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schroff und die Witterung unbeständig, durchschnittlich 177 Regentage und 42 Tage mit unbewölktem Himmel. [* 2] Antwerpen [* 3] liegt in einer weiten, fruchtbaren Ebene (zum Teil Polderboden), die nach Holland zu in die sandige, stellenweise sumpfige Campine übergeht, hierzu Plan: Antwerpen und Umgegend.)
Größe, Bevölkerung. [* 4] Die Wälle der Festungswerke umschließen ein Gebiet von 14¼ km, und zwar außer der Stadt den größten Teil der Bürgermeistereien Borgerhout (28 882 E.), Berchem (15 503 E.) und Austruweel, deren Gebiet sich außerhalb der Festungswerke fortsetzt und an die Ortschaften Merxem, Deurne und Kiel [* 5] anschließt. Jenseit der Schelde liegt auf der Tête de Flandre das Örtchen St. Annen.
Die Stadt hatte 28 937 Häuser und 238 788 E. (120 141 männl., 118 647 weibl.), mit den Vorstädten innerhalb der Festungswerke 300000 E. 1830 hatte sie nur 73 506 Bewohner, die Gesamtzunahme betrug demnach jährlich 2 Proz., 1880-90 3 Proz. Der Zuzug betrug (1890) 13 464 (darunter 1012 Deutsche), [* 6] der Abzug 10 874 (670 nach Deutschland); [* 7] Zahl der Geburten (1890) 8092, 5018 Todesfälle (0,173 pro Mille der Bevölkerung), 331 totgeborene Kinder, 1764 Ehen.
Äußere Anlage. Die Häuser der ältesten Stadt lagen um die befestigte Burg. Bei dem zunehmenden Wachstum der Stadt wurden die Befestigungswerke wiederholt umgestaltet und erweitert, namentlich 1540-43 unter Karl V. durch den Baumeister Franz. 1567-71 baute Alba [* 8] die Citadelle (1874 geschleift). Seit ist Antwerpen zu einer großen Lagerfestung als «Operationsbasis und Zufluchtsstätte» der belg. Armee unter Benutzung ausgedehnten Überschwemmungsgebietes durch den jetzigen General Brialmont (s. d.) ausgebaut worden.
Nachdem 1866 vor dem nicht überschwemmbaren Teil der vieleckigen Umwallung, die sich mit zwei Citadellen an die Schelde lehnte, acht auf 2,5 bis 4 km vorgeschobene, ein verschanztes Lager [* 9] bildende Forts fertig gestellt waren, stellte sich mehr und mehr die Notwendigkeit heraus, den Fortsgürtel weiter auszudehnen. Augenblicklich (1890) bestehen die Befestigungen von Antwerpen aus folgenden Teilen:
1) Stadtbefestigung: die Umwallung mit ehemaliger Nordcitadelle, 12 Angriffsfronten, Fort de Deurne, die Lünetten Deurne und Hoboken, Tête de Flandre, die Forts Burght und Isabelle.
2) Die Fortslinie: Forts 1-8, Forts Merxem, Cruibeke, Zwyndrecht, Verteidigungsdeich mit Lünette [* 10] Melsele, Fort Schooten.
3) Die Befestigungen an der untern Schelde: Forts St. Marie, St. Philippe, La Perle, Lillo, Liefkenshoek; außerdem geplant oder im Bau Redouten Oorderen und Berendrecht.
4) Die vorgeschobene Linie zur Sicherung der Nethe-Übergänge und des Uferwechsels an der Rupelmündung: Forts Lierre und Waelhem, Redoute [* 11] Dussel und Fort Rupelmonde. Fünf der 12 Angriffsfronten der Enceinte können durch Überschwemmung des Vorgeländes sturmfrei gemacht werden, zur Deckung der übrigen sieben Fronten baut man gegenwärtig in einer Entfernung bis zu 26 km noch 18 größere und kleinere Forts rechts von der Schelde, drei starke Forts zur Deckung der Rüpel und der beiden Nethen, vier andere und einen verteidigungsfähigen Damm zur Deckung des linken Scheldeufers und zwei kleinere Forts stromabwärts; zugleich erhalten zwei Forts unterseeische Batterien und andere Panzertürme. Mit den sechs Forts, die von den ältesten Festungswerken herrühren und zu Kasernen und Niederlagen eingerichtet sind, hat Antwerpen demnach 53 größere und kleinere Forts. Seine Friedensbesatzung besteht aus 5 Regimentern Infanterie, 3 Regimentern Artillerie, je 1 Regiment Genietruppen und Train und einigen kleinern Truppenteilen, zusammen ungefähr 22000 Mann, die Kriegsbesatzung erfordert mit der Garde civique 250000 Mann.
Durch Niederlegung der alten Festungswerke sowie durch den Umbau des Scheldequais (vollendet 1885) hat sich das Aussehen der Stadt wesentlich geändert. An Stelle der alten Glacis ziehen sich 3¾ km weit 35 m breite, mit vier Baumreihen bepflanzte Boulevards um die innere Stadt, weitere 4½ km meist in gleicher Weise bepflanzte Boulevards und Avenuen führen von hier in die neuen Stadtteile hinein, gerade breite Straßen sind durch die engen alten Stadtteile gebrochen, von denen bereits ein großer Teil der Anlage der 100 m breiten Quais zum Opfer fiel. Zwei öffentliche Parks, die gleich dein zoolog. und botan. Garten [* 12] inmitten der Stadt liegen, sowie die Gartenanlagen auf mehrern Plätzen und die Eisenbahn entlang, tragen in gleicher Weise zur Verschönerung der Stadt bei.
Gebäude, Denkmäler. Antwerpen hat verhältnismäßig viele (18) Denkmäler, darunter die von den Malern Massys, Rubens (s. Tafel: Niederländische Kunst [* 13] IV, [* 1] Fig. 2), van Dyck, Teniers, Jordaens, Leys, den Dichtern Conscience und van Rijswijck, dem Dichter der Brabançonne», von Leopold I., General Carnot, dem alten Nervierhäuptling Boduognatus u. a. Unter den Kirchen sind zu nennen: die siebenschiffige Kathedrale mit got. Turm [* 14] (123 m) aus dem 13. bis 15. Jahrh. (s. Taf. I, [* 1] Fig. 1). Das Schiff [* 15] ist 117 m lang, 52 m breit, im Querschiff 65 m, die Gewölbe [* 16] ruhen auf 125 Pfeilern.
Die Gemälde von Rubens, Murillo, De Vos und die geschnitzten Chorstühle sind im Innern besonders bemerkenswert. Die spätgot. Jakobskirche (St. Jacques), 1491 begonnen, aber erst im 17. Jahrh. im Rokokostil vollendet, mit der Grabkapelle der Familie Rubens, St. André (1514) mit kunstreich geschnitzter Kanzel, St. Paul im spätgot. Stil, 1540-71 erbaut, die neue roman. Josephskirche, die kleine Kapuzinerkirche (St. Antoine de Padoue), 1589 erbaut, mit Bildern von van Dyck und Rubens, die ehemalige Jesuitenkirche (s. Taf. II, [* 1] Fig. 2), 1614-21 von dem Jesuiten Aguillon nach Plänen von Rubens erbaut, 1718 durch Blitz eingeäschert und später einfacher aufgebaut, mit schönem Glockenturm im Renaissancestil u. a. Die Engländer besitzen zwei, die Norweger eine eigene Kirche, von den zwei deutschen prot.
Gemeinden beginnt die eine den Bau einer Kirche, die andere teilt die ihre mit den Holländern. Unter den zahlreichen Klöstern der Stadt beschäftigen sich viele mit dem Unterricht, andere mit der Krankenpflege, auch findet sich hier noch ein Beguinenhof mit nahezu 200 Insassen. Eins der ältesten weltlichen Bauwerke ist der Steen, das alte Schloß an der Schelde, 1520 an der Stelle einer ältern Burg erbaut, später Sitz der Inquisition, in neuester Zeit umgebaut und zu einem Museum von Altertümern eingerichtet. Das Rathaus, 1561-65 von Corn. de Vriendt im Renaissancestil erbaut (s. Tafel: Rathäuser I, [* 1] Fig. 4), wurde nach der Zerstörung durch die Spanier 1581 wiederhergestellt, im 19. Jahrh. mit Gemälden von Leys geschmückt. Das Hansahaus (Oostersche Haus), 1564-84 von ¶
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demselben Meister als Waren- und Gasthaus für die Hansastädte Bremen, [* 18] Lübeck [* 19] und Hamburg [* 20] erbaut, 1882 auf Deutschlands [* 21] Veranlassung mit einer Zeitballstation versehen, brannte 1893 ab. Die Börse wurde 1869-72 an der Stelle der alten, 1858 abgebrannten, in der frühern Gotik, aber weit größer, aufgebaut. (S. Tafel: Börsengebäude I, [* 17] Fig. 3.) Sonst sind noch hervorzuheben: Banque nationale, Palais de justice, Athénée royal, königl. Schloß, Rubenshaus, ein neuer Renaissancebau an der Stelle, wo Rubens gewohnt hat. Ferner das Théâtre royal für die Oper und das Théâtre national, die Schouwburg für das vläm. Schauspiel.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Bürgermeister (20000 Frs.) und fünf Schöffen (je 7000 Frs.). Ersterer (seit 1870 Leopold de Wael) wird vom Könige auf je sechs Jahre ernannt, letztere werden für dieselbe Zeit vom Stadtrat (Conseil communal) gewählt, dessen 18 Mitglieder von den wahlberechtigten Bürgern ebenfalls auf sechs Jahre gewählt werden. Bürgermeister wie Schöffen sind nicht Berufsbeamte, sondern meist Kaufleute. Der Bürgermeister ist zugleich Polizeipräsident, ihm steht ein Commissaire-en-chef zur Seite und an der Spitze jeder der neun Verwaltungsbezirke steht ein Kommissar.
Die städtische Feuerwehr besteht aus 5 Offizieren, 23 Unteroffizieren und Mechanikern und 80 Pompiers und hat 4 Dampfspritzen. Wasserleitung [* 22] und Gasanstalt werden durch Aktiengesellschaften betrieben, zur Straßenbeleuchtung dienen 6880 Flammen, die Bahnhöfe [* 23] und der Hafen haben zum Teil elektrische Beleuchtung. [* 24] Die Stadt hat 183½ Mill. Frs. Schulden, seit 1881 in 2½prozentige Lose umgewandelt, die nach dem Tilgungsplane 1977 gezogen sein müssen. Die Einnahmen betrugen (1890): antwerpen ordentliche Einnahmen 13 910 938 Frs.; b. außerordentliche Einnahmen 2 437 050 Frs., zusammen 16 347 988 Frs. Die Ausgaben: antwerpen ordentliche Ausgaben 13 212 917 Frs. darunter Verwaltung 640 995 Frs., Polizei und Straßenreinigung [* 25] 2 072 959 Frs., Unterricht 185 5085 Frs., Wohlthätigkeitsanstalten 900000 Frs., Künste 323 695 Frs., Kultus 9750 Frs., Amortisation und Zinsen 5 633 055 Frs.);
b. außerordentliche Ausgaben 3 126 145 Frs.
Behörden. Antwerpen ist Sitz der Provinzialregierung (Gouverneur Baron Osy de Zegwaart), eines Tribunals erster Instanz, Tribunal de Commerce, Conseil de guerre dela province d'Anvers.
Schul- und Bildungswesen. Die Stadt hat seit 1852 eine höhere Handelslehranstalt mit 14 Lehrern und 154 Studierenden, das Athénée royal (Gymnasium und Realschule) mit 22 Professoren und 707 Schülern, eine Akademie der schönen Künste (gegründet 1665), von 114 Malern und 29 Bildhauern besucht (1151 Handwerker erhalten unentgeltlichen Unterricht), eine Fortbildungsschule für Mädchen und andere Fachschulen. Hierzu kommen 2 Mittelschulen für Knaben (478) und Mädchen (463), 19 Knabenschulen (8319), 19 Mädchenschulen (7940), 13 Kinderbewahranstalten (4058), 92 Proz. aller Kinder genießen unentgeltlichen Unterricht; ferner 22 Fortbildungsschulen (1913) und zahlreiche Privatschulen, besonders das Jesuiteninstitut (Gymnasium und Realschule ([800]) und die deutsche Schule (350).
Die Stadt besitzt seit 1890 ein neues Museum mit mehr als 1000 Ölgemälden (besonders der Antwerpener Maler), Bildhauerarbeiten und den Photographien und Stichen fast sämtlicher Werke von Rubens, das Museum Plantin-Moretus mit zahlreichen Kunstschätzen, das Museum für Altertümer im Steen; ferner ist die Privat-Gemäldegalerie von Notebohm dem Publikum geöffnet. Das Musée commercial, industriel et ethnographique wurde 1885 gegründet und in das ehemalige Ausstellungsgebäude [* 26] der franz. Kolonien gelegt.
Außer den größern Gemäldeausstellungen (alle drei Jahre) veranstalten mehrere Künstlervereine sowie der Cercle artistique, littériaire et scientifique regelmäßige Ausstellungen. Außerdem bestehen noch mehrere wissenschaftliche Vereine: Académie d'archéologie de Belgique, Société royale de géographie, Société de médicine, Société de pharmacie, Société royale d'horticulture et d'agriculture, Société royal de zoologie, Société des bibliophiles u.a.
Hervorragender Pflege erfreut sich die Musik; in der Musikschule erhielten (1890) 1699 Schüler und Schülerinnen von 34 Lehrern unentgeltlichen Unterricht; die größten Musikgesellschaften sind: Société royale d'harmonie, Société de musique, Société de symphonie, Antzwerpsche toonkunstenaarsvereeniging. Die Stadt hat drei Theater [* 27] (s. oben), eine städtische Bibliothek (56000 Bände), eine Volksbibliothek (15000 Bände) und eine zweite der Gesellschaft «De Toekomst» (21000 Bände), meist in vläm. Sprache. [* 28]
Von den 44 in Antwerpen herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften erscheinen 11 täglich, und zwar: 6 in vlämischer, 4 in französischer, 1 in deutscher Sprache. Die Zahl der Wohlthätigkeitsanstalten ist eine sehr bedeutende. 1890 wurden in den Krankenhäusern 10 084 Personen aufgenommen, 2859 andere wurden in Versorgungsanstalten, Waisenhäusern, Taubstummenanstalten u. dgl. verpflegt. Dazu besitzt die Stadt zwei große Krankenhäuser (St. Elisabeth mit 500 Betten, Stuyvenberg mit 400 Betten, 1885 nach dem Pavillonsystem vollendet), eine Irrenanstalt, je ein Waisenhaus für Knaben und für Mädchen, eine Versorgungsanstalt für Greise und 20 kleinere Wohlthätigkeitsanstalten. 43 Vereine bezwecken gegenseitige Unterstützung in Krankheit und bei Unglücksfällen. Unbemittelten Fremden dienen ein Nachtasyl, eine Volksküche, eine Suppenanstalt, den Deutschen der Verein Germania, [* 29] den Seeleuten mehrere Seemannshäuser, den Dienstmädchen mehrere Mädchenheime, die Deutschen, Österreicher, Schweizer u. a. haben Unterstützungsvereine (der Deutsche Unterstützungsverein verausgabte 1890: 18 532 Frs.); die Stadt gab dennoch für hilfsbedürftige Fremde 53 513 Frs. aus.
Industrie. Hervorzuheben sind: die Spiritusbrennereien (L. Meeus erzeugte allein in einem Jahre über 10 Mill. Liter Genever und zahlte jeden Arbeitstag 26000 Frs. Steuer), 36 Brauereien, 40 Diamantschleifereien (25 große, 15 kleinere Schleifereien; Diamantenumsatz jährlich 60 Mill. Frs.) mit mehr als 3000 Arbeitern, 30 Cigarrenfabriken (120 Mill. Stück jährlich), Zuckerraffinerien, Kerzenfabriken, die Werkstätten der Bell Telephone Manufacturing Cie., die Fleischextrakt-Compagnien von Liebig, Kemmerich, Cibil und Koch, die Reisstärkefabriken von Remy, Färbereien, Lackfabriken, Reismühlen, Schwefelraffinerie u. s. w.
Handel. Der seit Jahrhunderten in hoher Blüte [* 30] stehende Handel A.s wurde durch die von den Niederländern verfügte Sperrung der Scheldemündungen (im 17. Jahrh.) vernichtet und hat sich erst in den letzten 30 Jahren infolge der Aufhebung des Scheldezolles (1863) und dadurch, daß der Staat ¶