(Aisopos) war den Griechen der Vertreter der Fabeldichtung (s. Fabel) überhaupt und gilt noch heute vielfach
für den, der sie als eigene Gattung zuerst ausgebildet habe. Nach Herodot, Plutarch u. a.
lebte Äsop etwa im 6. Jahrh. v. Chr. als Zeitgenosse der Sieben Weisen. Er sollte aus Phrygien stammen, in Samos
Sklave gewesen, aber freigelassen sein und später das Vertrauen des Königs Krösus von Lydien genossen haben. Dieser habe
ihn als Gesandten nach Griechenland geschickt, wo er jedoch von den Delphiern, die er beleidigt hatte, von einem Felsen herabgestürzt
sei.
Mit solchen und andern Erdichtungen, wie der, daß er ein buckliger Krüppel gewesen sei, ward Ä.s Leben
immer mehr ausgeschmückt. Als solcher ist er in einer berühmten Marmorfigur der Villa Albani zu Rom dargestellt. Die ihm
beigelegten Fabeln sind jedenfalls nicht von ihm selbst aufgezeichnet, sondern nur durch mündliche Überlieferung fortgepflanzt
worden. Wann die älteste schriftliche Sammlung der Äsopischen Fabeln entstanden ist, weiß man nicht.
Gewiß ist, daß Demetrius Phalereus eine Sammlung derselben veranstaltete, die jedoch verloren gegangen ist. Babrius (s. d.)
brachte die Äsopischen Fabeln in Choliamben. Auf die Gegenwart sind verschiedene Sammlungen gekommen. Zuerst erschien im
Druck die dem Maximus Planudes (s. d.) beigelegte, erhalten in zwei Recensionen, von denen die eine zuerst
von Buonaccorso zu Mailand (um 1479), die andere von Rob.
Stephanus (Par. 1547) herausgegeben wurde. Hierzu kam die Sammlung aus Heidelberger Handschriften (hg. von Nevelet, Frankf.
1610); dann von Hudson (Oxf. 1718) und Hauptmann (Lpz. 1741), zusammen
mit der Planudischen. Eine neue Epoche für die Kritik dieser Sammlungen tritt mit der Veröffentlichung
einer florentinischen und einer vatikanischen Handschrift durch Furia (2 Bde.,
Flor. 1809) ein, mit 199 Fabeln, von Schneider (Lpz. 1810) verbessert
herausgegeben und von Korais in seine Ausgabe aller bis dahin bekannten Äsopischen Fabeln (Par. 1810) aufgenommen. Hierzu
kam noch die Sammlung einer Augsburger Handschrift, 231 Fabeln, von der Schneider (Brest. 1812) eine Ausgabe
veranstaltete. Eine kritische Ausgabe aller bis jetzt bekannten Äsopischen Fabeln hat Halm (Lpz. 1852) geliefert. Die auf
Äsop bezügliche und zur Fabeldichtung gehörige byzant. Litteratur wird von Eberhard in den «Fabulae Romanenses Graece conscriptae»,
Bd. 1 (Lpz. 1872), neu herausgegeben.
- Über die Äsopische Fabel bei den Römern s. Phädrus.
Während des Mittelalters sind die Fabeln des Äsop Gemeingut aller abendländ. Litteraturen geworden. In Deutschland wurden
sie nach der Mitte des 15. Jahrh. von Heinrich Steinhöwel (s. d.) in deutscher Prosa bearbeitet und mit den lat.
Texten seit 1476 sehr oft gedruckt. Eine freie deutsche Bearbeitung in Versen lieferte Burkard Waldis
(s. d.). Luther hat ebenfalls mehrere (16) Äsopische Fabeln (1530) deutsch bearbeitet (Tüb. 1817).
Überhaupt sind die Fabeln des Äsop vielfach übersetzt, in Prosa wie in Versen, zuletzt von Binder (Stuttg. 1866). -
Vgl.
Grauert, De Aesopo et fabulis Aesopicis (Bonn 1825);
Keller, Untersuchungen über die Geschichte der griech.
Fabel (in den «Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik», Supplement, Bd. 4, Lpz. 1862);
Hausrath, Untersuchungen zur Überlieferung der Äsopischen Fabeln (ebd., Supplement, Bd. 21, Lpz.
1894).
(Asopós), Name mehrerer Flüsse in Griechenland; der bedeutendste, an dem Tanagra lag, im östl. Böotien, entspringt
auf dem Cithäron und mündet in das Meer von Euböa. Asopus ist zugleich Name des Flußgottes. Er soll zwei
Söhne und viele Töchter gehabt haben, deren Namen sich größtenteils als mit griech. Gewässern, Inseln und Städten identisch
erweisen. Unter diesen Töchtern ist am bekanntesten Aigina, die Zeus entführte. Asopus verfolgte Zeus daher
und wollte den Olymp mit seinen Wogen erstürmen; doch Zeus erschlug ihn mit seinem Blitze, weshalb der Fluß Kohlen in seinem
Bette führt.
(türk. Asak, Azak), Flecken (posad) im Kreise Rostow des russ. Gebietes der Donischen Kosaken, links des Don, 13 km
vor seiner Mündung ins Asowsche Meer, hat (1885) 16 581 E., Post, ein Progymnasium, Fischfang
und Kleinhandel. Der früher wichtige Hafen ist versandet und nur für Boote zugänglich. An der Stelle von Asow lag im Altertum
die blühende griech. Handelskolonie Tanais; sie wurde 115 v. Chr. von Mithridates erobert, kam dann der Reihe nach in die Hände
der Sarmaten, Chasaren, Petschenegen und Polowzen und erhielt unter den letztern bei den Russen den Namen Asow In der ital. Handelswelt
führt sie während des Mittelalters den Namen Tana oder Alatena, bildet einen wichtigen Stapelplatz des indisch-chines. Handels
und war 1204-61 im Besitz der Venetianer, dann der Genuesen. 1471 ward von den Türken erobert und befestigt.
Es bildete nun lange das Streitobjekt zwischen diesen und den Donischen Kosaken, in deren Besitz es 1637-43 war. Peter d. Gr.
eroberte Asow 1696, mußte es aber 1711 wieder an die Türken zurückgeben; 1736 aufs neue von Rußland erobert, blieb es nun
thatsächlich bei diesem, obgleich es ihm erst 1774 durch die Verträge zuerkannt wurde. 1775 wurde es
Hauptstadt des Gouvernements Asow, kam 1782 zum Gouvernement Jekaterinoslaw und 1888 zum Gebiet der Donischen Kosaken.
Der Handel A.s ist mit dem Aufblühen Rostows gesunken.
Meer, russ. Azovskoje more, nordöstlichstes Seitenbassin des Schwarzen Meers, mit dem
es durch die Meerenge von Kertsch und Jenikale in Verbindung steht. Im Altertume hieß es bei den Griechen Maiōtis, bei den
Römern Palus Maeotis, bei den Scythen Kargaluk, bei den Mäoten Temerinda (d. h. Mutter des Meers), dann bei den Arabern Nitschach
oder Bahr al-Azof, bei den Türken Barjal-Assak oder Bachr-Assak (dunkelblaues Meer), bei den Genuesen und
Venetianern Mare delle Zabacche (Mare Tane), bei den alten Russen Surožkoje more oder Sineje more (Blaues Meer).
Seine größte Länge beträgt 362 km, die größte Breite 176 km. Es bedeckt einen Flächenraum von 37 605 qkm und verengt
sich im nordöstl. Winkel zu dem Golf von Taganrog. Seine Küsten sind im allgemeinen flach und sandig,
nur auf der Südküste finden sich Hügel vulkanischer Bildung, die stellenweise in steile Vorgebirge auslaufen. Die Westküste
wird von der sandigen Landzunge von Arabat gebildet. Von Genitschesk im NW. bis zur Mündung des Don wird das Ufer durch
steile Abstürze der Steppe gebildet, an deren Fuß ein flacher sandiger Rand mit weit vorspringenden Landzungen liegt. Zahl
und Umfang der Inseln sind unbedeutend. Der Salzgehalt des Wassers ist sehr gering; im W. wird das Wasser vom Vieh, auf der
Reede von Taganrog sogar
mehr
von Menschen genossen. Der viele Schlamm, der im NO. vom Don, im NW. von den Flüssen Usljuka, Molotschnaja, Berdjanka, Mokraja,
Kalmius und Mius, im O. von dem Mokryj Kagalnik in das Meer geführt wird, macht dasselbe seicht und für die Schiffahrt gefährlich;
eine allgemeine Verseichtung ist jedoch nicht bewiesen, zweifellos ist die Versandung der Bucht von Taganrog.
Die größte Tiefe des Meers beträgt etwa 14 m, die mittlere 6,5-13 m, die geringste im Meridian von Taganrog nur 3,8 m. Im
allgemeinen ist der Wasserstand bedeutenden Schwankungen unterworfen je nach der Windrichtung; bei Nordwinden wird das Wasser
aus der See hinausgetrieben, und der Zutritt ist für bedeutendere Schiffe erschwert.
Desgleichen hängen die Strömungen im Meere von den hier in großer Heftigkeit auftretenden Nordost- und Südwestwinden ab
und verändern demgemäß beständig ihre Richtung. Vorherrschend sind Ostwinde. Infolge des großen Süßwassergehaltes belegt
sich das Meer leicht mit Eis, im Durchschnitt gegen Mitte Dezember, der Aufgang des Eises findet Ende März
statt. Im Frühjahre nimmt die Höhe des Wasserstandes dann bedeutend zu und erleichtert dadurch selbst größern Schiffen
die Schiffahrt auf dem Meere. Die einzigen Häfen sind, außer dem oberhalb des Dondeltas gelegenen und bedeutenden Rostow,
Taganrog, Mariupul und Berdjansk. Das ist für Rußland sehr wichtig, einerseits durch seinen großen
Reichtum an Fischen, deren für 6 Mill. Rubel jährlich gefangen werden, andererseits durch den stets zunehmenden Handelsverkehr.
(S. Schwarzes Meer.) Ein Seitenbassin des bildet der Siwasch (s. d.).