ein
Kämpe eintreten konnte. Bei «handhafter That» wurde nicht der auf
frischer That ergriffene und vor Gericht geführte Angeklagte, sondern der Ankläger - ebenfalls mit Eideshelfern - zum
Eide
verstattet. Hier konnte ein eigentlicher Zeugenbeweis darüber, ob handhafte That vorliege, vorangehen. Die
Urteiler oder
Schöffen hatten nur darüber, welches Beweisverfahren zuzulassen, und nach dessen Ausgang darüber,
ob der Angeklagte sich gereinigt habe oder zu bestrafen sei, zu entscheiden.
Wenn auch die peinliche Gerichtsordnung
Karls V. von 1532 (s.
Carolina) den Anklageprozeß gewissermaßen noch als die Regel
darstellt, so hatte doch thatsächlich der
Inquisitionsprozeß inzwischen die Herrschaft gewonnen und behielt -
durch Wissenschaft, Gerichtsgebrauch und Partikulargesetzgebung weiter entwickelt - dieselbe bis zur Mitte des 19. Jahrh.
Nur in England blieb, wenn auch der Ankläger im
Namen der
Krone auftritt, die Form des Anklageprozesses vorherrschend.
Nach der
Französischen Revolution fand derselbe in
Frankreich wieder Eingang und 1808 durch den
Code d'instruction criminelle
eine dauernde Gestaltung. Mit dem franz.
Recht blieb auch der franz. Prozeß nach dem
Sturz der Napoleonischen Herrschaft in
den für
Deutschland
[* 2] wiedergewonnenen Rheinlanden in Kraft.
[* 3] Die polit. Umwälzungen des J. 1848 führten auch im übrigen
Deutschland und in
Österreich
[* 4] zu Nachbildungen des franz.
Verfahrens. Während die Gesetzgebung der folgenden
Jahre einige vielleicht übereilte Schritte rückgängig machte, manche Formen den heimischen Einrichtungen besser anpaßte,
während die Wissenschaft die
Aufmerksamkeit mehr auf das engl. Vorbild lenkte, brachten in
Deutschland die Ereignisse von
1870/71 nach Einführung eines einheitlichen
Strafrechts auch die Forderung nach Einheit des
Verfahrens wieder auf die
Tagesordnung.
Sie fand ihre
Erfüllung in der Strafprozeßordnung für das
Deutsche Reich
[* 5] vom in welcher das
Anklageprincip wenn auch nicht für das
Vorverfahren, so doch für die Hauptverhandlung im wesentlichen zur Herrschaft gelangt
ist. Noch strenger war dasselbe in der inzwischen eingeführten Österr. Strafprozeßordnung vom durchgeführt.
(S. auch
Strafprozeß.) -
Vgl. von Holtzendorff, Handbuch des
Deutschen Strafprozeßrechts (2 Bde., Berl.
1877-79);
von Kries, Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts (Freib. i. Br. 1892);
oder
Große Jury. Von dem
Gedanken ausgehend, daß die Verwicklung in einen
Strafprozeß, selbst wenn derselbe
zur Freisprechung führt, ein Übel ist, gewährt man in England einen Schutz gegen willkürliche Eröffnung
des
Strafverfahrens dadurch, daß über die Eröffnung des
Strafverfahrens die
Geschworenen befinden. Der Sheriff wählt zu
diesem Behuf eine aus 13-23
Geschworenen bestehende Anklagejury (grand jury), die in geheimer Verhandlung nach Anhörung des Anklägers
und derAnklagezeugen mit einer Mehrheit von mindestens 12
Stimmen die
Anklage entweder mit den Worten
«true bill» zuläßt, oder mit den Worten
«no bill» verwirft. Während das
Verfahren einerseits der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung
vorgreift, gewährt es andererseits dem Beschuldigten, den es nicht zuzieht, nur ungenügenden Schutz. Die Anklagejury ist
zwar 1791 inFrankreich eingeführt, in die spätern Gesetzgebungen aber nicht übergegangen.
(S.
Anklagestand,
Eröffnung des Hauptverfahrens.)
Strafprozeßordnung steht dem Privatbeteiligten
(s. d.) bei auf
Antrag verfolgbaren Strafthaten die Prinzipale, bei andern die subsidiäre Privatanklage zu;
die Bestimmungen
für
Deutschland s. Nebenklage, Privatklage.
Die Prüfung der
Anklage vor Eröffnung des Hauptverfahrens wurde durch die Gesetzgebung derFranzösischen
Revolution nach engl.
Muster (s.
Anklagejury) den
Geschworenen, durch den
Code von 1808 gelehrten
Richtern übertragen. Insbesondere
bei
Verbrechen (crimes) beschließt die Anklagekammer auf
Grund der
Voruntersuchung (s. d.) über die Versetzung in den Anklagestand (mise
en accusation) und Verweisung an das Schwurgericht. Dieses
Verfahren ist mit verschiedenen
Abweichungen in die
Strafprozeßgesetzgebung der deutschen Einzelstaaten übernommen. So
war inPreußen
[* 6] nach den Gesetzen von 1849 und 1852 in
Schwurgerichtssachen eine doppelte Vorentscheidung erforderlich: die vorläufige Versetzung in den Anklagestand auf
schriftlichen
Antrag der
Staatsanwaltschaft durch Beschluß der Ratskammer des
Kollegialgerichts erster Instanz, die definitive
auf mündlichen Vortrag der
Staatsanwaltschaft durch Beschluß des Anklagesenats des Gerichts zweiter
Instanz. In andern
Staaten fand nur eine einmalige
Entscheidung teils bei den Gerichten erster, teils bei den Gerichten höherer
Instanz statt.
Wegen des heutigen Zustandes im
DeutschenReich s. Eröffnung des Hauptverfahrens. Nach der Österr. Strafprozeßordnung von 1873 wird
die Versetzung in den der in Schwurgerichtssachen und im
Verfahren gegen Abwesende eine
Voruntersuchung
(s. d.) vorangehen muß (§. 91), durch Einbringung der Anklageschrift seitens
des Anklägers eingeleitet. Diese wird von dem
Untersuchungsrichter oder dem Vorsitzenden der Ratskammer dem Beschuldigten
mitgeteilt. Meldet letzterer nicht binnen 8
Tagen - wenn er in Haft ist, binnen 24
Stunden - Einspruch
an, so ordnet der Gerichtshof erster Instanz die Hauptverhandlung an. Ist Einspruch erhoben, so entscheidet der Gerichtshof
zweiter Instanz nach Anhörung des
Oberstaatsanwalts,
ob derAnklage Folge zu geben ist oder nicht. Gegen diese
Entscheidung
steht dem Ankläger und dem Beschuldigten Nichtigkeitsbeschwerde an den obersten Gerichtshof zu, wenn
die Vorschriften in Einbringung und Mitteilung der Anklageschrift nicht beobachtet sind oder der Gerichtshof unzuständig
oder nicht gehörig besetzt war (§§. 207 fg.).
In demVerfahren vor dem
Bezirksgerichte findet eine Verhandlung über die
Versetzung in den Anklagestand nicht statt (§. 451).
1)
Kreis
[* 8] im preuß. Reg.-Bez.
Stettin,
[* 9] hat 648,58 qkm und (1890) 30 689 (14 878 männl., 15 811 weibl.)
E., 1 Stadt, 54 Landgemeinden und 61 Gutsbezirke. - 2) Kreisstadt im
Kreis Anklam, an der schiffbaren Peene, 81 km von ihrer Mündung,
an der Linie
Angermünde-Stralsund der
Preuß. Staatsbahnen,
[* 10] ist Sitz des Landratsamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht Greifswald),
[* 11] Zoll- und
¶
amtes erster Klasse, Kataster-, Seemanns- und Strandamtes und eines Bezirkskommandos und hat mit den Vororten Gellendin, Schanzenberg
und Görckeburg (1890) 12917 (6098 männl., 6819 weibl.) E., darunter 162 Katholiken und 140 Israeliten;
Postamt erster Klasse, Telegraph,
[* 13] zwei evang., die got. Marien- (aus dem 13. Jahrh., 1888 erneuert)
und die Nikolaikirche (14. Jahrh.) mit schönen Holzschnitzereien, jede
mit einem 100 m hohen Turme, ferner eine kath. Kirche und eine Synagoge, Kriegsschule (191 Insassen, seit 1871), Gymnasium (Direktor
Heinze, 15 Lehrer, 8 Klassen, 228 Schüler, 1 Vorklasse, 28 Schüler), höhere Bürger-, höhere Mädchenschule, Stadtschule,
gewerbliche Fortbildungsschule, Freimaurerloge, Armen-, Krankenhaus,
[* 14] Gasbeleuchtung, Schlachthaus, Kinderbewahranstalt,
drei Hospitäler, bedeutende Stiftungen.
Ferner bestehen 2 Eisengießereien, 3 Wollwebereien, 6 Brauereien, 3 Dampfmahl-, 1 Dampfschneidemühle sowie Fabrikation von
Cigarren, Zucker
[* 15] und Seife;
Handel mit
Getreide,
[* 16] Torf, Pflastersteinen und besonders mit Möbelwaren;
Reichsbanknebenstelle, Stadtsparkasse, dän. Konsulat, eine
Kaufmannscompagnie. – Anklam, ursprünglich wend. Festung,
[* 17] wurde
im 12. Jahrh. germanisiert, 1121 von HerzogBoleslaw III. von Polen zerstört, 1188 wieder aufgebaut und trat im 13. Jahrh.
der Hansa bei.
Die aufständischen Bürger wurden 1387 von Bogislaw VII. von Pommern
[* 18] gezüchtigt, 1570 die Stadt neu befestigt, 1627 von
den Kaiserlichen belagert, 1630 von den Schweden
[* 19] erobert, 1637 von Clam-Gallas vergeblich bestürmt, 1713 von
den Russen geplündert, von den Sachsen
[* 20] genommen. 1720 kam Anklam an Preußen, 1762 verlor es die Festungswerke.