(Cestodes), eine Ordnung von Plattwürmern (s. d.), die infolge
fast vollständiger Anpassung an eine lebenslänglich und ausschließlich parasitische Lebensweise auf einer sehr niedrigen
Stufe der Entwicklung steht. Ihr langgestreckter Körper besteht aus einem sog. Kopfe (Scolex) und einer Kette von gleichwertigen
Gliedern (Proglottiden), die nach dem Hinterende zu immer größer werden. Mund, Darm, Atem- und Blutkreislauforgane
fehlen gänzlich; alle Aufnahme und Abscheidung geschieht direkt durch die Haut hindurch.
Haftorgane finden sich nur am Kopfe: 4 oder 2 Sauggruben, zu denen sich ein ein- oder mehrreihiger Kranz
von Haken gesellen
kann. Ein Nervensystem ist spärlich, das Exkretionsgesäßsystem wohl entwickelt: zahlreiche feine Kapillargefäße
münden in vier neben den Nervensträngen hinziehende Längsstämme;
diese vereinigen sich im Kopfe und besitzen außerdem
im Hinterrande jedes Gliedes eine quere Kommunikation.
Die sehr zahlreichen Arten der Bandwürmer finden sich im ausgebildeten Zustande
ausnahmslos im Darme von Wirbeltieren und können mehrere Jahre leben. Früher hielt man die ganze Gliederkette
der Bandwürmer für ein einziges Individuum, während sie jetzt allgemein aufgefaßt wird als eine Kolonie von Einzeltieren, denen
die einzelnen Glieder entsprechen. Bei vielen Arten können dieselben nach der Lostrennnng von der Kette noch eine Zeit lang
frei leben und umherkriechen. Daß die Bandwürmer als Tierstöcke anzusehen seien, befürwortet auch ihre mit
Generationswechsel verbundene Entwicklung.
Bei der Mehrzahl der Bandwürmer werden die in den Gliedern gebildeten und befruchteten Eier nicht nach außen abgelegt; sie sammeln
sich vielmehr innerhalb derselben in oft ungeheurer Zahl (50000 und mehr) und vollenden dabei zugleich ihre Embryonalentwicklung.
Mit den Gliedern gelangen sie dann, umgeben von den Exkrementen ihres Wirtes, nach außen entweder ins
Wasser oder an feuchte Stellen und behalten selbst nach dem Absterben und Verwesen ihrer lebendigen Hülle noch längere Zeit
ihre Entwicklungsfähigkeit bei. Die Embryonen liegen innerhalb der mehrhülligen Eier als runde, an einer Seite mit sechs
feinen Häkchen ausgestattete Bläschen
[* ]
(Fig. 1).
[* ]
Figur 1:
Erst im Darm eines passenden Trägers finden diese Embryonen die Bedingungen für weitere Entwicklung; sie verlassen die durch
die Verdauungssäfte gelockerte Eischale, durchbohren mit ihren Haken die Darmwände und gelangen schließlich in die peripheren
Organe, wo sie nach Verlust der Haken zu ansehnlichen, häutigen, nur mit Wasser gefüllten Blasen auswachsen,
um welche der Wirt eine bindegewebige Hülle abscheidet. Nach einiger Zeit beginnt die Blasenwand all irgend einer Stelle
sich einzustülpen; die Einstülpung bildet sich zu einem in der Blase gelegenen hohlen Zapfen aus, der im Innern Saugnäpfe
und Haken bekommt und schließlich, wenn er nach außen hervorgestülpt wird, einen vollkommenen Bandwurmkopf
darstellt, an dessen Hinterende die Mutterblase hängt.
Es entstehen so die als Blasenwürmer, Finnen (Cysticercus) schon lange bekannten Wurmformen, über deren Herkommen und Natur
man früher verschiedene Annahmen aufgestellt hatte. Sie sollten im Körper ihrer Träger infolge eines «falschen Bildungstriebes»
von selbst (durch Urzeugung) entstanden sein; später hielt man sie für verirrte und degenerierte Formen
(Hydatiden) u. s. w.; jetzt weiß man, daß sie völlig normale Bildungen, die Jugendformen der Bandwürmer darstellen.
Die Wohnorte der Finnen innerhalb der Zwischenwirte (so heißen die Finnenträger) finden sich stets in ganz bestimmten Organen;
nur die dahin geführten Embryonen entwickeln sich vollständig, während die nach andern Körperteilen
gelangten zwar meist auch zu einer Blase auswachsen, jedoch immer steril bleiben, d. h. keine Bandwurmköpfchen erzeugen (Acephalocysten).
Der Finnenträger bildet in der Regel ein Hauptnahrungsmittel des gewöhnlich fleischfressenden Bandwurmträgers. So lebt
der Finne der bei der Katze schmarotzenden
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Tenia crassicollis Rud. als Cysticercus fasciolaris in der Leber der Hausmaus, die Finne der großen Taenia marginata Batsch des
Fleischerhundes zwischen den Eingeweiden des Schlachtviehes (Cysticercus tenuicollis), die Finne der Taenia serrata Goetze der
Haus- und besonders der Jagdhunde als Cysticercus pisiformis in den Kaninchen und Hasen u. s. w.
Oft wird von der Blasenwand anstatt eines einzigen eine ganze Anzahl von Köpfchen erzeugt, wie bei der
Finne der Taenia coenurus Sieb. der Schäferhunde, die als Quese oder Drehwurm (Coenurus cerebralis) die berüchtigte Drehkrankheit
der Schafe hervorbringt.
Diese Finne lebt als oft hühnereigroße Blase im Gehirn der jungen Lämmer; ihre Köpfchen, von Hunden gefressen,
werden alle wieder zu Bandwürmer. Ebenfalls hierher gehört ein sehr kleiner, nur drei- oder viergliedriger Bandwurm
des Hundes (Taenia echinococcus Sieb.), dessen Finne als Hülsen- oder Schachtelwurm (Echinococcus) oft Kindskopfgröße erreicht
und die gefährliche Echinokokkenkrankheit (s. Leberechinococcus) hervorruft. Die Köpfchen entstehen hier in den sog. Brutkapseln,
die als feine weiße Pünktchen oft in ungeheurer Zahl der Innenwand der Blase aufsitzen oder nach ihrer
Abtrennung frei in der Flüssigkeit liegen.
Den bis jetzt genannten, sog. echten Blasenbandwürmern (Cysticae) gegenüber steht eine große Anzahl anderer, meist kleiner
Formen (besonders in Vögeln lebend), die sog. Cysticercoiden, bei denen im Finnenzustand der
Kopf ohne Wassereinschluß die Blase ausfüllt. Hierher gehört u. a. die Taenia cucumerina Rud. des Hundes, deren Jugendzustand
in der Hundelaus (Trichodectes canis Deg.) gefunden und mit dieser von ihrem definitiven Träger gefressen wird.
Die Finnen der Cysticercoiden leben fast nur in wirbellosen Tieren. Aus einem einzigen Bandwurmei kann also eine
große Anzahl von Köpfen entstehen; tritt nun die zur Weiterentwicklung notwendige Überführung in einen neuen Träger nach
einer gewissen Zeit nicht ein, dann beginnen die Blasenwürmer abzusterben. Im Magen der definitiven Träger aber werden Blase
und Wurmkörper völlig verdaut; nur der Kopf gelangt in den Dünndarm, setzt sich dort fest und beginnt
nun an seinem hintern Ende die einzelnen Glieder, die Geschlechtstiere, knospen zu lassen. Jedes neue Glied schiebt sich dabei
immer zwischen Kopf und das vorhergebildete ein, so daß die Glieder immer älter und größer werden, je weiter sie sich vom
Kopfe entfernen. Sie entwickeln dabei ihre Geschlechtsorgane, zuerst die männlichen, später die
weiblichen; die reifen Proglottiden sind nichts als lebendige Eibehälter.
Unter den Bandwürmer findet sich eine Anzahl wohl charakterisierter Familien, von denen das meiste Interesse die
der Tänien (Taeniadae) und der Bothriocephalen (Grubenköpfe, Bothriocephalidae) beanspruchen, da Vertreter von ihnen zu den
häufigsten Parasiten des Menschen gehören. Die Tänien besitzen am Kopfe 4 Saugnäpfe; die Geschlechtsöffnungen
liegen auf den Kanten der Glieder nebeneinander; der Fruchthälter ist nicht nach außen geöffnet. Im Menschen schmarotzen:
der gemeine oder schmale Bandwurm (Taenia solium Rud.) mit dem als Cysticercus cellulosae
vom Schweine bekannten Finnenzustand,
und der schwarze oder Rinderbandwurm (Taenia saginata Goetze s. mediovanellata Küchenm.), deren Finne
im Rinde lebt. Beide sind leicht zu unterscheiden.
[* ]
Figur 2:
Die Taenia solium erreicht eine Länge von 2 bis 3 m und zählt 8–900 Glieder; der stecknadelkopfgroße Skolex
[* ]
(Fig. 2a)
trägt 4 Saugnäpfe und einen Kranz von 26 bis 28 Haken; einzeln abgehende Glieder (Fig. 2b) erkennt man
an der geringen Größe (Länge 10–12 mm, Breite 5–8 mm) und an der Form des mit Eiern gefüllten Uterus, der an dem mittlern
Längsstamme nur wenige (7–10) dicke und verästelte Seitenzweige aufweist.
[* ]
Figur 3:
Dieser Bandwurm ist neuerdings viel seltener geworden; er ist besonders gefährlich, weil auch seine
Finne
[* ]
(Fig. 3) beim Menschen zur Entwicklung kommt und leicht (im Hirn, Auge u. s. w.) sich festsetzt.
[* ]
Figur 4:
Die Taenia saginata ist bedeutend größer und feister, mißt ausgedehnt bis 8 m und zählt gegen 1300 Glieder. Der Kopf
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(Fig.
4a) mißt bis 2 mm im Durchmesser, die 4 Saugnäpfe sind außerordentlich kräftig und muskulös, so daß
der Wurm, trotz des Mangels von Haken, viel fester sitzt und schwerer abzutreiben ist als die andere Art. Auch die reifen Glieder
(Fig. 4b), die fast immer einzeln abgehen, sind größer (10–20 mm lang und 5–7 mm breit); vom Längsstamme des Uterus laufen
zahlreiche (jederseits 25–30) dünne und wenig verästelte Seitenzweige aus. Dieser Bandwurm findet sich fast immer isoliert,
er kann durch seine Größe und seine schwere Entfernbarkeit wohl Beschwerden hervorrufen, gefährlich aber wird er nicht,
da seine Finne nur im Rinde lebt.
[* ]
Figur 5:
Die Bothriocephalen besitzen zwei flache Sauggruben an dem scharfen Rande ihres gurkenkernähnlichen
Kopfes
[* ]
(Fig. 5a), dessen Fläche senkrecht zur Körperfläche steht. Haken fehlen; der Uterus ist nach außen offen, die Geschlechtsöffnungen
liegen auf der Fläche der Glieder. Der bekannteste Vertreter ist der große Bothriocephalus latus Brems. des Menschen, der in der
Schweiz, den Ostseeländern, in Rußland, auch Amerika und Japan häufig vorkommt. Er erreicht eine Länge
von 8 und 9 m, besitzt 3000–3500 Glieder, die, in der Mitte 4,5 mm lang und 10–12 mm breit, nach hinten zu mehr quadratisch
werden; der mit Eiern gefüllte Uterus liegt als rosettenförmiges Gebilde in der Mitte der Glieder (Fig. 5b). Die
Finne lebt im Muskelfleische des Hechtes, der Quappe und anderer verwandter Fische; sehr häufig sind die Bothriocephalen in
Gegenden, wo viel Fische genossen werden.
Der Bandwurm verursacht seinem Träger, jedoch durchaus nicht immer, mannigfache Beschwerden, wie Koliken und Magenkrämpfe,
Erbrechen, Gefühl von Bewegungen, Winden oder Saugen im Unterleib, Schwindel und epileptische Zufälle,
Blutarmut und Abmagerung. Als Folgen der Anwesenheit von Bandwürmer können diese auch sonst auftretenden Erscheinungen aber
nur gelten, wenn sie regelmäßig nach längerm Fasten oder nach dem Genusse gewisser, dem Bandwurm erfahrungsgemäß widriger
Nahrungsmittel
mehr
(Zwiebeln, Meerrettich, Möhren, Sardellen, Obst u. dgl.) auftreten und auffallend rasch nach dem Genuß von Milch und nahrhaften
Speisen verschwinden. Gewißheit erhält der Kranke erst, wenn einzelne Glieder oder Gliederketten abgehen, oder wenn in Exkrementen
die charakteristischen Bandwurmeier mikroskopisch nachweisbar sind. Den einzig wirksamen Schutz gegen Bandwürmer bildet
die Verhütung der Einfuhr lebender Finnen in den Magen, also die Vermeidung des Genusses rohen oder halbrohen
Schweinefleisches und Rindfleisches (und roher Fische).
Zur Abtreibung des Bandwurms bedient man sich besondere des ätherischen Extrakts der Farnkrautwurzel oder einer Abkochung der
Granatwurzelrinde, welche die wesentlichsten Bestandteile fast aller der zahlreichen Geheimmittel gegen den
Bandwurm bilden (s. Bandwurmmittel); beide Mittel leisten fast stets vorzügliche Dienste, vorausgesetzt, daß sie aus frischen
Droguen bereitet wurden. Dem gleichen Zweck dienen auch die Kussoblüten, das Kamalapulver, die Kürbiskerne und das
gereinigte Terpentinöl.
Gewöhnlich läßt man der eigentlichen Kur eine Vorbereitungskur vorausgehen, um den Bandwurm gegen das Abtreibemittel weniger
widerstandsfähig zu machen; man erreicht dies am besten durch vorhergehendes Fasten und den Genuß von eingesalzenen Fischen.
Als erfolgreich kann eine Bandwurmkur nur dann angesehen werden, wenn der Kopf des Bandwurms mit entfernt worden ist, da sonst
der zurückgebliebene Kopf nach wenigen Monaten wieder eine neue Gliederkette erzeugt hat. – Das Hauptwerk
über Bandwürmer wie über Eingeweidewürmer überhaupt ist Leuckarts Buch «Die Parasiten des Menschen u. s. w.» (2. Aufl., Lpz.
1879).