickt und theatralisch wirksam durchgeführt. B.s Lieblingshelden sind geistreiche,
blasierte Junggesellen, die nach bewegter Jugend spät in den Hafen einer glücklichen Ehe einlaufen.
Die Gesprächsführung ist äußerst gewandt und Muster des Konversationstons, geistvoll, elegant und von ungezwungenem Witz,
der auch in B.s Epigrammen «Zahme Xenien» Ausdruck fand. Auf Reichtum der Erfindung und kunstvollen Aufbau legt
Bauernfeld wenig Gewicht. Er verfaßte auch einige Libretti, so zu FranzSchubertsOper «Der Graf von Gleichen», ferner «Gedichte» (Lpz.
1852: 2. Aufl. 1856),
unter denen aber nur die satirischen Beachtung verdienen, und ein «PoetischesTagebuch» von 1820 bis 1886 (Berl.
1887). B.s dramat. Arbeiten sind in seinen «Gesammelten Schriften» (12 Bde., Wien 1871-73) vereinigt; der 12. Band
[* 14] bietet auch die Memoiren «Aus Alt- und Neu-Wien». Den «Dramat. Nachlaß» gab von Saar heraus (Stuttg.
1893). B.s echt wienerisches Wesen zeitigte «Wiener Einfälle und Ausfälle» (1852) und «Ein Buch von uns Wienern in lustig-gemütlichen
Reimlein von Rusticocampius» (1858). Der polit.-doktrinäre Roman «Die Freigelassenen. Bildungsgeschichte
aus Österreich»
[* 15] (2 Bde., Berl.
1875) besteht im wesentlichen aus Aphorismen; Früchte seines Alters waren das satir. Gedicht «Aus der Mappe des alten Fabulisten»
(Wien 1879) und sein «Novellenkranz» (ebd. 1884). -