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u. dgl. m. In dieser Richtung ist das Großherzogtum Hessen [* 2] mit einem beachtenswerten Gesetze vom vorangegangen. Wirksamer aber als diese Anordnungen werden diejenigen sein, die eine weiträumige, freie Bebauung sichern und eine übertriebene Ausnutzung des Grund und Bodens zu hindern suchen. Es muß Verallgemeinerung der Zwangsbauordnung angestrebt werden, wie sie schon jetzt in mehrern deutschen Städten, z. B. Frankfurt [* 3] a. M., besteht.
Unter den Arbeiterwohnungen unterscheidet man: arbeiterwohnungen Großstädtische Mietshäuser. Während in Kasernen sich die Wohnungen an lange gemeinschaftliche Flure, also in wagerechtem Sinne aneinanderreihen, gruppieren sie sich im großstädtischen Mietshause um möglichst zahlreiche Treppenhäuser, also im lotrechten Sinne übereinander. Kasernenartiger Bau eignet sich daher nur zu Herbergen, wie eine solche das Arbeiterkost- und Logierhaus des «Bochumer Vereins für Bergbau [* 4] und Gußstahlfabrikation» (s. Tafel: Arbeiterwohnungen I, [* 1] Fig. 9) zur Hälfte darstellt.
Das Mietshaus dagegen eignet sich wegen der schärfern Absonderung der Zugänge zu Familienwohnungen. [* 1] Fig. 1 u. 2 zeigen Aufriß und Grundriß eines berühmten Londoner Arbeiterhauses, das zwar als Kaserne bezeichnet ist, dem Mietshause aber näher steht. b. Kleinere Mietshäuser. Diese empfehlen sich als Reihenhäuser in Industriestädten, wo der Baugrund schon zu teuer geworden ist, um noch eine offene Bebauungsweise zulassen zu können; bei diesen werden in jedes Stockwerk eine oder mehrere Wohnungen gelegt, die aus Stube, Küche und Abort oder noch aus einem weitern, event. zur Abgabe an Aftermieter bestimmten Schlafraum bestehen. (S. die Beispiele aus Essen, [* 5] Taf. I, [* 1] Fig. 5-8, und aus «Adlershof» bei Berlin, [* 6] Taf. I, [* 1] Fig. 3 u. 4.) c. Familienwohnhäuser.
Diese stellen das Ideal des Arbeiterhauses dar und sind zur Erwerbung durch den Arbeiter bestimmt; sie werden auf städtischem Bebauungsgebiete ebenfalls in geschlossenen Reihen, in ländlichen Gegenden als Einzelhaus errichtet. Zwei derartige Häuser mit den Giebelwänden aneinander gesetzt bilden ein Doppelhaus, welches mehr Schutz gegen Wind und Wetter [* 7] gewährt. Das eine Zeit lang sehr beliebt gewesene sog. Vierfamilienhaus, über einem rechteckigen, gevierteilten Grundrisse errichtet, hat sich nicht bewährt, da es Licht [* 8] und Schatten [* 9] zu ungleich verteilt.
Das Familienhaus ist entweder derart angeordnet, daß die Wohnstube im Erdgeschoß, die Schlafstuben im Obergeschoß sind (so in Plaue, s. Taf. II, [* 1] Fig. 1-3; in [* 1] Fig. 3 bezeichnen dd Flure mit Sommerfeuerung, in [* 1] Fig. 2 gg Abort mit Oberlicht), wobei dann zwei Bauten unter einem Dach [* 10] vereint werden; oder beide Wohnungen verschränken sich im Erdgeschoß so ineinander, daß sie ein Gebäude bilden, dessen Obergeschoß für Aftermieter bestimmt ist (so in Hamburg-Schiffbek, mit jenseits der Straße liegendem Garten [* 11] und Stall, Taf. II, [* 1] Fig. 7-9); oder die Anordnung ist so, daß zwei Wohnungen im Erdgeschoß, eine im Dachgeschoß sich befinden (so in Bielefeld, [* 12] Taf. II, [* 1] Fig. 4-6). Wichtig ist für alle derartige Häuser die Zugabe eines kleinen Gartens.
Mehrfach hat man auch versucht, der Arbeiterkolonie durch künstlerische Anlage der Gärten ein schmuckes Ansehen zu geben. So im Agnetapark zu Delft (Taf. II, [* 1] Fig. 10, worin A ein Kosthaus, B Verkaufshaus mit Bäckerei, C die Wohnung des Direktors, D die Gemeindeschule, E ein Vereinshaus, F Kinderspielplatz, G Musikzelt, H Bootsschuppen, I noch verfügbare Bauplätze bezeichnet). Wo aber der Raum hierfür nicht vorhanden ist, wie bei den großstädtischen Mietshäusern, müssen durch Zusammenlegung mehrerer Baustellen große, Luft und Licht spendende Höfe geschaffen werden.
Litteratur. Ein reiches Material an Zeichnungen ausgeführter Arbeiterwohnhäuser bieten die Schriften des Vereins Concordia in Mainz. [* 13]
Vgl. ferner Penot, Les cités ouvrières de Mulhouse (Mülhausen [* 14] 1867);
Staub, Das Arbeiterquartier in Kuchen bei Geislingen (Stuttg. 1868);
Manega, Die Anlage von Arbeiterwohnungen (3. Aufl., von Gründling, Weim. 1895);
von Behr-Schmoldow, Das Haus des ländlichen Arbeiters (Berl. 1875);
Schmölcke, Das Wohnhaus [* 15] des Arbeiters (Bonn [* 16] 1883);
Baukunde des Architekten, Abschnitt: Arbeiterwohnhäuser (Berl. 1884);
von Bodelschwingh, Der Verein Arbeiterheim zu Bielefeld (Lpz. 1886);
Nathan, Die Wohnungsfrage und die Bestrebungen der Berliner [* 17] Baugenossenschaft (Berl. 1890);
Aschrott, Errichtung und Verwaltung großer Arbeiterwohnhäuser in Berlin (Lpz. 1890);
Aster, Entwürfe zum Bau billiger Häuser für Arbeiter und kleine Familien (8. Aufl., Gera [* 18] 1894);
Die von der Vereinigung Berliner Architekten veröffentlichten Verhandlungen über die Frage der in Berlin (Berl. 1891);
Malachowski, Anlage, Einrichtung und Bauausführung ländlicher Arbeiterwohnungen (ebd. 1894).
Mehr die theoretische und ökonomische Seite beleuchten: von der Goltz, Ländliche Arbeiterwohnungen (Königsb. 1865);
Sax, Die Wohnungszustände der arbeitenden Klassen und ihre Reform (Wien [* 19] 1869);
Ruprecht, Die Wohnungen verarbeitenden Klassen in London [* 20] (Gött. 1884);
Reichardt, Die Grundzüge der Arbeiterwohnungsfrage (Berl. 1885);
Die Wohnungsnot der ärmern Klassen in deutschen Großstädten (in den «Schriften des Vereins für Socialpolitik», Heft 30, 31, 33, Lpz. 1886-87);
Trüdinger, Die Arbeiterwohnungsfrage (Jena [* 21] 1888);
Lange, Wie organisiert man eine gemeinnützige Bauthätigkeit? (Lübeck [* 22] 1890);
Kraft, [* 23] Arbeiterhäuser u. s. w. (Wien 1891);
Weber, Wohnungen und Sonntagsbeschäftigungen der deutschen Arbeiter (Lpz. 1892);
von Mangoldt, Aus zwei deutschen Kleinstädten (Jena 1894);
Eberstedt, Städtische Bodenfragen (Berl. 1894).