Hannov. 1844-46) herausgegeben. Von den
Schriften zur theoretischen
Philosophie ist die
«Metaphysik oder erste
Philosophie» von
Schwegler (griechisch und deutsch mit Anmerkungen, 4 Bde., Tüb.
1847-48) und
Bonitz (2 Bde.,
Text mit lat. Kommentar,
Bonn
[* 2] 1848-49;
Übersetzung Berl. 1890),
die «Physik» griechisch und deutsch
von Prantl (Lpz. 1854),
die «Drei
Bücher von der Seele» von
Trendelenburg (2. Aufl., Berl. 1877) und Torstrik (ebd. 1862) herausgegeben
und von Kirchmann (Philos.
Bibliothek, Bd. 43, Lpz. 1872)
übersetzt. Aus der praktischen
Philosophie ist die «Nikomachische Ethik» von Garve (2
Tle., Bresl. 1798-1801) und Kirchmann
(Lpz. 1876) übertragen; die «Politik» deutsch
von Garve (2
Tle., Bresl. 1799-1801; neu bearbeitet von Brasch, Lpz. 1893),
Lindau
[* 3] (Öls
[* 4] 1843) und
Bernays (Berl. 1872) erschienen. 1891 wurde ein großes Bruchstück der
«Politien», einer Sammlung von 158
Staatsverfassungen, und das fast vollständig erhaltene
Buch von der
Staatsverfassung der
Athener im
Britischen Museum in
London
[* 5] aufgefunden (hg. von Kenyon, 2. Aufl., Lond. 1891, von Kaibel
und Wilamowitz-Möllendorf, Berl. 1891, und von
Blaß, Lpz. 1892; ins Deutsche
[* 6] übersetzt von Kaibel und
Kießling, Straßb. 1891, und von Erdmann, Lpz. 1892). Es giebt
genaue Aufschlüsse sowohl über die ältere Verfassungsgeschichte
Athens als über die
Verfassung der Stadt im 4. Jahrh.
v. Chr.,
mit wichtigen urkundlichen
Belegen, einem großen, bisher sehr unvollständig bekannten Fragment des
Solon u. s. w. Auch überrascht
die freimütige Kritik der athenischen
Demokratie. Die Echtheit der
Schrift wurde angefochten von F.
Cauer,
«Hat Aristoteles die
Schrift vom
Staate der
Athener geschrieben» (Stuttg. 1891). Die
«Poetik» ist von
Susemihl (2. Aufl., Lpz. 1874),
die «Rhetorik» von
Stahr (Stuttg. 1862), beide zusammen von Knebel
(ebd. 1840) ins Deutsche übertragen. Gesamtausgaben sind die von der
Berliner
[* 8]
Akademie veranstaltete (Urtext mit lat.
Übersetzung,
Scholien und Index, 5 Bde., Berl. 1831-70),
nach der man gewöhnlich citiert, und die Didotsche (5 Bde.,
Par. 1848-74). -
Vgl. von Wilamowitz-Moellendorf, und die
Athener (2 Bde., Berl. 1893).
Lher., Pflanzengattung aus der Familie der
Tiliaceen (s. d.). Die wichtigste
Art ist
ein immergrünerStrauch, Aristotelia Macqui L'Herit., in
Chile,
[* 9] der Macqui der Chilenen. Dieser, 1-1,5 m hoch, hat aufrechte, rötliche
Stämme, gegenständige, längliche, glänzende
Blätter, kleine, achselständige
Trauben weißer, hängender
Blüten und schwarzrote
Beeren. Die kugeligen, dreifächerigen, sechssamigen
Beeren sind eßbar, aber sehr sauer; die Chilenen
bereiten daraus eine Art Liqueur als
Mittel gegen
Fieber. Man kultiviert diesenStrauch oft in Gewächshäusern; er kann während
des
Sommers im
Freien stehen und durch
Stecklinge vermehrt werden.
Philosophie. Das Verhältnis der
Philosophie des
Aristoteles zu der seiner Vorgänger hat man damit
zu bezeichnen versucht, daß
Aristoteles den
Sokratischen Wesensbegriff, die
Platonische Idee fortgebildet habe zu dem ihm eigentümlichen
Begriff der substantiellen Form oder der
Entelechie, d. h. daß er wie jene das Wesen des Erscheinenden suchte und zwar wie
sie es suchte im
Begriff, im Gesetz, nur im
Unterschied von jenen in einem solchen Gesetz, das unmittelbar
in den Erscheinungen, nämlich als Princip ihrer innern
Entwicklung nachgewiesen werden kann; oder daß er die übersinnlichen,
von aller Erfahrung abgesonderten Ideen in das
Reich des Werdens und der Erfahrung wieder einführte, das
An-sich der Erscheinungen
nicht mehr getrennt von ihnen, sondern in ihnen selbst als Princip des Werdens zu erkennen strebte.
Ohne Zweifel ist das die
Stellung, die
Aristoteles gegen
Plato einnimmt, und die Umbildung seiner
Lehre,
[* 10] die er sich zur
Aufgabe
stellt. Allein es ist nicht zu leugnen, daß er einerseits im
Platonischen Apriorismus weit mehr, als seiner eigenen
Absicht
entspricht, befangen geblieben ist, andererseits vielfach die tiefsten und wahrsten Motive dieser
Lehre
verkannt und nur deswegen sie verlassen hat.
Aristoteles ist, verglichen mit
Plato, entschieden Dogmatiker, d. h. er glaubt
im wesentlichen die wahren Gegenstände gegeben in den Einzeldingen der vulgären
Auffassung, die nur noch der gehörigen
begrifflichen Verarbeitung bedürfe, um die vollkommen sichern Grundlagen der Wissenschaft zu ergeben.
Es fehlt ihm also eine haltbare kritische Grundlegung, und damit eine streng folgerichtige
Stellung in den Grundfragen der
Philosophie. So hat er viel
Sinn für die konkrete Thatsächlichkeit und streitet mit gutem
Grunde (namentlich in den biologischen
Wissenschaften) gegen ein abstrakt «logisches»
Verfahren.
Aber er unterschätzt dabei den Wert des wissenschaftlichen
Instruments der Mathematik und gelangt dadurch,
wie auch aus
Mangel einer tiefern Kritik der
Sinnlichkeit, zu durchaus falschen Grundsätzen der theoretischen Physik, wie
die Wissenschaft seit Galilei klar erkannt hat. Andererseits weiß seine
Logik das Ideal der deduktiven Wissenschaft gut zu
entwickeln; allein er befindet sich in Unsicherheit bezüglich der Herkunft der letzten
Voraussetzungen
aller Deduktion. Er meint sie, im
Widerspruch mit seinen eigenen Grundsätzen, der Erfahrung entnehmen zu können; in Wirklichkeit
ist der Weg, auf dem er sie gewinnt, eigentlich der einer in ihrer Art großartigen
Analyse und Systematisierung des in der
Sprache
[* 11] niedergelegten Schatzes primitiver Erkenntnis.
Darauf beruht zum großen
Teile das
Geheimnis des Einflusses seiner
Philosophie; sie stützt sich eigentlich auf die natürliche
Vorstellungsweise der Dinge, die sie nur, mit einer ungemeinen
Energie der
Logik, in wissenschaftliche Formen zwingt. Allein
solches
Verfahren ist dem der wahren Wissenschaft gerade entgegengesetzt; die moderne Forschung ging vielmehr
kritisch vernichtend gegen die mit
Aristoteles bewaffnete, in seiner
Philosophie gleichsam inventarisierte gemeine Vorstellungswelt
zu Werke; sie mußte die Grundbegriffe der Wissenschaft, soweit sie nicht der Mathematik angehören, neu erzeugen.
Von den einzelnen Disciplinen erfreut sich die
Logik des
Aristoteles noch immer einer
Anerkennung, die, nach
ihrer vollständigen thatsächlichen Überwindung seit Galilei und Kant, kaum mehr verständlich ist.
Aristoteles nimmt eigentlich
die
Begriffe als gegeben, und abstrahiert ebenso die Grundformen des
Urteils von der Sprachform des
Satzes. Er überträgt dann
sorglos seine mangelhaft abgeleiteten logischen Grundauffassungen auf die Dinge, indem ihm in den
Begriffen zugleich die
Dinge als gegeben gelten. Sein Kategoriensystem ist, wenn auch nicht direkt aus den grammatischen Wortklassen, doch aus einer
logischen
Analyse der
Bestandteile der
¶
mehr
Aussage abgeleitet und weit entfernt von einer aus der Tiefe gegriffenen Theorie der Konstitution des Gegenstandes in der Erkenntnis,
wie Kants Kategoriensystem sie jedenfalls anstrebt. Besser begründet ist die AristotelischeTheorie des Beweisverfahrens,
die wesentlich dem Verfahren der Euklidischen Geometrie abgelauscht ist; doch empfindet man seit lange ihre völlige Unbrauchbarkeit
zu einem wirklichen Erkenntnisfortschritt; sie erscheint mehr bestimmt und geeignet, der Erkenntnis, die man schon hat, eine
lehrhafte Form zu geben, als den Weg zu irgend einer neuen Erkenntnis zu weisen. Die Theorie der Induktion
[* 13] ist höchst unentwickelt,
vom Experiment hat Aristoteles kaum einen Begriff.
Seine Metaphysik (Fundamentalphilosophie) geht aus von einer ziemlich ungerechten Beurteilung der Platonischen
Ideenleere, der gegenüber er das Verhältnis des Einzelnen und Allgemeinen richtiger zu bestimmen glaubt, während er wirklich
in dieser allerfundamentalsten Frage sich in einem offenbaren Widerspruch bewegt. Einerseits sollen die Einzeldinge die wahren
«Substanzen», die erstgegebenen Dinge und natürlichen Subjekte jeder Aussage sein; andererseits aber alle
wahre Erkenntnis doch auf dem Allgemeinen beruhen.
Die richtige Bemerkung, daß das Allgemeine nur im Einzelnen seine Existenz hat (nur das Allgemeine des Einzelnen ist), löst
den Widerspruch nicht, da andererseits auch das Einzelne nur durch allgemeine Bestimmungen für uns erkennbar, nur das Einzelne
des Allgemeinen ist. Auch kommt Aristoteles wesentlich doch auf einen ähnlichen Weg wie Plato zurück,
indem er die «Form», die in vielen Beziehungen der Platonischen «Idee» entspricht und eigentlich der AristotelischeAusdruck
des Gesetzes ist, zum letzten Princip aller Erklärung erhebt.
Dabei überwindet er die im Platonismus angelegte Teleologie nicht, sondern erhebt sie, in viel bedenklicherer
Form als jener, zum Princip. Die Form bedeutet das, was ein Ding seinem «Wesen»
nach ist, aber sie bedeutet zugleich den Zweck und die bewegende Ursache, das, wozu es sich gestalten soll und was es zugleich
(als wirkender Zweck) dazu gestaltet. Ihre Ergänzung ist der Stoff, der die «Möglichkeit» ebendessen
ausdrückt, was in der «Verwirklichung» die Form ist. In jedem, was zu
irgend etwas werden soll, ist also schon die Möglichkeit («Potenz»),
ebendies zu werden, voraus gegeben, und das Werden
ist dann nur die Entfaltung von der Potenz zur Aktualität (Verwirklichung des voraus bloß Möglichen, Energeia oder
Entelecheia). Die Form ist somit dem Stoff immanent. Damit ist die Teleologie, in noch ganz anderm Maße als bei Plato, zum Princip
gemacht. Andererseits ist auch die Immanenz nicht streng durchgeführt, da schließlich doch eine Form ohne Stoff, eine reine
Energie behauptet wird. So gelangt Aristoteles, trotz der ursprünglich immanenten Anlage seines Systems,
zu einem transcendenten Gott, denn die stofflose Form soll zugleich eins sein mit dem sich selbst denkenden Geist, für welchen
Denken und Gedachtes völlig Eins ist; ein Begriff, der eigentlich überschwenglicher ist als alles, was Plato in seiner Ideenwelt
sich geträumt haben mag.
Die Physik des Aristoteles beruht nun ganz auf jenen Grundbegriffen von Form und Stoff, Möglichkeit und
Verwirklichung, durch die er das Problem des Werdens, das die ältere griech. Philosophie so tief bewegte, zu überwinden
glaubt. Seine «Materie» ist eigentlich nur ein anderer Ausdruck der
Potenz, welche die Formbestimmung dem Keime nach in sich
trägt. So hat es Aristoteles leicht, alle Veränderungen aus dem Wesen des sich Verändernden herzuleiten.
Diese Auffassung führt zu merkwürdigen Konsequenzen.
Naturwesen sind Dinge, die das Princip ihrer Bewegung in sich haben; das Muster eines solchen ist der organisierte, kraft seiner
Organisation die Möglichkeit und Zweckbestimmung zu mancherlei Bewegungen und Veränderungen von Haus
aus in sich tragende Körper. Nach gleicher Analogie baut Aristoteles aber auch die ganze unorganische Natur auf. Nicht bloß
daß die qualitative Veränderung gleichwertig neben der Ortsveränderung steht, daß z. B. die Verdichtung und Verdünnung,
die der Atomismus bereits überwand, restituiert wird; daß er die tief wissenschaftlichen Probleme der
Unendlichkeit und Stetigkeit durch sein Universalmittel, die Unterscheidung von «Möglichkeit» und «Verwirklichung»,
sich aus dem Wege räumt und mit dem Atom und dem Leeren ebenso leicht fertig wird; schlimmer ist seine Unterscheidung der
Urkörper nach einer rohen Einteilung der möglichen Bewegungen, indem jeder ursprünglichen Bewegung ein ursprünglicher Körper
zugeteilt wird.
Der einfachen Bewegungen sind drei, die kreisförmig in sich selbst zurücklaufende, welche die absolut vollkommene, weil
gegensatzlose ist, außerdem die Bewegung ins Centrum und vom Centrum. Jene kommt den «schweren», diese den «leichten»
Körpern zu, welche, so wie diese Bewegungen einander entgegengesetzt sind, auch unter sich von entgegengesetzter Beschaffenheit
sein müssen. Der absolut schwere Körper ist die Erde, der absolut leichte das Feuer, zwischen beide
schiebt Aristoteles, Empedokles folgend, noch zwei mittlere, Wasser und Luft, ein; zu diesen vier elementaren oder sublunaren
Stoffen kommt als fünfter, reinster, der Stoff der Gestirnwelt, Äther benannt, dem die Kreisbewegung zufällt.
Mit dieser Einteilung der ursprünglichen Körper und Bewegungen hängt auch das Weltsystem des Aristoteles
zusammen, welches auf Grund derselben bis auf Kopernikus für a priori bewiesen galt. Das Centrum nimmt natürlich die Erde
ein, ihre Höhlungen füllt das Wasser, darum lagert sich die Luft und ferner ein Feuerkreis, die zusammen die Atmosphäre
bilden, der Himmel
[* 14] umfaßt das Ganze und dreht sich täglich um die Erde von Ost nach West. Die AristotelischeTheorie der Sphären ist verwandt der des Eudoxus (s. d.), doch komplizierter, eine Zwischenstufe
zwischen dieser und der Ptolemäischen. Das sublunare Gebiet ist die Region der Unvollkommenheit, droben herrscht absolute
Vollkommenheit. Die Gestirne sind beseelt und Götter. Das Weltall ist eine geschlossene Kugel, Aristoteles
ist Gegner aller Unendlichkeiten. Die Bewegung des Himmels hängt in letzter Linie ab von dem transcendenten «unbewegten
Beweger», Gott.
Die AristotelischePsychologie ist eigentlich eine allgemeine Biologie, denn sie handelt nicht von den Bewußtseinsfunktionen
allein, sondern von den Lebensfunktionen überhaupt. Seele bedeutet eigentlich die wirkliche Lebendigkeit
des kraft seiner Organisation lebensfähigen Körpers. Seele und Leib sind eins wie Form und Stoss, wie das Auge
[* 15] und die Sehkraft.
Natürlich ist die Seele wie die Form und bewegende Kraft
[* 16] so der Zweck des leiblichen Organismus; die Zweckvorstellung wird
von Aristoteles auf dem organischen Gebiet, wo sie ja ihre sehr verständliche Bedeutung hat, am strengsten
durchgeführt. Die
¶