bedingt war. Das Atrium testudinatum, wahrscheinlich die älteste Form, hatte ein geschlossenes Dach und empfing das Licht
durch die Thür. Es war zugleich displuviatum, d. h. das Regenwasser wurde nach außen abgeleitet,
wodurch das Freistehen des Hauses bedingt ward. Als später Haus an Haus gebaut wurde, wurde das Wasser nach innen
geleitet und in einer Cisterne gesammelt. So entstand das Atrium compluviatum, so genannt nach der Öffnung im Dache (dem
compluvium), durch die das Wasser aus den Dachrinnen in den untern Hofraum (impluvium) fiel. Je nachdem das Dach durch zwei
Querbalken, durch vier oder mehr Säulen gestützt wurde, unterschied man das Atrium tuscanicum, tetrastylon,
corinthium. In Rom gab es eine Anzahl von Gebäuden alter Konstruktion, die den Namen Atrium führten; so hatte man das Atrium Vestae,
in dem die Vestalinnen wohnten, das Atrium Libertatis u. a. m. Als sich gegen Ende der Republik
infolge der Eroberungen in Asien der Luxus in Rom verbreitete, schmückte man das Atrium mit kostbaren Marmorsäulen
und Statuen. Besonders prächtig waren die Atrien des Scaurus, Verres und Crassus. Zahlreiche Beispiele von einfacher ausgestatteten
Atrien sind in Pompeji (s. d.) erhalten. Auch in der alt christlichen Architektur bildete das Atrium einen wesentlichen Teil der
Basiliken (s. Altchristliche Kunst). In der neuern Baukunst bezeichnet man unter Atrium meist eine besonders
reich geschmückte Vorhalle. - In der Anatomie ist Atrium die Vorkammer des Herzens, die zu oberst liegende Abteilung jeder Herzhälfte
(s. Herz).
L., Pflanzengattung aus der Familie der Solanaceen (s. d.) mit nur wenigen Arten in Europa und
Südamerika. Die einzige in Deutschland wachsende und in einem großen Teil Europas sich findende, zugleich auch die wichtigste
Art ist die als Tollkirsche, Wolfskirsche und Belladonna bekannte Giftpflanze, Atropa belladonne L. (s. Tafel: Giftpflanzen II,
[* ]
Fig.
1). Der Name Belladonna, d. h. schöne Frau, rührt von der Anwendung her, die man
früher in Italien von den Beeren machte; man benutzte dieselben nämlich zu einem Schönheitswasser, das angeblich der Haut
einen blendendweißen Teint geben sollte.
Diese auf kräftigem, humosem Waldboden in schattiger und sonniger Lage, besonders in Gebirgsgegenden wachsende Pflanze treibt
aus ihrem dicken, fleischigen, außen blaßbraunen, innen schmutzigweißen, an Stärkemehl reichen Wurzelstock
bis fingerdicke, 0,60 bis 1,60 m hohe, ästige Stengel, die zuletzt stark verholzen und dann der Pflanze ein strauchähnliches
Ansehen verleihen. Die Äste sind mit eiförmig-länglichen, kurzgestielten Blättern besetzt.
Die einzeln stehenden Blüten haben einen fünfteiligen Kelch und eine glockenförmige, braunviolette Blumenkrone. Aus dem Fruchtknoten
entwickelt sich eine glänzendschwarze, inwendig rote, sehr saftige und säuerlichsüß schmeckende Beere
von der Größe einer Kirsche, die am Grunde von dem stehen gebliebenen und noch vergrößerten Kelche umschlossen erscheint.
Die Atropa blüht vom Juni bis August, ist vom August an mit reifen Früchten beladen und, da diese sehr appetitlich aussehen, eine
für Unkundige und namentlich für Kinder gefährliche Pflanze.
Wenige Minuten nach dem Genusse der Beeren stellen sich Trockenheit und Kratzen im Halse, Schlingbeschwerden, heftiger Durst,
Brechneigung, starke Erweiterung der Pupille des Auges,
Sehstörungen, Schwindel sowie leichte Betäubung mit Hallucinationen
ein. Hierzu gesellen sich bald Muskelunruhe, allgemeine Muskelkrämpfe und rauschartige Delirien, die schließlich
in den Zustand tiefster Betäubung übergehen. Die Augen zeigen sich weit geöffnet, mit stierem Blick und stark geröteter
Bindehaut, die Zunge ist gelähmt.
Endlich sammelt sich vor dem Munde blutiger Schaum, und unter höchster Entkräftung und heftigen Krämpfen erfolgt der Tod.
Noch giftiger als die Beeren sind die Blätter und der Wurzelstock; der Träger des Gifts ist ein namentlich
in der Wurzel enthaltenes Alkaloid, das Atropin (s. d.). Wenn eine Belladonnavergiftung eingetreten ist, muß sogleich
ein Arzt herbeigeholt werden. Bis dieser kommt, ist auf irgend eine Weise Brechen zu erregen, außerdem Milch, Öl, Essig oder
Tannin zu geben. Gleichzeitig lasse man heiße Fußbäder, womöglich mit Essig und Senf, machen, um eine
Ableitung von dem Gehirn und Rückenmark zu erzielen. Gegen die zurückbleibenden Sehstörungen und Pupillenerweiterung dient
die innere und örtliche Anwendung der Kalabarbohne.
(grch.), in der Medizin der durch mangelhaften Stoffwechsel herbeigeführte Schwund des Gesamtkörpers oder
einzelner Organe oder Organteile. Wird der Stoffwechsel eines Organs aus irgendwelchem Grunde derart gestört, daß die zugeführten
Stoffe die abgeführten nicht vollständig ersetzen können, so hat dies entweder eine bloße Abnahme des
betreffenden Teils an Größe oder Zahl seiner Elemente, oder aber eine gleichzeitige Änderung seiner chem. Mischung
und eine hierdurch bedingte Formveränderung zur Folge. Letztern Vorgang nennt man eine Degeneration oder Entartung, auch
qualitative Atrophie, erstern, in dem nur Abnahme der Größe und der Zahl der Elemente erfolgt, eine einfache
oder quantitative Atrophie.
Als normale Atrophie kann man in der Entwicklungsgeschichte die Rückbildung und das gänzliche oder teilweise Schwinden solcher
Organe bezeichnen, welche im Embryonal- und Larvenleben eine Funktion besitzen, die später nicht mehr geübt oder durch
eine andere ersetzt wird (z. B. das Schwinden der Kiemen und des Schwanzes bei den Larven der Frösche,
den Kaulquappen), oder auch solcher Organe, welche als Erbstücke angelegt, aber später rückgebildet und selbst ganz aufgesogen
werden, wie z. B. die Zähne in den Kiefern der Walfischembryonen. (S. Rudimentäre Organe.)
Die Ursachen der krankhaften Atrophie sind sehr mannigfach. Mangel an Nahrung, Störungen der regelmäßigen Verdauung
oder der Aufsaugung des Speisesaftes, überhaupt alle Ursachen einer mangelhaften Blutbildung können im allgemeinen eine Atrophie veranlassen,
ebenso erschöpfende Säfteverluste durch Eiterungen u. s. w., übermäßige Anstrengungen, anhaltendes Fieber. Teilweise Atrophie sind
zumeist die Folge von Entzündungen, von Störungen der Cirkulation des Blutes in dem betreffenden Teile, insbesondere von gehemmtem
Blutzufluß (z. B. durch anhaltenden Druck), von Mangel der zur Anregung des Stoffwechsels nötigen Reize
(z. B. dauernder Unthätigkeit eines Muskels, Nerven u. s. w.), von
mehr
übermäßiger Thätigkeit des Organs, endlich von Zuständen gewisser Nerven, insbesondere derjenigen, welche man als trophische
oder Ernährungsnerven zu bezeichnen pflegt. Zellen und aus Zellen entstehende Fasern sind die Elemente, aus welchen im wesentlichen
alle Organe bestehen: an ihnen also wird sich auch die Atrophie im einzelnen nachweisen lassen, wenn ein
Organ im ganzen atrophiert ist. Im allgemeinen verrät sich die Atrophie eines Organs dadurch, daß es kleiner, trockner,
blutärmer, fester und minder leistungsfähig ist. Die Atrophie ist indes nicht auf die normalen Teile des Organismus beschränkt,
sondern kommt auch oft bei den krankhaften Neubildungen vor. (Über Atrophie des ganzen Körpers s. Auszehrung,
über die Atrophie einzelner Organe s. Gehirnschwund, Leberkrankheiten, Muskelatrophie, Pädatrophie, Rückenmarksschwindsucht, Schrumpfnieren.)