Titel
Bahnhöfe
[* 2] (hierzu Tafeln: Bahnhöfe I-IV), Anlagen, die einerseits die Vermittelungspunkte für den Verkehr zwischen Eisenbahn und Publikum bilden, andererseits Verwaltungs- und Betriebszwecken dienen. Die Bahnhofsanlagen zerfallen daher in Verkehrs- und Betriebsanlagen. An größern Orten bestehen gewöhnlich besondere Bahnhöfe für den Personen- und für den Güterverkehr; an den wichtigsten Übergangspunkten sind meist noch Rangier- oder Verschiebebahnhöfe eingerichtet, auf denen die Züge zusammengesetzt und aufgelöst werden, (s. Rangieren.) Die Gleisanlagen setzen sich aus den durchgehenden Hauptgleisen und einer mehr oder minder großen Anzahl von Nebengleisen zusammen, die unter sich und mit den Hauptgleisen durch Weichen (s. Eisenbahnbau) [* 3] verbunden sind.
Auf den normalspurigen Eisenbahnen Deutschlands [* 4] betrug 1. Jan. die Länge der sämtlichen Bahnhofsgleise (ausschließlich der durchgehenden Gleise) 18903,99 km (darunter 12120,91 der Preuß. Staatsbahnen). [* 5] Die normalspurigen Eisenbahnen Österreich-Ungarns, soweit sie dem Deutschen Eisenbahnverein angehörten, besaßen insgesamt 6898 km Bahnhofsgleise (ausschließlich der durchgehenden Gleise), und zwar kommen auf die österr. Bahnen 4034 km, auf die gemeinsamen Eisenbahnen 796 km und auf die ungar. Bahnen 2068 km. Zur Beseitigung der Gefahren falscher Weichenstellung sind auf größern Bahnhöfe Einrichtungen getroffen, welche die Stellung sämtlicher Weichen oder größerer zusammengehöriger Gruppen von Weichen von einem Punkte aus nach Anweisung des Bahnhofsvorstandes ermöglichen.
Auch sind die Hebel [* 6] der Weichen und der Signale (s. Eisenbahnsignale) mechanisch in solche Abhängigkeit voneinander gebracht, daß nur bei richtiger Weichenstellung das Einfahrtssignal gegeben werden kann (s. Central-Weichen- und Signal-Stellvorrichtungen). Eine solche Anlage (Westendstation der Berliner Stadt- und Ringbahn) [* 7] zeigt [* 1] Fig. 4 auf Taf. IV. Ein totes Gleis wird ein Schienengleis genannt, das, wie Gleis n. in [* 1] Fig. 1. an ein anderes Gleis (b) nur auf einer Seite mittels einer Weiche oder in anderer Weise angeschlossen ist, im Gegensatze zu einem auf beiden Seiten angeschlossenen Gleise (c).
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1. Totes Gleis]
An dem nicht angeschlossenen (dem sog. toten) Ende (d) eines solchen Gleises wird ein aus Holz [* 8] oder Eisen [* 9] (alten Schienen) bestehender Prellbock angebracht, der verhindert, daß die auf das Gleis gebrachten Fahrzeuge über das Ende desselben hinausrollen. Auf dem Potsdamer Bahnhof in Berlin [* 10] sind die Stationen für den Personenverkehr der Ring- [* 11] und der Wannseebahn mit Prellböcken besonderer Art, wie dieselbe bisher auf deutschen Bahnen noch nicht zur Anwendung gekommen ist, ausgerüstet worden. Es sind sog. Wasserprellböcke, die bisher vorzugsweise auf engl. Bahnen, und zwar besonders in Liverpool, [* 12] Manchester [* 13] und London [* 14] mit großem Erfolg benutzt worden sind.
Diese
Puffereinrichtung beruht hauptsächlich darin, daß die Wassermenge, welche sich vor dem mit den
Pufferstangen verbundenen Kolben in einem Cylinder befindet, beim
Vordringen der Pufferstangen durch kleine, sich allmählich
verengende Öffnungen in den Raum hinter dem Kolben gedrückt wird. Die auf dem
Potsdamer Bahnhof verwendeten Wasserpuffer,
welche 2,50 m lange Kolbenwege besitzen, vereinen die Vorzüge der beiden besten
Systeme dieser Art, und
zwar des Webbschen und des Langleyschen.
Das Webbsche ist insofern vorteilhaft, als bei demselben an
Stelle des durch Einfrieren unbrauchbar werdenden Wassers das
nur schwer gefrierende
Glycerin, welches zudem noch eine Zusammendrückbarkeit von 4-5 Proz. besitzt, treten kann.
Dem
Verlust an Füllungsmaterial, welcher bei dem Langleyschen
System bei jedem Hub eintritt, wird bei
dem Webbschen
System dadurch vorgebeugt, daß der dem Rauminhalt der Kolbenstange entsprechende
Teil der Füllung während
des
Anfahrens in einen Wind
kessel gedrückt wird und nach Aufhören des Druckes in den Cylinder zurückläuft.
Beim Anfahren der Wagen gegen diese Puffer erfolgt, wie Versuche mit einer Geschwindigkeit bis zu 20 km in der Stunde gegeben haben, bei weitem nicht der starke Anprall wie bei den gewöhnlichen Federpuffern, die Hemmung erfolgt nur allmählich und in verhältnismäßig sanfter Weise. Ausziehgleise sind entweder die Fortsetzung der Hauptgleise (Ende der Bahn) bildende oder aus Nebengleisen abzweigende Gleise, durch welche die Zusammenstellung und Verschiebung der Züge ohne Berührung der Hauptgleise ermöglicht wird. Nach ihrer Lage zur Bahnlinie unterscheidet man Anfangs-, Zwischen- oder Durchgangs- und Endbahnhöfe, je nachdem der Bahnhof am Anfangspunkt, an Zwischenpunkten oder am Endpunkt der Bahnlinie liegt. (Über Blockstationen s. Blocksignalsystem.) Die gewöhnliche Form der Zwischen- oder Durchgangsbahnhöfe ist in [* 1] Fig. 2 dargestellt, wobei die gestrichelte Fläche das Empfangsgebäude bezeichnet.
[* 1] ^[Abb. Fig. 2. Zwischen- oder Durchgangsbahnhof.]
Die Richtung des ein- und des ausfahrenden Zuges bleibt dieselbe. Eine besondere Form der Zwischen- oder Durchgangsbahnhöfe bilden die Bahnhöfe mit Kopfbetrieb, bei denen (s. Fig. 3) der eingefahrene Zug in entgegengesetzter Richtung ausfährt.
[* 1] ^[Abb. Fig. 3. Bahnhof mit Kopfbetrieb.]
Sie kommen zur Anwendung, wenn nach Lage der örtlichen Verhältnisse eine Fortsetzung der Betriebsrichtung ausgeschlossen oder eine Heranführung der Bahnlinie in möglichste Nähe des Ortes erwünscht ist. am Vereinigungspunkt zweier oder mehrerer Bahnlinien heißen Anschluß- oder Übergangsbahnhöfe. Bei der gewöhnlichen Form (s. Fig. 4) liegen Empfangsgebäude und Bahnsteig (Perron) auf derselben Seite der Bahnlinien.
[* 1] ^[Abb. Fig. 4. Anschluß- oder Übergangsbahnhof.]
Bei der keilförmigen Anordnung (s. Fig. 5) befinden sich Empfangsgebäude und Bahnsteig in dem durch die zusammenlaufenden ¶
mehr
Linien gebildeten, nur an dem einen Ende durch Gleisverbindungen begrenzten keilförmigen Raum.
[* 15] ^[Abb. Fig. 5. Bahnhof mit keilförmiger Anordnung.]
Werden dagegen (s. Fig. 6) Empfangsgebäude und Bahnsteig an beiden Enden durch Schienenverbindungen zwischen den Hauptgleisen umschlossen, so entsteht ein Inselbahnhof.
[* 15] ^[Abb.: Fig. 6. Inselbahnhof.]
Am Schnittpunkte zweier oder mehrerer Bahnen mit regelmäßig durchgehendem Zugbetrieb werden Kreuzungsbahnhöfe angelegt. Die Kreuzung der Hauptgleise wird gewöhnlich durch Über- oder Unterführungen außerhalb des Bahnhofs bewirkt, während innerhalb desselben die erforderlichen Schienenverbindungen zum raschen Übergang der Wagen und Züge hergestellt und zu diesem Zweck die sich schneidenden Bahnen auf eine gewisse Länge in gleicher Höhe geführt werden. Ist dies nicht angängig, so erhalten die beiden Bahnen ihre eigenen, in verschiedener Höhe liegenden Zwischenstationen, welche nur mit ihren Endpunkten am Kreuzpunkt der Bahnen zwecks Übergangs der Güterwagen verbunden sind; der Übergang der Reisenden wird dann durch Treppen [* 16] vermittelt, solche Anlagen heißen Treppen- oder Brückenstationen, auch Turmstationen.
Nach dem Umfang des Verkehrs unterscheidet man Hauptbahnhöfe, mittlere und kleine Bahnhöfe, letztere teilt man wiederum in Haltestellen für Personen- und Güterverkehr, nur für Personenverkehr und nur für Güterverkehr, letztere werden auch Ladestellen genannt. Bei den deutschen Eisenbahnen werden nach dem Bundesratsbeschluß vom alle Anhalte- und Aufenthaltsstellen als Stationen bezeichnet und die Stationen eingeteilt in Bahnhöfe (Stationen mit bedeutenderm Verkehr), Haltestellen (Stationen mit geringerm Verkehr, die mit mindestens einer Weiche für den öffentlichen Verkehr versehen sind) und Haltepunkte (Stationen ohne Weiche).
Als Beispiele für die Anordnung von Bahnhöfe geringern Verkehrs dienen die auf [* 15] Fig. 7 und 8 dargestellten Zwischenstationen, während [* 15] Fig. 9 eine Anschlußstation mittlern Verkehrs mit keilförmiger Anordnung enthält.
[* 15] ^[Abb. Fig. 7. Bahnhof geringern Verkehrs (Zwischenstation).]
In dieser [* 15] Figur sind die durchgehenden Gleise I und II mit stärkern Strichen von den Nebengleisen III bis XVIII und XXI und XXII herausgehoben, wobei jeder einzelne Strich ein Gleis (zwei zusammengehörige Schienenstränge) bezeichnet. Zwischen den Kilometerstationen 23,1 und 23,2 findet eine Kreuzung der Hauptgleise I und II statt, um den Übergang vom Rechtsfahren zum Linksfahren der Züge zu ermöglichen. (In Deutschland [* 17] befahren die Züge auf doppelgleisigen Bahnstrecken das in der Fahrtrichtung rechts liegende Gleis, §. 21 des Bahnpolizeireglements [s. Bahnpolizei], während in andern Ländern auch das linksliegende Gleis befahren wird.) Die Gleise XIX und XX gehören der abzweigenden Bahnlinie an. Die Nebengleise III bis XII sind durch die Weichen 5 bis 13a (Weichenstraße) untereinander verbunden; außerdem stehen die Nebengleise VII bis XIV noch durch Drehscheiben ^[img.] (s. Eisenbahnbau) miteinander in Verbindung. Eine Drehscheibe befindet sich auch vor dem segmentförmigen Lokomotivschuppen mit sternförmiger Anordnung der Gleise. Auf den engl. und amerik. Eisenbahnen (London und Chicago) sind die Güterbahnhöfe zwecks möglichster Raumersparnis vielfach in mehrern (bis drei) Geschossen angelegt. Die Züge oder Zugteile werden mittels hydraulischer Aufzüge [* 18] auf und ab befördert.
Die Hochbauten der Bahnhöfe umfassen die Bauwerke, welche für die Abfertigung, den Aufenthalt und die Verpflegung der Reisenden und für die Verwaltung bestimmt sind. Für kleine Bahnhöfe (Zwischenstationen) mit gleichmäßigem, geringerm Verkehr mag [* 15] Fig. 3 und 4, Taf. III, als Beispiel der üblichen Anlagen gelten. Die Reisenden betreten das Bahnhofsgebäude a, lösen am Schalter des Stationsbureaus d ihre Fahrtarten, verteilen sich in die Warteräume b und c, welche unmittelbaren Zugang. zum Bahnsteig haben; f bezeichnet das Wirtschafts- und Retiradengebäude, g einen verdeckten Gang. [* 19] Gleich an das Bahnhofsgebäude schließt sich der Güterschuppen e. Bei stärkerm Verkehr werden dem Bau eine Restauration mit Büffett und Küche, ein Zimmer für den Stationsvorsteher und größere Warteräume zugefügt.
Lebhafter Güterverkehr erfordert eigene Schuppen mit gesondertem Bureau. Im Obergeschoß des Bahnhofsgebäudes befinden sich Wohnungen für Beamte. Größere Städte bedürfen bereits ausgedehnterer Anlagen. Als Beispiel einer solchen größern Station mag das auf Taf. IV, [* 15] Fig. 3, im Grundriß und auf Taf. I, [* 15] Fig. 4, in der Ansicht dargestellte Stationsgebäude zu Stuttgart [* 20] dienen, das zwei überdeckte Hallen mit zwischenliegenden Warte- und Verwaltungsräumen besitzt. ¶