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der Erde, berechnete Leverrier genaue Tafeln. Selbst die zahlreichen Planetoiden, wie die Kometen, [* 2] von denen sich verschiedene als periodische, d. h. als bleibende Glieder [* 3] unsers Sonnensystems erwiesen, haben ihre Berechner gefunden. Schiaparelli erwarb sich das große Verdienst, nachzuweisen, daß die Sternschnuppen genau dieselben Bahnen wie die Kometen beschreiben, und daß zwischen beiden Arten von Himmelskörpern ein inniger Zusammenhang besteht («Note e riflessioni intorno alla teoria astronomica delle stelle cadenti», 1867).
Zahlreiche und in größtem Maßstabe ausgeführte Gradmessungen erweiterten die Kenntnisse über Größe und Gestalt der Erde; besonders thätig waren in dieser Richtung W. und O. Struve, Bessel, Bayer, Gauß, Hansen, Ibañez. Die bis dahin immer nur vereinzelt und meist unabhängig voneinander durchgeführten Erdmessungen haben in der 1863 durch General Baeyer geschaffenen «europ. Gradmessung» [* 4] eine Organisation erhalten, die 1886 zur «internationalen Erdmessung» erweitert wurde, an deren Spitze Helmert, der verdienstvolle Verfasser der «Mathem. und physik. Theorien der höhern Geodäsie» l2 Bde., Lpz. 1880-84) steht.
Am fand Piazzi in Palermo [* 5] die Ceres; nabezu 400 weitere Planetoiden sind seitdem entdeckt worden. Herschel und die beiden Struve (W. Struve, «Stellarum duplicium et multiplicium mensurae micrometricae», Petersb. 1837) setzten die Doppelsternbeobachtungen des ältern Herschel fort; von ihren Nacheiferern in neuester Zeit ist namentlich Burnham zu nennen. Die Mondbeschreibung fand besonders in Mädler, Lohrmann und Jul. Schmidt hervorragende Vertreter.
Die mächtigen Refraktoren der Neuzeit ermöglichten ein genaues Studium der Planetenoberflächen; in dieser Hinsicht sind besonders die Arbeiten von Schiaparelli über Mars [* 6] (1877) und neuerdings auch über Venus und Merkur [* 7] (1890) hervorzuheben. Die Beschäftigung mit der Sonnenoberfläche führte Schwabe 1843 zur Erkenntnis der 11jährigen Periode der Sonnenflecke; 1852 fand man auch innige Beziehungen zwischen Sonnenflecken und Erdmagnetismus. Die totalen Sonnenfinsternisse lehrten außer der Corona [* 8] auch die Protuberanzen kennen. Wesentlich gefördert wurden unsere Kenntnisse über die Zusammensetzung des Sonnenballes erst durch das Spektroskop, [* 9] Arbeiten, die den letzten Jahrzehnten angehören. 1846 fand Lassell einen Mond [* 10] des Neptuns, 1848 den siebenten Mond des Saturns und 1851 die zwei Uranusmonde Umbriel und Ariel; 1877 entdeckte Hall [* 11] deren zwei des Mars, 1893 Barnard einen fünften Jupitermond; im ganzen kennen wir jetzt außer unserm Erdmond 20 Planetentrabanten.
Durch Erbauung neuer Observatorien in allen Weltteilen hat die Astronomie [* 12] eine Menge von Werkstätten mit neuen Instrumenten von früher nie erreichter Größe und Vollkommenheit erhalten, so namentlich in Pulkowa, Washington, [* 13] Wien, [* 14] Cordoba, [* 15] Melbourne, [* 16] Kapstadt, [* 17] Berlin, [* 18] Leipzig, [* 19] Straßburg, [* 20] Potsdam, [* 21] Nizza [* 22] und die Lichsternwarte auf dem Mount-Hamilton. Zwei neue Sternwarten, [* 23] welche Refraktoren von bisher unerreichten Größenverhältnissen erhalten sollen, sind in Amerika [* 24] im Entstehen begriffen.
Dem Fleiß und Eifer der Beobachter kommen die großen Vervollkommnungen der Instrumente durch Reichenbach, [* 25] Fraunhofer, Merz, Steinheil, Cook, Grubb, Clark und die Repsolds zu Hilfe. Die Erfindungen der Neuzeit, besonders auf dem Gebiete der Elektricität und Photographie, haben wesentlich dazu beigetragen, die Beobachtungsgenauigkeit zu erhöhen. Ganz neue Instrumente sind zu den frühern hinzugekommen, von denen außer den Spektralapparaten und den photogr.
Fernrohren hier nur das Heliometer [* 26] und der 1848 von Bond und Walker [* 27] erfundene Chronograph genannt werden sollen. Der Begründer der neuern Beobachtungsmethoden ist Bessel; ihm verdanken wir auch die erste sichere Bestimmung einer Firsternparallaxe («Bestimmung der Entfernung des 61. Sterns im Schwan», 1838). Seitdem haben noch verschiedene andere Astronomen Bestimmungen von Firsternparallaxen ausgeführt, so Struve, Auwers, Krüger, Winnecke, Brünnow und neuerdings mit großem Erfolge besonders Gill und Elkin («Heliometer Determinations of Stellar Parallax in the Southern Hemisphere», 1884). Die durch Bessel zuerst in großem Maßstabe begonnene Bestimmung der Fixsternörter ist auf vielen Sternwarten mit großem Eifer fortgesetzt worden, so daß jetzt eine größere Zahl von guten Fixsternkatalogen vorliegt.
Durch die 1863 gegründete Deutsche [* 28] Astronomische Gesellschaft sind durch Mitwirkung von mehrern Sternwarten die genauen Positionen aller Sterne des nördl. Himmels bis zur 9. Größe bestimmt worden. Argelanders «Durchmusterung des nördl. Himmels» (Bonn [* 29] 1846),
die von Schönfeld nach Süden hin fortgesetzt wurde, kann als Vorbereitung hierzu angesehen werden; in ähnlicher Weise ist der südl. Himmel [* 30] durch Goulds «Uranometria Argentinia» behandelt worden. In Auwers' «Fundamentalkatalog» (Lpz. 1879 u. 1883) besitzen wir ein Verzeichnis von Fixsternörtern, die mit der größtmöglichen Schärfe bestimmt sind. Unser Jahrhundert hat es auch als seine Aufgabe betrachtet, die astron. Konstanten mit der größten Schärfe zu ermitteln. Mit seinen «Fundamenta astronomiae» (Königsb. 1818) hat Bessel hierzu den Grund gelegt. Weiter sind anzuführen «Numerus constans nutationis» (Petersb. 1842) von Peters;
«Sur le coëfficient constant dans l'abberation des étoiles fixes» (ebd. 1843) von W. Struve;
«Bestimmung der Konstante der Präcession» [* 31] (ebd. 1841) von O. Struve;
«Bestimmung der Nutation der Erdachse» (ebd. 1873) von Nyrén.
Für die Bestimmung der Sonnenparallaxe sind namentlich die Venusdurchgänge von 1874 und 1882 sehr fördernd gewesen, zu deren Beobachtung von allen Staaten großartige Expeditionen ausgesandt wurden. Ihr Wert kann namentlich auf Grund der Arbeiten von Winnecke, Newcomb und Auwers nunmehr als scharf bestimmt angesehen werden.
Ein völlig neues und äußerst fruchtbares Gebiet eröffnete sich der Astronomie im 19. Jahrh. durch die Entdeckung der Spektralanalyse [* 32] (s. d.). Ihre Anwendung auf die Himmelskörper ermöglichte es nunmehr auch, die Stoffe zu bestimmen, aus denen sie bestehen, und den Zustand, in dem sie sich befinden. Erst durch Rob. Bunsen und Kirchhoff 1862 fest begründet, hat sie einen neuen selbständigen Zweig der Astronomie geschaffen, die Astrophysik, die fast jedes Jahr neue Aufschlüsse über die Himmelskörper bietet und für die bereits besondere Observatorien gegründet wurden, so in Potsdam und in Meudon bei Paris. [* 33] Durch die Spektralanalyse ist auch die wahre Natur der Kometen erkannt worden; auch hat sie uns erst die Konstitution des Sonnenkörpers erkennen lassen und gezeigt, daß wir auch in den Fixsternen nichts anderes als solche Sonnen zu sehen haben, die sich allerdings ¶
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in den verschiedensten Stufen ihrer Entwicklung befinden. Auch auf die Natur der Planeten, [* 35] der Sternhaufen, der Nebelflecke, [* 36] des Zodiakallichtes und des Nordlichtes hat sie neues Licht [* 37] geworfen. 1890 ist es mit ihrer Hilfe sogar Vogel gelungen, die Natur des Lichtwechsels von Algol festzustellen und durch sie Sterne als Doppelsterne zu erkennen, die sich als solche auch mit dem schärfsten Fernrohr [* 38] nicht erkennen lassen. Hier muß es genügen, die Namen der Männer anzuführen, die sich um diesen Zweig der Astronomie Verdienste erworben haben: Zöllner, Secchi, Janssen, Lockyer, Pickering, Draper, Huggins, Langley, Young, Vogel, Lohse, Scheiner u. a.
Nicht weniger förderlich ist die Photographie für die Astronomie gewesen, namentlich seit den letzten Jahren. Nicht nur hat sie uns in den Stand gesetzt, getreue Abbildungen der Sonne, [* 39] des Mondes, der Planeten, Kometen und des Fixsternhimmels anzufertigen, sondern hat uns auch da, wo das Auge [* 40] keine solchen zu erkennen vermag, Himmelskörper enthüllt. Durch das Zusammenwirken einer größern Zahl von Sternwarten wird man in wenigen Jahren eine photogr. Karte des gesamten Himmels erhalten.
Auch für die Astrophotometrie [* 41] hat sie sich von großem Nutzen erwiesen und tritt neuerdings auf verschiedenen Gebieten auch mit den bisher gebräuchlichen Methoden der messenden in erfolgreiche Konkurrenz. Neben Rutherford, Warren de la Rue, Draper, Bond, Pickering, Vogel, Scheiner haben hier namentlich die Brüder Henry erfolgreich gewirkt. – Von großer Wichtigkeit sind ferner die Arbeiten Langleys, dem es in neuester Zeit gelungen ist, scharfe Untersuchungen über die Wärmeverhältnisse des Mondes anzustellen.
Litteratur. Das Gesamtgebiet der Astronomie behandeln das klassische, wenn auch veraltete Werk von Lalande: Traité d'astronomie (3. Ausg., 3 Bde., Par. 1792);
Wolf, Handbuch der Astronomie, ihre Geschichte und Litteratur (2 Bde., Zür. 1891-93).
Specialgebiete behandeln Brünnow, Lehrbuch der sphärischen Astronomie (4. Aufl., Berl. 1881);
Chauvenet, A manual of spherical and practical astronomy (2 Bde., Philad. 1863);
Laplace, Traité de mécanique céleste (3. Aufl., «Œuvres complètes», Bd. 1‒5, Par. 1878‒81);
Watson, Theoretical astronomy (Philad. 1868);
Oppolzer, Lehrbuch zur Bahnbestimmung der Kometen und Planeten (2 Bde., Lpz. 1880‒82);
Tisserand, Traité de mécanique céleste (Par. 1889; bis 1895 3 Bde.);
Scheiner, Die Spektralanalyse der Gestirne (Lpz. 1890).
– Neuere Werke über die Geschichte der Astronomie sind: Mädler, Geschichte der Himmelskunde (2 Bde., Braunschw. 1872‒73) und Rud. Wolf, Geschichte der Astronomie (Münch. 1877). – Fachzeitschriften: Astron. Nachrichten (Kiel); [* 42]
Monthly Notices (London); [* 43]
Bulletin astronomique (Paris);
Vierteljahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft (Leipzig).
– Ephemeridensammlungen: Berliner [* 44] astron. Jahrbuch; Nautical Almanac (London); Connaissance des temps (Paris). – Sternkarten: Argelander, Neue Uranometrie (Berl. 1873);
Heis, Neuer Himmelsatlas (Köln [* 45] 1873);
Schurig, Himmelsatlas (Lpz. 1886);
H. J. Klein, Sternatlas (ebd. 1888).
– Mondkarten: Beer und Mädler, Generalkarte der Mondoberfläche (Berl. 1837) und die große Mondkarte von Jul. Schmidt (ebd. 1878).
Unter den populären Werken und Zeitschriften über Astronomie sind hervorzuheben: Mädler, Der Wunderbau des Weltalls (8. Aufl., bearb. von Klein, Straßb. 1884‒85);
Littrow, Die Wunder des Himmels (7. Aufl., Berl. 1884);
Diesterweg, Populäre Himmelskunde (18. Aufl., hg. von Wilh. Meyer, ebd. 1893);
Benthin, Lehrbuch der Sternkunde (unter Mitwirkung von Bruhns, Lpz. 1872);
Gyldén, Die Grundlehren der Astronomie (deutsch ebd. 1877);
Klein, Führer am Sternenhimmel (ebd. 1892), und namentlich Newcomb, Populäre Astronomie (deutsch bearbeitet von Engelmann, 2. Aufl., ebd. 1892).
«Sirius», Zeitschrift für populäre Astronomie, hg. von Klein (ebd.),