Erdichtung angeblich alter Prophezeiungen, deren wirkliche Abfassungszeit meist durch den Umstand sich verrät, daß der
Verfasser, wo er über seine eigene Gegenwart hinausgehend prophezeit, was auch für ihn noch in der Zukunft liegt, keine
geschichtlichen Fakta mehr dringt, sondern Gebilde seiner
Phantasie.
Da aber jeder
Apokalyptiker das Interesse hat, seine
wirkliche Lebenszeit zu verhüllen, so läßt er seinen
Helden auch über die nächstvergangenen Ereignisse und die Gegenwart
in besonders dunkeln Rätselbildern sich aussprechen.
Dieser Umstand erschwert die geschichtliche Ausdeutung ungemein und macht die oft weit auseinandergehenden Deutungsversuche
neuerer Gelehrten erklärlich. Die älteste dieser
Apokalypsen, zugleich das Vorbild aller spätern, ist
das
BuchDaniel (s. d.). Unter den spätern sind die bekanntesten das
BuchHenoch (s. d.) und die
Apokalypse des
Esra (s. d.);
in neuerer Zeit sind noch mehrere andere, wie das
Buch derJubiläen (s. d.), die Himmelfahrt des
Moses und die
Apokalypse des
Baruch (s. d.) wieder aufgefunden worden, (S. auch Sibylle.) Die
älteste christl.
Kirche hat diese
Apokalypsen stark benutzt, teilweise vielleicht auch durch neuere Zusätze und Einschiebsel
für ihre Zwecke brauchbarer gemacht und namentlich in judenchristl.
Kreisen eifrig nachgebildet.
Außer der
Apokalypse (s. d.)
des
Johannes sind noch viele apokalyptische
Schriften bekannt, zum
Teil erhalten, wie die
Testamente der 12
Patriarchen, die
Auffahrt des Jesaias, der Hirt des Hermas (s. d.). -
Vgl. Hilgenfeld, Die jüdische Apokalyptik
(Jena
[* 2] 1857).
(grch.), diejenigen, welche in der Offenbarung des
Johannes (s.
Apokalypse) die prophetische Enthüllung
der zukünftigen Vollendung des Gottesreichs finden. In der christl. Urzeit fand namentlich
die judenchristl. Partei darin ihre Hoffnungen auf die irdisch sichtbare Wiederkunft Christi zur
Begründung
eines Tausendjährigen
Reichs (Offenb. 20,. s.
Chiliasmus). Als um die Mitte des 2. Jahrh. die Montanisten (s. d.)
die unmittelbare Nähe des Weltendes verkündigten, lebten die apokalyptischen Meinungen aufs neue auf. Auch Justinus der
Märtyrer (gest. um 160) teilte diesen
Glauben, für den später nicht allein der schließlich zum Montanismus
übergetretene
Tertullian (gest. 220), sondern auch die angesehensten Theologen der kleinasiat.-röm.
Schule, wie Irenäus (gest. 202) und Hippolyt (gest. um 235), trotz
ihrer Verwerfung der montanistischen Prophetic, eintraten. Dagegen trat die
Alexandrinische Schule dieser sinnlichen
Auffassung
entgegen (s.
Antichrist), seit dem 4. Jahrh. blieb die geistige Deutung der Offenbarung
vorherrschend. Trotzdem tauchte die Neigung zu apokalyptischen Schwärmereien von neuem auf, und auf
Grund einer durch
Augustin
aufgebrachten Deutung der tausendjährigen Herrschaft Christi
(Offenb.
20). sah man mit großer
Furcht dem J. 1000 n. Chr. entgegen.
ApokalyptischeAnschauungen finden sich auch bei andern religiösen
Gemeinschaften (s.Swedenborg, Irvingianer und
Darbysten).
(grch.), Wiederbringung aller Dinge, d. h.
Wiederherstellung in den vorigen (ursprünglichen) Zustand (vgs. Apostelg.
3, 21), be-
zeichnet ursprünglich die Zeit, in welcher mit der Erscheinung des Messias die prophetischen
Weissagungen vom Gottesreich
auf Erden erfüllt werden sollen. Im dogmatischen
Sinne heißt Apokatastase die dereinstige
Bekehrung aller
Menschen zum
Glauben an
Christus
und ihr Eingehen in die ewige Seligkeit. Diese
Vorstellung, schon dem
ApostelPaulus nicht fremd
(1 Kor.
15, 22;.
Röm.
5, 13;. 11, 32), ist namentlich von Origenes (s. d.) zu der
Annahme einer endlichen
Bekehrung und Beseligung Aller, den
Teufel
nicht ausgeschlossen, ausgebildet worden. Die kirchliche
Orthodoxie verwarf diese
Anschauung seit dem 6. Jahrh. als «Origenistische»
Ketzerei und hielt fest an der
Ewigkeit der Höllenstrafen; doch ist sie in älterer und neuerer Zeit,
so bei Scotus Erigena im 9. Jahrh., und auch im 19. Jahrh.
bei manchen Theologen wieder aufgetaucht.
Alle diese
Schriften fanden in den hebr.
Kanon der palästinensischen
Juden keine
Aufnahme, teils weil sie von vornherein sich
hierzu wegen ihrer Abfassung in grieck.
Sprache
[* 4] nicht eigneten, teils weil ihr junger Ursprung bekannt war. So ist das ursprünglich
hebr. Spruchbuch des
Jesus Sirach nicht aufgenommen, weil es unter dem
Namen seines Verfassers umlief,
wohl aber die jüngere Danielapokalypse, weil sie sich auf einen berühmten
Namen zurückführt.
Da die christl.
Kirche das
Alte Testament in der Form der griech.-alexandrinischen
Bibel übernommen hat, so benutzten die ältesten
kirchlichen Schriftsteller diese Apokryphen ebenso wie die kanonischen
Bücher des Alten
Testaments als heilige
Schriften (s.
Bibel). Unsicherheit entstand über ihre dogmatische Bedeutung erst, als man sich dessen bewußt wurde, daß
sie im palästinisch-hebr.
Kanon fehlen. In der griech.-morgenländischen
Kirche werden sie schon im 3. Jahrh. als zum
Lesen
nützliche kirchliche Vorlesebücher bezeichnet. Ähnlich urteilten im
Abendlande noch Rufin und Hieronymus (Ende des 4. und
Anfang des 5. Jahrh.), wogegen sich die afrik.
Kirche anf einer
Synode zu
Hippo 393 für die
Aufnahme der in den alttestamentlichen
Kanon entschied. Diese
Entscheidung fand allmählich auch im übrigen
Abendlande Nachahmung, doch schwankt das
Urteil das ganze
Mittelalter hindurch,
¶
mehr
und erst die Kirchenversammlung zu Trient
[* 6] hat in ihrer vierten Session die Gleichstellung der in der lat. Kirchenbibel
(der sog. Vulgata) enthaltenen Apokryphen (außer dem 3. und 4. Esrabuche) mit den übrigen Schriften des Alten Testaments ausgesprochen; 1672 hat
sich auf der Synode zu Jerusalem
[* 7] die griech. Kirche für die Inspiration der Apokryphen entschieden. Dagegen achtete
Luther, obwohl er die Apokryphen mit wenigen Ausnahmen ins Deutsche
[* 8] übersetzte und als Anhang zum Alten Testament herausgab, diese
für Bücher, «so der Heiligen Schrift nicht gleichzuhalten und doch nützlich und gut zu lesen sind». Es ist das eine Halbheit,
die sich daraus erklärt, daß Luther den specifisch kath. Kanonsbegriff nicht überwunden hat.
Luth. Theologen haben mehrfach versucht, die Apokryphen als religiös und ethisch minderwertig gegenüber dem Alten
Testament hinzustellen; doch ist leicht nachzuweisen, daß hierin viele Stellen des kanonischen Alten Testaments noch tiefer
stehen. Für die evang. Kirche handelt es sich lediglich um die Frage, inwiefern die Apokryphen des Alten Testaments
das Wort Gottes für die christl. Gemeinde enthalten. Das richtet sich lediglich nach Inhalt und Wirkungen. Eine katholisierende
Verkennung dieses Standpunktes ist daher die bei reform. Theologen namentlich Englands zu treffende
absolute Verwerfung der Apokryphen, weshalb die Englische
[* 9] Bibelgesellschaft nur Bibeln ohne die Apokryphen verbreitet. -
Vgl. Zöckler, Die Apokryphen des Alten Testaments (Münch. 1891).
Von weit geringerer Bedeutung als die Apokryphen des Alten Testaments sind die des NeuenTestaments. Unter diesem Namen faßt man eine
Menge untergeschobener Evangelien, Apostelgeschichten, Apokalypsen und Briefe zusammen, die zum Teil bis ins 2. Jahrh.
hinaufreichen, sich aber durch Abenteuerlichkeit des Inhalts und abgeschmackte Übertreibung der Wundergeschichten von den
neutestamentlichen Schriften unvorteilhaft unterscheiden;
hg. u. a. von Tischendorf: «Evangelia apocrypha» (2. Aufl.,
Lpz. 1876);
ferner von Lipsius und Bonnet:
«Acta apostolorum apocrypha» (ebd. 1891).
Die apokryphischen Evangelien behandeln meist die Kindheitsgeschichten
Jesu (so das sog. Protevangelium Jacobi, der falsche Matthäus, das Evangelium desThomas u. a.); die früher unter dem Namen
Evangelium des Nikodemus bekannten Pilatusakten (aus der Mitte des 4. Jahrh.) erzählen die Passions-
und Auferstehungsgeschichte Jesu mit fabelhaften Zusätzen. Außerdem giebt es eine ganze Reihe apokrypher
Apostelgeschichten, wie die Akten des Paulus und Petrus, Andreas, Matthäus,Thomas, Philippus, Johannes und Bartholomäus.
Diese stammen zum Teil aus judenchristlichen, zum Teil aus gnostischen Quellen, und wurden im Interesse des kath. Volks vielfach
überarbeitet. Ein beliebtes Lesebuch der lat. Kirche waren seit den ZeitenGregors von Tours
[* 10] die aus jenen
apokryphen Apostelgeschichten hervorgegangenen, unter dem Namen des Abdias gedruckten «Virtutes» und «Passiones
apostolorum». Erst neuerdings wurden interessante Bruchstücke der Petrusapokalypse (s. d.) und des Petrusevangeliums (s. d.)
aufgefunden. -
Vgl. Rud. Hofmann, Das Leben Jesu nach den Apokryphen erzählt (Lpz. 1851);
Stichart, Die kirchliche Legende über
die heiligen Apostel (ebd. 1861);
Lipsius,
Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden (3 Bde.
und Ergänzungsheft, Braunschw. 1888-90).
Über eine Reihe anderer altchristl. Schriften, die in verschiedenen Gegenden längere Zeit hindurch im kirchlichen Gebrauche
waren, sich zum Teil auch in alten Bibelhandschriften finden, aber, weil nicht von Aposteln herrührend, aus dem neutestamentlichen
Kanon ausgeschieden wurden, s. Bibel.