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trat von der luth. Kirche zur reformierten über, verkaufte 1590 die Ämter Besigheim und Mundelsheim und 1603 auch die Ämter Altensteig und Liebenzell an Württemberg und starb 1604 ohne Kinder. Sein Bruder, Georg Friedrich, der ihm folgte, trat seinem ältesten Sohne Friedrich Baden die Regierung ab, während er selbst mit einem Kriegsheere gegen Kaiser Ferdinand II. zur Beschützung des Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich Baden, zu Felde zog, aber bei Wimpfen von Tilly geschlagen wurde.
Auf Friedrich Baden folgte 1659 Friedrich VI., der sich als Reichsfeldherr auszeichnete; dessen Sohn Friedrich Magnus übernahm 1677 die Regierung. Wegen des Einfalls der Franzosen mußte sich dieser bis 1697 zu Basel aufhalten. Nach dem Ryswijker Frieden suchte er den Wohlstand des Landes herzustellen. Er starb 1709. Ihm folgte sein Sohn Karl Wilhelm, der 1715 die neue Residenz Karlsruhe erbaute und zum Andenken an dieses Ereignis den Orden der Treue stiftete. Er starb 1738 und vererbte die Regierung auf seinen Enkel Karl Friedrich (s. d., 1738-1811), der 1771 Baden-Baden (s. oben 2) mit seiner Herrschaft vereinigte.
Unter diesem musterhaften Regenten, dem die trefflichen Minister von Hahn und von Edelsheim (s. d.) zur Seite standen, erhielt Baden seine jetzige Gestalt und größere Bedeutung. Seine ansehnlichen Gebietserwerbungen beruhten entweder auf einem altbegründeten Nachfolgerecht oder auf neuen völkerrechtlichen Verträgen. Für seine Gebietsverluste auf dem linken Rheinufer fand er 1803 reichliche Entschädigung im Reichsdeputationshauptschluß; er erhielt das Bistum Konstanz, die Reste der Bistümer Speyer, Basel, Straßburg auf dem rechten Rheinufer, die pfälzischen Ämter Ladenburg, Bretten, Heidelberg, Mannheim, mehrere Abteien und Reichsstädte und den Titel eines Kurfürsten (1803). Im Frieden zu Preßburg fügte er (1805) den Breisgau, die Ortenau und die Stadt Konstanz hinzu. Der Beitritt zum Rheinbund (1806) brachte eine dritte Vergrößerung durch erbfürstliche Gebiete und reichsritterliche Besitzungen.
II. Neuere Geschichte: Das Großherzogtum Baden.
1) Bis auf Leopold, 1830. Durch die Auflösung des Deutschen Reichs wurde für den Staat volle Souveränität im staatsrechtlichen Sinne erworben. Indem dies Karl Friedrich erklärte, nahm er gleichzeitig den Titel eines Großherzogs von an und fügte den eines Herzogs von Zähringen bei. Gleichzeitig wurde die schon früher getroffene Nachfolgeordnung bestätigt. Danach sollten im Falle des Aussterbens des fürstl. Mannsstammes seine Söhne aus der am mit Luise Karoline Geyer von Geyersberg (s. Hochberg) geschlossenen Ehe folgen (gemäß den Bestimmungen von 1787 und vom Bei dem Tode Karl Friedrichs siel die Regierung an seinen Enkel Karl Ludwig Friedrich (1811-18). Dieser (geb. 1786) war seit 1806 mit Stephanie, einer Adoptivtochter Napoleons I., vermählt.
Nach der Schlacht bei Leipzig verließ er den Rheinbund und trat 1815 dem Deutschen Bunde bei. Auf dem Wiener Kongresse gehörte Baden zu den Regierungen, die sich gegen eine allgemeine Verpflichtung zur Einführung des Repräsentativsystems erklärten. Allein die Bewohner verlangten staatsrechtliche Garantien, und gleichzeitig erhob Bayern, auf den Rieder Vertrag und eine alte sponheimische Erbeinsetzung gestützt, Ansprüche auf einen großen Teil des bad. Landes.
Der Großherzog Karl Ludwig Friedrich wies diese entschieden zurück und verlieh als neues Band der Vereinigung für alle Bewohner die Verfassung vom in welcher auch der Grundsatz der Unteilbarkeit ausgesprochen wurde. Da er ohne männliche Nachkommen starb, folgte ihm seines Vaters Bruder, Markgraf Ludwig Wilhelm August (geb. Unter diesem wurde durch Receß vom die Integrität B.s unter den Schutz Rußlands, Österreichs, Englands und Preußens gestellt und das Erbfolgerecht der Halbbrüder des Großherzogs, der Markgrafen von Hochberg, anerkannt, während Bayern seinen Entschädigungsanspruch für den von an Frankreich abgetretenen Teil der Grafschaft Sponheim erneuerte. (Vgl. Über die Ansprüche der Krone Bayern an Landesteile des Großherzogtums Baden, 2. Aufl., Mannh. 1827.)
Die Stände traten zum erstenmal zusammen, wurden aber wegen bald ausbrechender Reibungen mit dem Ministerium sowie wegen Streitigkeiten zwischen der Ersten und Zweiten Kammer 28. Juli schon wieder entlassen, so daß die gestellten Anträge auf Preßfreiheit, Einführung der Schwurgerichte, Abschaffung der Fronen und Zehnten nur in Anregung kamen. Während der zweiten Versammlung, im Sept. 1820, schien die gegenseitige Stimmung im Anfange nicht günstiger.
Beide Kammern näherten sich indes sehr bald in wichtigen Dingen, z. B. hinsichtlich der Aufhebung der teilweise beseitigten Leibeigenschaft, des Gesetzentwurfs über die Verantwortlichkeit der Minister, der Vorstellung gegen die Strenge des Censuredikts und der Gemeindeverfassung, und die Regierung kam gleichfalls versöhnend entgegen. Der Großherzog Ludwig starb kinderlos und ihm folgte sein Halbbruder Leopold (s. d.), der älteste Sohn Karl Friedrichs aus seiner Ehe mit der Gräfin von Hochberg.
2) Unter Leopold, 1830-52. Mit Leopolds Regierungsantritt schien ein frischeres Leben zu beginnen. Die Regierung hatte die Wahlen zu dem am eröffneten sechsten Landtage ihrem freien Gange überlassen. Von ihrer Seite waren Gesetzentwürfe über eine Gemeindeordnung, eine bürgerliche Prozeßordnung mit Öffentlichkeit und die Aufhebung der Staatsfronen vorbereitet, welche angenommen wurden. Mit besonderm Nachdruck aber und mit großer Einmütigkeit hatte die Zweite Kammer, nach Welckers Antrag, die Sache der Preßfreiheit betrieben und endlich die wichtigsten Bedenklichkeiten der Ersten Kammer sowie der Regierung zu beseitigen gewußt. Das Gesetz kam zu stande und wurde in ganz Deutschland mit lautem Jubel begrüßt. Die Regierung mußte indes schon vom Deutschen Bundestag und der österr. Regierung gedrängt, das neue Gesetz für unwirksam erklären, weil es mit der Bundesgesetzgebung über die Presse unvereinbar sei.
Auf dem Landtag vom 20. Mai bis zeigte sich die auf den nächstfolgenden Versammlungen noch sichtlicher werdende Ermattung des polit. Geistes. Die Stände beschränkten sich auf rechtsverwahrende Klagen wegen der einseitig erfolgten Aufhebung des Preßgesetzes und wegen mutmaßlicher Absichten des Bundestags. Der Anschluß B.s an den Deutschen Zollverein, der schon von den Abgeordneten von 1831 bedingungsweise gutgeheißen war, erfolgte Auf dem
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Landtage von 1837 erhielt die Regierung die Genehmigung der Stände zu einer wesentlichen Veränderung der in echt freisinnigem Geiste abgefaßten Gemeindeordnung von 1831. Der Verfassungsumsturz in Hannover jedoch, die veränderte Stellung des Ministeriums zur Zweiten Kammer seit dem Tode des beliebten Staatsministers Winter sowie der nun gesteigerte Einfluß Blittersdorffs, alles dies blieb nicht ohne Rückwirkung auf den Geist des Volks und seiner Vertreter.
Die Umstimmung trat schon bei der Versammlung der Stände von 1839 und 1840 hervor, deren Verhandlungen sich hauptsächlich um die Beratung über ein neues Strafgesetzbuch drehten. Zur Erfüllung eines seit Jahren gegebenen Versprechens erlieh die Regierung im Jan. 1840 die Verordnung zur bessern Sicherung der Schriftsteller gegen Censurwillkür. Nach verfassungsmäßiger teilweiser Erneuerung der Abgeordneten und Eröffnung eines neuen Landtags erhob sich dann ein lebhafter Streit über das vom Ministerium behauptete Recht der Verweigerung des Urlaubs für die zu Deputierten erwählten Staatsdiener.
Als sich dieser Principienkampf nach längerer Vertagung erneuerte, ward die Kammer aufgelöst. Infolge der neuen Wahl behielt die Opposition der Zweiten Kammer das Übergewicht. Der Antrag Welckers über Erleichterung materieller Lasten und gleichzeitige Förderung der geistigen Interessen, über Errichtung einer Landwehr und deren organische Verbindung mit dem zu vermindernden stehenden Heere, die Aufhebung aller Ausnahmemaßregeln des Deutschen Bundes und dessen Zurückführung auf die Grundlagen und Verheißungen der Bundesakte sowie der Antrag Sanders über den Zustand der Presse hatten ungemein lebhafte Angriffe gegen das Institut der Censur und heftige Debatten zur Folge.
Ganz besonders war dies auch der Fall infolge eines Antrags Itzsteins, der die Einmischung. der Regierung in die Wahlen und die von den Ministerialchefs zu diesem Zwecke erlassenen Rundschreiben, durch die im ganzen Lande große Aufregung erzeugt worden war, betraf. Ungeachtet einer Protestation des Ministeriums beschloß die Zweite Kammer mit 34 gegen 24 Stimmen, den Ausdruck der Mißbilligung wegen Beschränkung der Wahlfreiheit in ihre Protokolle niederzulegen. Am wurde der in der Geschichte des konstitutionellen Großherzogtums epochemachende Landtag im Auftrage des Großherzogs mit einer Rede geschlossen, die der Zweiten Kammer keine Hoffnung auf eine Veränderung des Ministeriums ließ.
Die Nachwirkungen dieser Kämpfe machten sich nach oben wie nach unten hin fühlbar. Die Regierung beharrte in ihrer Stellung, die Entfremdung zwischen Beamten und Volk nahm zu, und in der Bevölkerung dauerte die Aufregung fort. Der Landtag von 1843, der sich bis Febr. 1845 ausdehnte, war größtenteils mit Beratung der Gesetzentwürfe eines Strafgesetzbuches, einer Strafprozeßordnung und einer Gerichtsverfassung ausgefüllt, die nach mannigfaltigen Schicksalen und Änderungen erst 1851 in Wirksamkeit traten.
Indessen war der freisinnige Rebenius an die Spitze des Ministeriums des Innern getreten, doch wollte es ihm nicht gelingen, das friedliche Verhältnis herzustellen, zumal seit die deutschkath. Bewegung auch Baden ergriff und Censur und Polizei gegen sich herausforderte. So kam der neue Landtag im Nov. 1845 zusammen, auf dem sich gleich anfangs die Symptome der Verbitterung und Aufregung zeigten. Mitten in dem Streite der Parteien ward das Land durch die plötzliche Auflösung der Kammern überrascht und dadurch die Agitation im Lande auf eine ungewöhnliche Höhe gesteigert. In der aufgeregtesten Stimmung wurden die Wahlen vorgenommen; sie sicherten der Opposition ein entschiedenes Übergewicht. Der konstitutionell gesinnte Bekk ward zunächst als Minister ohne Portefeuille in die Verwaltung berufen, und der wiedereröffnete Landtag ging ohne gewaltsamen Bruch im Sept. 1846 zu Ende. Zwei Monate später ward Bekk Minister des Innern, und damit der konstitutionelle Liberalismus an die Spitze der Geschäfte gebracht. Die neue Regierung schlug einen freisinnigern und versöhnlichern Weg ein als ihre Vorgänger: innere Reformen wurden vorbereitet, bei dem Bundestage Schritte für Abschaffung der Censur gethan.
In diese Anfänge eines freundlichen Einverständnisses fiel die Nachricht von der franz. Februarrevolution, die natürlich Baden, das weit vorgeschobene Grenzland, zunächst am stärksten berührte. Aus allen Teilen des Landes kamen Petitionen mit den Forderungen: Preßfreiheit, Schwurgerichte, Volksbewaffnung und Nationalvertretung, die nachher ihren Weg durch Deutschland machten. Die Regierung erklärte sich sowohl mit diesen Wünschen einverstanden als mit den Forderungen, die von der äußersten Linken der Zweiten Kammer eingebracht und von der Versammlung selbst fast einstimmig angenommen wurden.
Die Aufhebung der Ausnahmegesetze des Bundes, die Vereidigung des Militärs auf die Verfassung, die polit. Gleichstellung aller Religionsbekenntnisse, Verantwortlichkeit der Minister, Rechtsschutz gegen Mißbrauch der Amtsgewalt, Aufbebung der Reste des Feudalwesens, Reformen im Steuerwesen, Aufhebung der privilegierten Gerichtsstände, volkstümliche Kreisverwaltung, Einwirkung auf Berufung eines deutschen Parlaments, Unabhängigkeit der Richter, Entfernung des Bundestagsgesandten (Blittersdorff) und dreier Minister (Trefurt, Regenauer, von Freydorf): das waren die damals am weitesten gehenden Forderungen, die von der Regierung entweder sofort gewährt oder durch Gesetzesvorlagen erledigt wurden.
Die ausscheidenden Minister wurden durch Brunner, Finanzrat Hoffmann und Oberst Hoffmann, drei anerkannt liberale Männer, ersetzt. Stand die Mehrheit der Kammer wie die Gemäßigten im Lande nun auf seiten der Regierung, so zeigte sich bald, daß die radikale Opposition bei jenen Forderungen nicht stehen bleiben werde. Auf einer Volksversammlung in Offenburg wurde zum erstenmal von dieser Partei, als deren Führer Hecker und Struve schon früher hervorgetreten waren (Versammlung in Offenburg die Stimmung der Masse für eine republikanische Bewegung erforscht, während Fickler im Seekreise für die Republik agitierte und jenseit des Rheins sich Freischaren sammelten, deren Zweck die Republikanisierung Deutschlands war. Das Scheitern der republikanischen Partei im Deutschen Vorparlament brachte den Plan einer gewaltsamen Schilderhebung zur Reife; die Verhaftung Ficklers durch Mathy (8. April) beschleunigte den Ausbruch. Am 12. April erließen Hecker und Struve von Konstanz aus die Aufforderung zur bewaffneten Erhebung und Sammlung in Donaueschingen; die Regierung hatte indessen, da
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schon damals die Zuverlässigkeit der bad. Truppen zweifelhaft war, sich durch Truppen aus den Nachbarstaaten verstärkt. So scheiterte der Versuch erst zu Donaueschingen, hierauf in dem Zusammenstoß bei Kandern, wo der hervorragende Führer der bad. Truppen, die durch Bundestruppen verstärkt waren, Friedrich von Gagern, das Opfer seines auf den Anstand der Gegner vertrauenden Mutes ward (20. April), dann durch die Einnahme von Freiburg (24. April), dessen sich die Freischaren bemächtigt hatten, endlich in dem Gefecht bei Dossenbach, wo Herweghs Legion deutscher Arbeiter zersprengt wurde (27. April). Aber auch nach dem Mißlingen dieses Aufstandes trat keine dauernde Beruhigung ein, solange die deutschen Angelegenheiten nicht endgültig geregelt werden konnten. Die Regierung und die Kammern fuhren fort, neue Organisationen vorzubereiten und eine Reihe von Gesetzen zu vereinbaren, welche die Verwaltung, das Gerichtswesen u. s. w. in demokratischem Sinne umgestalteten. Ein zweiter Aufstandsversuch, den Struve an der Schweizergrenze machte (21. Sept.), wurde von den bad. Truppen bei Staufen (24. Sept.) niedergeschlagen, wobei Struve selbst gefangen ward; aber die rührige Thätigkeit der radikalen Partei, die Schwäche der Regierung und die Energielosigkeit der Gemäßigten vereitelten jeden dauernden Erfolg.
Inzwischen waren mit der Vollendung der Reichsverfassung vom die deutschen Angelegenheiten in ihre Krisis getreten. Die bad. Regierung wie die Zweite Kammer hatten sich von Anfang an auf seiten der Deutschen Nationalversammlung gehalten. Der Großherzog erklärte sich zuerst (Jan. 1849) zu Opfern für die nationale Sache bereit, und als die Verfassung mit dem Bundesstaat und dem preuß. Kaisertum fertig war, gab wieder Baden das Beispiel der freiwilligen Anerkennung und Unterordnung unter dieselbe.
Selbst als Preußen die Krone und die Verfassung ablehnte, blieb Baden bei der Verfassung vom 28. März. Dann erfolgte der Bruch zwischen Preußen und dem Deutschen Parlament; die Bewegungen für die Reichsverfassung schlugen an der Elbe wie am Rhein in offene Aufstände um; alle revolutionären Elemente im In- und Auslande rüsteten sich seit Anfang Mai zu einer gewaltsamen Entscheidung. Unter den bad. Truppen, besonders in Rastatt, brachen Meutereien aus; aber überall (in Lörrach, Freiburg, Bruchsal, Karlsruhe) gärte es fast gleichzeitig.
Unter dem Eindrucke dieser Ereignisse gewann die revolutionäre Bewegung rasch weitere Verbreitung. Ein Landesausschuß, bestehend aus den Führern der demokratischen Klubs, nahm die Leitung der Revolution in die Hand. Inzwischen hatte ein auch in Karlsruhe ausgebrochener Soldatenaufstand in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai den Hof und das Ministerium veranlaßt, die Residenz zu verlassen und sich über Germersheim nach Lauterburg im Elsaß zu flüchten. So gelangte die revolutionäre Partei ohne Kampf in Besitz der Regierungsgewalt; eine aus dem Landesausschuß hervorgegangene Exekutivkommission (Brentano, Gögg, Peter, Eichfeld) trat an die Stelle der verschiedenen Ministerien.
Der Großherzog hatte unterdessen Preußen um Hilfe gebeten, da die Reichsgewalt nicht im stande war, hinlängliche Truppenmassen aufzubieten; bald zogen sich um Baden unter dem Oberbefehl des Prinzen Wilhelm von Preußen Streitkräfte zusammen, die hinreichend waren, den Aufstand zu erdrücken. Die Berufung Mieroslawskis an die Spitze der Revolutionsarmee konnte bei dem Zwiespalt der Führer der Volkspartei und der Unthätigkeit der Bevölkerung wenig helfen, obwohl derselbe mehr Zusammenhang in die Truppen und mehr Einheit in die strategischen Bewegungen zu bringen wußte. So verteidigte er 15. und 16. Juni die Neckarlinie gegen die Reichsarmee, konnte aber nicht hindern, daß indessen die Pfalz von den Preußen besetzt und am 20. bei Germersheim von diesen der Rhein überschritten ward. Er versuchte mit Übermacht bei Waghäusel eine der übergegangenen preuß. Kolonnen (21. Juni) zu schlagen, warf sie auch nach Philippsburg zurück, stieß aber am Nachmittag auf eine andere Division, die nach kurzem Kampfe der Revolutionsarmee eine völlige Niederlage beibrachte. Inzwischen war der preuß. General Peucker mit der Reichsarmee durch den Odenwald nach dem obern Neckar vorgerückt, doch entkam ihm die flüchtige Armee bei Sinsheim; die preuß. Division unter Groben hatte den untern Neckar überschritten. Am 25. zogen die Preußen in Karlsruhe ein, 29. und 30. Juni wurde nach lebhaftem Kampfe die Murglinie von der Volksarmee verlassen. Am 10. und 11. Juli zogen die letzten flüchtigen Kolonnen nach der Schweiz; am 23. wurde Rastatt übergeben.
Unterdessen hatte der Großherzog noch während des Aufenthalts im Auslande das Ministerium Bekk entlassen und Klüver, Marschall, Regenauer, Stabel, Roggenbach zur Verwaltung berufen. Das erste traurige Geschäft der neuen Regierung war, den Kriegszustand im Lande zu verkündigen, die am meisten Beteiligten vor Standgerichte zu stellen und den Riesenprozeß gegen die Urheber und Teilnehmer der Revolution einzuleiten. Etwa 40 standgerichtliche Todesurteile wurden ausgesprochen und vollzogen.
Die Mitglieder des Restaurationsministeriums besaßen indessen Besonnenheit genug, der Aufhebung der Verfassung zu widerstehen. Bald erholte sich das Land von den Wunden, die ihm die Revolution und ihre Nachwehen geschlagen. Am war Großherzog Leopold nach Baden zurückgekehrt; am traten die Kammern wieder zusammen, nach dem unveränderten Wahlgesetze ergänzt. Mit ihnen vereinbarte die Regierung eine Reihe von Gesetzen, die die Gemeindeordnung, das Strafgesetz, die Prozeßordnung, die Preßpolizei, das Vereinswesen u. s. w. betrafen und der Regierung größern Einfluß sicherten.
3) Unter Friedrich bis Großherzog Leopold starb Ihm folgte in der Regierung sein zweiter Sohn Friedrich (s. d.), den er schon am mit seiner Vertretung beauftragt hatte, da der älteste, der Erbgroßherzog Ludwig, durch schwere leibliche und geistige Erkrankung an der Thronfolge behindert war. Den nächsten Anstoß zu einer freiheitlichen Wendung der Dinge nach mehrjähriger, wenn auch milder Reaktionszeit gab der bald nach der Thronbesteigung Friedrichs ausgebrochene Kirchenstreit. Mit Württemberg, den beiden Hessen, Nassau und Frankfurt zusammen bildet Baden die sog. Oberrheinische Kirchenprovinz, an deren Spitze der Erzbischof von Freiburg steht. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche war hier durch frühere Vereinbarungen mit dem päpstl. Stuhle und durch eine gleichlautende landesherrliche Verordnung, die jene Staaten 1830 erlassen hatten, fast gleichförmig geregelt. In Baden zumal, dessen Bevölkerung zu zwei
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Drittteilen der kath. Konfession angehört, war der Kirche jede mit dem Gesamtwohle des Staates vereinbarliche freie Bewegung gestattet gewesen. Eine erwünschte Gelegenheit zur Erweiterung ihrer Macht fand in Deutschland die röm. Hierarchie in der Bewegung von 1848. Die Frankfurter Versammlung hatte in die Grundrechte des deutschen Volks die Bestimmung aufgenommen, daß die Kirchen ihre Angelegenheiten «selbständig ordnen und verwalten» dürften. Diesen allgemeinen Satz über die sog. «freie Kirche im freien Staate» wußten die Führer der Hierarchie alsbald im Interesse ihrer Machterweiterung zu benutzen.
Die Oberrheinische Kirchenprovinz, zumal Baden, schien nach den Ereignissen von 1849 besonders günstig für die klerikalen Angriffe zu sein. In einer Eingabe vom an die großherzogl. Regierung verlangte der Erzbischof von Freiburg, auf Grundlage der von den deutschen Bischöfen in Würzburg getroffenen Verabredungen, die in der Denkschrift vom niedergelegt waren, die Wiederherstellung der altkirchlichen Rechte, namentlich freie Besetzung der kirchlichen Pfründen, freie Verwaltung des kirchlichen Vermögens und anderes.
Bald darauf (1850) waren auf Einladung des Erzbischofs die Jesuiten und Liguorianer im Großherzogtum eingetroffen. Die damalige bad. Regierung zeigte sich diesen Vorgängen gegenüber schwach und wenig umsichtig. Als die Regierungen der Oberrheinischen Kirchenprovinz nach gemeinschaftlich zu Karlsruhe gepflogenen Beratungen im März 1853 ziemlich gleichlautende Verordnungen zu Gunsten des kirchlichen Regiments bekannt machten, erließen die Bischöfe eine gleichlautende Antwort an ihre Regierungen, in der sie sich für nicht zufrieden gestellt erklärten, mit dem Beifügen, sie fänden sich nun auf den Standpunkt unausweichlich hingetrieben, wo sie ihr Verhalten nach dem apostolischen Ausspruche zu bestimmen hätten: man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen, und sie erklärten, daß sie den künftigen kirchlichen Vorschriften der Regierungen auf das entschiedenste entgegentreten würden.
Mit dieser Verleugnung der früher eidlich übernommenen Verpflichtungen war der Krieg gegen die staatliche Ordnung erklärt. Der Erzbischof von Freiburg, der sich auch weigerte, die Abhaltung von Seelenämtern bei den Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Großherzog zu gestatten, versagte nun seine Mitwirkung bei Besetzung der Pfründen in der bisher geübten Weise, indem er viele Stellen ohne weiteres nach seinem Gutdünken besetzte. Zugleich erlaubte er sich, die Mitglieder des kath. Oberkirchenrats in Karlsruhe daran zu erinnern, daß sie als Katholiken in Übereinstimmung mit dem Episkopat, das einzig nur das kanonische Recht zur Richtschnur seines Handelns zu nehmen habe, ihr ferneres Verhalten zu regeln hätten. Als der kath. Oberkirchenrat dagegen Protest erhob und sich auf seinen Diensteid berief, wurde über die Mitglieder jener Staatsbehörde und über den Stadtdirektor Burger in Freiburg, der als großherzogl. Specialkommissar das landesherrliche Placet bei den Erlassen der erzbischöfl. Kurie zu wahren beauftragt war, die große Exkommunikation ausgesprochen und feierlich in den Kirchen verkündet.
Die bad. Regierung zeigte gegenüber diesem gesetzlosen Vorgehen große Schwäche. Sie erklärte zwar die gesetzwidrigen Schritte des Erzbischofs für null und nichtig; aber statt die Gesetze gegen die Urheber in Anwendung zu bringen, wandte sie sich mit Geld- und Freiheitsstrafen gegen die Vikare und einzelnen Pfarrer, die sich im Recht glaubten, wenn sie den Forderungen des nicht «suspendierten» Bischofs Gehorsam leisteten. Als der Erzbischof fortfuhr, sich nicht um die Staatsregierung und deren Einsprache zu kümmern, entschloß diese sich endlich, ihn zu verhaften, um ihn vor Gericht zu stellen Indes wurde der Prozeß auf Andrängen Roms alsbald wieder aufgegeben.
Schon vorher hatte man badischerseits die Vermittelung des röm. Stuhls angerufen und eine Gesandtschaft nach Rom abgehen lassen. Dort wurde vor allem Niederschlagung des Prozesses und vollkommene Freiheit für den Erzbischof gefordert. Erst als diesem entsprochen war, kam ein sog. «Interim» zu stande, in welchem die Regierung entschieden den Rückzug antrat. An die Annahme desselben, das bekannt gemacht wurde, knüpfte überdies die röm. Kurie die Bedingung weiterer Verhandlungen. Diese zogen sich durch das spröde Verhalten der Kurie mehr und mehr in die Länge, erst wurde, ohne Zweifel unter dem Druck der ital. Ereignisse, die Konvention (vier Tage nach der Schlacht von Solferino) in Rom abgeschlossen. Die Hierarchie hatte gesiegt.
Die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten, namentlich aber die Unterhandlungen mit Rom, waren bald nach Ausbruch des bad. Kirchenstreites dem Ministerium des Innern abgenommen und dem Auswärtigen Amte übertragen worden, das in den Händen von Männern lag, die zu Österreich hinneigten. Als der Landtag gegen Ende 1859 wieder zusammentrat, enthielt die Thronrede bezüglich des abgeschlossenen Vertrags, durch den die Leitung der Kirche dem Erzbischof überlassen war, die kurzen Worte: «Die mit dem päpstl. Stuhle gepflogenen Verhandlungen, worüber den Ständen die Aktenstücke vorgelegt werden sollen, sind zudem gewünschten Abschlusse gelangt.» Eine entgegengesetzte Überzeugung über den Wert des Konkordats hatte indes in allen Kreisen des bad. Volks platzgegriffen und gab sich in Versammlungen, Flugschriften und Petitionen in unzweideutiger Weise kund.
Der moralische Druck der öffentlichen Meinung auf die bisher in der Mehrheit sehr gefügige Zweite Kammer wurde allmählich so stark, daß die Kammer sich über die Aktenstücke durch eine Specialkommission Bericht erstatten ließ. Eine Folge dieses Berichts war der Antrag, «daß die Konvention nicht in Wirksamkeit zu treten habe». Nach zweitägigen lebhaften Debatten schloß sich die Zweite Kammer mit großer Mehrheit dem gestellten Antrage an und verlangte die Regelung der kirchlichen Angelegenheiten durch die Gesetzgebung.
Dieser im ganzen Lande freudig begrüßte Beschluß hatte 2. April den Sturz des Ministeriums Stengel und einen Wechsel des bisherigen Regierungssystems zur Folge. Zwei der hervorragendsten Mitglieder der liberalen Opposition, Lamey und Stabel, traten in das Ministerium und wurden die Seele desselben. Ein landesherrlicher Erlaß vom machte die Grundsätze der neuen Verwaltung bekannt, die ein zeitgemäßes Fortschreiten auf dem Boden der Verfassung verhießen.
4) Unter Friedrich 1800-70. Das liberale Ministerium, in das später (Mai 1861) Freiherr von Roggenbach als Minister des Auswärtigen eintrat, wußte seitdem durch eine Reihe von
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Gesetzen und durch rühriges Auftreten nach außen die übernommene Aufgabe in befriedigender Weise zu lösen. Der Kirchenstreit wurde durch die der Zweiten Kammer vorgelegten sechs Gesetzentwürfe und durch endliche Vereinbarung mit dem Erzbischof hinsichtlich der Besetzung der Kirchenpfründen, Verwaltung des Kirchenvermögens und Einsetzung eines kath. Oberstiftungsrats geregelt. Daran reihte sich eine Umgestaltung der Verfassung der prot.
Landeskirche in liberalem Sinne und die Emancipation der Juden. Auch auf allen andern Gebieten des öffentlichen Lebens wurde der bad. Staat einer Umgestaltung entgegengeführt. Diese weitgreifenden Reformen waren: Einführung der Gewerbefreiheit, eine neue Gerichtsorganisation (nach dem Muster der hannoverischen), ein Polizeistrafgesetzbuch und insbesondere eine neue Organisation der innern Verwaltung mit weitester Ausdehnung der Selbstregierung. Zugleich hörte die bisherige polit. Einteilung des Großherzogtums in vier Provinzen mit ebensoviel Mittelregierungen auf. Das Land zerfällt seitdem in 11 Verwaltungskreise.
Die Energie, mit der der Minister des Äußern, Freiherr von Roggenbach, bei jeder Gelegenheit dem nationalen Verlangen nach einer gründlichen Bundesreform Ausdruck gab, belebte auch außerhalb B.s die nationalen Hoffnungen, um so mehr, als man den Großherzog in diesem Gedanken mit seinem Minister einig wußte. Die eifrige Verwendung B.s für das kurhess. Verfassungsrecht 1862 auf dem Bundestage förderte die endliche Herstellung jenes Rechts durch Preußen.
Der rasche Entschluß, dem von Preußen beantragten Französisch-Deutschen Handelsvertrage beizutreten, begünstigte aldann die Erneuerung des Zollvereins 1865. Im J. 1864 wurde das Land von neuem durch eine bald immer wiederkehrende klerikale Agitation beunruhigt. Der kath. Klerus war unzufrieden mit der staatlichen Einrichtung von Ortsschulräten, an denen auch Familienväter teilhaben sollten, und von Kreisschulinspektoren, und die kath. Pfarrer erhielten von der erzbischöfl.
Kurie den Befehl, die ihnen vorbehaltene Stelle in den Ortsschulräten nicht einzunehmen. Gleichzeitig machte ein erheblicher Teil der prot. Geistlichkeit den Versuch, die freiere kritische Richtung in der prot. Theologie zu unterdrücken. Der Versuch scheiterte aber an dem Widerstände der Liberalen, die bald darauf zur Gründung des Deutschen Protestantenvereins schritten und das Recht der freien Forschung, die Versöhnung des Christentums mit der modernen Bildung und eine Erneuerung der Kirche auf der Grundlage der Gemeindeverfassung auf ihre Fahne schrieben. Der Oberkirchenrat erkannte die Gleichberechtigung der verschiedenen Richtungen innerhalb des Protestantismus an und verwies die Vertreter der orthodoxen Richtung zur Ruhe.
Inzwischen wirkte der Konflikt zwischen Preußens Regierung und Abgeordnetenhaus erkältend auf die Hoffnungen, die sich Preußen zugewendet hatten, und der Verlauf des schlesw.-holstein. Streites machte die bad. Volksvertreter allmählich zu Gegnern Preußens. Der Minister von Roggenbach trat zurück, und von Edelsheim kam an seine Stelle; er unternahm es, in das mittelstaatliche Lager überzuführen und schließlich an Österreich anzuschließen.
Mit den Demokraten verbündet und der Ultramontanen sicher, nahm Edelsheim an den mittelstaatlichen Konferenzen in Augsburg und Bamberg teil und brachte die Kammer, die sich noch für den Bismarckschen Antrag (Einberufung eines deutschen Parlaments zum Zweck einer Neugestaltung der Bundesverfassung) mit allen gegen drei Stimmen ausgesprochen hatte, nach und nach zu dem Entschluß, durch inniges Zusammengehen mit den andern süddeutschen Staaten Heil für Baden zu suchen, was thatsächlich gleichbedeutend war mit Krieg gegen Preußen.
Der Großherzog, der mit Mathy auf preuß. Seite stand, mußte, als ihm auf eine Anfrage in Berlin die Antwort erteilt wurde, Preußen sei nicht im stande, Baden militärisch zu schützen, dem Andrängen der Mehrheit des Ministeriums und des Landes nachgeben. Durch Bundestagsbeschluß vom 14. Juni ward der Krieg gegen Preußen entschieden, der die bad. Division unter dem Befehl des Prinzen Wilhelm den unglücklichen und wenig ruhmvollen Mainfeldzug mitmachen ließ (s. Deutscher Krieg von 1866). Die preußisch gesinnten Mitglieder des Ministeriums wurden verdrängt: die Ministerialräte Jolly und Freydorf wurden 26. Juni ihrer Stellen enthoben;
Mathy, Präsident des Handelsministeriums, mußte 30. Juni seine Entlassung nehmen.
Nach den preuß. Siegen in Böhmen und am Main schlug die öffentliche Meinung in Baden ebenso rasch wieder um. Schon 22. Juli baten 39 Abgeordnete in einer Adresse den Großherzog, den nutzlosen Krieg aufzugeben und den Anschluß an Preußen zu bewerkstelligen. In gleichem Sinne sprach sich die Bevölkerung in Adressen und Volksversammlungen aus. Am 23. Juli reichte Edelsheim, 26. Juli Stabel, Lamey, Vogelmann ihre Entlassung ein und 27. Juli erhielt Mathy den Auftrag, ein neues Ministerium zu bilden: Mathy wurde Staatsminister und übernahm wieder die Leitung des Handels, vorläufig auch der Finanzen;
Freydorf wurde Präsident des Ministeriums des Auswärtigen, Jolly des Ministeriums des Innern;
General Ludwig, dessen Entlassung nicht angenommen worden war, behielt das Kriegsministerium, und Staatsrat Nüßlin blieb Mitglied des Ministeriums ohne Portefeuille.
Die Truppen wurden 29. Juli zurückgerufen, 3. Aug. Waffenstillstand und 17. Aug. in Berlin der definitive Friede und ein Allianzvertrag mit Preußen geschlossen. Baden hatte eine Kriegskontribution von 6 Mill. Gulden an Preußen zu bezahlen. Der Friedensvertrag wurde sofort von beiden Kammern genehmigt, und Annäherung B.s an Preußen und an den Norddeutschen Bund als nächstes, die Vereinigung Süddeutschlands mit demselben zu einem Deutschen Reiche von Regierung und Volksvertretung als Endziel der bad. Politik bezeichnet.
Bei der Eröffnung des Landtags sprach der Großherzog in der Thronrede seinen «festen Entschluß» aus, «der nationalen Einigung unausgesetzt nachzustreben» und jedes Opfer zu diesem Zwecke zu bringen. Die Allianz- und Zollverträge, das an die Kriegsverfassung des Norddeutschen Bundes sich anschließende Wehrgesetz wurden von beiden Kammern genehmigt. Ein Ministerverantwortlichkeitsgesetz, ein Preßgesetz und ein Schulgesetz folgten.
Schon vor dem Schlusse des Landtags war Mathy gestorben. Infolgedessen wurde das Ministerium 12. Febr. neugebildet: Jolly übernahm das Staatsministerium und das Innere, Freydorf das Auswärtige, Ellstätter die Finanzen, Dusch den Handel, Obkircher (jedoch erst
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21. Okt.) die Justiz, der bisherige preuß. Militärbevollmächtigte in Karlsruhe, General Beyer, das Kriegswesen. Nüßlin blieb in seiner bisherigen Stellung. Die eingeschlagene Politik wurde mit, aller Entschiedenheit festgehalten. Das bad. Kadetteninstitut wurde aufgehoben und einem mit Preußen vereinbarten Vertrage gemäß die bad. Kadetten in die preuß. Militäranstalten aufgenommen, 1869 auch mit dem Norddeutschen Bunde ein die militärische Freizügigkeit bezweckender Vertrag geschlossen.
Die Militärorganisation war 1868 vollendet, das Kommando der Division wurde Beyer übertragen. Bei den Zollparlamentswahlen im Febr. 1868 siegten die Nationalliberalen in acht, die Klerikalen in sechs Wahlkreisen. Mit der Freiburger Kurie kam es indessen zu neuen Konflikten. Die Regierung hatte verordnet, daß die jungen Theologen beider Konfessionen nach beendigten Universitätsstudien vor einer staatlichen Prüfungskommission eine Prüfung über ihre allgemein wissenschaftliche Vorbildung zu bestehen haben sollten.
Dagegen protestierte der Erzbischof und untersagte in einem Erlasse vom 18. Sept. den kath. Theologen, sich dieser Prüfung zu unterziehen. Darauf erklärte die Regierung das erzbischöfl. Verbot für ungültig und verweigerte allen denjenigen Theologen, die sich der Prüfung nicht unterwarfen, die definitive Anstellung und die Auszahlung des Gehalts. Der Tod des Erzbischofs Vicari nach welchem der Domdekan und Generalvikar Lothar Kübel vom Kapitel zum Erzbistumsverweser gewählt wurde, brachte die Aussöhnung nicht näher.
Ein Streit im liberalen Lager kam den Klerikalen nur erwünscht: in Offenburg am 8. Nov. und abgehaltene Versammlungen, auf welchen die Führer der liberalen Partei dein Ministerium Jolly Opposition machten, veranlaßten sie, in Verbindung mit den Großdeutschen und Demokraten einen Aufruf an das Volk ergeben zu lassen und einen Adressensturm an den Großherzog zu versuchen. Auflösung der jetzigen Ständeversammlung, Einberufung eines außerordentlichen Landtags zur Schaffung eines neuen Wahlgesetzes auf Grundlage des direkten geheimen Wahlverfahrens und ein Mißtrauensvotum gegen das Ministerium war der Hauptinhalt der Adressen.
Diese Gefahr beseitigte den Streit der Liberalen mit dem Ministerium; die neue Offenburger Versammlung vom beschloß eine Gegenadresse an den Großherzog, die bedeutendsten Städte des Landes folgten diesem Beispiele, und der Großherzog wies die klerikal-demokratischen Adressen zurück. Bei den Erneuerungswahlen vom siegten die Liberalen in 18, die Klerikalen in 4 Wahlkreisen. Den am 24. Sept. eröffneten Landständen legte die Regierung einen Entwurf über Veränderung verschiedener Verfassungsbestimmungen vor: die Zweite Kammer sollte die selbständige Wahl ihrer Präsidenten, die Selbstbestimmung hinsichtlich der Geschäftsordnung, die Initiative in der Gesetzgebung erhalten, und der Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts und der geheimen Abstimmung sollte in das Wahlgesetz aufgenommen werden.
Dieses Verfassungsgesetz wurde von der Zweiten Kammer 29. Okt., von der Ersten 13. Nov. angenommen, die von den Klerikalen gewünschte Einführung der direkten Wahlen aber mit allen gegen 14 Stimmen verworfen. Das Gesetz über Einführung der obligatorischen Civilehe und der bürgerlichen Standesbeamtung wurde von der Zweiten Kammer 17. Nov. mit allen gegen 6 Stimmen, von der Ersten 4. Dez. gleichfalls mit allen gegen 6 Stimmen angenommen. Ebenso wurde die Verlängerung des Kontingentgesetzes und das Gesetz über das Militärbudget von beiden Kammern, das Gesetz über die neue Einteilung des Landes in 56 Landtagswahlbezirke und der Antrag, die Mandatsdauer der Abgeordneten von acht auf vier Jahre herabzusetzen und alle zwei Jahre die eine Hälfte austreten zu lassen, von der Zweiten Kammer vereinbart.
Das Stiftungsgesetz, wonach diejenigen Stiftungen, die in das Gebiet der Schule und des Armenwesens gehörten, der kirchlichen Verwaltung entzogen und unter weltliche Verwaltung gestellt werden sollten, und die Gesetze über Ausdehnung der Befugnisse der Schwurgerichte bei politischen und Preßvergehen, über das an die norddeutschen Bestimmungen sich anschließende Militär-Strafgesetzbuch und über die Unterstützung des Gotthardbahnunternehmens mit 3 Mill. Gulden wurden vom Landtage genehmigt. Der Schluß dieses wichtigen Landtages erfolgte Der Protest des Bistumsverwesers gegen das Stiftungsgesetz wurde nicht beachtet. Der Verweser ließ die vatikanischen Beschlüsse vom 18. Juli öffentlich verkündigen. Die Regierung erklärte, daß diese Beschlüsse, sofern sie mittelbar oder unmittelbar in bürgerliche Verhältnisse eingreifen, als rechtlich unverbindlich anzusehen seien.
5) Unter Friedrich nach 1870. Die Kriegserklärung Frankreichs beschleunigte die Erfüllung der nationalen Bestrebungen B.s. Die bad. Division wurde unter den Oberbefehl des Generals von Werder gestellt, beteiligte sich zuerst an der Belagerung Straßburgs, focht dann bei Dijon und Nuits und nahm vom 15. bis an den siegreichen Kämpfen vor Belfort der Bourbakischen Armee gegenüber ruhmvollen Anteil. Die Regierung suchte die Siege für den Ausbau des nationalen Staates zu verwerten.
Schon in einem Schreiben an Bismarck vom forderte sie die Wiedererwerbung des Elsasses und die Erweiterung des Norddeutschen Bundes zum Deutschen Bund und beantragte für letztern eine Verstärkung der Centralgewalt aus militärischem und diplomatischem Gebiete. Nach den Münchener Verhandlungen, an denen Baden sich nicht beteiligt hatte, beantragte Baden 2. Okt. seinen Eintritt in den Norddeutschen Bund. Minister Jolly und Freydorf begaben sich auf Bismarcks Einladung 20. Okt. nach Versailles.
Dort wurde der Verfassungsvertrag mit dem Norddeutschen Bunde 15. Nov., die Militärkonvention mit Preußen 25. Nov. abgeschlossen. Danach sollte das bad. Kontingent einen unmittelbaren Bestandteil der preuß. Armee bilden, der König von Preußen als Bundesfeldherr alle Rechte und Pflichten des Kontingents- und Kriegsherrn übernehmen und Baden die dasselbe verfassungsmäßig treffende Summe für das Bundeslandheer der preuß. Kriegsverwaltung zur freien Verfügung überlassen. Der zusammentretende Landtag genehmigte die beiden Verträge und eine die nationalen Gesinnungen und Bestrebungen des Großherzogs anerkennende Dankadresse an denselben. Das Ministerium des Auswärtigen und das des Kriegswesens wurden 1. Juli und aufgelöst, sämtliche Gesandtschaften 24. Okt. aufgehoben. Bei den Reichstagswahlen vom wurden 12 Nationalliberale und 2 Klerikale
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gewählt. Der wiedereröffnete Landtag beschäftigte sich vorzugsweise mit finanziellen und Verwaltungsfragen und wurde wieder geschlossen. Zur Annahme gelangten die Gesetzentwürfe über Ausschließung religiöser Ordensmitglieder vom Elementarunterricht und von der Aushilfe in der Seelsorge und über das Verbot von Missionen sowie der auf Interpellation des Abgeordneten Eckhard von der Regierung den altkath. Priestern, Gemeinden und Eltern zugesicherte staatliche Rechtsschutz.
Der ersten altkath. Gemeinde in Konstanz waren bald weitere altkath. Gemeinden in Freiburg, Pforzheim, Karlsruhe, Heidelberg und an andern Orten gefolgt. Der altkath. Bischof Reinkens erhielt die staatliche Anerkennungsurkunde. An sämtliche Mitglieder religiöser Orden und Kongregationen erließ die Regierung den Befehl, ihre bisherige Lehrthätigkeit binnen vier Wochen einzustellen. An die Stelle des freiwillig austretenden von Dusch wurde Ministerialrat Turban zum Präsidenten des Handelsministeriums ernannt.
Bei den Landtagswahlen vom Okt. 1873 wurden 50 Nationalliberale, 10 Klerikale und 3 Demokraten gewählt. Die Eröffnung des Landtags erfolgte 20. Nov. Ein die Rechtsverhältnisse der Altkatholiken vollständig regelndes Gesetz wurde von der Zweiten Kammer von der Ersten 2. Juni angenommen. Die Kirchengesetze von 1860 fanden eine Ergänzung in einem Gesetzentwurfe, der einer schon früher erlassenen Verordnung gesetzliche Geltung gab und bestimmte, daß für die Zulassung zu einem Kirchenamte oder zur öffentlichen Ausübung kirchlicher Funktionen der Nachweis einer allgemein wissenschaftlichen Vorbildung nötig sei, auch denjenigen vom Besuche einer Universität nicht dispensierte, der seine Studien an einer von Jesuiten oder einem andern Orden geleiteten Anstalt gemacht habe; außerdem den Schluß der Knabenseminare und Konvikte für Theologie Studierende mit Ende des laufenden Schuljahrs aussprach und Geld- und Gefängnisstrafen für Mißbrauch des geistlichen Standes festsetzte.
Dieser Gesetzentwurf wurde von der Zweiten Kammer mit allen gegen 10 Stimmen angenommen und ein Einverständnis hierüber mit der Ersten Kammer 14. Febr. erzielt. Der Städteordnungsentwurf, wonach in Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Heidelberg, Pforzheim, Konstanz, Baden die Einwohnergemeinden an die Stelle der Bürgergemeinden gesetzt, die Wahl der Bürgermeister, Beigeordneten und Stadträte dem Bürgerausschusse übertragen und letzterer von den wahlberechtigten Einwohnern gewählt werden sollte, wurde von der Zweiten Kammer angenommen, mit der Bestimmung, daß dieses Gesetz mit einem zu erlassenden Gesetz über die Gemeindebesteuerung in Wirksamkeit trete. Die Erste Kammer nahm das Gesetz mit einigen Abänderungen 27. Mai an. Dem Kammerbeschlusse gemäß wurden das erzbischöfliche theol. Konvikt in Freiburg und die dortigen Knabenseminarien durch die Ministerialverfügung vom 1. Aug. geschlossen. Bei den Reichstagswahlen vom wurden 12 nationalliberale und nur 2 klerikale Abgeordnete gewählt.
Die Erneuerungswahlen zum Landtage, die stattfanden, ergaben die Wahl von 22 Nationalliberalen, 6 Ultramontanen und 2 Demokraten. Der Landtag wurde 23. Nov. eröffnet, jedoch bald darauf vertagt, kam wieder zusammen und dauerte bis zum 15. Juli. Die in der Thronrede angekündigten Gesetze kamen zu stande. Die Dotation der evang. und kath. Geistlichkeit mit einem Staatszuschuß von je 200000 M. wurde 26. Juni und 5. Juli von beiden Kammern bewilligt, jedoch mit der Bestimmung, daß im Namen der kath. Geistlichkeit der Erzbistumsverweser und der altkath.
Bischof die Gehorsamserklärung gegen den Staat abzugeben haben, daß der Kurie die freie Disposition über die Pfründenerträgnisse entzogen und diese Dotation zunächst nur auf sechs Jahre bewilligt werde. Das Gesetz über Einführung gemischter Volksschulen wurde von den Kammern 22. Juni und 3. Juli angenommen und den Wünschen der Klerikalen durch die Bestimmung Rechnung getragen, daß in denjenigen Gemeinden, die bisher konfessionell getrennte Schulen hatten, auch ein Lehrer von dem Bekenntnisse der Minderheit angestellt werden solle, falls die Zahl von deren Schulkindern nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre wenigstens 20 betragen habe. Das Gesetz über Einrichtung und Befugnisse der Oberrechnungskammer wurde von beiden Kammern 17. Juni und 12. Juli, das Gesetz über Einführung einer Erwerbssteuer, welches die Reform der Steuergesetzgebung weiter führen sollte, 20. Juni und 14. Juli angenommen.
Das größte Aufsehen erregte bald darauf die Nachricht, daß Staatsminister Jolly, der Mann, der mit Entschlossenheit und Thatkraft die nationale Entwicklung gefördert und mit fester Hand den Ausbau des Staates weiter geführt hatte, am 21. Sept. seine Entlassung erbeten und erhalten, und daß infolgedessen das ganze Ministerium ein Entlassungsgesuch eingereicht habe. Der mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragte Handelsminister Turban wurde 24. Sept. unter Beibehaltung seines Portefeuilles zum Präsidenten des Ministeriums, Ministerialrat und Landeskommissar Stösser zum Präsidenten des Ministeriums des Innern, Anwalt Grimm zum Präsidenten des Ministeriums des großherzogl. Hauses und der Justiz ernannt; der Präsident des Finanzministeriums Ellstätter und Geheimrat Nüßlin blieben in ihren Stellungen.
Geheimrat von Freydorf wurde in den Ruhestand versetzt, Jolly 4. Okt. zum Präsidenten der Oberrechnungskammer ernannt. Daß dieser Ministerwechsel nicht eine Änderung des bisherigen liberalen Systems, sondern der Regierungsmethode bedeute, versicherte 31. Okt. der Großherzog ausdrücklich. Bei den Reichstagswahlen vom wurden 11 Nationalliberale, 2 Klerikale und 1 Deutschkonservativer gewählt. Der Großherzog wurde vom Kaiser zum Generalinspecteur der neugeschaffenen Armee-Inspektion (14. und 15. Armeekorps) ernannt.
Bei den Erneuerungswahlen zur Abgeordnetenkammer wurden 22. Okt. 26 Nationalliberale, 5 Klerikale und 1 Demokrat gewählt. Infolgedessen hatten die Klerikalen noch 12 Mitglieder in der Kammer. Bei der Eröffnung des Landtags 15. Nov. kündigte die Thronrede Vorlagen zu den Justizgesetzen, zur Gemeindebesteuerung, zum Budget an. Die Abgeordnetenkammer wählte, nachdem ihr langjähriger Präsident, Kirsner, gestorben war, 17. Nov. den Staatsrat Lamey zu ihrem Präsidenten. Die klerikalen Anträge auf Einführung des direkten Wahlsystems und auf Abschaffung der staatlichen Prüfung der Theologen wurden abgelehnt. Bei den
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Reichstagswahlen vom wurden 8 Nationalliberale, 3 Klerikale, 2 Deutschkonservative, 1 Demokrat gewählt. Auch bei den Ergänzungs- und Ersatzwahlen in die Abgeordnetenkammer erlitten die Nationalliberalen Verluste. Gewählt wurden 21 Nationalliberale, 10 Klerikale, 3 Konservative und 2 Demokraten. Die Abgeordnetenkammer bestand nun aus 39 Nationalliberalen, 10 klerikalen, 3 Demokraten, 2 Konservativen.
Die bei der Eröffnung des Landtags gehaltene Thronrede betonte den schlimmen Stand der Finanzen, der die Folge des Ausfalls im Eisenbahnertrag und in den übrigen ordentlichen Einnahmen sei und eine Steuererhöhung, wie Anleihen für Eisenbahnbauten, notwendig mache. Der Landtag hatte sofort eine Kulturkampfvorlage zu beraten. Um dem Streit, der seit dem Erlaß des Gesetzes vom zwischen Regierung und Kirche wegen der Examenfrage bestand, ein Ende zu machen, legte erstere einen Gesetzentwurf vor, wonach von der allgemein wissenschaftlichen Staatsprüfung diejenigen Theologen frei fein sollten, von welchen eine theol.
Fachprüfung abgelegt worden sei, sofern dieser Prüfung ein landesherrlicher Kommissar angewohnt und das Ergebnis der Prüfung der Staatsbehörde keinen Anlaß zur Beanstandung der Kandidaten gegeben habe. Denjenigen Geistlichen aber, die vor Verkündigung dieses neuen Gesetzes geprüft und zu Priestern geweiht worden waren, sollte bei Nachweis der bestandenen Abiturientenprüfung und des dreijährigen Besuchs einer deutschen Universität die Staatsprüfung zum Nachweis der allgemein wissenschaftlichen Vorbildung erlassen werden.
Die Kommission, an welche diese Vorlage verwiesen wurde, erklärte, zumal da sie erfuhr, daß der Bistumsverweser Rübel zwar seine Zustimmung zu diesem Entwurf gegeben, zugleich aber alle durch das Konkordat der kath. Kirche erteilten Rechte für dieselbe aufs neue in Anspruch nehme, mit 10 gegen 3 Stimmen, daß sie an die Kammer den Antrag auf Nichteintreten in die Beratung der Vorlage richten werde, solange nicht die erzbischöfl. Kurie ihren Erlaß von 1874 zurückgenommen habe, in welchem sie den Klerikern verbot, um Dispensation von der allgemein wissenschaftlichen Staatsprüfung einzukommen.
Als der Bistumsverweser darauf mit Zustimmung des Papstes die Verbote zurücknahm, legte die Negierung 13. Febr. einen neuen Gesetzentwurf vor, der den Absichten der Kommission entsprechend die allgemein wissenschaftliche Staatsprüfung aufhob und auch vom Anwohnen eines staatlichen Prüfungskommissars bei der theol. Fachprüfung Abstand nahm. Dieser Entwurf wurde 25. Febr. von der Abgeordnetenkammer, 2. März von der Ersten Kammer genehmigt. Da aber bei diesen Verhandlungen Stösser den Liberalen die Würde des Staates nicht gehörig gewahrt zu haben schien, so nahm die Abgeordnetenkammer 10. März mit 28 gegen 19 Stimmen den Antrag an, daß etwa stattfindende Verbandlungen über die Wiederbesetzung des erzbischöfl.
Stuhls vom Staatsministerium selbst geführt werden sollten. Auf dieses Mißtrauensvotum hin reichte Stösser ein Entlassungsgesuch ein, das aber vom Großherzog nicht angenommen wurde. Doch war der liberalen Kammermehrheit gegenüber die Stellung Stössers nicht länger haltbar. Durch Verordnung vom wurde zunächst eine neue Teilung der Ministerien vorgenommen. Stösser, Grimm und Nüßlin erhielten dann die erbetene Entlassung; Turban blieb Präsident des Staatsministeriums und übernahm zugleich das Ministerium des Innern, Ellstätter führte das Präsidium des Ministeriums der Finanzen weiter, Oberschulratsdirektor Nokk wurde zum Präsidenten des Ministeriums der Justiz, des Kultus und des Unterrichts ernannt.
Bei den Erneuerungs- und Ersatzwahlen vom wurden in die Zweite Kammer 31 Nationalliberale, 3 Konservative, 6 Demokraten, 22 Klerikale und 1 Wilder gewählt, für den im folgenden Jahre 1 Klerikaler eintrat. Bei den Reichstagswahlen vom 27. Okt. behielten die Nationalliberalen ihre 8 Sitze, die Klerikalen setzten 4, die Konservativen und die Demokraten je 1 Kandidaten durch. Die Zweite Kammer genehmigte 1882 das Dotationsgesetz oder den Gesetzentwurf über die Aufbesserung gering besoldeter Kirchendiener aus Staatsmitteln für die nächsten fünf Jahre und erledigte 14. April die Beratung des Budgets für die J. 1882 und 1883. Die günstige Lage des Staatshaushalts hatte es der Regierung und der Kammer möglich gemacht, die Grund- und Häusersteuer zu ermäßigen und auf den gleichen Fuß mit der Erwerbssteuer zu setzen. Der seit 1868 erledigte erzbischöfl. Stuhl von Freiburg wurde im Juli 1882 durch die Wahl des bisherigen Erzbistumsverwesers Orbin wieder besetzt. Großherzog Friedrich, der seit Okt. 1881 wegen schwerer Krankheit dem Erbgroßherzog Friedrich Wilhelm die Stellvertretung übertragen hatte, übernahm wieder die Regierung.
In Rücksicht auf die Neuwahlen für faßte die klerikale Partei in den Wahlversammlungen zu Heidelberg und Rastatt den Beschluß, daß die kirchlichen Zustände vor 1860 (in welchem Jahre die liberale Ära begonnen hatte) wiederhergestellt und der Syllabus (s. d.) als oberste Norm aufgestellt werden müsse. Doch hatte dieses Wahlprogramm der Klerikalen eine für sie selbst sehr nachteilige Wirkung. Gewählt wurden 21 nationalliberale, 7 klerikale, 4 demokratische Abgeordnete. Infolgedessen bestand die Kammer aus 34 Nationalliberalen, 19 Klerikalen, 8 Demokraten, 1 Konservativen und 1 Wilden. Durch die Ernennung Eisenlohrs zum Direktor im Ministerium des Innern und stimmführenden Mitglied des Staatsministeriums wurde 17. Juni letzteres in liberalem Sinne ergänzt.
Der eröffnete Landtag entwickelte eine große gesetzgeberische Thätigkeit. Die Zweite Kammer genehmigte den Gesetzentwurf über Zusammensetzung der Kreisversammlungen, 8. März die Revision der Städteordnung, 23. Mai die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer und das Finanzgesetz für 1884/85, wobei beschlossen wurde, daß das Defizit aus dem Betriebsfonds gedeckt werden solle. Zur Prüfling der von der Regierung angestellten Erhebungen über die Lage der Landwirtschaft wurde eine Kommission gewählt, auf deren Bericht hin die Kammer 24. April sich für eine Erhöhung der Getreidezölle und zugleich für ein wirksames Börsensteuergesetz aussprach. Auch der Antrag, für eine kleingewerbliche Enquete eine Summe zu bewilligen, wurde 20. Mai angenommen. Bei den Reichstagswahlen 1884 wurden 5 Nationalliberale, 4 Klerikale, 3 Konservative, 1 Deutschfreisinniger und 1 Demokrat gewählt.
Nach den Neuwahlen für den Landtag vom Okt. 1885 bestand die Zweite Kammer aus 45
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Nationalliberalen, 14 Klerikalen, 3 Demokraten und 1 Konservativen. Sie genehmigte 1886 das Gemeindesteuergesetz, worin die Einkommensteuer in die Gemeindebesteuerung eingeführt wurde, und die Dotation von je 200000 M. auf neun Jahre für gering besoldete evang. und kath. Kirchendiener. Die gemäßigt-klerikale Fraktionsmehrheit unter Lender löste sich von der unversöhnlichen Minderzahl, die sich unter den Befehl Windthorsts stellte, förmlich los. Nach dem Tode des Erzbischofs Orbin wurde Bischof Roos von Limburg Erzbischof von Freiburg.
Die Wahlen zu dem Landtag von 1887-88, der am eröffnet wurde, hatten der ultramontanen Partei einen Verlust von 5 Stimmen, den Demokraten einen solchen von 2, beides zum Vorteil der Nationalliberalen gebracht. Die Tagung der Stände war besonders durch zwei Vorlagen in Anspruch genommen: ein Kirchengesetz und ein Gesetz über Stellung und Gehaltsverhältnisse der Staatsdiener aller Stufen. Schon die Thronrede hatte erklärt, daß die Regierung auf einige vom staatlichen Interesse nicht mehr gebotene Einschränkungen der kath. Kirche verzichten werde.
Allerdings konnte sich die liberale Majorität nicht entschließen, allen Vorschlägen der Regierung zuzustimmen. Immerhin bewies das am veröffentlichte Gesetz, zumal in der Bestimmung, daß es der Kirche gestattet sei, Anstalten und Konvikte zur Ausbildung ihrer Geistlichen zu errichten, daß sie und auch die Kammern bestrebt seien, den Frieden zwischen Kirche und Staat herzustellen und zu sichern. Das Beamtengesetz wurde erst 1889 durchberaten und am 24. Juli mit Gehaltsordnung und Etatsgesetz veröffentlicht; 1890 trat dasselbe ins Leben. Im Landtag von 1890 brachte die Regierung eine wichtige Novelle zur Gemeindeordnung, die nach den Beschlüssen der Kammern allen Gemeinden von über 500 E. das Recht giebt, die Einwohnergemeinde einzuführen, Bürgermeister und Gemeinderat indirekt und zwar den erstern auf 9, statt auf 6 Jahre zu wählen. Bei den Reichstagswahlen im Febr. 1890 verlor die nationalliberale Partei alle Sitze (gewählt 8 Klerikale, 3 Konservative, 1 Freisinniger, 1 Demokrat, 1 Socialdemokrat). Am 9. Okt. legte Turban das Präsidium des Ministeriums des Innern nieder, das Eisenlohr übernahm, blieb aber Präsident des Staatsministeriums.
Schwere Verluste erlitt die nationalliberale Partei bei den Landtagswahlen 1891, behielt aber die Mehrheit mit einer Stimme. Es wurde mit dem Landtag im April 1892 ein Gesetz zur finanziellen Ordnung des Elementarunterrichts vereinbart. Ein von Demokraten und Ultramontanen befürworteter Antrag zu Gunsten direkter Landtagswahlen und einer Gesamtrevision der Verfassung wurde 13. Mai trotz des Widerspruchs der Regierung angenommen, dagegen ein Antrag der Centrumspartei, der die Zulassung der religiösen Orden zu erleichtern bezweckte, 28. Mai mit 31 gegen 28 Stimmen abgelehnt. Im März 1893 traten Ministerpräsident Turban und Finanzminister Ellstätter zurück und an Stelle des erstern der Justiz- und Kultusminister Nokk mit Beibehaltung seines Ressorts; Finanzminister wurde Ministerialrat Buchenberger, an die Spitze eines neu errichteten vierten Ministeriums (Auswärtiges u. s. w., s. S. 262a) trat der bisherige Gesandte in Berlin, von Brauer.
Bei den Landtagswahlen Okt. 1893 verloren die Nationalliberalen zwei Sitze an das Centrum und büßten damit ihre langjährige absolute Mehrheit ein (über die Zusammensetzung der Zweiten Kammer wie die Ergebnisse der Reichstagswahl 1893 s. S. 262a). In der 22. Nov. eröffneten, geschlossenen Landtagssession wurde eine Erhöhung der Einkommensteuer durch Einführung einer Progression bei den höhern Einkommen, die Erweiterung des Staatsbahnnetzes und eine Ergänzung zu dem Gesetze über die Aufbesserung der Beamtengehalte beschlossen.
Von den verschiedenen klerikalen Anträgen, wurde der auf unbeschränkte Zulassung der geistlichen Orden abgelehnt, dagegen wurde die Zulassung von Missionen durch Ordensleute genehmigt. Am nahm die Zweite Kammer einen Antrag auf Einführung der direkten Landtagswahl mit Proportionalvertretung an, und die Regierung sagte zu, auf Grund dieses Beschlusses, aber unter Berücksichtigung der örtlichen Interessen, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. 1894 wurde auch eine Gesandtschaft an den Höfen in München und Stuttgart errichtet.
Litteratur. Bader, Bad.
Landesgeschichte (Freiburg 1834; 3. Aufl. 1864); Preuschen, Bad. Geschichte (Karlsr. 1842); Bierordt, Bad. Geschichte bis zum Ende des Mittelalters (Tüb. 1865);
Bekk, Die Bewegung in am Ende Febr. 1848 bis Mitte Mai 1849 (Mannh. 1850);
Fr. von Weech, Die Zähringer in Baden (Karlsr. 1881);
ders., Bad. Biographien (3 Bde., Heidelb. und Karlsr. 1875-81);
ders., Bad. Geschichte (Karlsr. 1890).