mehr
schon damals die Zuverlässigkeit der bad. Truppen zweifelhaft war, sich durch Truppen aus den Nachbarstaaten verstärkt. So scheiterte der Versuch erst zu Donaueschingen, hierauf in dem Zusammenstoß bei Kandern, wo der hervorragende Führer der bad. Truppen, die durch Bundestruppen verstärkt waren, Friedrich von Gagern, das Opfer seines auf den Anstand der Gegner vertrauenden Mutes ward (20. April), dann durch die Einnahme von Freiburg [* 2] (24. April), dessen sich die Freischaren bemächtigt hatten, endlich in dem Gefecht bei Dossenbach, wo Herweghs Legion deutscher Arbeiter zersprengt wurde (27. April). Aber auch nach dem Mißlingen dieses Aufstandes trat keine dauernde Beruhigung ein, solange die deutschen Angelegenheiten nicht endgültig geregelt werden konnten. Die Regierung und die Kammern fuhren fort, neue Organisationen vorzubereiten und eine Reihe von Gesetzen zu vereinbaren, welche die Verwaltung, das Gerichtswesen u. s. w. in demokratischem Sinne umgestalteten. Ein zweiter Aufstandsversuch, den Struve an der Schweizergrenze machte (21. Sept.), wurde von den bad. Truppen bei Staufen (24. Sept.) niedergeschlagen, wobei Struve selbst gefangen ward; aber die rührige Thätigkeit der radikalen Partei, die Schwäche der Regierung und die Energielosigkeit der Gemäßigten vereitelten jeden dauernden Erfolg.
Inzwischen waren mit der Vollendung der Reichsverfassung vom die deutschen Angelegenheiten in ihre Krisis getreten. Die bad. Regierung wie die Zweite Kammer hatten sich von Anfang an auf seiten der Deutschen Nationalversammlung gehalten. Der Großherzog erklärte sich zuerst (Jan. 1849) zu Opfern für die nationale Sache bereit, und als die Verfassung mit dem Bundesstaat und dem preuß. Kaisertum fertig war, gab wieder Baden [* 3] das Beispiel der freiwilligen Anerkennung und Unterordnung unter dieselbe.
Selbst als Preußen [* 4] die Krone und die Verfassung ablehnte, blieb Baden bei der Verfassung vom 28. März. Dann erfolgte der Bruch zwischen Preußen und dem Deutschen Parlament; die Bewegungen für die Reichsverfassung schlugen an der Elbe wie am Rhein in offene Aufstände um; alle revolutionären Elemente im In- und Auslande rüsteten sich seit Anfang Mai zu einer gewaltsamen Entscheidung. Unter den bad. Truppen, besonders in Rastatt, [* 5] brachen Meutereien aus; aber überall (in Lörrach, Freiburg, Bruchsal, Karlsruhe) [* 6] gärte es fast gleichzeitig.
Unter dem Eindrucke dieser Ereignisse gewann die revolutionäre Bewegung rasch weitere Verbreitung. Ein Landesausschuß, bestehend aus den Führern der demokratischen Klubs, nahm die Leitung der Revolution in die Hand. [* 7] Inzwischen hatte ein auch in Karlsruhe ausgebrochener Soldatenaufstand in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai den Hof [* 8] und das Ministerium veranlaßt, die Residenz zu verlassen und sich über Germersheim nach Lauterburg im Elsaß zu flüchten. So gelangte die revolutionäre Partei ohne Kampf in Besitz der Regierungsgewalt; eine aus dem Landesausschuß hervorgegangene Exekutivkommission (Brentano, Gögg, Peter, Eichfeld) trat an die Stelle der verschiedenen Ministerien.
Der Großherzog hatte unterdessen Preußen um Hilfe gebeten, da die Reichsgewalt nicht im stande war, hinlängliche Truppenmassen aufzubieten; bald zogen sich um Baden unter dem Oberbefehl des Prinzen Wilhelm von Preußen Streitkräfte zusammen, die hinreichend waren, den Aufstand zu erdrücken. Die Berufung Mieroslawskis an die Spitze der Revolutionsarmee konnte bei dem Zwiespalt der Führer der Volkspartei und der Unthätigkeit der Bevölkerung [* 9] wenig helfen, obwohl derselbe mehr Zusammenhang in die Truppen und mehr Einheit in die strategischen Bewegungen zu bringen wußte. So verteidigte er 15. und 16. Juni die Neckarlinie gegen die Reichsarmee, konnte aber nicht hindern, daß indessen die Pfalz von den Preußen besetzt und am 20. bei Germersheim von diesen der Rhein überschritten ward. Er versuchte mit Übermacht bei Waghäusel eine der übergegangenen preuß. Kolonnen (21. Juni) zu schlagen, warf sie auch nach Philippsburg zurück, stieß aber am Nachmittag auf eine andere Division, die nach kurzem Kampfe der Revolutionsarmee eine völlige Niederlage beibrachte. Inzwischen war der preuß. General Peucker mit der Reichsarmee durch den Odenwald nach dem obern Neckar vorgerückt, doch entkam ihm die flüchtige Armee bei Sinsheim; die preuß. Division unter Groben hatte den untern Neckar überschritten. Am 25. zogen die Preußen in Karlsruhe ein, 29. und 30. Juni wurde nach lebhaftem Kampfe die Murglinie von der Volksarmee verlassen. Am 10. und 11. Juli zogen die letzten flüchtigen Kolonnen nach der Schweiz; [* 10] am 23. wurde Rastatt übergeben.
Unterdessen hatte der Großherzog noch während des Aufenthalts im Auslande das Ministerium Bekk entlassen und Klüver, Marschall, Regenauer, Stabel, Roggenbach zur Verwaltung berufen. Das erste traurige Geschäft der neuen Regierung war, den Kriegszustand im Lande zu verkündigen, die am meisten Beteiligten vor Standgerichte zu stellen und den Riesenprozeß gegen die Urheber und Teilnehmer der Revolution einzuleiten. Etwa 40 standgerichtliche Todesurteile wurden ausgesprochen und vollzogen.
Die Mitglieder des Restaurationsministeriums besaßen indessen Besonnenheit genug, der Aufhebung der Verfassung zu widerstehen. Bald erholte sich das Land von den Wunden, die ihm die Revolution und ihre Nachwehen geschlagen. Am war Großherzog Leopold nach Baden zurückgekehrt; am traten die Kammern wieder zusammen, nach dem unveränderten Wahlgesetze ergänzt. Mit ihnen vereinbarte die Regierung eine Reihe von Gesetzen, die die Gemeindeordnung, das Strafgesetz, die Prozeßordnung, die Preßpolizei, das Vereinswesen u. s. w. betrafen und der Regierung größern Einfluß sicherten.
3) Unter Friedrich bis Großherzog Leopold starb Ihm folgte in der Regierung sein zweiter Sohn Friedrich (s. d.), den er schon am mit seiner Vertretung beauftragt hatte, da der älteste, der Erbgroßherzog Ludwig, durch schwere leibliche und geistige Erkrankung an der Thronfolge behindert war. Den nächsten Anstoß zu einer freiheitlichen Wendung der Dinge nach mehrjähriger, wenn auch milder Reaktionszeit gab der bald nach der Thronbesteigung Friedrichs ausgebrochene Kirchenstreit. Mit Württemberg, [* 11] den beiden Hessen, [* 12] Nassau und Frankfurt [* 13] zusammen bildet Baden die sog. Oberrheinische Kirchenprovinz, an deren Spitze der Erzbischof von Freiburg steht. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche war hier durch frühere Vereinbarungen mit dem päpstl. Stuhle und durch eine gleichlautende landesherrliche Verordnung, die jene Staaten 1830 erlassen hatten, fast gleichförmig geregelt. In Baden zumal, dessen Bevölkerung zu zwei ¶
mehr
Drittteilen der kath. Konfession angehört, war der Kirche jede mit dem Gesamtwohle des Staates vereinbarliche freie Bewegung gestattet gewesen. Eine erwünschte Gelegenheit zur Erweiterung ihrer Macht fand in Deutschland [* 15] die röm. Hierarchie in der Bewegung von 1848. Die Frankfurter Versammlung hatte in die Grundrechte des deutschen Volks die Bestimmung aufgenommen, daß die Kirchen ihre Angelegenheiten «selbständig ordnen und verwalten» dürften. Diesen allgemeinen Satz über die sog. «freie Kirche im freien Staate» wußten die Führer der Hierarchie alsbald im Interesse ihrer Machterweiterung zu benutzen.
Die Oberrheinische Kirchenprovinz, zumal Baden, schien nach den Ereignissen von 1849 besonders günstig für die klerikalen Angriffe zu sein. In einer Eingabe vom an die großherzogl. Regierung verlangte der Erzbischof von Freiburg, auf Grundlage der von den deutschen Bischöfen in Würzburg [* 16] getroffenen Verabredungen, die in der Denkschrift vom niedergelegt waren, die Wiederherstellung der altkirchlichen Rechte, namentlich freie Besetzung der kirchlichen Pfründen, freie Verwaltung des kirchlichen Vermögens und anderes.
Bald darauf (1850) waren auf Einladung des Erzbischofs die Jesuiten und Liguorianer im Großherzogtum eingetroffen. Die damalige bad. Regierung zeigte sich diesen Vorgängen gegenüber schwach und wenig umsichtig. Als die Regierungen der Oberrheinischen Kirchenprovinz nach gemeinschaftlich zu Karlsruhe gepflogenen Beratungen im März 1853 ziemlich gleichlautende Verordnungen zu Gunsten des kirchlichen Regiments bekannt machten, erließen die Bischöfe eine gleichlautende Antwort an ihre Regierungen, in der sie sich für nicht zufrieden gestellt erklärten, mit dem Beifügen, sie fänden sich nun auf den Standpunkt unausweichlich hingetrieben, wo sie ihr Verhalten nach dem apostolischen Ausspruche zu bestimmen hätten: man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen, und sie erklärten, daß sie den künftigen kirchlichen Vorschriften der Regierungen auf das entschiedenste entgegentreten würden.
Mit dieser Verleugnung der früher eidlich übernommenen Verpflichtungen war der Krieg gegen die staatliche Ordnung erklärt. Der Erzbischof von Freiburg, der sich auch weigerte, die Abhaltung von Seelenämtern bei den Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Großherzog zu gestatten, versagte nun seine Mitwirkung bei Besetzung der Pfründen in der bisher geübten Weise, indem er viele Stellen ohne weiteres nach seinem Gutdünken besetzte. Zugleich erlaubte er sich, die Mitglieder des kath. Oberkirchenrats in Karlsruhe daran zu erinnern, daß sie als Katholiken in Übereinstimmung mit dem Episkopat, das einzig nur das kanonische Recht zur Richtschnur seines Handelns zu nehmen habe, ihr ferneres Verhalten zu regeln hätten. Als der kath. Oberkirchenrat dagegen Protest erhob und sich auf seinen Diensteid berief, wurde über die Mitglieder jener Staatsbehörde und über den Stadtdirektor Burger in Freiburg, der als großherzogl. Specialkommissar das landesherrliche Placet bei den Erlassen der erzbischöfl. Kurie zu wahren beauftragt war, die große Exkommunikation ausgesprochen und feierlich in den Kirchen verkündet.
Die bad. Regierung zeigte gegenüber diesem gesetzlosen Vorgehen große Schwäche. Sie erklärte zwar die gesetzwidrigen Schritte des Erzbischofs für null und nichtig; aber statt die Gesetze gegen die Urheber in Anwendung zu bringen, wandte sie sich mit Geld- und Freiheitsstrafen gegen die Vikare und einzelnen Pfarrer, die sich im Recht glaubten, wenn sie den Forderungen des nicht «suspendierten» Bischofs Gehorsam leisteten. Als der Erzbischof fortfuhr, sich nicht um die Staatsregierung und deren Einsprache zu kümmern, entschloß diese sich endlich, ihn zu verhaften, um ihn vor Gericht zu stellen Indes wurde der Prozeß auf Andrängen Roms alsbald wieder aufgegeben.
Schon vorher hatte man badischerseits die Vermittelung des röm. Stuhls angerufen und eine Gesandtschaft nach Rom [* 17] abgehen lassen. Dort wurde vor allem Niederschlagung des Prozesses und vollkommene Freiheit für den Erzbischof gefordert. Erst als diesem entsprochen war, kam ein sog. «Interim» zu stande, in welchem die Regierung entschieden den Rückzug antrat. An die Annahme desselben, das bekannt gemacht wurde, knüpfte überdies die röm. Kurie die Bedingung weiterer Verhandlungen. Diese zogen sich durch das spröde Verhalten der Kurie mehr und mehr in die Länge, erst wurde, ohne Zweifel unter dem Druck der ital. Ereignisse, die Konvention (vier Tage nach der Schlacht von Solferino) [* 18] in Rom abgeschlossen. Die Hierarchie hatte gesiegt.
Die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten, namentlich aber die Unterhandlungen mit Rom, waren bald nach Ausbruch des bad. Kirchenstreites dem Ministerium des Innern abgenommen und dem Auswärtigen Amte übertragen worden, das in den Händen von Männern lag, die zu Österreich [* 19] hinneigten. Als der Landtag gegen Ende 1859 wieder zusammentrat, enthielt die Thronrede bezüglich des abgeschlossenen Vertrags, durch den die Leitung der Kirche dem Erzbischof überlassen war, die kurzen Worte: «Die mit dem päpstl. Stuhle gepflogenen Verhandlungen, worüber den Ständen die Aktenstücke vorgelegt werden sollen, sind zudem gewünschten Abschlusse gelangt.» Eine entgegengesetzte Überzeugung über den Wert des Konkordats hatte indes in allen Kreisen des bad. Volks platzgegriffen und gab sich in Versammlungen, Flugschriften und Petitionen in unzweideutiger Weise kund.
Der moralische Druck der öffentlichen Meinung auf die bisher in der Mehrheit sehr gefügige Zweite Kammer wurde allmählich so stark, daß die Kammer sich über die Aktenstücke durch eine Specialkommission Bericht erstatten ließ. Eine Folge dieses Berichts war der Antrag, «daß die Konvention nicht in Wirksamkeit zu treten habe». Nach zweitägigen lebhaften Debatten schloß sich die Zweite Kammer mit großer Mehrheit dem gestellten Antrage an und verlangte die Regelung der kirchlichen Angelegenheiten durch die Gesetzgebung.
Dieser im ganzen Lande freudig begrüßte Beschluß hatte 2. April den Sturz des Ministeriums Stengel [* 20] und einen Wechsel des bisherigen Regierungssystems zur Folge. Zwei der hervorragendsten Mitglieder der liberalen Opposition, Lamey und Stabel, traten in das Ministerium und wurden die Seele desselben. Ein landesherrlicher Erlaß vom machte die Grundsätze der neuen Verwaltung bekannt, die ein zeitgemäßes Fortschreiten auf dem Boden der Verfassung verhießen.
4) Unter Friedrich 1800-70. Das liberale Ministerium, in das später (Mai 1861) Freiherr von Roggenbach als Minister des Auswärtigen eintrat, wußte seitdem durch eine Reihe von ¶