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Mittel ein Atemzug. Setzt man die Atmung im Liegen als Einheit, so vermehrt Fahren im Wagen oder auf Eisenbahnen die Frequenz um die Hälfte; Spazierengehen und Reiten im Schritt verdoppelt, Reiten im Trabe, schnelles Fußgehen vervierfacht sie. In Krankheiten kann sie sehr bedeutende Abweichungen erleiden. Die Quantität der jedesmal ein- und ausgeatmeten Luft läßt sich messen. Die Lunge [* 2] enthält auch nach dem tiefsten Ausatmen noch eine bedeutende Quantität, 12-1600 ccm, Luft (Residualluft); die Größe der Atemzüge beträgt bei erwachsenen Menschen von mittlerer Größe in vollkommen ruhigem Zustande ungefähr 500 ccm, während die Lungen solcher Menschen, im Zustande der größten Ausdehnung [* 3] (bei möglichst tiefem Einatmen), ungefähr 4000 ccm Luft, also zu der Residualluft noch 2400-2800 ccm Luft, aufzunehmen vermögen.
Diejenige Luftmenge, welche nach einer möglichst tiefen Einatmung ausgeatmet werden kann, bezeichnet man als die vitale Kapacität der Lungen. Zur Bestimmung der eingeatmeten Luftmengen (sog. Spirometrie) bedient man sich eines von Hutchinson konstruierten gasometerartigen Apparates, des sog. Spirometers. Die Zahl sowohl als die Größe der Atemzüge sind beide während des Schlafs verringert. In den nächsten 2-3 Stunden nach dem Essen [* 4] sind sie größer als an den übrigen Tageszeiten. Durch Körperbewegung werden sie gesteigert, durch Erhöhung der Luftwärme vermindert. Nach dem Genusse spirituöser Getränke, des Kaffees und Thees nimmt wenigstens die Größe der Atemzüge merklich ab.
Die ausgeatmete Luft, der Atem oder Odem, ist wärmer als die eingeatmete, reicher an Kohlensäure und Wasserdampf und ärmer an Sauerstoff. Außerdem sind derselben oft gewisse Riechstoffe beigemischt, welche im ganz normalen Atem nicht vorkommen, sondern die Folge örtlicher Störungen oder Krankheiten des Mundes, der Nase [* 5] oder der Lungen, in seltenern Fällen auch durch den Genuß riechender Substanzen und deren Aufnahme ins Blut verursacht sind, wie z. B. nach dem Genusse von Spirituosen. Überhaupt ist die Aufnahme wie Abgabe von gasförmigen Stoffen durch die Lunge eine sehr schnelle und vollständige. So riecht z. B. der Urin sogleich nach Veilchen, sobald man nur einige Minuten in einem frisch gefirnißten Zimmer geatmet und flüchtige Dämpfe von Terpentinöl auf diese Weise aufgenommen hat.
Ist die äußere Luft erheblich kälter als der Atem, so schlägt sich der reichliche Wasserdampf des letztern in Form kleiner Bläschen nieder, d. h. er bildet Dunst; auch das Anhauchen eines Spiegels zeigt den reichen Wassergehalt des Atems. Der Mensch atmet auf diese Weise täglich mehr als 330 g Wasser aus. Unendlich wichtiger ist jedoch der Unterschied der ein- und ausgeatmeten Luft in betreff des Kohlensäure- und Sauerstoffgehalts. Die atmosphärische Luft enthält im Mittel nur 4/10000 Kohlensäure, der Atem 4/100, also hundertmal mehr.
Treibt man den Atem durch ein Röhrchen in ein mit klarem Kalkwasser gefülltes Glas, [* 6] so trübt sich das Wasser allmählich, weil die Kohlensäure sich mit dem gelösten Kalk zu unlöslichem kohlensaurem Kalk verbindet. Die Größe des täglichen Gaswechsels innerhalb der Lungen ist ziemlich beträchtlich; nach Vierordt nimmt ein erwachsener Mensch in 24 Stunden etwa 744 g (516500 ccm) Sauerstoff auf und giebt dafür durchschnittlich 900 g (455500 ccm) Kohlensäure ab. Im Mittel scheidet ein 24-28 J. alter Mann (zu dieser Zeit ist die am stärksten) 44,5 g Kohlensäure in einer Stunde aus; er verbrennt also in 24 Stunden 291,6 g Kohlenstoff, etwas mehr als ein halbes Pfund, das ihm in der Nahrung ersetzt werden muß.
Die Menge des verbrauchten Kohlenstoffs hängt aber ungemein von der Nahrung ab; bei Hunger schied derselbe Mann, der bei überreichlicher Fleischnahrung 925,6 g Kohlensäure (= 252,4 g Kohlenstoff) verbrauchte, nur 662,9 g Kohlensäure (= 180,8 g Kohlenstoff) aus. Fast ebensoviel als der Atem an Kohlensäure reicher als die äußere Luft, ist er an Sauerstoff ärmer, d. h. die atmosphärische Luft verliert bei ihrem Aufenthalte in den Lungen genau ebensoviel Sauerstoff, als sie Kohlensäure gewinnt, und zwar dem Volumen nach, denn an Gewicht übertrifft die Kohlensäure den Sauerstoff.
Die Kohlensäure des Atems stammt zunächst aus dem Blute, und ebendasselbe nimmt den Sauerstoff aus der eingeatmeten Luft auf. Die zahllose Menge der Lungenbläschen, welche, wie die Beeren einer Traube, dichtgedrängt an den letzten Ästchen der vielfach verzweigten Luftröhren hängen, und deren atmende Fläche Huschke zu 2000 Quadratfuß (ungefähr 196 qm) berechnete, werden umsponnen von einem dichten Netze feinster Blutgefäßchen, durch deren zarte Wand hindurch die Kohlensäure in die Luft der Lungenbläschen, und umgekehrt der Sauerstoff der letztern ins Blut gelangt.
Vergleicht man das in die Lungen fließende Blut mit dem aus ihnen abfließenden, so findet sich dementsprechend, daß ersteres mehr Kohlensäure, letzteres mehr Sauerstoff enthält. Zugleich bemerkt man, daß ersteres dunkelrot (venös), letzteres hellrot (arteriell) erscheint, eine Folge der Einwirkung des Sauerstoffs auf den Farbstoff der Blutkügelchen. Der Umstand, daß schon das in die Lungen strömende Blut reichliche Kohlensäure enthält, beweist, daß letztere nicht erst in der Lunge gebildet wird, daß also zwar die Lunge der Ort der Ausscheidung, nicht aber der alleinige Entstehungsort der Kohlensäure ist. Nicht unmöglich erscheint es, daß sich auch in der Lunge eine geringe Menge Kohlensäure bildet; bei weitem der größte Teil aber entsteht teils im Blute überhaupt, teils, und zwar vorzugsweise, in den Geweben der verschiedenen Organe (intramolekulare Atmung).
Jede Thätigkeit der Organe ist geknüpft an einen Stoffwechsel in ihnen, bei welchem Sauerstoff verbraucht, Kohlensäure gebildet und zugleich Wärme [* 7] frei wird. Diese in den Geweben vor sich gehende Verbindung des Sauerstoffs mit dem Kohlenstoff zu Kohlensäure und mit Wasserstoff zu Wasser, also die definitive Verbrennung der organischen Substanzen, bildet das letzte Glied [* 8] in der Kette chem. Vorgänge, welche man als Stoffwechsel des Organismus zu bezeichnen pflegt, und Leben und Wachstum ist vorzugsweise mit bedingt durch diese als Oxydation bezeichneten chem. Vorgänge. Da die Gewebe [* 9] des tierischen Körpers, mit Ausnahme des Fettes, alle Stickstoff enthalten, so muß bei der Verbrennung ihres Kohlen- und Wasserstoffs zu Kohlensäure und Wasser zugleich der Stickstoff eine Umwandlung erleiden und ausgeschieden werden. Dies geschieht durch die Nieren in Form von zwei stickstoffhaltigen Substanzen, Harnstoff und Harnsäure, die sich stets im Urin finden. Das Gleiche gilt für den Phosphor und den Schwefel, die sich in manchen Geweben finden. Die ¶
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Urinabscheidung steht deshalb in genauem Verhältnis zur und man hat nicht mit Unrecht das ganze Verhältnis in der Weise darzustellen gesucht, daß bei der Verbrennung der tierischen Substanzen im Körper die Atemorgane den Rauchfang darstellen, durch welchen die flüchtigen Stoffe entweichen, während die Harnorgane die Asche nach außen führen.
Für Erhaltung der Gesundheit ist es nötig, daß die einzuatmende Luft die gehörige Beschaffenheit habe, d. h.
reine atmosphärische Luft sei. Die Verunreinigung der Luft durch gewisse sog. irrespirable Gasarten,
wie Kohlenoxydgas, Koblenwasserstoffgas
, Schwefelwasserstoffes u. s. w. wirkt wenigstens
auf die höher organisierten Körper geradezu vergiftend. Aber auch ganz reine atmosphärische Luft wird
in einem geschlossenen Raume, wo keine Erneuerung derselben stattfindet, schon durch die Atmung selbst allmählich
untauglich zur Unterhaltung des Respirationsprozesses, indem sich ihr Sauerstoff immer mehr vermindert, dagegen ihr Gehalt
an Kohlensäure immer mehr zunimmt.
Hieraus ergiebt sich die Notwendigkeit, in den Wohnzimmern nicht nur der Gesunden, sondern auch der Kranken stets für gehörige Lüftung zu sorgen. (S. Ventilation.) Eine gesunde, reine Luft ist für das Gedeihen des Körpers noch weit wichtiger, als eine gesunde, nahrhafte Kost. Gleichwohl legt man auf letztere ein viel größeres Gewicht als auf erstere. Namentlich an Orten, wo Menschen in geschlossenen Räumen stundenlang atmen müssen, in Sälen, Theatern, vor allen Dingen aber in Schulzimmern und Schlafstuben ist die Sorge für reine Luft erste Bedingung.
Die Gewohnheit hat hier die schädlichsten Dinge eingewurzelt. Der Mensch bringt etwa ein Drittel seines Lebens im Schlafzimmer zu, und nichtsdestoweniger wählt man dazu die engsten, dunkelsten Räume der Wohnung und verwehrt zudem noch der Luft durch dichte Vorhänge den Zutritt. Zahllose Krankheiten stammen aus der Vernachlässigung der Atmung. Jeder also, insbesondere der Kranke und Genesende, suche sich reine Luft zu verschaffen, sorge aber auch dafür, daß er sie gehörig atme.
Alles, was die kräftige Entwicklung des Brustkastens hemmt, was die Ausdehnung desselben beim Einatmen hindert, muß möglichst beseitigt werden. Enge Kleidungsstücke um Brust und Bauch, [* 11] Gurte, Schnürleiber, feste Hosenträger u. s. w. sind durchaus zu vermeiden. Männern ist eine erkünstelte Taille noch viel schädlicher als Frauen, weil Männer mehr mit den untern Teilen des Brustkastens atmen und überhaupt ein stärkeres Atmungsbedürfnis haben als Frauen. Dauerndes Stehen und Sitzen mit gekrümmtem Rücken ist immer und besonders in der Jugend schädlich. Manche gewöhnen sich dabei, eine so oberflächliche, ungenügende Atmung an, daß bald der ganze Körper darunter leidet. Wer sich bei seiner Beschäftigung nicht genügende Bewegung machen kann, unterbreche dieselbe also wenigstens von Zeit zu Zeit durch einige Atemzüge bei stehendem Körper.
Vgl. Speck, Physiologie des menschlichen Atmens (Lpz. 1892).
In der Botanik versteht man unter Atmung denjenigen Stoffwechsel im vegetabilischen Organismus, bei dem Sauerstoff aufgenommen und Kohlensäure infolge Verbrennung des Kohlenstoffs abgeschieden wird. Zahlreiche Untersuchungen haben sicher festgestellt, daß alle lebenden Pflanzen und Pflanzenteile atmen, und daß diese Atmung eine Notwendigkeit für die Lebensthätigkeit der Pflanzen ist. Die Atmung ist nicht wie die Assimilation (s. d.) abhängig vom Chlorophyll (denn alle, auch die nichtgrünen Pflanzen atmen), sondern sie findet höchstwahrscheinlich im lebenden Protoplasma überhaupt statt, und diejenigen Stoffe, die vorzugsweise bei der Atmung verbrannt werden, sind vor allem die Kohlenstoffverbindungen, die bei der Assimilation in grünen Pflanzen gewonnen werden oder bei nicht chlorophyllführenden bereits als organische Körper aus Fäulnisprodukten und lebenden Organismen aufgenommen wurden.
Während bei der Assimilation Kohlensäure aufgenommen und Sauerstoff abgegeben wird, findet bei der Atmung das Umgekehrte statt; es ist deshalb nicht richtig, allgemein zu sagen, daß die Pflanzen Kohlensäure der Luft entziehen und Sauerstoff an dieselbe abgeben. Bei nichtgrünen Pflanzen ist nur Atmung vorhanden; es kann also von einer Sauerstosfausscheidunq hier nicht die Rede sein. Bei chlorophyllführenden Pflanzen findet Assimilalion und Atmung bei genügender Beleuchtung [* 12] gleichzeiig statt, während des Tages überwiegt die Assimilation, während der Nacht dagegen findet nur Atmung statt. - In der Pflanzenphysiologie unterscheidet man noch eine intramolekulare Atmung, bei der die Pflanze nicht den Sauerstoff der Luft zur Verbrennung benutzt, sondern den, der sich in gewissen organischen Verbindungen in dem vegetabilischen Organismus selbst befindet. Dieser Atmungsprozeß findet statt, wenn Pflanzen unter Abschluß von Sauerstoff kultiviert werden; wesentliches Produkt derselben ist ebenfalls Kohlensäure. Als Verbrennungsmaterial dienen bei diesem Atmungsprozeß gleichfalls gewisse Kohlenstoffverbindungen, vorzugsweise die Kohlehydrate (s. d.), wie Stärkemehl und Zucker. [* 13] Formen der intramolekularen Atmung sind höchstwahrscheinlich die verschiedenen Arten der Gärung (s. d.).