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die Ausführung der großartigen Hafen- und Quaibauten übernahm, wieder gehoben.
Jetzt ist Antwerpen [* 2] eine der ersten Handelsstädte Europas und wetteifert mit Hamburg [* 3] auf dem Festlande. Die Seele des Handels ist die Einfuhr. Dieselbe erstreckt sich auf: Weizen (1893: 13,59 Mill. hl gegen 18,04 im J. 1891) aus den Donauländern, Südrußland und Britisch-Indien;
Roggen (393 317 hl) und Gerste [* 4] (2 787 307 hl) aus Rumänien [* 5] und Rußland;
Hafer [* 6] (3 029 390 hl) aus Rußland;
Mais (1 960 252 hl) aus den Vereinigten Staaten, [* 7] Südrußland und Uruguay; [* 8]
Mehl [* 9] (330 249 Säcke) aus den Vereinigten Staaten und Deutschland; [* 10]
Reis (677 856 Ballen) aus Birma und Indien;
Kaffee (562 217 Ballen) aus Santos und Haïti; [* 11]
Kakao (18998 Ballen);
Rohrzucker, Olivenöl aus Marseille, [* 12] Thee (10 280 Kisten), Wein (53 504 hl), Fleischextrakt, Schweineschmalz, amerik.
Pökelfleisch, Speck, Harze, Droguen, Terpentin und Gewürze. Der Handel mit Rohstoffen, unter denen Holz [* 13] eine große Rolle spielt, sinkt dauernd; 1893 wurden 437 229 cbm Bauholz eingeführt; ferner Mahagoni- und Cedernholz, Eben- und Nußbaumholz, afrik. Rinden zum Gerben (Garouille, 2,2 Mill. kg), Wolle (1893: 230 796 Ballen), Häute und Felle (1 504 253 Stück), Hörner (1.6 Mill.) von La Plata, Elfenbein (224000 kg) aus Westafrika, Hanf (39 335 Ballen) aus Rußland und Bombay, [* 14] Baumwolle [* 15] (352 086 Ballen) auch als Transit nach Deutschland und der Schweiz, [* 16] Petroleum (728 850 Colli aus Nordamerika [* 17] und 231000 Fässer aus Südrußland) und Naphtha (5445 Colli).
Die Ausfuhr setzt sich zusammen aus den belg. Produkten und reinen Transitgütern. Es wurden ausgeführt Rübenrohzucker, Branntwein, ferner die Produkte der Diamantschleifereien, der Textil-, Tabak-, Teppichfabrikation und Schwefelraffinerien, endlich Portlandcement, Dynamit, Maschinen, Eisenbahnschienen, Werkeisen, Glas-, Thon- und Porzellanwaren. Die Transitgüter gehen von Antwerpen nach allen Ländern West- und Nordeuropas. Seit 1893 wird ein regelmäßiger Diamantenmarkt abgehalten.
Der Handel betrug in 1000 Franken:
Jahre | Einfuhr (Generalhandel) | Ausfuhr (Specialhandel) | Generaldurchfuhr im Ausgange | |||
---|---|---|---|---|---|---|
im ganzen | davon zur See | im ganzen | davon zur See | im ganzen | davon zur See | |
1887 | 1221747 | 1035433 | 465950 | 350455 | 316574 | 157760 |
1888 | 1295105 | 1108009 | 464652 | 354683 | 324232 | 166366 |
Menge der wichtigsten Waren in Tonnen: | ||||||
3210820 | 2754502 | 1365413 | 925868 | 357815 | 187683 | |
3513124 | 3142709 | 1330987 | 913046 | 388846 | 245214 |
Die größten Handelshäuser sind in deutschen Händen: J. D. Fuhrmann, E. Osterrieth & Comp., E. Karcher, de Bary & Comp., N. Rhodius & Comp., Ch. Schmied & Comp.; für Kaffee die vläm. Firmen Antwerpen Huybrechts und F. Ceulemans.
Von den sieben Banken (ohne die Volksbanken) hatte die Banque nationale 1889 einen Umsatz von 1 955 758 527 Frs., außerdem sorgten 13 Privat-Bankgeschäfte und mehrere Agenten auswärtiger Banken für den Geldbedarf des Handels und 137 Wechselmakler für Vermittelung desselben. Dem Handel dienen ferner 191 Versicherungsgesellschaften, die durch 24 Direktoren und 184 Agenten vertreten sind. Zur Handelskammer (17 Sektionen mit 10 Schiedskammern) gehören 660 Firmen.
Große Bedeutung hat die Börse. Durch Generalkonsuln sind vertreten: Argentinien, Brasilien, [* 18] Dänemark, [* 19] das Deutsche Reich, [* 20] die Dominikanische Republik, Ecuador, [* 21] Frankreich, Großbritannien, [* 22] Haïti, Hawaii, Italien, [* 23] Liberia, [* 24] die Niederlande, [* 25] Paraguay, Portugal, [* 26] Schweden-Norwegen, Uruguay;
durch Konsuln: Bolivia, Chile, Costa-Rica, Griechenland, [* 27] Guatemala, [* 28] Japan, [* 29] Mexiko, [* 30] Monaco, [* 31] Nicaragua, [* 32] Österreich-Ungarn, [* 33] Persien, [* 34] Peru, Rumänien, Rußland, Salvador, [* 35] Siam, Spanien, Türkei, [* 36] Venezuela, die Vereinigten Staaten von Amerika. [* 37]
Verkehrswesen. Dem Schiffahrtsverkehre dienen acht große und mehrere kleine Bassins mit zusammen 42½ ha Oberfläche, die durch drei Schleusen mit der Schelde in Verbindung stehen, und die 3,5 km langen Scheldequais (1879-85 mit einem Kostenaufwande von mehr als 80 Mill. Frs. erbaut), die selbst den größten Schiffen das Anlegen unmittelbar am Quai erlauben. Die Waren können durch die Kräne (der größte trägt 120 t) unmittelbar aus den Schiffen in die Waggons und umgekehrt verladen werden. Wie sich der Verkehr durch diese Einrichtungen gehoben hat, ist aus dem nachfolgenden Vergleich ersichtlich:
Jahr | Angekommen | Zusammen | Tonnenzahl | ||
---|---|---|---|---|---|
Segelschiffe | Dampfschiffe | ||||
1800 | 83 | -- | 83 | 5028 | |
1830 | 719 | -- | 719 | 120333 | |
1860 | 2137 | 410 | 2547 | 540444 | |
1880 | 1317 | 3158 | 4475 | 3063825 | |
1891 | 688 | 3773 | 4461 | 4693238 | |
1893 | 546 | 3872 | 4418 | 4692211 |
Dazu kommen 1893: 27 746 Flußfahrzeuge im Verkehr mit dem Innern, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich mit 3,14 Mill. Registertons.
Dagegen sind abgegangen: 3279 Schiffe [* 38] mit 3 271 063 t (darunter 823 mit 1 158 396 t Ballast). Die brit. Flagge steht allen andern weit voran. Dazu kommen 29 339 Flußfahrzeuge mit 3,24 Mill. t.
Die eigene Handelsflotte zählt (Dez. 1892) 46 Schiffe (42 Dampfer) mit 68 391 t.
Die sechs Trockendocks wurden 1888 von 318 Schiffen benutzt. 70 Dampferlinien (ohne Fluß- und Kanalboote) stellen eine regelmäßige Verbindung mit 200 Ortschaften her. Die bedeutendsten Linien sind: Red Star Line (Neuyork [* 39] und Philadelphia, [* 40] Agenten von der Becke & Marsily), Norddeutscher Lloyd (Brasilien, La Plata, China, Australien, [* 41] Agenten de Bary & Comp.), Peninsular and Oriental Nav. Co. Union Line (Italien, Kap, Agenten John P. Best & Comp.), Comp. commerciale, Soc. anon. de nav. Belge royale Sud-Amér. et Lamport et Holt (Cuba, Neuorleans, Brasilien, La Plata, Agenten Kennedy & Hunter), Linie Walford & Comp. (Spanien, Portugal) u. a.
Antwerpen liegt an den Linien: Contich-Lierre (Zweigbahn der Hauptlinie Brüssel-Antwerpen, 44 km), ¶
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Antwerpen-Dendermonde, Antwerpen-Esschen, Vieux-Dieu-à Antwerpen (13,8 km) der Belg. Staatsbahnen; [* 43] Aachen-Antwerpen der Belg. Großen Centralbahn, sowie Antwerpen-Gent (Privatbahn), Antwerpen-(Merxem-)Brasschaet-Schooten, Antwerpen-(Borgerhout-)Hoogstraeten (38 km), Antwerpen-Broechem-Santdoven (21 km), Antwerpen-(Merxem-)Santvliet-Bergen-op-Zoom der Belg. Vicinalbahnen.
Im Innern der Umwallung liegen fünf Personenbahnhöfe, von denen täglich 94 regelmäßige Züge abgehen, und zwei besondere Güterbahnhöfe, auf denselben kamen (1889) an 2 524 750 t, verschickt wurden 1 743 629 t, in zusammen 1 595 195 Waggons. Dazu kommen vier Vicinal-Dampf-Tramways (149,1 km), die von zwei Bahnhöfen täglich 35 Züge ablassen. Dieselben beförderten (1889) 1 278 638 Personen und 62 935 t. Der Personenbeförderung in der Stadt dienen 549 Droschken, 8 Tramway- (34 km) und 1 Omnibuslinie. Es giebt sieben Post- und drei Telegraphenbureaus, zum Austragen der Depeschen mehr als 400 Boten. Antwerpen hat das älteste Telephonnetz mit mehr als 1400 Anschlußstellen, die in unmittelbarer Verbindung mit Brüssel, [* 44] Verviers, Lüttich, [* 45] Charleroi, Ostende [* 46] und durch Brüssel auch mit Paris [* 47] stehen.
Geschichtliches. Die ältesten Nachrichten über Antwerpen reichen bis ins 7. Jahrh. Um die Mitte des 7. Jahrh. erbaute man die Kirchen Pierre et Paul und St. Willibrod; 837 hatte die Burg durch die Normannen viel zu leiden, in den folgenden Jahrhunderten aber blühte sie allmählich empor. 1225 erteilte Papst Honorius III. den Antwerpenern Dispens von langem kirchlichen Aufgebot und 1291 verlieh ihnen Jan I., Herzog von Brabant, manche bürgerliche und polit. Freiheiten. 1315 wurde die Stadt in die Hansa aufgenommen, 1318 liefen die ersten venet., 1324 die ersten genuesischen Galeeren in den Hafen ein, und bald darauf ging der Handel zwischen England und dem Festlande fast ausschließlich über Antwerpen. Als nach dem Tode Ludwigs III., Herzogs von Brabant, das Land unter burgundische Herrschaft gekommen, zog die Stadt auch den Handel von Gent [* 48] und Brügge an sich. Von Karl dem Kühnen (gest. 1477) erbte seine Tochter Maria das Land;
unter ihrem Gemahl, Kaiser Maximilian I., namentlich aber unter Karl V., der sich oft und gern in Antwerpen aufhielt, entwickelte sich die Stadt zur ersten Handelsstadt der Welt. 17 verschiedene Nationen hatten ihre Faktoreien in Antwerpen;
die Zahl der Einwohner überstieg 200000. Neben dem Handel entwickelte sich die Kunst zu hoher Blüte; [* 49]
berühmte Maler verbreiteten den Ruhm der Stadt über die ganze Welt, während hervorragende Baumeister eine reiche Thätigkeit daselbst entfalteten.
Der Bildersturm, der Kampf zwischen Calvinisten und Lutheranern, das Schreckensregiment Albas und seiner Nachfolger, die Zeiten ungerechter Verfolgungen veranlaßten in kurzem die Entvölkerung der Stadt. 1594 war die Einwohnerzahl auf 55000 gesunken und in den nächsten zwei Jahrhunderten sank sie noch bis unter 40000. 1577 gelang es, die Spanier durch Geldzahlungen zum Abzüge zu bewegen. Den letzten Schlag gegen die Stadt führte der neue Statthalter Alexander von Parma, [* 50] der die Stadt nach 14monatiger Verteidigung zur Übergabe zwang.
Wohl folgten nun friedlichere Zeiten, aber mit dem Handel von Antwerpen war es zu Ende. Schon durch den 12jährigen Waffenstillstand, in dem 1609 die Unabhängigkeit der nördl. Provinzen anerkannt wurde, kamen die Mündungen der Schelde in die Hände der Holländer, und der Westfälische Friede 1648 bestätigte die vollständige Unterdrückung der Schiffahrt auf ihr für die folgenden anderthalb Jahrhunderte. Im Spanischen Erbfolgekriege war die Stadt eine Zeit lang von den Franzosen besetzt, im Frieden von Utrecht [* 51] (1714) kam Stadt und Land an die Österreicher. Im Österreichischen Erbfolgekriege 1746 geriet die Citadelle nach kurzer Belagerung in die Gewalt der Franzosen und blieb einige Zeit von ihnen besetzt. Durch die Schlacht von Jemappes fielen die Niederlande und somit in die Hände Frankreichs und blieben mit kurzer Unterbrechung 1793 bis zum Wiener Kongreß dem franz. Staate einverleibt. Am stellte der franz. Nationalkonvent die Freiheit der Schiffahrt auf der Schelde wieder her.
Napoleon, der die Bedeutung A.s erkannte, erklärte es zum Kriegshafen und legte zu beiden Seiten des Hansahauses die ersten Bassins an. Doch mußte die Stadt für den Aufschwung des Handels unerhörte Opfer bringen; immer neue Steuerlasten wurden der Stadt aufgebürdet und ein großer Teil ihrer Kunstschätze wurde von den Kommissaren nach Paris geschleppt. Vom Febr. 1814 an hatte Antwerpen nochmals eine Belagerung von den Engländern auszuhalten und wurde am 5. Mai infolge eines Waffenstillstandes dem Grafen von Artois übergeben.
Der Wiener Kongreß vereinigte die seit 1609 getrennten Teile der Niederlande zu einem gemeinsamen Königreiche unter Wilhelm I. von Oranien; 1830 rissen sich die südl. Provinzen nach erbitterten Kämpfen, in denen die Stadt Antwerpen durch Beschießung viel zu leiden hatte, von Holland los und bildeten ein eigenes Königreich. Unter der Regierung Leopolds I. nahm die Stadt einen neuen, bedeutenden Aufschwung. Am erfolgte in der Patronenfabrik der Firma Corvillain eine Dynamitexplosion, bei welcher über 120 Menschen getötet wurden. Bei der darauf folgenden Feuersbrunst wurden auch die großen Petroleumlager der Firma Nieth & Comp. großenteils zerstört. 1894 fand in Antwerpen eine Weltausstellung statt. -
Vgl. Schnaase, Niederländ.
Briefe (Stuttg. 1834);
Perrier, Description historique et topographique d'A. (Brüss. 1836);
Gens, Historie de la ville d'Anvers (Antw. 1861);
Beetemé, Anvers, métropole du commerce et des arts (2. Aufl., 2 Bde., Löwen [* 52] 1888);
Génard, Anvers, à travers les âges (Brüss. 1888);
Wanner, und seine Umgebung (Antw. 1891);
Griebens Reisebücher: und die Weltausstellung 1894 (Berl. 1894).