Äthiopier - Äthiopische Sprache, Schrift und Litteratur
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KaiserTheodor II. gelang, die Hauptprovinzen sich zu unterwerfen.
Über das Weitere s.
Abessinien. Die Könige
Ä.s führten
den
TitelNegús (auch
Nagâsi) oder Negûsa-Nagast (König der Könige).
Außer ihren Eigennamen hatten sie noch einen oder
mehrere Reichsnamen, die sie sich bei ihrer Thronbesteigung beilegten.
Ihre Residenz
war in ältester Zeit
zu
Axum, von Jekunô-Amlâk an eine Zeit lang zu Tegulet in
Schoa, später zu
Gondar in
Dembea, obwohl
Axum noch lange die Krönungsstadt
blieb.
Doch residierten die Könige wenigstens in den geschichtlich bekannten
Zeiten fast nie in den
Städten, sondern in mobilen
Lagern, unter Zelten, und wechselten den Ort je nach Bedürfnis. Die Einkünfte des Königs bestanden
in
Naturalien, wie
Gold,
[* 2]
Pferde,
[* 3]
Maultiere, Rinder,
[* 4] Herdenvieh, Getreide,
[* 5]
Häute, Zeugen und andern Fabrikaten, so daß jede
Provinz
jährlich ein bestimmtes
Quantum davon zu liefern hatte. Die Einkünfte der
Zölle und Wegegelder dagegen wurden meist an die
Beamten der einzelnenProvinzen und Distrikte abgegeben. Im
Grunde aber war der König der Herr und Eigentümer
des ganzen
Landes; er konnte nach Belieben jedem
Manne seinen
Grund und
Boden nehmen und ihn einem andern schenken.
Nur
Kirchen und Klöster haben gewisse liegende
Güter als ewige Schenkungen zum Eigentum, und einzelne Familien einzelne Distrikte
zum erblichen
Besitz innerhalb der Familie. Die Macht des Königs war durchaus uneingeschränkt; nur über gewisse, durch
jahrhundertelange
Sitte geheiligte Grundordnungen wagte auch er sich nicht wegzusetzen. Auch in der
Kirche war er wie Schützer
so höchster Herr. Die
Statthalter der einzelnen
Provinzen und Distrikte scheinen immer verhältnismäßig sehr selbständig
gestellt gewesen zu sein (obgleich jederzeit durch den König absetzbar), und
Beispiele, daß sie sich empörten, weist die
Geschichte in Menge aus.
Das Gericht war von der
Verwaltung nicht geschieden. Bei
Hofe war eine Anzahl gelehrter
Männer (Wonbar oder Liq hieß ein solcher),
die zusammen den obersten Gerichtshof bildeten, und mit deren Hilfe schwierige Fälle entschieden wurden.
Seit dem 13. oder 14. Jahrh. hatten sie auch ein geschriebenes Gesetzbuch (Fetcha Nagast),
das weltliches und kanonisches
Recht umfaßte, in
Ägypten
[* 6] verfaßt und zum
Teil aus griech. und röm. Rechtsquellen geschöpft,
in
Abessinien aber mannigfach interpoliert und verändert worden war.
Über die ältere und neuere Geschichte
Ä.s vgl., außer Ludolf, die Reisewerke von
Bruce und Rüppell,
sowie Dillmann in der «Zeitschrift der
Deutschen Morgenländischen Gesellschaft» (Bd. 7,
Lpz. 1852) und in den «Abbandlungen» der
Berliner
[* 7]
Akademie der Wissenschaften (1878, 1880
u. 1884);
Basset, Études sur l’historiede l’Ethiope (Par. 1882);
Perruchon,Histoire des guerres d’Amda Syon (im «Journalasiatique», 1889);
ursprünglich ein Kollektivname, womit man die «Sonnenverbrannten»
(Menschen, die
Schwarzen oder
Neger, s. d.) bezeichnet.
Homer nennt sie «zweigeteilt» und läßt sie als Fabelvolk teils im
äußersten
Osten, teils im äußersten Westen wohnen, indem er dabei offenbar von der
Voraussetzung ausgeht,
daß die
Sonne
[* 8] da am stärksten die Hautfarbe der
Menschen beeinflusse, wo sie ihnen am nächsten komme,
d.
i. da, wo sie
auf- und
untergeht. Darum heißen bei ihm die Äthiopier die «äußersten der
Menschen», das entfernteste
Volk und wohnen am
Okeanos,
d. h.
dem die
Erdscheibe umwallenden großen
Strom.
Bei Hesiod erscheinen sie schon lokalisiert (in
Libyen); die alten Geographen machen den
Nil oder den
ArabischenMeerbusen zur
Grenzscheide des «zweifach geteilten»
Volks. Auch Herodot (VII, 70) spricht von zweierlei Äthiopier, denen von Sonnenaufgang (aus
Asien)
[* 9] und denen aus
Libyen, die sich durch ihre
Sprache
[* 10] und ihr
Haar
[* 11] (letzteres bei jenen gerade und schlicht,
bei diesen kraus und wollig) unterschieden. Da Herodot die asiatischen den
Indern im
Heere des
Xerxes zugeordnet nennt, so scheint
er sich die Wohnsitze derselben im heutigen
Belutschistan und
Afghanistan
[* 12] zu denken.
Die libyschen Äthiopier läßt Herodot vonElephantine an aufwärts wohnen und nennt Meroe als ihre Hauptstadt
(wahrscheinlich in der Gegend des heutigen
Assur). Später spricht man nur noch von diesen südlichen afrikanischen Äthiopier. Sie
gelten dem Herodot für die größten und schönsten der
Menschen.
Ihre Bildungsstufe war nach den Aussagen der Alten eine
niedere; eine Ausnahme bildete der handeltreibende Kulturstaat Meroe. –
Vgl. Tümpel, Die Athiopenländer
des Andromedamythos.
Bibelübersetzung, s.
Äthiopische Sprache, ^[= und Litteratur. Die äthiop. Sprache (von den Eingeborenen außer mit diesem, dem Griechischen ...]Schrift und Litteratur.
Sprache,Schrift und Litteratur. Die äthiop.
Sprache (von den Eingeborenen außer mit
diesem, dem
Griechischen entlehnten
Namen, auch Geezgenannt) gehört dem semit.
Sprachstamme an. Sie war ursprünglich nur
die
Sprache eines der lange vor Beginn unserer Zeitrechnung aus Südarabien in
Abessinien eingewanderten arab.
Stämme, und
zwar desjenigen, der sich im nördl.
Abessinien, speciell in der
ProvinzTigre und deren Hauptstadt
Axum
niederließ.
Die
Sprache erlangte aber dann mit der Ausbildung des Axumitischen
Reichs (s.
Äthiopien) die Herrschaft als
Schrift-,
Reichs-
und Kirchensprache. Infolge ihrer frühen Fixierung und Erstarrung als Schriftsprache geriet die geschriebene äthiop.
Sprache selbst aber bald in
Widerspruch mit der sich lebendig weiter entwickelnden gesprochenen, so daß
zu Ausgang des Mittelalters die erstere längst nur noch eine besondere tote Schriftsprache war. Als herrschende Verkehrssprache
wurde das
Äthiopische um diese Zeit durch die
Amharische Sprache (s. d.) ersetzt, während sie als
Schrift-, namentlich als
Kirchensprache sich bis heute erhalten bat.
Von den beiden aus der Weiterentwicklung der äthiop.
Sprache hervorgegangenen Volksdialekten soll der
nördlichere, das
Tigrê, der äthiop. Schriftsprache noch am nächsten stehen; leider wissen wir bisher
sehr wenig von diesem Dialekt. Der südlichere, das
Tigriña, ist wohl stärker entartet und mehr vom
Amharischen beeinflußt.
(Vgl. über diesen Dialekt
Prätorius,
Grammatik der Tigriñasprache,
Halle
[* 14] 1872, und Schreiber, Manuelde la langue TigraïWien
[* 15] 1887.) Eine für ihre Zeit vortreffliche Bearbeitung der äthiop.
Sprache gab Job Ludolf in der «GrammaticaAethiopica» (2. Aufl., Frankf. a.M. 1702) und im Lexikon (2. Aufl.,
ebd. 1699); neuerdings wurde sie ausführlich dargestellt von Dillmann in der
Grammatik (Lpz. 1857) und
im Lexikon (3
Tle., ebd. 1862–65). Ein kurzes Lehrbuch verfaßte
Prätorius (1886).¶
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Das Geez hat eine eigentümliche Schrift, fortgebildet aus der sabäisch-himjarischen, mit der sie ursprünglich identisch
war. Sie wird von links nach rechts geschrieben und hat, obgleich ursprünglich reine Konsonantenschrift, sich doch früh
zu einer Silbenschrift vervollkommnet, indem verfolgende Vokal durch leichte Variationen der Form des voraufgehenden Konsonanten
dargestellt wird.
Die äthiop. Litteratur beginnt, wenigstens soweit sie uns erhalten, erst
nach der Einführung des Christentums in Abessinien und ist vorwiegend kirchlich. Ihre Grundlage bildet die Übersetzung der
Bibel,
[* 17] die mit Ausnahme der Makkabäerbücher sämtliche biblischen Bücher des Alten und NeuenTestaments, auch die apokryphischen,
umfaßt, und an die sich noch andere spätjüd. oder altchristl. Schriften anschließen, wie das Buch derJubiläen, das BuchHenoch, das vierte BuchEsra, die Ascensio Jesaiä, der «Hirt» des Hermas u. a.
Seit 1853 ist eine Gesamtausgabe des Alten Testaments von Dillmann begonnen, aber bis jetzt nicht zu Ende geführt.
Das Neue Testament ist 1548 zu Rom
[* 18] nach einem guten Text, aber sehr fehlerhaft, und dann in der Londoner
Polyglotte noch fehlerhafter gedruckt; eine neue Ausgabe, nach einem gemischten Text, hat Platt besorgt (Lond. 1830). An diese
biblischen Schriften reihen sich Übersetzungen von andern wichtigen kirchlichen und geschichtlichen Werken zum Teil in der
ältern Zeit aus dem Griechischen, zum Teil gegen das Ende des Mittelalters aus dem Arabischen, zum Teil
auch aus dem Koptischen, z. B. Werke der Kirchenväter, Liturgien, Sammlungen der Kanones, Kirchenrecht, Homilien, jüd. und
arab. Chroniken, Heiligengeschichten.
Als Übersetzung eines besonders wichtigen profan-histor. Werkes sei erwähnt die von Zotenberg besorgte Ausgabe der «Chronique
de Jean, évêque de Nikion» (Par. 1883), die nur noch in dieser äthiop.
Übersetzung erhalten ist. Die originalen Werke von einheimischen Schriftstellern sind ebenfalls meist christl.-kirchlichen
Inhalts; zu den wichtigsten gehören die großen Kirchengesangbücher (mit Gesangnoten versehen), die Werke über die
einheimische Königsgeschichte (meist im Tarikstil, d. h. in einer aus Geez und Amharisch gemischten Sprache
geschrieben), der histor.
Roman «Kebra nagast» (aus der alten Geschichte Abessiniens) und eine Menge von Heiligengeschichten. Die Poesie ist ganz in den
Dienst der Kirche getreten; ihre Erzeugnisse bestehen, abgesehen von der edlern Hymnenpoesie der Gesangbücher, fast ganz aus
gereimten Gebeten oder Lobpreisungen von Heiligen. Die Handschriften, in denen uns die äthiop. Litteratur
erhalten ist, sind sämtlich verhältnismäßig jung. Keine einzige stammt aus der Zeit, in der die äthiop.
Sprache noch mehr war als tote Schriftsprache. Größere Sammlungen äthiop. Handschriften finden sich zu Rom, Paris,
[* 19] Tübingen,
[* 20] London
[* 21] (im Britischen Museum), Oxford,
[* 22] Frankfurt
[* 23] a. M., Berlin,
[* 24] München
[* 25] und Wien; die größte hatte früher
Abbadie (s. d.); doch steht seit dem Erwerb der Magdalal-Sammlung von 348 Nummern
das Britische Museum an Reichhaltigkeit obenan.