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erregte die Spanier, die noch aus ihrer großen Zeit den dem Henriquatre verwandten sog. Spanischen Bart trugcn. Seit Ludwig XIII. und XIV. begann in Westeuropa die Mode, dann die Militärdisciplin sich des Bart zu bemächtigen, und seine Form und Gestalt wurde seitdem zahllosen Veränderungen unterworfen. In Rußland begann Peter d. Gr. die Kultivierung mit Verbot des großen Bart für alle Nichtbauern und führte, als er nicht gleich durchdrang, eine Bartsteuer ein; wer durch die Thore einer Stadt mit einem Bart ging, mußte ihn versteuern. Die Starowherzen (Altgläubigen) behielten ihn trotz Peters Verfolgungen bei.
Seit der Eroberung von Algier (1830) wurde erst in Frankreich, dann im übrigen Europa, [* 2] besonders seit 1848 wieder der Vollbart Mode; er galt eine Zeit lang als Abzeichen demokratischer Gesinnung, und einzelne Regierungen bekämpften den Bart, wenigstens bei Beamten. Für die europ. Heere giebt es teils bestimmte Vorschriften, teils allgemein befolgte Sitten; so ist in Österreich [* 3] der Kotelettbart mit ausrasiertem Kinn, im Deutschen Reiche der ausgezogene Schnurrbart, in Frankreich der Knebel- mit Spitzbart, dem Henriquatre ähnlich, ihm verwandt der Victor Emanuel-Bart in Italien, [* 4] in Rußland der quadratische Vollbart üblich, im großbrit.
Heere der bis 1840 untersagte Schnurrbart seitdem vorgeschrieben; die preuß. Garde trägt das Kinn stets rasiert. Die Mode hat sich fort und fort in häufigem Wechsel mit der Form des Bart beschäftigt. Bald war mehr der Schnurr- oder der Knebelbart, bald, besonders in Frankreich (wo später der Kinnbart à la. Napoleon III. aufkam), der Henriquatre, bald der Backenbart beliebt. Der Geistlichkeit wurde der Bart bald streng verboten, bald wieder gestattet. Bei den Katholiken tragen nur die Ordens-, nicht die Weltgeistlichen einen Bart. Die Priester der griech. Kirche traten seit Mitte des 9. Jahrh. lebhaft für den in die Schranken, schmähten die röm.-kath. Geistlichen und deren bartlose Heilige und behielten den Bart bis heute bei, insbesondere die russ. Dorfpopen. In neuerer Zeit tragen viele prot. Geistliche den Bart, der ihnen vor nicht langer Zeit noch verboten oder bloß als Backenbart erlaubt war, während bis um 1700 Schnurr- und Zwickelbart für sie als allgemeiner Brauch galt. Die israel. Rabbiner tragen der alten religiösen Vorschrift entsprechend den ungestutzten Vollbart.
Der hat, außer den mit dem Kopfhaare gemeinsamen Krankheiten (z. B. Schuppen- und Kleienflechte, Wabengrind, Ansfallen oder Ergrauen der Haare [* 5] u. s. w.), noch einige eigentümliche Krankheiten, namentlich die Bartfinne, Bartflechte oder den Bartgrind (Mentagra, Sycosis), eine schmerzhafte, tiefgreifende Entzündung der Haarbälge und Haarbalgdrüsen, welche leicht zu ausgedehnter Borkenbildung, zu Geschwüren und Wucherungen führt, meist durch Anhäufung von Schmutz an den Wurzeln des Haars, oft aber auch nur durch das Rasieren hervorgerufen oder unterhalten wird.
Ein eigentümlicher mikroskopischer Pilz [* 6] (Trichophyton tonsurans) findet sich bei der Bartfinne an und in den erkrankten Haaren. Diese parasitäre Form der Bartfinne, welche Köbner als knotige Trichomycosis bezeichnet, ist durch Ansteckung von einer Person auf die andere übertragbar. Dieselbe kann gewöhnlich schon durch vollständiges Beseitigen (Ausraufen) oder tägliches Abrasieren der kranken Haare und durch Bestreichen der erkrankten Stelle mit Auflösung von Quecksilber- oder Kupfersalzen, mit Carbolöl, Schmierseife oder Schwefelpaste gründlich geheilt werden.
Vgl. G. Barth, De barba (1736);
Fangé, Mémoire pour servir à l'historie philosophique de la barbe (Lyon [* 7] 1770);
Geschichte der und der spitzen Kapuzen (aus dem Französischen, Köln [* 8] und Bamb. 1780);
Dulaure, Pogonologie on historie philosophique de la barbe (Par. 1786);
Schelle, Geschichte des männlichen Bart bei allen Völkern (nach dem Französischen, Lpz. 1787 u. 1797);
Dom Calmet, Historie de la barbe de l'homme.
Historie des révolutions de la barbe des Français, depuis l'origine de la monarchie (Par. 1826);
Philippe, Histoire philosophique, politique et religieuse de la barbe (ebd. 1845);
Falke, Haar [* 9] und Bart der Deutschen (im «Anzeiger des Germanischen Museums», 1858);
Quicherat, Historie du costume en France (Par. 1875);
Fleischer, Wertschätzung und Pflege von Haar und Bart (Lpz. 1885).