1. Wohnhaus für zwei Familien in Plaue.
2. Obergeschoß des Wohnhauses [* 1] Fig. 1.
3. Erdgeschoß des Wohnhauses [* 1] Fig. 1.
4. Wohnhaus [* 2] für zwei Familien in Bielefeld. [* 3]
5. Obergeschoß des Wohnhauses [* 1] Fig. 4.
6. Erdgeschoß des Wohnhauses [* 1] Fig. 4.
7. Wohnhaus für zwei Familien in Hamburg-Schiffbek.
8. Erdgeschoß des Wohnhauses [* 1] Fig. 7.
9. Garten [* 4] und Hof [* 5] zu [* 1] Fig. T.
10. Plan von Agnetapark zu Delft. ¶
Arbeiterwohnungen,
die von der Privatspekulation, von Fabrikanten, wohlthätigen Vereinen oder öffentlichen Behörden errichteten Wohnstätten für Arbeiter. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es für die Hebung der untern Klassen außerordentlich wichtig ist, ihnen gesunde und billige Wohnungen zu verschaffen. Schlechte, feuchte Wohnungen mit mangelhafter Heizung, [* 6] Lüftung und Beleuchtung [* 7] schädigen die Gesundheit. Übervölkerte Wohnungen werden niemals ein behagliches Heim sein, wo nach harter Arbeit ein glückliches Familienleben gedeihen kann.
Die heutigen Wohnungszustände, namentlich in den Großstädten und heranwachsenden Fabrikstädten, aber auch in Mittel- und Kleinstädten zeigen uns dagegen mehr überfüllte und mehr ungesunde Wohnungen. Die Ursachen der Wohnungsnot aber liegen in dem Mißverhältnis zwischen Einkommen und Miete. Die Arbeiter verdienen nicht genug, um eine angemessene Wohnung bezahlen zu können, die Mieten aber steigen, weil die Bodenpreise alljährlich in die Höhe gehen. Da eine andere Einkommensverteilung anzubahnen nicht leicht möglich ist, muß denjenigen Faktoren entgegengewirkt werden, die eine Verteurung der Mieten bedingen.
Arbeitgeber, gemeinnützige Gesellschaften und die Gesetzgebung müssen Hand [* 8] in Hand gehen, um die schlimmsten Wohnungsmißstände zu beseitigen. Einzelne große Arbeitgeber haben Anerkennenswertes geleistet. So hat die königl. Bergwerksdirektion in Saarbrücken [* 9] seit 1842 an Bergleute zur Erbauung von Wohnhäusern Darlehen (bis 1891 im ganzen 4 268 735 M. seitens des Staates, 2 062 117 M. seitens der Knappschaftskasse), die, anfangs mit 4 Proz. verzinslich, später unverzinslich, in 10 Jahren in Monatsraten zurückzuzahlen sind, und außerdem Bauprämien (bis 1891: 3 875 595 M.) gewährt.
Krupp in Essen [* 10] hatte bis 1891 3720 Arbeiterfamilienwohnungen hergerichtet, in denen 24 193 Personen wohnten. Die Mietpreise schwankten zwischen 60-200 M. Ferner stellte Krupp 1889 500000 M. zu Darlehen an Bedienstete und Arbeiter seiner Werke, die sich ein eigenes Wohnhaus erwerben wollen, zur Verfügung gegen 3 Proz. Zinsen und gegen Rückzahlung in Raten, welche die üblichen Mietpreise nicht wesentlich überschreiten. Mit diesem Kapital waren bis Ende 1891 über 3700 Arbeiterwohnungen gebaut, die von etwa 26000 Personen bewohnt sind. Auch andere große Unternehmungen haben für die Herrichtung gesunder Arbeiterwohnungen gesorgt, so die königl. Munitionsfabrik Spandau [* 11] (s. Mädchenheim), die Höchster Farbwerke, D. Peters & Co. in Neviges bei Elberfeld. [* 12] Der preuß. Regierung wurden Mai 1895 vom Landtag 4 Mill. M. bewilligt zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern in Staatsbetrieben und gering besoldeten Beamten.
Weniger empfehlenswert sind Baugesellschaften auf spekulativer Grundlage, deren Wirksamkeit übrigens nicht nur dem Arbeiter, sondern auch kleinen Beamten, Handwerkern u. s. w. zu gute kommt. Unter ihnen sind zu nennen: die Gladbacher Aktien-Baugesellschaft (1869-90 387 Häuser erbaut), Barmer Baugesellschaft für Arbeiterwohnungen (1872-90 242 Häuser erbaut), der Dresdener Bauverein für Arbeiterwohnungen (bis 1891 16 villenartige Häuser [8 Doppelhäuser] erbaut und Bauland für etwa 60 Häuser gekauft).
Zweckentsprechender sind zur Beschaffung von Arbeiterwohnungen die gemeinnützigen Gesellschaften mit Wohlthätigkeitscharakter, wie sie nach dem Vorgange Englands seit den sechziger Jahren häufiger in Deutschland [* 13] begründet wurden. Die älteste derartige ist die 1848 in Berlin [* 14] gegründete. Frankfurt [* 15] a. M., Stuttgart, [* 16] Hamburg, [* 17] Pforzheim [* 18] folgten diesem Beispiel. Auch gehören hierher Stiftungen, wie sie der Amerikaner Peabody in London, [* 19] Professor vom Rath 1889 in Wilhelmsruhe bei Köln [* 20] gemacht haben, die Reesche Stiftung zu Hamburg, die Mayersche in Dresden, [* 21] der vom Pastor von Bodelschwingh zu Bielefeld begründete Verein. Desgleichen ist der von Arbeitern (nach dem Vorbild der Building Societies in England) begründeten Arbeiterbaugenossenschaften zu gedenken, wie sie in Berlin, Hannover, [* 22] Flensburg, [* 23] Naumburg, [* 24] München, [* 25] Halle [* 26] mit ungleichem und im ganzen nicht bedeutendem Erfolge bestehen.
Am meisten Abhilfe läßt sich von der Gesetzgebung erwarten, weniger in der Richtung eines Erlasses von Wohnungsgesetzen, obwohl diese nicht ganz ohne Wert sein können. Als neuere Beispiele können die Verordnungen von Arnsberg [* 27] und Düsseldorf [* 28] von 1879, von Chemnitz [* 29] aus dem J. 1885 genannt werden. Sofern sie darauf herauskommen, ein gewisses Mindestmaß von Luftraum für jede Wohnung festzusetzen, wird ihre Durchführung mit Zwangsmitteln fraglich. Besser sind allgemeine Normalvorschriften für den Mietvertrag, Verbote, ungesunde Wohnungen zu vermieten, sanitäre Kontrollen ¶