mehr
einen Anstoß, so geschah doch ein viel entscheidenderer Schritt durch Gustav
Adolf von
Schweden.
[* 2] Dieser teilte der Infanterie
unmittelbar
Geschütze
[* 3] zu, die von
Musketieren bedient wurden und wesentlich leichter waren, daß sie den
Bewegungen der
Truppen
zu folgen vermochten. Die schwed. Regimentsgeschütze, die bald auch in andern
Armeen Eingang fanden,
legten gewissermaßen den
Grund zu einer von den
Fesseln der Zünftigkeit befreiten, wirklichen Artillerie
waffe und zu einer
manövrierfähigen Feldartillerie.
Das
Aufkommen der stehenden
Heere förderte den militär. Charakter der Artillerie
wesentlich; es entstehen
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. bereits Artillerie
regimenter, zuerst in
Frankreich, wo
Ludwig XIV. schon 1671 ein
«königliches Regiment der Artillerie»
errichtete. Weitere Fortschritte
brachte das 18. Jahrh. Aus dem Wirrwarr des Materials entwickelten sich Artillerie
systeme,
durch die die Zahl der Konstruktionen und
Kaliber in zweckmäßigerer
Weise als bisher begrenzt wurde, zugleich eine
Aussonderung
der schwerern
Geschütze ans der Feldartillerie
vor sich ging.
Auch eine gewisse
Trennung des
Personals trat ein, indem man die weniger brauchbaren Leute als Garnisonartillerie
zur
Besetzung der festen Plätze heranzog. Als ein besonderer Fortschritt ist die Errichtung reitender Artillerie
zu
betrachten, deren erste Anfänge von
Friedrich d. Gr. (1759) ausgegangen sind. So entstand eine wirklich bewegliche Feldartillerie
,
um deren weitere Fortbildung sich besonders Napoleon I. verdient gemacht hat. Dieser schuf einen schon
im Frieden bestehenden Artillerie
train, wodurch die Feldartillerie in den
Besitz einer militärisch geschulten
Bespannung kam,
während man bis dahin die Trainmannschaften in der Regel erst beim
Ausbruch des
Krieges auszuheben pflegte.
Napoleon I. gab die Regimentsartillerie ganz auf und ließ seine Feldartillerie nur in Batterien vereinigt austreten, was derselben eine einheitlichere Verwendung sicherte und das Gepräge einer selbständigen Waffe verlieh. Die lange Friedenszeit nach den Freiheitskriegen schloß die wesentlichsten Fortschritte in der Organisation und im Material der in sich. Man arbeitete namentlich auf eine erhöhte Beweglichkeit der Feldartillerie hin, indem man das Material erleichterte und zweckmäßiger konstruierte, für die Fußartillerie Einrichtungen zum Fortschaffen der Bedienungsmannschaften schuf, die Bespannung aufs sorgfältigste ausbildete und aufs engste mit der Bedienung verschmolz.
Das System der Belagerungs- und Festungsartillerie erfuhr ausgedehnte Verbesserungen und eine wesentliche Vereinfachung. Zu einer schärfern Trennung im personellen Teil der Waffe vermochte man sich indes noch nicht zu entschließen; das Personal wurde in allen Zweigen des verwickelten Artilleriedienstes ausgebildet, und die technische Artillerie blieb mit der fechtenden in engem Verbände. Erst 1852 schritt man in Preußen [* 4] dazu, das Unterpersonal nur noch in einem der beiden Hauptzweige, Feld- oder Festungsartillerie, auszubilden, so daß Feldbatterie und Festungscompagnien, wenn auch in gleichem Regimentsverbande verbleibend, nicht mehr untereinander in ihrer Thätigkeit wechselten.
Das Offizierkorps ward aber fernerhin in allen Zweigen gleichmäßig verwendet. In Frankreich trennte man 1854 reitende, fahrende und Festungsartillerie nach Regimentern (seit 1867 bis vor kurzem wieder aufgegeben), während Preußen erst mit 1864 die Bildung von Feld- und Festungs-Artillerieregimentern vornahm. Eine ganz besondere Steigerung in ihrem Werte erhielt die Artillerie durch die 1859 beginnende Bewaffnung mit gezogenen Geschützen. Mit der Vervollkommnung der Waffe stiegen aber auch die Anforderungen an die Leistungen des Personals, und damit wurde der Grundsatz der Teilung der Arbeit auch auf diesem Gebiete näher gelegt.
Die deutsche Artillerie war die erste, die 1872 den Entschluß zur gänzlichen Trennung der Feld- und Festungsartillerie, die den Namen «Fußartillerie» erhielt, zur Reife brachte und 1890 diese Trennung durch Unterstellung der Feldartillerie unter die Armeekorps vervollständigte. Das Streben nach Verbesserung des Materials und Erhöhung der Wirkung findet in der hochausgebildeten Technik der neuesten Zeit seine beste Nahrung und ist noch nicht abgeschlossen.
Die Kompliziertheit des Materials und die Vielseitigkeit der Dienstzweige sind die Veranlassung, daß man an das Personal und namentlich die Offiziere der Artillerie höhere wissenschaftliche Anforderungen stellt, als dies bei den andern Waffen [* 5] im allgemeinen der Fall ist, so daß die Artillerie bis heute noch als eine Trägerin des wissenschaftlichen Bestandteils in den Armeen gilt. Das gesamte artilleristische Wissen faßt man unter dem Namen Artilleriewissenschaft (s. d.) zusammen. (S. weiter die Artikel: Geschütz, Kanone, Lafette.) Aus der reichen Litteratur über Artillerie sind hier besonders das Allgemeine behandelnde Werke genannt.
Ältere Werke: Scharnhorst, Handbuch der Artillerie (3 Bde., Hannov. 1804-14);
Gassendi, Aide-mémoire à l'usage des officiers d'artillerie de France attachés au service de terre (5. Aufl., 2 Bde., Par. 1819);
de Morla, Lehrbuch der Artilleriewissenschaft (aus dem spanischen von Hoyer, 2. Aufl., 3 Bde., Lpz. 1821-26);
Rouvroy, Vorlesungen über die Artillerie (2. Aufl., 3 Bde., Dresd. 1821-25);
Smola, Handbuch für österr.
Artillerieoffiziere (2. Aufl., Wien [* 6] 1839);
Timmerhans, Essai d'un traité d'artillerie (3 Bde., Brüss. 1839-46);
Scheuerlein, Grundzüge der allgemeinen Artilleriewissenschaft, Bd. 1 (Berl. 1846);
Ludwig Napoleon (Napoleon III.), Études sur le passé et l'avenir de l'artillerie (2 Bde., Par. 1846-51; mit der Fortsetzung von J. Favé, Bd. 3 u. 4, ebd. 1862-63);
endlich die Schriften Deckers (s. d.).
Neuere Werke: von Schirrmann, Versuch zu einem System der Artilleriewissenschaft, Bd. 1 (Berl. 1860);
Handbuch für die Offiziere der königl. preußischen Artillerie (2. Aufl., ebd. 1877);
Bastien, Ariillerieschule.
Lehrbuch der gesamten Artilleriewissenschaft (Prag [* 7] 1865-66);
Handbuch für schweiz. Artillerieoffiziere (Aarau [* 8] 1868-72);
Hand- und Taschenbuch für Offiziere der preuß. Feldartillerie (2. Aufl., Berl. 1869);
Handbuch für die k. k. österreichische Artillerie (Wien 1871 fg.);
Witte, Artillerielehre (3 Bde., Berl. 1872-73; Bd. 1, 2. Aufl., 1875);
H. Müller, Die Entwicklung der Feldartillerie von 1815 bis 1892 (3 Bde., ebd. 1893-94);
ders., Die Entwicklung der preuß. Festungs- und Belagerungsartillerie von 1815 bis 1875 (ebd. 1876);
ders., Die Entwicklung der preuß. Küsten- und Schiffsartillerie von 1860 bis 1878 (ebd. 1879);
Aide-mémoire portatif de campagne à l'usage des officiers d'artillerie (4. Aufl., Par. 1883);
Wille, Die Bewaffnung der Feldartillerie (Berl. 1880);
ders., Das Feldgeschütz der Zukunft (ebd. 1891);
Wiebe, Die Artillerie-Truppe des Festungskrieges (ebd. 1888);
Prinz Kraft [* 9] zu Hohenlohe-Ingelfingen, Über Feldartillerie (2. Aufl., ebd. 1887);
ders., Die Feldartillerie in ihrer Unterstellung unter die ¶
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General-Kommandos (ebd. 1889); Schubert, Die Feld- und Gebirgs-Artillerien der europ. Staaten i. J. 1890 (Wien 1890); Zwenger, Das Artilleriebuch. Geschichte der brandenb.-preußischen Artillerie (Köln [* 11] 1893). Zeitschriften: Archiv für die Offiziere der königlich preuß. Artillerie- und Ingenieurkorps (Berlin), [* 12] Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens (Wien), Revue d'artillerie (Paris), [* 13] Zeitschrift für die schweizerische Artillerie (Frauenfeld).