mehr
Die Hauptformen des Arbeitslohn sind:
1) Naturallohn. Mit Entwicklung der Geldwirtschaft ist der Naturallohn mehr und mehr verdrängt, er kommt in der heutigen Volkswirtschaft nur noch ausnahmsweise da vor, wo die Natur des Arbeitsverhältnisses diese Lohnform besonders begünstigt (bei landwirtschaftlichen Arbeitern u. s. w.);
2) Geldlohn, d. h. Zeit- und Stück(Accord-)lohn. Bei dem letztern liegt es allerdings in der Hand [* 2] des Arbeiters, sich durch erhöhte Anstrengung und Geschicklichkeit ein höheres Einkommen zu verschaffen; aber der Durchschnittslohn, welchen der Unternehmer zahlt, wird doch, auf Zeit berechnet, nicht höher sein als bei dem Zeitlohn. In der Hausindustrie wird der Stücklohn durch die Konkurrenz oft außerordentlich tief herabgedrückt, so daß der Arbeiter selbst durch 14- bis 15stündige Arbeit kaum das Notwendigste erwerben kann.
Die Arbeiterverbände sind daher im allgemeinen Gegner des Stücklohns; auch die socialistischen Parteien haben sich meist gegen diese Lohnform ausgesprochen. So hat noch im Aug. 1891 der Socialistenkongreß in Brüssel [* 3] einstimmig eine Resolution gegen die Stück- und Accordarbeit angenommen. Ebenso wird die Afterunternehmung (frz. marchandage) verworfen, durch welche einzelne besonders befähigte Arbeiter sich oft emporgebracht haben. Dagegen wird seitens der Arbeiterverbände nichts eingewendet gegen den Gruppenaccord, bei welchem nicht ein Arbeiter andern gegenüber als Unternehmer auftritt, sondern eine Gruppe, ein Werk gemeinschaftlich von dem Arbeitgeber für einen Accordpreis übernimmt. Da wo die Arbeiter lediglich Zeitlohn erhalten, empfiehlt sich, um den Arbeitsfleiß zu steigern oder um eine sorgfältige Behandlung der Werkzeuge, [* 4] sparsamern Verbrauch von Rohmaterial zu bewirken, die Bewilligung von Prämien. Auch die Beteiligung der Arbeiter am Unternehmergewinn hat sich in einigen Unternehmungen bewährt. (S. Gewinnbeteiligung und Bonus.)
Die thatsächlich gezahlten Löhne weisen große Verschiedenheiten auf, nicht nur zwischen den verschiedenen Ländern, sondern auch innerhalb ein und desselben Landes und Erwerbszweiges. Da es an genügend zuverlässigen lohnstatist. Erhebungen fehlt, kann keine internationale Lohnstatistik gegeben werden. Genauere Angaben liegen aber für Deutschland [* 5] vor über die Löhne von sog. Tagelöhnern, also über die niedrigsten Löhne. Nach den Schmitzschen Übersichten beträgt der durchschnittliche Tagelohn für weibliche Personen fast zwei Drittel des durchschnittlichen Tagelohns für männliche Personen.
Der höchste Satz für erwachsene männliche Arbeiter beziffert sich in Deutschland auf 300 Pf. in Bremerhaven und Lehe-Geestemünde, und auf 270 Pf. im Stadtkreis Kiel, [* 6] der niedrigste Satz im Reg.-Bez. Posen, [* 7] Kreis [* 8] Schildberg, 75 Pf., und im Reg.-Bez. Breslau, [* 9] Kreis Militsch, Kreis Polnisch-Wartenberg und Kreis Münsterberg [* 10] 80 Pf., ebenso im Reg.-Bez. Oppeln, [* 11] Kreis Rosenberg und Lublinitz. Die Ursachen dieser großen Differenzen in den Tagelöhnen sind nur zum Teil in der Verschiedenheit der Preise der unentbehrlichsten Lebensmittel zu suchen. Andere Umstände beeinflussen den Tagelohn in höherm Maße, so das Verhältnis von Angebot und Nachfrage von und nach Arbeitskräften, die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens, die Nachbarschaft einer viele Arbeitskräfte erfordernden Industrie, die Entwicklung der Verkehrsmittel u. s. w.
Litteratur. Ricardo, Principles of political economy and taxation, Kap. 5 (Lond. 1817 u. ö.);
K. Marx, Das Kapital, Bd. 1 (3. Aufl., Hamb. 1883);
Lassalle, Offenes Antwortschreiben an das Centralkomitee u. s. w. (Zür. 1863);
ders., Arbeiterprogramm (1863);
ders., Arbeiterlesebuch (Frankf. a. M. 1863);
Alb. Lange, Die Arbeiterfrage (4. Aufl., Winterth. 1879);
Knies, Geld und Kredit (2 Abteil., Berl. ebd. 1875);
Knapp, Zur Prüfung der Untersuchungen Thünens (1865);
L. Brentano, über Thünens naturgemäßen Lohn und Zinsfuß im isolierten Staate (Gött. 1867);
ders., Die Lehre [* 12] von den Lohnsteigerungen (in den «Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik», Bd. 16, Jena [* 13] 1871);
ders., Über das Verhältnis von und Arbeitszeit zur Arbeitsleistung (Lpz. 1875);
Menger, Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag (Stuttg. 1886);
Röster, Zur Kritik der Lehre vom Arbeitslohn (Erlangen [* 14] 1861);
von Wieser, Der natürliche Wert (Wien [* 15] 1889);
V. Böhmert, Gewinnbeteiligung (2 Bde., Lpz. 1878); J. Schmitz, Übersicht der für die sämtlichen deutschen Bundesstaaten in Gemäßheit des §. 8 des Reichsgesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom festgestellten ortsüblichen Tagelöhne gewöhnlicher Tagearbeiter (2. Aufl., Neuwied 1888).