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um 4084 vermindert hatten. - Die Zahl der Haushaltungen betrug (1890) 345153 gegen (1885) 331083, d. i. eine Vermehrung von 14070 (4,2 Proz.); auf eine Haushaltung kamen 4,80 Personen gegen 4,84 im J. 1885. Die Zahl der bewohnten Gebäude betrug (1890) 219177 gegen (1885) 215221, wozu noch 2908 unbewohnte Wohnhäuser [* 2] kommen. 1890 betrug die Zahl der Geburten 53152, der Eheschließungen 11970, der Sterbefälle einschließlich Totgeborene 39651, der Ausgewanderten (1891) 4162. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung [* 3] ist schwäb. Stammes und gehört zum größten Teil dem alamann. Zweige desselben an. Dieser nimmt das sog. Oberland südwärts der Murg ein und wird heute noch von den Bewohnern des Unterlandes, abwärts der Murg, «Schwaben» genannt. Nördlich von der Murg folgt eine gemischte Bevölkerung, die in der Pfalz in den rein fränk. Stamm übergeht.
Land- und Forstwirtschaft. Baden [* 4] gehört durch Fruchtbarkeit des Bodens, namentlich in der Rheinebene und dem Hügellande, überall aber durch sorgfältigen Anbau zu den ergiebigsten Ländern Europas; zugleich sind bei der großen Verschiedenheit des Bodens und Klimas alle denkbaren Wirtschaftssysteme und Anbauweisen innerhalb seiner Grenzen [* 5] vertreten. Es kamen (1890) von den 1509630 ha Boden 841410 (56 Proz.) auf landwirtschaftlich benutzte Fläche, 45670 (3 Proz.) auf Reutberge, 555050 (36,7 Proz.) auf Wald mit Hackwald, 67500 (4,3 Proz.) auf sonstiges; also nimmt der stets sich mehrende Wald über ein Drittel, die landwirtschaftliche Fläche und Reutberge zwei Fünftel ein.
Von der landwirtschaftlich benutzten Fläche waren (1890) Ackerland 568600 ha (37,6 Proz.), Wiesen 200300 ha (13,8 Proz.), Rebland 20890 ha (1,4 Proz.), Gras- und Obstgarten 15190 ha (1 Proz.), Kastanienwald 950 ha. (0,06 Proz.), ständige Weide [* 6] 36080 ha. (2,4 Proz.). Der Ertrag und sein Wert betrug (1887): Körner- und Hülsenfrüchte 386375 t (= 79 ½ Mill. M.), Stroh 528003 t (18,1 Mill. M.), Kartoffeln 824300 t (28,3 Mill. M.), Heu und Futter 1114151 t (57,3 Mill. M.), Futterhackfrüchte 524283 t (7,2 Mill. M.), Handelsqewächse 67436 t (14,1 Mill. M.), Kraut und Gemüse 23060 t (1,6 Mill. M.), Obst 28000 t (2,9 Mill. M.), Wein 308980 kl (6,7 Mill. M.), Weidgang u. s. w. 7 Mill. M., im ganzen = 222,6 Mill. M. Dieser Ertrag blieb hinter dem Durchschnittswert von 1865-87 um 14.3 Mill. M. zurück (1890 Ertrag etwa 250 Mill. M.). Von den Handelsgewächsen stehen Hanf (701 t = 1,2 Mill. M.), Hopfen [* 7] (2657 t = 4,5 Mill. M.), Ölgewächse (3186 t = 1,1 Mill. M.) und Tabak [* 8] im Vordergrunde. Im Erntejahr 1890 gab es 42509 Tabakpflanzer, die eine Fläche von 7871 da bepflanzten; der Gesamtwert der Tabakernte (16497300 kg) betrug 13330016 M. Die Badischen Weine (s. d.) sind besonders gesucht. Der Ertrag schwankt außerordentlich, durchschnittlich (1865-87) 574450 hl (= 12,5 Mill. M.).
Hierzu kommt der Ertrag an Waldungen, die einen Hauptreichtum des Landes bilden. Der Stand der Waldfläche betrug (1891) 547250 ha. oder 36,05 Proz. der Gesamtfläche des Landes. An diesem Waldbesitz sind beteiligt die Domänen mit 96178 (= 17,57 Proz.), die Gemeinden mit 250940 (= 45,85 Proz.), die Körperschaften mit 18692 ha (= 3,42 Proz.), Standes- und Grundherren mit 59540 (= 10,9 Proz.), Private mit 121900 (= 22,26 Proz.). 1885 waren 54 Proz. Laub- und 46 Proz. Nadelwald; hiervon entfielen auf Rotbuchen 27, Eichen 11, Hainbuchen 5, Erlen 3, Eschen, Ahorn und Ulmen 2, Weich- und Strauchholz 6, Fichten 18, Weißtannen und Kiefern je 14 Proz. Die Beforstung der Wälder (96 landesherrliche und 4 Gemeinde-Bezirksforsteien) ist als eine mustergültige anerkannt, namentlich weist der untere Schwarzwald die ausgezeichnetsten deutschen Nadelholzwaldungen auf; in ihm erblickt man ganze Bestände herrlicher Weißtannen von 50 bis 56 m Höhe, die als sog. «Holländer» zum Schiffbau in die Niederlande [* 9] ausgeführt werden; in den übrigen Landesgegenden wiegt das Laubholz vor.
Der Wert sämtlicher Waldungen wird auf 500 Mill. M. veranschlagt; jährlich werden etwa 2¼ Mill. Festmeter im Werte von 20 Mill. M. geschlagen. Mindestens ein Drittel des jährlichen Holzhiebes kommt in den Handel für das Ausland. Dieser umfangreiche Holzhandel, von alters her durch sog. «Schifferschaften» betrieben und durch die flößbaren Flüsse [* 10] des Schwarzwaldes, insbesondere aber durch den Rhein befördert, erstreckt sich hauptsächlich nach Holland. Die Viehzucht [* 11] ist ansehnlich und hat in der neuern Zeit zumal in der Güte des Rindviehs einen besondern Aufschwung genommen. Es wurden gezählt 1890: 67423Pferde (einschließlich 3043 Militärpferde), 612892 Rindvieh, 94914 Schafe, [* 12] 384460 Schweine, [* 13] 103154 Ziegen, 80729 Bienenstöcke, 1923944 Stück Federvieh und 32192 Hunde. [* 14] Viehmärkte wurden (1890) 1103 abgehalten.
Industrie und Handel. Vor dem 1835 erfolgten Anschluß an den Deutschen Zollverein war Baden hauptsächlich nur ein ackerbauender Staat. Seitdem hat die Gewerbthätigkeit und besonders die Fabrikindustrie so zugenommen, daß Baden jetzt an der industriellen Gesamtproduktion des Deutschen Reichs einen namhaften und in einzelnen Zweigen hervorragenden Anteil hat. Folgende Zahlen bezeichnen den Fortschritt: 1847 gab es 150028 Gewerbtreibende, 1861: 182289, 1875: 237001;
1882 wurden in 129300 Betrieben 248495 Personen beschäftigt. 1842 wurden 24 Dampf- und andere Maschinen mit 761 Pferdestärken verwendet, 1861: 233 mit 3377, 1875: 923 mit 13662, 1882: 975. Die meisten industriellen Betriebe finden sich in den Kreisen Karlsruhe [* 15] und Mannheim [* 16] (557 und 345), also die Hälfte aller im Lande vorhandenen 1855. Hervorzubeben sind die Textilindustrie, besonders in Baumwolle [* 17] und Seide, [* 18] auch Wolle, Lein und Hanf, hauptsächlich im Südwesten die Fabrikation von Bijouteriewaren (Pforzheim), [* 19] Tabak und Cigarren, Papier, Leder (lackiertes Leder), Spiegeln (Mannheim), von Maschinen (Karlsruhe, Pforzheim und Mannheim), von Cement, Holz- und Schnitzwaren. Baden besitzt zwei Rübenzuckerfabriken, unter denen die zu Waghäusel eine der bedeutendsten im Reiche ist; ferner eine Hohlglasfabrik zu Gaggenau und eine Tafelglasfabrik zu Walterdingen; eine der bedeutendsten Fabriken ihrer Art ist die «Badische Anilin- und Sodafabrik» zu Ludwigshafen [* 20] a. Rh. Eine eigentümliche Industrie hat das Land an den sog. Schwarzwälder Uhren, deren Verfertigung hauptsächlich dem obern Schwarzwald (Furtwangen, Villingen, Triberg, Lenzkirch) angehört und gegenwärtig etwa 13000 Menschen beschäftigt. Der Handel wird durch den Rhein, den Neckar und den Bodensee, sowie auch durch das vielfach verzweigte Eisenbahnnetz sehr gefördert, namentlich ist der Transithandel bedeutend. Der weitaus wichtigste Handelsplatz des Landes ist Mannheim; ¶
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außerdem sind noch zu nennen Karlsruhe, Konstanz, [* 22] Lahr, [* 23] Pforzheim und Freiburg. [* 24]
Verkehrswesen. Der Wasserverkehr ist an Dampf-, Segelschiffen und Flößen ein bedeutender, doch gehen die Segelschiffe bei dem Vorsprunge, den die Eisenbahnen an beiden Ufern des Rheins vor ihnen haben, nur bis Mannheim, dem wichtigsten Stapelplatz des Oberrheins. Außerdem giebt es zahlreiche, gut unterhaltene Staatsstraßen (1890: 3079 km), Kreisstraßen (1140 km) und Gemeindewege (6102 km) sowie (1891) 1562,2 km Eisenbahnen. (S. Badische Eisenbahnen und Deutsche Eisenbahnen.) [* 25]
Geistige Kultur. Die Unterrichtsverwaltung steht (seit 1881) unter dem Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts, dem die beiden Universitäten Heidelberg [* 26] (1894/95: 1028 Hörer) und Freiburg (1894/95: 1136 Hörer) und die Technische Hochschule in Karlsruhe (Winter 1894: 878 Hörer) sowie die Kunstschule dort unterstellt sind, während für Volks- und Mittelschulen eine besondere Behörde in dem Oberschulrat (seit 1862) eingesetzt ist. Zur Beaufsichtigung des Volksschulwesens sind dem Oberschulrat wieder die Kreisschulräte (seit 1883: 13) untergeordnet, welche die unmittelbare Aufsicht über die Volksschulen führen und den dienstlichen Verkehr der Lehrer und der Ortsschulbehörden mit dem Oberschulrat vermitteln.
Die Ortsschulbehörden (Schulkommissionen) üben die örtliche Aufsicht und haben die Verwaltung des örtlichen Vermögens unter sich;
alle Volksschulen sind seit 1876 Kommunalschulen;
sie zerfallen in einfache und erweiterte;
nach Zurücklegung des schulpflichtigen Alters haben Knaben noch 2 Jahre, Mädchen noch 1 Jahr die Fortbildungsschule (seit 1874) zu besuchen.
In den 1571 Volksschulen wurden (Anfang 1894) 239194 Schulkinder von gegen 3700 Lehrern unterrichtet. Die Mittelschulen werden (abgesehen von den zur örtlichen Aufsicht eingesetzten Beiräten und Aufsichtsräten) unmittelbar vom Oberschulrat geleitet; sie zerfallen in Mittelschulen für die männliche und in Mittelschulen für die weibliche Jugend. Die erstern sind (1895): 14 Gymnasien, 2 Progymnasien, 2 Realgymnasien, 1 Oberrealschule, 4 Realprogymnasien, 5 7klassige, 7 6klassige Realschulen, 17 Bürgerschulen, an denen (1893/94) 11667 Schüler unterrichtet wurden, während die 7 nach staatlicher Verordnung (von 1877) eingerichteten höhern Mädchenschulen von 2436 Schülerinnen besucht wurden.
Für die Bildung der Lehrer sorgen außer den Hochschulen 3 Präparandenschulen (Meersburg, jetzt mit dem Seminar verbunden, Gengenbach, Tauberbischofsheim), 4 Seminare (2 in Karlsruhe, je 1 in Ettlingen und Meersburg), 1 Turnlehrerbildungsanstalt (Karlsruhe), 1 staatliches Seminar für Lehrerinnen (Karlsruhe) neben solchen, die mit höhern Mädchenschulen verbunden sind (Freiburg, Heidelberg); außerdem finden sich noch in Baden, jetzt einem Gewerbeschulrat unterstellt, 43 Gewerbeschulen, 2 Kunstgewerbeschulen (Pforzheim, Karlsruhe), 1 Baugewerkschule (Karlsruhe), 1 Schnitzerei- und 1 Uhrmacherschule; 2 Anstalten für Taubstumme (Gerlachsheim, Meersburg), 1 für Blinde (Ilvesheim). - Jeder Landeseinwohner genießt ungestörte Gewissensfreiheit.
Die Bildung religiöser Vereine ist gestattet, soweit sie den Staatsgesetzen und der Sittlichkeit nicht widersprechen. Die Rechtsstellung der Kirchen ist durch die Gesetze vom geregelt (mit Veränderungen über die Vorbildung der Geistlichkeit von 1874 und 1880). Die der röm.-kath. Kirche zustehenden Rechte werden durch den Erzbischof von Freiburg geleitet, dem das Ordinariat untergeordnet ist. Für die Ausübung der Seelsorge bestehen 765 mit eigenen Pfründen ausgestattete Pfarreien und 100 Kaplaneipfründen. Eine Anzahl von Pfarreien sind zu einem Landkapitel unter einem Dekan vereinigt. Das örtliche Kirchenvermögen wird von einer Stiftungskommission, die Distriktsstiftung von einer Distriktskommission, die allgemeinen kirchlichen Landesfonds werden von einem Oberstiftungsrat verwaltet, welcher der Oberaufsicht der Regierung und des Erzbischofs untersteht. - Den Altkatholiken sind durch Gesetz vom Rechte gewährleistet. - Die seit 1821 bestehende vereinigte evang.-prot.
Kirche wird nach der Verfassung vom verwaltet. Die Kirche gliedert sich in 24 Diöcesangemeinden und etwa 350 Kirchengemeinden. Organe der letztern sind Kirchengemeindeversammlung (von der Gemeinde gewählt) und der Kirchengemeinderat (von der Versammlung gewählt). Die Diöcesangemeinde wird von der Diöcesansynode vertreten, an deren Spitze der Dekan steht. Die Landesgemeinde hat ihre Vertretung in der Generalsynode. Die Behörden der Kirche sind: das Pfarramt, das Dekanat, der Oberkirchenrat. - Die besondern Angelegenheiten der Israeliten leitet als Staatsbehörde der Oberrat, der dem Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts untersteht, zu dem für Entscheidung eigentlicher Religionsfragen noch zwei Rabbiner zugezogen werden.
Verfassung und Verwaltung. Baden war unter den deutschen Staaten der zweite, welcher eine landständische Verfassung erhalten hat Die Regierung des in allen seinen Teilen unteilbaren und unveräußerlichen Landes ist nach dem Rechte der Erstgeburt in dem Mannsstamme Karl Friedrichs erblich; nach dessen Aussterben folgt die männliche Nachkommenschaft bad. Prinzessinnen und zwar zunächst die der Töchter des Großherzogs Karl, dann die seiner Schwestern, dann die der Töchter des Großherzogs Leopold und des Markgrafen Wilhelm, so daß der Mannsstamm des Hauses Hohenzollern-Sigmaringen das nächste Eventualrecht hätte.
Der Großherzog ist in der Ausübung seiner Regierungsgewalt an die Verfassung gebunden. Die Ständeversammlung, welche alle 2 Jahre zu einer ordentlichen Sitzung berufen wird, besteht aus zwei Kammern. Die Erste Kammer setzt sich zusammen aus den volljährigen Prinzen des großherzogl. Hauses, den Häuptern der standesherrlichen oder erblich landständischen Familien, acht Abgeordneten des grundherrlichen Adels (auf je 8 Jahre), dem kath. Landesbischof (Erzbischof von Freiburg), dem evang. Prälaten, zwei Abgeordneten der Landesuniversitäten und acht vom Großherzog ohne Rücksicht auf Stand und Geburt auf die Dauer einer Ständeversammlung erwählten Mitgliedern. Die Zweite Kammer besteht aus 63 Abgeordneten der Städte und Ämter, welche nach dem Gesetz vom in 56 Wahlbezirken (13 städtischen, 43 ländlichen) gewählt werden, und zwar in der Weise, daß die Wahlbezirke der zwei größten Städte, Karlsruhe und Mannheim, je drei, die Wahlbezirke der drei nächstgrößten Städte, Freiburg, Heidelberg, Pforzheim, je zwei, alle übrigen Wahlbezirke je einen Abgeordneten zu wählen haben. Bei den Landtagswahlen ist der Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts und der geheimen Abstimmung eingeführt, aber die indirekte Wahl durch ¶