dieser Handwerker-,
Arbeiter- u. s. w.
Vereine entstanden zu Anfang der vierziger Jahre, die kath. Gesellenvereine (s. d.)
namentlich seit 1848 durch die Bemühungen des Domvikars Kolping in Köln.
[* 2] Ähnliche
Vereine mit ultramontanem Charakter sind
auch in
Frankreich seit 1872 in großer Zahl unter dem
Namen «cercles d'ouvriers» gegründet worden.
Über weitere Bestrebungen
s.
Bildungsvereine. -
Vgl. Hummel, Was läßt sich zur Pflege einer gediegenen
Bildung in den Arbeiterkreisen thun? (Heilbr.
1893).
Die Bestrebungen, den arbeitenden
Klassen in ähnlicher
Weise wie dies für die
Handel- und Gewerbetreibenden
(s.
Handels- und Gewerbekammern) geschehen ist, eine staatlich anerkannte Vertretung zu schaffen, sind
in neuerer Zeit vielfach hervorgetreten, haben indes noch in keinem
Lande ihre Verwirklichung gefunden. Der Streit der Meinungen
dreht sich vornehmlich um die Frage der Zusammensetzung der Arbeiterkammern, während man über die ihnen zu überweisenden
Aufgaben, der Regierung beratend und begutachtend bei dem
Ausbau der socialpolit.
Gesetzgebung zur Seite zu stehen, ziemlich einig ist. Ein gesetzliches Eingreifen in die Funktionen der Einigungsämter (s. d.)
und
Arbeiterausschüsse (s. d.) dürfte sich kaum empfehlen. Im
DeutschenReichstag ist die Frage der Errichtung von Arbeiterkammern wiederholt
erörtert worden. 1881 beantragte gelegentlich der Verhandlungen über die Einführung von Gewerbekammern die Fortschrittspartei,
sie zu gleichen
Teilen aus
Unternehmern und
Arbeitern zusammenzusetzen.
In den Verhandlungen von 1881 über den gleichen Gegenstand hatte die socialdemokratische Partei den
Antrag gestellt, neben
den Gewerbekammern besondere Arbeiterkammern zu errichten; mit noch größerm
Nachdruck erschien derselbe
Vorschlag in dem
Antrag vom
der dazu bestimmt war, den Tit. IX der Reichsgewerbeordnung zu ersetzen, und
die Feststellung der Ortsstatuten ausschließlich in die
Hand
[* 3] der Arbeiterkammern
zu legen. Für jeden
Bezirk des
Reichs von nicht unter 200000
und nicht über 400000 E. sollten Arbeiterkammern errichtet werden «für
die Vertretung der Interessen der
Unternehmer und ihrer
Arbeiter und Hilfspersonen», mit 24-36 Mitgliedern
und sehr weitreichenden und vielgestaltigen Funktionen. Der
Reichstag lehnte alle diese
Vorschläge ab. - In
Österreich
[* 4] wurde 1886 von
der liberalen Partei im Abgeordnetenhause ein
Antrag auf Errichtung von Arbeiterkammern eingebracht, zu dem indessen zahlreiche Arbeiterversammlungen
in verschiedenen
Teilen des
Reichs eine ablehnende Haltung einnahmen, weil ihnen das Gebotene nicht als
ausreichend erschien. Eine im Febr. 1889 veranstaltete Untersuchung, zu der auch
Arbeiter zugezogen wurden, brachte keine
Klarheit hinsichtlich der zu erstrebenden Ziele. -
auch
Ackerbaukolonien. Als Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre des 19. Jahrh.
die Wanderbettelei in
Deutschland
[* 7] einen so bedrohlichenUmfang angenommen hatte, daß sie als wirkliche
Landplage empfunden wurde,
begann man nach wirksamen
Mitteln zu suchen, um sich vor den Gefahren der gewerbsmäßigen Landstreicherei
zu schützen, zugleich aber auch den hilfsbedürftigen, wegen Arbeitslosigkeit auf die Landstraße gewiesenen Wanderern in
zweckmäßiger
Weise Unterstützung zu gewähren
und sie so vor dem Versinken in Arbeitsscheu zu bewahren.
Zwar hatten schon früher die evang. Herbergen (s. d.)
zur
Heimat und die Kolpingschen kath. Gesellenvereine (s. d.)
nach dieser
Richtung eine segensreiche Thätigkeit entwickelt; auch die
Vereine gegen Hausbettelei (s. d.) hatten dadurch,
daß sie armen Reisenden an bestimmten Gabestellen ein kleines Geldgeschenk oder
Anweisungen auf Beköstigung und
Nachtlager überwiesen, dem von
Thür zu
Thür wandernden Bettel in etwas Einhalt geboten, namentlich da, wo die Vereinszwecke,
wie seit 1880 im Königreich
Sachsen,
[* 8] gleichsam zur Kommunalsache seitens größerer
Bezirke gemacht worden waren.
Allein die Erfolge aller dieser Bestrebungen waren im ganzen dürftig und mußten es sein, weil es an
einer festen Organisation der Hilfsthätigkeit für ganze
Länder fehlte oder weil bloß die Bekämpfung der äußern Erscheinung
des Wanderbettels zum Zweck derselben gemacht, nicht aber die Verstopfung der beiden
Quellen der Bettelplage, der Liederlichkeit
und der Hilflosigkeit, systematisch in
Angriff genommen wurde. In dieser
Richtung ging man 1880 inWürttemberg
[* 9] mit der Einrichtung von kommunalen
Naturalverpflegungsstationen für arme Reisende einen Schritt weiter.
Durch letztere konnte der ordentliche arme Wanderer vor
Not geschützt und der Geschäftsbettler von der Wanderstraße abgedrängt
werden. Allein arbeitsscheuen Landstreichern leisteten gerade diese
Stationen unerwünschten Vorschub, solange sie nicht auch
eine Arbeitsleistung forderten. Daher mußte mit den
Stationen ein Arbeitsnachweis verbunden und beim
Mangel an fester Arbeitsgelegenheit die
Verpflegung wenigstens von einer einmaligen ernsten Arbeitsleistung abhängig gemacht
werden.
Derartig eingerichtete, in einem hinreichend dichten
Netze zweckmäßig verteilte
Naturalverpflegungsstationen werden gegenwärtig
als das Hauptmittel zur Bekämpfung der Wanderbettelei angesehen. Sie beseitigen in der That den Thürbettel, verhindern
durch in natura gewährte Speisung und
Unterkunft, daß die Wanderer der
Trunksucht anheimfallen, heben
durch Arbeitsnachweis und die geforderte Arbeitsleistung das sittliche Selbstbewußtsein hilfsbedürftiger
Reisender und besitzen
in dem Arbeitszwange vor allem ein wirksames
Mittel, eine getrennte Behandlung der Würdigen und Unwürdigen vorzubereiten.
Vom Standpunkte der Nächstenliebe war aber noch ein weiterer
Ausbau der geschilderten Einrichtung möglich
und erforderlich.
Arme Wanderer, die trotz redlichen Bemühens nirgends
Arbeit finden, darf man nicht dauernd von
Station zu
Station irren lassen; sie verfallen sonst der Verwahrlosung. Es gilt, ihnen für längere Zeit Unterkommen zu schaffen,
bis sie Gelegenheit zum Wiedereintritt in die wirtschaftliche Gesellschaft finden. Einrichtungen mit
diesen Zielen bieten überdies den
Vorteil, in
Not geratene Reisende innerlich zu heben und zu stärken. Pastor von
Bodelschwingh
in
Bielefeld
[* 10] verbreitete diese Ideen, unterstützt von Freunden der Innern Mission (s. d.),
mit großer Wärme
[* 11] und bethätigte sie praktisch durch
Begründung der ersten Arbeiterkolonien Wilhelmsdorf bei
Bielefeld, nachdem
er schon jahrelang würdigen
¶
mehr
hilfsbedürftigen Wanderern in der Anstalt Bethel dauernde Unterkunft gegen Arbeit gewährt hatte. Er brachte es dahin, daß
in der benachbarten Senne ein größerer Strich unbebauten Landes erworben und, nach Einrichtung der erforderlichen Wohn- und
Wirtschaftsgebäude durch die Hände arbeitsloser Reisender, welche längere Zeit in der KolonieAufnahme fanden, in landwirtschaftliche
Kultur genommen wurde. Am wurde die Arbeiterkolonie Wilhelmsdorf zu dem doppelten Zwecke eröffnet:
1) arbeitslustige und arbeitslose Männer jeder Konfession und jeden Standes, soweit sie wirklich noch arbeitsfähig sind,
so lange in ländlichen und andern Arbeiten zu beschäftigen, bis es möglich geworden ist, ihnen anderweit lohnende Arbeit
zu beschaffen;
2) arbeitsscheuen Vagabunden jede Entschuldigung abzuschneiden, daß sie keine Arbeit hätten. Die und Naturalverpflegungsstationen
haben sich im großen Ganzen entschieden bewährt und sich binnen wenigen Jahren lebensvoll entwickelt. StatistischeDaten
über die Arbeiterkolonien giebt die oben stehende Tabelle.
An der Spitze derBewegung und der Organisation steht der Centralvorstand deutscher Arbeiterkolonien. Die Zeitschrift «Die
Arbeiterkolonie» (seit 1883) giebt über Einrichtung und Entwicklung fortlaufende Nachrichten.
Als eine Ergänzung der Arbeiterkolonien sind ferner die Heimatkolonien anzusehen, deren erste im Sept. 1886 in Düring
bei Loxstedt unter dem NamenFriedrich Wilhelmsdorf mit 12 Kolonisten eröffnet wurde. Hier soll denjenigen, welche sich in
den Arbeiterkolonien als brauchbar erwiesen haben, die Möglichkeit geboten werden, durch eigene (landwirtschaftliche)
Arbeit sich seßhaft zu machen.
ders., Die deutschen Arbeiterkolonien, ihre Entstehung, Organisation u. s. w. (im
«Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft», hg. von Schmoller, Jahrg. 10, S. 453 fg.,
Lpz. 1886);
ders., Die Weiterentwicklung der deutschen Arbeiterkolonien (Berl. und Dresd. 1889);
ders., Statistik der deutschen Arbeiterkolonien für 1887-89
(Berl. 1891);
ders., Die deutschen Arbeiterkolonien, 6. Folge für 1889-91 (ebd. 1893);