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nautische Astronomie, [* 2] die geographische Astronomie, die Chronologie sind besondere Anwendungen der Lehren [* 3] der Astronomie zu praktischen Zwecken.
Die älteste Geschichte der Astronomie ist in Dunkel gehüllt. Ihre ersten Spuren finden sich in China, [* 4] wo schon um 3000 v. Chr. Fuhi «die Sterne untersucht» haben soll. Die chinesische Astronomie ist indessen auch in ihrer weitern Entwicklung bis zur neuesten Zeit wesentlich nur als Astrologie [* 5] zu betrachten. Ein hohes Alter hat die Himmelskunde unzweifelhaft auch in Indien. Schon frühzeitig hatte man hier genaue Sonnen-, Planeten- und Mondtafeln und verstand die Finsternisse zu berechnen, freilich nach einer überaus weitläufigen Methode.
Die astron. Kenntnisse der Babylonier und der alten Ägypter kommen im wesentlichen auf möglichst genaue Bestimmung der Cyklen hinaus, auf eine Kalenderwissenschaft. Erst bei den Griechen scheint die Astronomie einen wissenschaftlichern Charakter angenommen zu haben, doch gehen ihre frühesten Anfänge nicht über das 7. Jahrh. v. Chr. zurück. Sie führten die ersten wirklichen astron. Messungen aus; so bestimmten Aristyll und Timocharis Fixsternörter, Aristarch ermittelte die Entfernung von Sonne [* 6] und Mond, [* 7] Eratosthenes gab eine für jene Zeit sehr genaue Schiefe [* 8] der Ekliptik und bestimmte nach richtigen Principien die Größe der Erde.
Das Verdienst, zuerst die wahren Grundlagen der Astronomie gelegt zu haben, gebührt Hipparch, wohl dem größten Astronomen des Altertums (im 2. Jahrh. v. Chr.). Er berechnete Sonnentafeln, bestimmte die Ungleichheiten des Mondlaufs und gab nach eigenen Beobachtungen mit dem von ihm erfundenen Astrolabium [* 9] (s. d.) die Länge und Breite [* 10] von mehr als 1000 Fixsternen an. Fast drei Jahrhunderte nach ihm trat Ptolemäus (s. d.) auf, der ein sinnreiches System, allerdings auf falscher Grundlage, erbaute, dessen größtes Verdienst aber darin besteht, daß er uns in seinem «Almagest» fast alles überliefert hat, was von Beobachtungen der Alten erhalten ist.
Die Römer [* 11] können nur als Schüler der Griechen einige Bedeutung beanspruchen. Selbst die wichtige Kalenderverbesserung Julius Cäsars ist ein Werk des dazu berufenen Alexandriners Sosigenes. In der Zeit des allgemeinen Verfalls der Wissenschaften fanden diese und namentlich die Astronomie eine Zufluchtsstätte bei den Arabern; viele Werke der Alten sind uns nur in arab. Übersetzungen erhalten geblieben. Das 9. und 10. Jahrh. zeigt die arabische in ihrer Blüte. [* 12] Neben vielen andern verdient namentlich Albategnius (s. Al-Batani) hier Erwähnung, der die Präcession [* 13] und die Excentricität der Erdbahn bestimmte und die Länge des Jahres bis auf zwei Minuten genau ermittelte. Von Arabien aus drang die in den folgenden Jahrhunderten auch zu den Persern, Mongolen und usbekischen Tataren; so ist namentlich der Tatarenfürst Ulugh-Begh zu erwähnen, der selbst Fixsternörter bestimmte.
Mit dem Erwachen der Wissenschaften im Abendlande fand auch hier die Astronomie ihre Förderer. Indessen weisen die ersten Jahrhunderte nur vereinzelte, untereinander in keinem innern Zusammenhang stehende Leistungen auf, die ihrem Zeitalter kein bestimmtes Gepräge aufzudrücken vermochten, selbst noch im 13. Jahrh. steht Alfons X. (s. d.) von Castilien, der mit Hilfe von über 50 Gelehrten neue astron. Tafeln, die Alfonsinischen, berechnen ließ, noch völlig vereinzelt da; das 14. Jahrh. weist nicht einmal die geringste astron.
Leistung auf. Erst mit dem 15. Jahrh. beginnt das Aufblühen der Astronomie im Abendlande, und zwar übernimmt zunächst Deutschland [* 14] die Führung auf diesem Gebiete. Nikolaus von Cusa erneuerte, wenn auch noch in recht dunkler Form, die Pythagoreische Lehre [* 15] von der Bewegung der Erde («De docta ignorantia»),
Purbach prüfte die Angaben der Alten («Theoricae novae planetarum») und verbesserte mit seinem großen Schüler Regiomontanus, der auch in Nürnberg [* 16] die erste deutsche Sternwarte [* 17] gründete und astron. Beobachtungen und Messungen ausführte, die Übersetzungen der alten Astronomen, namentlich den «Almagest». Der letzte Astronom des 15. Jahrh. ist Regiomontanus' Gönner und Schüler Walther, der in Nürnberg dessen Beobachtungen fortsetzte. Der bedeutendste Astronom des 16. Jahrh. ist Kopernikus, der Reformator der Sternkunde und Begründer der theorischen Astronomie. Er brach endgültig mit dem Ptolemäischen System und erklärte die scheinbaren Bewegungen der Himmelskörper auf die einfachste Weise durch die Bewegung der Erde und der Planeten [* 18] um die Sonne.
Sein epochemachendes Werk «De revolutionibus orbium coelestium», das bedeutendste, was seit einer Reihe von Jahrhunderten auf dem Gebiete der Astronomie geschaffen worden war, erschien erst in seinem Todesjahre 1543, wenngleich Kopernikus mit der Ausarbeitung seines Systems schon mehr als 30 Jahre vorher begonnen hatte. Trotz mannigfacher Anfeindungen verschaffte sich die Kopernikanische Lehre bald allgemeine Anerkennung unter den Astronomen, wenn auch die Kirche späterhin, namentlich zu Anfang des 17. Jahrh., sich feindlich zu ihr stellte.
Als Zeitgenossen von Kopernikus und eifrige Verfechter seiner Lehre sind besonders zu nennen: Schönberg, Rhäticus und Rheinhold. Auch der praktischen Astronomie erstand in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. in Tycho Brahe ein gründlicher Verbesserer, der die Genauigkeit der Beobachtungen in einer bis dahin ganz ungeahnten Weise steigerte und in seiner Uranienburg auf der Insel Hyen eine Mustersternwarte erstehen ließ, zu welcher die Astronomen aus ganz Europa [* 19] hinpilgerten. Seine bedeutendsten Werke sind «Astronomiae instauratae mechanica» (1598) und «Astronomiae instauratae progymnasmata» (Kopenh. 1589; Prag [* 20] 1603). Als vorzüglichster Schüler und Gehilfe Brahes in seiner praktischen Thätigkeit ist Longomontanus anzuführen. Die praktische Astronomie fand auch in Wilhelm IV. von Hessen [* 21] einen eifrigen Förderer, der die Sternwarte in Cassel erbaute, an der unter ihm Byrgius und Rothmann eifrig arbeiteten. - In das 16. Jahrh. fällt auch die Verbesserung des Kalenders (s. d.) durch Papst Gregor XIII. (1582). (Clavius, Romani Calendarii a Gregorio XIII restitui explicatio, 1603.) 1583 ließ Scaliger sein Werk «Opus novum de emendatione temporum» erscheinen, durch welches er der Begründer der Chronologie wurde; Calvisius mit seinem «Opus chronologicum» (Lpz. 1605; Frankf. astronomie 0. 1620 u. ö.) stellte sich ihm ebenbürtig zur Seite. Einen, wenn auch nur sehr rohen Versuch, die Größe des Erdumfangs zu bestimmen, die erste Gradmessung [* 22] in Europa, machte in Frankreich bereits 1525 Fernel.
Die Lehre von der wahren Bewegung der Himmelskörper im Weltraume, welche im 16. Jahrh. durch Kopernikus die erste sichere Grundlage erhalten hatte, fand bereits im 1. Jahrzehnt des 17. Jahrh. in Kepler (s. d.) einen eifrigen Verbesserer. Auf Grund der von Brahe während eines Zeitraumes von 20 Jahren mit großer Sorgfalt ausgeführten ¶
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Ortsbestimmungen der Planeten, namentlich des Mars, [* 24] baute er das Kopernikanische System weiter aus. Die Frucht seiner mühsamen Arbeit sind die nach ihm benannten drei Gesetze, die er in den beiden Werken «Astronomia nova» (1609) und «Harmonices mundi libri V» (1619) ausführlich darlegte. In einem dritten klassischen Werke: «Epitome astronomiae copernicanae» (Buch 1-4, Linz [* 25] 1618-22; Buch 5-7, Frankf. a. M. 1621), hinterließ er ein auf dem Grund der Kopernikanischen Weltanschauung aufgebautes vollständiges Kompendium der Astronomie.
Die Erfindung des Fernrohrs, welche ebenfalls in das 1. Jahrzehnt des 17. Jahrh. fällt, bewirkte einen abermaligen Umschwung in der praktischen Astronomie. Wenn wir wohl auch Lippersheim (1608) als den eigentlichen Erfinder des Fernrohrs zu betrachten haben, so verdankt dasselbe seine Einführung in die Astronomie jedenfalls doch Kepler («Dioptrice», Augsb. 1611) und Galilei; letzterer namentlich war es, der das Fernrohr [* 26] zuerst erfolgreich auf den Himmel [* 27] anwandte. In seinem «Sidereus nuncius» (1610) gab er den Astronomen von seinen Entdeckungen Kunde. Er erkannte die Gebirgsnatur der Mondoberfläche und führte bereits Höhenmessungen der Mondberge aus, erklärte den Schimmer der Milchstraße, erkannte die Phasengestalt von Venus und Mars, entdeckte die vier hellen Jupitermonde und fand 1637 auch die Libration des Mondes.
Rasch folgten jetzt Entdeckungen auf Entdeckungen, indem die Forschung sich dem Studium der Beschaffenheit der Himmelskörper zuwendete. Fast gleichzeitig entdeckten Fabricius, Galilei und Scheiner, der 1613 zuerst das Keplersche Fernrohr praktisch ausführte, die Sonnenflecke, wenn auch die wahre Deutung dieser Erscheinung einem spätern Jahrhundert vorbehalten blieb. 1612 entdeckte Marius den Andromedanebel, das erste überhaupt bekannte Gebilde dieser Art, und 1618 Cysat den Orionnebel.
Die bildliche Darstellung des Fixsternhimmels, wie er dem freien Auge [* 28] erscheint, hatte in einer für die damalige Zeit mustergültigen Weise bereits Bayer gegeben, dessen «Uranometria» 1603 erschien, der erste mit Sachverständnis und Sorgfalt ausgeführte Himmelsatlas, dessen Sternbilder und Bezeichnung der Sterne noch jetzt gebräuchlich sind. Auch die Messung und Darstellung der Erde stellte man sich jetzt, nachdem die Meßinstrumente gegen frühere Jahrhunderte ganz wesentliche Verbesserungen erfahren hatten, wieder zur Aufgabe.
Snellius war der erste, der 1615-17 auf Grund besserer Principien die erste Gradmessung ausführte, indem er bei Alkmaar einen Meridianbogen von 1° Länge durch Triangulation, [* 29] d. h. mit Hilfe einer Kette von Dreiecknetzen, maß («Eratosthenes batavus», 1617). Wie der beobachtenden Astronomie im Fernrohr, so entstand der rechnenden in den Logarithmentafeln ein mächtiges Hilfsmittel. 1614 gab Neper seine «Mirifici logarithmorum canonis constructio», und Briggs 1624 u. d. T. «Arithmetica logarithmica» 12. Aufl., von Vlacq, 1628) eine Tafel der gemeinen Logarithmen heraus.
Die zweite Hälfte des 17. Jahrh. brachte in Newtons [* 30] Entdeckung der allgemeinen Gravitation (1666) einen Fortschritt von ungeheurer Tragweite für die theoretische Astronomie. Sie bildet den Grundstein für die gesamte neuere Astronomie; durch sie erst erfuhr alles bis dahin in der Bewegung der Himmelskörper Gefundene seine innere Begründung, indem sie endlich die Kräfte kennen lehrte, durch welche diese Bewegungen hervorgerufen werden. Die definitive Veröffentlichung der Gravitationslehre erfolgte erst 1687 durch die «Principia mathematica philosophiae naturalis». Indessen fand Newtons Entdeckung keineswegs sofort die allgemeine Anerkennung, und erst nach längerer Zeit verstummten bei den Männern der Wissenschaft die Zweifel und Einwände. Newton begnügte sich nicht damit, die Begründung für seine Gravitationslehre zu geben, sondern wandte diese auch auf das Weltsystem an; so bestimmte er auf theoretischem Wege die Abplattung der Erde und gab die Theorie der Präcession sowie die von Ebbe und Flut. - Hevel, der in Danzig [* 31] eine eigene Sternwarte hatte, wurde durch seine 1647 erschienene «Selenographia» der Begründer der Mondtopographie; außerdem verdankt ihm die Astronomie zahlreiche gute Ortsbestimmungen.
Huyghens erkannte zuerst die wahre Natur des Saturnrings («Systema Saturnium», 1659),
dessen richtige Deutung Galilei infolge der Unvollkommenheit seiner optischen Hilfsmittel nicht gelungen war; ferner führte er in der messenden Astronomie das wichtige Hilfsmittel der Pendeluhr («Horologium», 1658) auf die Dauer ein. Cassini bestimmte die Rotationsdauer von Sonne, Jupiter und Mars (1665); zu dem 1659 von Huyghens entdeckten Saturnmonde fand er vier weitere. Olaus Römer bestimmte 1675 aus den Verfinsterungen der Jupitermonde die Lichtgeschwindigkeit.
Auch erstanden Ausgang des 17. Jahrh. der praktischen Astronomie zwei neue Werkstätten, die für sie von großer Bedentung wurden, 1669 unter Cassini die Sternwarte zu Paris [* 32] und 1676 unter Flamsteed die zu Greenwich. Die Frucht von Flamsteeds Greenwicher Beobachtungsthätigkeit sind sein «Atlas [* 33] coelestis» (1729) und die «Historia coelestis» (1712 und 1725). Die Erfindung des Mikrometers verdankt die Astronomie Gascoigne (1640),
die definitive Verbindung des Fernrohrs als Visierlinie mit dem astron. Meßinstrument aber Auzout und Picard (1647). Letzterer leistete auch der Gradmessung wichtige Dienste [* 34] («Mesure de la terre», 1671) und begründete 1678 die «Connaissance des temps». In das 17. Jahrh. fällt auch die erste genauere Bestimmung der Entfernung der Erde von der Sonne; aus den von ihm 1671 in Cayenne ausgeführten Beobachtungen der Marsopposition konnte Richer für die Sonnenparallaxe den Wert 9½" feststellen.
Ihre weitern Fortschritte im 18. Jahrh. verdankt die theoretische Astronomie hauptsächlich den großen Mathematikern dieser Zeit. Euler, der Schöpfer der analytischen Mechanik, war bahnbrechend für die Untersuchungen der planetarischen Störungen («Theoria motuum planetarum et cometarum», 1744, und seine Pariser Preisschriften aus den Jahren 1748, 1752 und 1756); er war auch einer der ersten, welche die Mondtheorie auf Grund des Dreikörperproblems behandelten («Theoria motuum lunae», 1753). Von der großen Zahl astron.
Fragen, die Clairaut mathematisch behandelte, seien hier nur angeführt «Théorie de la lune» (1752 u. ö.) und «Théorie de la figure de la terre» (1743); von d'Alembert seien genannt «Recherches sur la précession des équinoxes et sur la nutation de l'axe de la terre» (1747) und «Recherches sur différents points importants du sytème du monde» (1784-86),
worin Untersuchungen über das Dreikörpersystem enthalten sind. Lalande verdanken wir sein Lehrbuch «Astronomie» (1764), durch welches er der Lehrer vieler Generationen von Astronomen wurde; Lagrange, einer der größten Mathematiker aller Zeiten, schrieb ¶