mehr
Fahrzeugen fortzuschaffen. Die Geschosse [* 2] der Belagerungsgeschütze sind Granaten, [* 3] Panzergranaten, Sprenggranaten, Brandgranaten und Shrapnels; bei leichten Geschützen kommen auch Kartätschen vor. Das Personal der Belagerungsartillerie hat, außer der Geschützbedienung, die Anfertigung des Materials zum Bau der Angriffsbatterien und den Bau dieser Batterien sowie ihre Ausrüstung zu besorgen.
Die Geschütze [* 4] der Festungsartillerie haben die Aufgabe, durch ihr Feuer der Eröffnung und dem Fortschreiten des Angriffs entgegenzutreten. Sie richten ihre Wirkung zunächst gegen die vor der Festung [* 5] erscheinenden Angriffstruppen, erschweren ihnen das Festsetzen im Vorgelände, beschießen die Anlagen des Belagerers, hindern ihn im Bau seiner Batterien und Laufgräben, bekämpfen die aufgestellten Geschütze und treten allen Unternehmungen des Angreifers entgegen.
Wenn die Festungsgeschütze auch im allgemeinen keine so widerstandsfähigen Ziele zu bekämpfen haben, wie es den Belagerungsgeschützen zur Aufgabe fällt, so wird von ihnen doch eine sehr vielseitige Wirkung verlangt; es finden sich daher nicht bloß die Geschützarten und Kaliber der Belagerungsartillerie wieder, sondern es treten noch besondere (meist Schnellfeuer-) Kanonen zur Bestreichung der Festungsgräben hinzu. Die Beweglichkeit der Geschütze braucht das für die Belagerungsartillerie gesteckte Maß nicht zu überschreiten; die Lafettierung unterliegt im übrigen ähnlichen Bedingungen wie hier; nur bedarf man für die in Kasematten und Panzerständen aufgestellten Geschütze einer besondern Lafetteneinrichtung, die den beschränkten Raumverhältnissen Rechnung trägt.
Die Munition ist derjenigen der Belagerungsgeschütze gleich. Die Thätigkeit des Personals im Kriege beginnt mit der artilleristischen Ausrüstung der Festung, die anfänglich nur die Sicherung gegen überraschende und gewaltsame Angriffe zum Zweck hat, sobald aber eine förmliche Belagerung sich wahrscheinlich zeigt, angemessen verstärkt wird. Die Geschütze, deren Aufbewahrung im Frieden in Zeughäusern geschieht, werden zusammengestellt, ausgerüstet und ans ihre inzwischen vorbereiteten Aufstellungspunkte gebracht und mit Munition versehen.
Während der Belagerung sind die Mannschaften der Festungsartillerie teils an den Geschützen thätig, teils mit den Arbeiten beschäftigt, die die dauernde Unterhaltung der Feuerthätigkeit derselben notwendig macht. Sie begleiten die Ausfalltruppen, um die genommenen feindlichen Geschütze unbrauchbar zu machen und die Bauten zu beschädigen. Die durch den Fortgang der Belagerung bedingten Veränderungen in der Aufstellung der Geschütze sowie Aufstellung neuer behufs Verstärkung [* 6] des Feuers ist ebenfalls Sache der Festungsartillerie.
Die Küstenartillerie, die zur Besetzung der Küstenbatterien [* 7] und Seefestungen dient, wirkt mit ihren Geschützen gegen feindliche Kriegsschiffe sowie gegen Landungstruppen. Mit Rücksicht auf die bedeutende Stärke [* 8] der Schiffspanzer herrschen schwere Kanonen von 21, 24, 28, 30 cm, sowie schwere Mörser von 28 cm Kaliber vor. Die Schwere der Rohre und die Notwendigkeit, den raschen Bewegungen der Schiffe [* 9] mit dem Feuer zu folgen, bedingen eine sehr verwickelte Lafettierung, bei der von allen Hilfsmitteln der Technik Gebrauch gemacht ist, um eine leichte und rasche Bedienung zu ermöglichen.
Das verwickelte System, und die besondere Fertigkeit, die der Kampf gegen Schiffe erfordert, erheischen zwar die personelle Aussonderung aus der Festungsartillerie, doch hat im übrigen die Thätigkeit der Küsten- und der Festungsartillerie viel Verwandtes. Das Material der Schiffsartillerie umfaßt hauptsächlich mittlere und schwere Kanonen, doch sind auch leichte Kaliber am Platze, wie die Bootskanonen zum Ausrüsten der Landungsboote, die Landungsgeschütze, welche die Schiffsmannschaft mit an Land nimmt, und die Revolver- und Schnellfeuerkanonen zum Abwehren von Torpedoangriffen u. s. w. (S. Schiffsgeschütze.) Die Lafettierung muß auf die beschränkten Stellungsräume, die die Schiffe bieten, berechnet sein und ähnlich wie bei der Küstenartillerie die Bedienung erleichtern. Ausschließlich zu artilleristischen Zwecken sind vom Schiffspersonal die zu den Deckoffizieren zählenden Feuerwerker (Konstabler) bestimmt, welche, mit den im Range der Unteroffiziere stehenden Feuerwerkmaaten, das gesamte Artilleriematerial zu verwalten und in gutem Zustande zu erhalten sowie für die Anfertigung und im Gefecht für die Ausgabe der Munition zu sorgen haben.
Die technische Artillerie, auch Handwerks- oder Zeugartillerie genannt, umfaßt militärisch organisierte Abteilungen, die eine notdürftige Ausbildung mit der Waffe erhalten, deren Hauptthätigkeit aber der Erzeugung des Artilleriematerials und der Munitionsgegenstände gewidmet ist. Sie bildet Handwerker-, Arbeiter-, auch Feuerwerkercompagnien, die ganz außer dem Zusammenhange mit den fechtenden Truppen stehen und höherer Verbände entbehren. In einzelnen Staaten, wie z. B. im Deutschen Reich, hat man von technischen Artillerietruppen jetzt ganz Abstand genommen; die militär.-technischen Institute stehen hier überhaupt nur noch unter militär. Leitung, während das ausführende Personal aus Civiltechnikern und Civilhandwerkern gebildet ist.
Die technische und das ganze Waffenerzeugungsfach umfaßt daher an militär. Personal nur noch Offiziere, die ein in sich geschlossenes Korps bilden. Zu den technischen Instituten der Artillerie gehören die Geschütz- und Geschoßgießereien, die Artilleriewerkstätten (s. d.), die Pulverfabriken und die Feuerwerkslaboratorien. Im weitern Sinne ist zur technischen die sog. Verwaltungsartillerie gehörig, die das gesamte Waffenmaterial der Armee, insoweit es nicht in Händen der fechtenden Truppen ist, zu verwalten und zu verausgaben hat. Die Aufbewahrung geschieht meistens in Festungen; hier stehen an der Spitze des Verwaltungspersonals die Artillerieoffiziere der Plätze (s. d.).
Geschichte. Herstellung und Gebrauch der Geschütze lagen von Anfang an einer Zunft ob, die von den Büchsenmeistern oder Konstablern mit ihren Gehilfen gebildet wurde; Fürsten und Städte nahmen diese auf Zeit in Dienst und bewilligten ihnen ausgedehnte Vorrechte. Die Artilleristen waren also nichts weniger als Soldaten und der Einfluß des Kriegsherrn auf dieselben nur ein sehr bedingter. Die Zunft umgab sich mit dem Schleier des Geheimnisses, durch den herrschenden Aberglauben der Zeit aufs beste unterstützt, und arbeitete nur mit ihren zünftigen Gehilfen. Solche Verhältnisse konnten der Verwendung der neuen Kriegsmittel nur in hohem Grade hinderlich sein. Einsichtsvolle Herrscher bestrebten sich daher, die Artillerie aus den Banden der Zunft zu befreien und die neue Waffe selbst in die Hand [* 10] zu nehmen. Gaben schon die Artillerieschulen, wie sie von den Venetianern (1506) und demnächst von Karl V. (1513 zu Burgos) errichtet wurden, hierzu ¶
mehr
einen Anstoß, so geschah doch ein viel entscheidenderer Schritt durch Gustav Adolf von Schweden. [* 12] Dieser teilte der Infanterie unmittelbar Geschütze zu, die von Musketieren bedient wurden und wesentlich leichter waren, daß sie den Bewegungen der Truppen zu folgen vermochten. Die schwed. Regimentsgeschütze, die bald auch in andern Armeen Eingang fanden, legten gewissermaßen den Grund zu einer von den Fesseln der Zünftigkeit befreiten, wirklichen Artilleriewaffe und zu einer manövrierfähigen Feldartillerie.
Das Aufkommen der stehenden Heere förderte den militär. Charakter der Artillerie wesentlich; es entstehen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. bereits Artillerieregimenter, zuerst in Frankreich, wo Ludwig XIV. schon 1671 ein «königliches Regiment der Artillerie» errichtete. Weitere Fortschritte brachte das 18. Jahrh. Aus dem Wirrwarr des Materials entwickelten sich Artilleriesysteme, durch die die Zahl der Konstruktionen und Kaliber in zweckmäßigerer Weise als bisher begrenzt wurde, zugleich eine Aussonderung der schwerern Geschütze ans der Feldartillerie vor sich ging.
Auch eine gewisse Trennung des Personals trat ein, indem man die weniger brauchbaren Leute als Garnisonartillerie zur Besetzung der festen Plätze heranzog. Als ein besonderer Fortschritt ist die Errichtung reitender Artillerie zu betrachten, deren erste Anfänge von Friedrich d. Gr. (1759) ausgegangen sind. So entstand eine wirklich bewegliche Feldartillerie, um deren weitere Fortbildung sich besonders Napoleon I. verdient gemacht hat. Dieser schuf einen schon im Frieden bestehenden Artillerietrain, wodurch die Feldartillerie in den Besitz einer militärisch geschulten Bespannung kam, während man bis dahin die Trainmannschaften in der Regel erst beim Ausbruch des Krieges auszuheben pflegte.
Napoleon I. gab die Regimentsartillerie ganz auf und ließ seine Feldartillerie nur in Batterien vereinigt austreten, was derselben eine einheitlichere Verwendung sicherte und das Gepräge einer selbständigen Waffe verlieh. Die lange Friedenszeit nach den Freiheitskriegen schloß die wesentlichsten Fortschritte in der Organisation und im Material der in sich. Man arbeitete namentlich auf eine erhöhte Beweglichkeit der Feldartillerie hin, indem man das Material erleichterte und zweckmäßiger konstruierte, für die Fußartillerie Einrichtungen zum Fortschaffen der Bedienungsmannschaften schuf, die Bespannung aufs sorgfältigste ausbildete und aufs engste mit der Bedienung verschmolz.
Das System der Belagerungs- und Festungsartillerie erfuhr ausgedehnte Verbesserungen und eine wesentliche Vereinfachung. Zu einer schärfern Trennung im personellen Teil der Waffe vermochte man sich indes noch nicht zu entschließen; das Personal wurde in allen Zweigen des verwickelten Artilleriedienstes ausgebildet, und die technische Artillerie blieb mit der fechtenden in engem Verbände. Erst 1852 schritt man in Preußen [* 13] dazu, das Unterpersonal nur noch in einem der beiden Hauptzweige, Feld- oder Festungsartillerie, auszubilden, so daß Feldbatterie und Festungscompagnien, wenn auch in gleichem Regimentsverbande verbleibend, nicht mehr untereinander in ihrer Thätigkeit wechselten.
Das Offizierkorps ward aber fernerhin in allen Zweigen gleichmäßig verwendet. In Frankreich trennte man 1854 reitende, fahrende und Festungsartillerie nach Regimentern (seit 1867 bis vor kurzem wieder aufgegeben), während Preußen erst mit 1864 die Bildung von Feld- und Festungs-Artillerieregimentern vornahm. Eine ganz besondere Steigerung in ihrem Werte erhielt die Artillerie durch die 1859 beginnende Bewaffnung mit gezogenen Geschützen. Mit der Vervollkommnung der Waffe stiegen aber auch die Anforderungen an die Leistungen des Personals, und damit wurde der Grundsatz der Teilung der Arbeit auch auf diesem Gebiete näher gelegt.
Die deutsche Artillerie war die erste, die 1872 den Entschluß zur gänzlichen Trennung der Feld- und Festungsartillerie, die den Namen «Fußartillerie» erhielt, zur Reife brachte und 1890 diese Trennung durch Unterstellung der Feldartillerie unter die Armeekorps vervollständigte. Das Streben nach Verbesserung des Materials und Erhöhung der Wirkung findet in der hochausgebildeten Technik der neuesten Zeit seine beste Nahrung und ist noch nicht abgeschlossen.
Die Kompliziertheit des Materials und die Vielseitigkeit der Dienstzweige sind die Veranlassung, daß man an das Personal und namentlich die Offiziere der Artillerie höhere wissenschaftliche Anforderungen stellt, als dies bei den andern Waffen [* 14] im allgemeinen der Fall ist, so daß die Artillerie bis heute noch als eine Trägerin des wissenschaftlichen Bestandteils in den Armeen gilt. Das gesamte artilleristische Wissen faßt man unter dem Namen Artilleriewissenschaft (s. d.) zusammen. (S. weiter die Artikel: Geschütz, Kanone, Lafette.) Aus der reichen Litteratur über Artillerie sind hier besonders das Allgemeine behandelnde Werke genannt.
Ältere Werke: Scharnhorst, Handbuch der Artillerie (3 Bde., Hannov. 1804-14);
Gassendi, Aide-mémoire à l'usage des officiers d'artillerie de France attachés au service de terre (5. Aufl., 2 Bde., Par. 1819);
de Morla, Lehrbuch der Artilleriewissenschaft (aus dem spanischen von Hoyer, 2. Aufl., 3 Bde., Lpz. 1821-26);
Rouvroy, Vorlesungen über die Artillerie (2. Aufl., 3 Bde., Dresd. 1821-25);
Smola, Handbuch für österr.
Artillerieoffiziere (2. Aufl., Wien [* 15] 1839);
Timmerhans, Essai d'un traité d'artillerie (3 Bde., Brüss. 1839-46);
Scheuerlein, Grundzüge der allgemeinen Artilleriewissenschaft, Bd. 1 (Berl. 1846);
Ludwig Napoleon (Napoleon III.), Études sur le passé et l'avenir de l'artillerie (2 Bde., Par. 1846-51; mit der Fortsetzung von J. Favé, Bd. 3 u. 4, ebd. 1862-63);
endlich die Schriften Deckers (s. d.).
Neuere Werke: von Schirrmann, Versuch zu einem System der Artilleriewissenschaft, Bd. 1 (Berl. 1860);
Handbuch für die Offiziere der königl. preußischen Artillerie (2. Aufl., ebd. 1877);
Bastien, Ariillerieschule.
Lehrbuch der gesamten Artilleriewissenschaft (Prag [* 16] 1865-66);
Handbuch für schweiz. Artillerieoffiziere (Aarau [* 17] 1868-72);
Hand- und Taschenbuch für Offiziere der preuß. Feldartillerie (2. Aufl., Berl. 1869);
Handbuch für die k. k. österreichische Artillerie (Wien 1871 fg.);
Witte, Artillerielehre (3 Bde., Berl. 1872-73; Bd. 1, 2. Aufl., 1875);
H. Müller, Die Entwicklung der Feldartillerie von 1815 bis 1892 (3 Bde., ebd. 1893-94);
ders., Die Entwicklung der preuß. Festungs- und Belagerungsartillerie von 1815 bis 1875 (ebd. 1876);
ders., Die Entwicklung der preuß. Küsten- und Schiffsartillerie von 1860 bis 1878 (ebd. 1879);
Aide-mémoire portatif de campagne à l'usage des officiers d'artillerie (4. Aufl., Par. 1883);
Wille, Die Bewaffnung der Feldartillerie (Berl. 1880);
ders., Das Feldgeschütz der Zukunft (ebd. 1891);
Wiebe, Die Artillerie-Truppe des Festungskrieges (ebd. 1888);
Prinz Kraft [* 18] zu Hohenlohe-Ingelfingen, Über Feldartillerie (2. Aufl., ebd. 1887);
ders., Die Feldartillerie in ihrer Unterstellung unter die ¶