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abgeführt: 9 927 900 M., darunter: Zölle 1 300000 M., Rübenzuckersteuer 6 747 700 M., Branntweinsteuer 532 850 M., Brausteuer 301 950 M., Tabaksteuer 88 400 M., Salzsteuer 900000 M. Der Landarmenverband unterhält im Lande eine Idioten-, eine Irren-, Heil- und Pflegeanstalt, ein Siechenhaus, eine Taubstummenerziehungsanstalt und hat für Unterbringung, Pflege und Erziehung der Blinden, Epileptiker und verwahrloster Kinder gesorgt. Die Waisenanstalten sind seit 1870 zu einem Landeswaisenfonds mit den Rechten einer juristischen Person zusammengeschlossen.
Eine Dienersterbekasse verpflichtet sämtliche anhalt. Subalternbeamten zum Beitritt und zahlt beim Todesfalle des Versicherten 300 M. Vierteljahresbeitrag 2 M. Außerdem stehen im Dienste [* 2] des öffentlichen Wohles: ein Medizinalkollegium, 5 Kreisphysikate, 180 Bezirkshebammen zum kostenlosen Beistände bedürftiger Wöchnerinnen, eine Hebammenpensions- und Unterstützungskasse, Bezirksimpfärzte, 1 Landes-, 5 Kreistierärzte, Feuerkommissarien, ein Feuerlöschwesenfonds zur Unterstützung beim Lösch- und Rettungsdienst Verunglückter, eine Landesbrandkasse mit Versicherungszwang für sämtliche Gebäude, 8 Deichverbände, eine landwirtschaftliche Versuchsanstalt, ein Landgestüt, 47 Stipendien und 90 größere milde Stiftungen sowie 22 auf Stiftungen beruhende Armen-, Kranken- und Waisenanstalten.
Geistige Kultur. Die obere Leitung und
Beaufsichtigung des Schulwesens liegt der Regierung ob. Die öffentlichen Schulen sind
Staatsanstalten. Der Aufwand der höhern Schulen wird ausschließlich vom
Staate getragen, der der niedern in Gemeinschaft
mit den Schulverbänden gegen Überlassung von 60 Proz. des
Schulgeldes. Die Schulverbände tragen ein
Sechstel der Kosten für Neubauten und Hauptreparaturen, die Gesamtkosten aller übrigen Bauten, der Beschaffung und Instandhaltung
der Lehrmittel sowie der sonstigen Realbedürfnisse. 1895 gab es 290 Schulen mit 896 Lehrern, 339 Lehrerinnen, 25 505
Schülern, 24 720 Schüler
innen.
Es bestehen 4 Gymnasien, 2 Realgymnasien, 1 Realprogymnasium, 1 Realschule, 1 staatlich subventioniertes
privates Progymnasium mit Realklassen, 4 Vorschulen, 4 staatliche und 2 private höhere Mädchenschulen, 13
Mittel-, 17
Bürger-, 229 evang., 6 kath.
Volksschulen; ein Lehrerseminar
(Cöthen),
[* 3] ein Lehrerinnenseminar
(Dessau),
[* 4] eine
Bau-
(Zerbst),
[* 5] eine Handwerkerschule
(Dessau),
zahlreiche Fortbildungs-, Innungs- und Fachschulen, 1 höheres technisches und 1 Haushaltungsinstitut.
Der Staatszuschuß für Unterricht betrug (1895/96) 2 392 093 M. Bibliotheken: herzogl. Hofbibliothek und Behördenbibliothek in Dessau: herzogl. Bibliothek in Cöthen 20000 Bände. Aus den 5 Diöcesanbezirken wird eine Landessynode gewählt (5 Superintendenten, 10 geistliche, 10 weltliche, 5 vom Landesherrn ernannte Mitglieder und 9 angesehene, kirchlich erfahrene Abgeordnete). Auf Grund der Kirchenverfassung von 1879 wird die Landeskirche durch das herzogl. Konsistorium und die Landessynode regiert und vertreten.
Oberste Aufsichtsbehörde für die kath. und israel. Gemeinden ist das herzogl. Staatsministerium. Die fünf kath. Pfarreien stehen unter dem Bischof von Paderborn. [* 6] Für den israel. Kultus sorgt ein Landesrabbiner. Der Staatszuschuß für den evang. Kultus betrug (1895/96) 118 085, für den katholischen 9241, für den israelitischen 4345 M. An Vereinen bestehen je einer für Geschichte und Altertumskunde, Landeskunde, Industrie, Kunst; ferner ein Landeslehrer-, Landwirtschaftlicher Verein, mehrere Gewerbe-, Turn-, Schützen-, Gesangvereine. An Orden [* 7] besteht der herzoglich anhalt.
Hausorden Albrechts des Bären (s. Albrechtsorden). Das Landeswappen ist in 12 Felder geteilt, drei senkrechte und vier Querrreihen. Die 12 Schilderstellen gehören an: 1) dem Herzogtum Sachsen, [* 8] 2) der Pfalz zu Sachsen, 3) dem Herzogtum Engern, 4) dem Beringer Geschlecht, 5) Mittelschild, 6) der Herrschaft Ballenstedt, 7) der Grafschaft Askanien, 8) der Grafschaft Waldersee, 9) der Grafschaft Warmsdorf, 10) der Grafschaft Mühlingen, 11) den Regalien, 12) der Herrschaft Bernburg. [* 9] Das Mittelschild ist senkrecht geteilt und enthält links den halben roten brandenb. Adler [* 10] mit goldenem Schnabel und Faun, rechts fünf schwarze Querbalken im goldenen Felde mit dem sächs. Rautenkranze. (S. Tafel: Heraldische Typen II, [* 1] Fig. 2.) Als Landesfarben gelten Rot, Grün und Weiß, jedoch wird meistens (z. B. bei Portepees, Schilderhäusern, Schlagbäumen u. s. w.) nur Grün und Weiß gebraucht. Die Kokarden sind grün.
[* 1] ^[Abb.]
Geschichte. Die ältern Einwohner A.s waren neben deutschen Stämmen Slawen (Wenden, Sorben). Die Germanisierung derselben fand Ende des 13. Jahrh. ihren Abschluß; 1293 wurde die Benutzung der wend. Sprache [* 11] vor Gericht verboten. In karoling. Zeit zur sorb. Grenzmark gehörig, bildete das links von Saale und Elbe gelegene Anhalt späterhin den Ausgangspunkt für die Ausbreitung der deutschen Herrschaft bis in die Odergegend. Die größten Erfolge errang hier der Markgraf Gero (s. d.). Nachkomme einer Schwester Geros (Hidda) war Graf Esiko von Ballenstedt, der erste beglaubigte Ahnherr des askan.
Fürstengeschlechts. (S. Askanien.) Sein Enkel, Otto der Reiche, erwarb durch Vermählung mit Eilika, der Erbtochter des letzten Herzogs aus dem Geschlechte der Billunger (s. d.) in Sachsen, den Schein eines Anspruchs auf die Nachfolge im Herzogtum Sachsen. Ihm folgte 1123 Albrecht der Bär (s. d.). Sein Verdienst für Anhalt besteht darin, daß er die wend. Gebiete zwischen Saale und Elbe mit holländ. und flamländ. Kolonisten besiedelte. Nach Albrechts Tod (1170) zerfiel seine Herrschaft durch Teilung unter seine Söhne.
Die Stammlande am Harze erhielt Albrecht, nach dessen frühem Tode Bernhard (s. d.), dem bei der Erbteilung Aschersleben, [* 12] Plötzkau und das Land zwischen Saale und Elbe zugefallen war. Er wird zuerst Graf von Anhalt, auch von Aschersleben genannt, erhielt 1180 (nach Heinrichs des Löwen [* 13] Ächtung) einen Teil des Herzogtums Sachsen und den Herzogstitel, den schon König Konrad III. Albrecht dem Bären verliehen hatte, auf den dieser aber zu Gunsten Heinrichs des Löwen hatte verzichten müssen. Bernhard starb 1212. Während der Jüngere seiner Söhne, Albert oder Albrecht, die Herrschaft an der Elbe (Wittenberg-Lauenburg) übernahm, trat der Ältere, Heinrich, die Erbschaft der askan. Stammlande an und ¶
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regierte 1212-44. Er erscheint urkundlich seit 1215 als Comes Aschariae et princeps in Anhalt. Mit Heinrich I. beginnt die eigentliche Geschichte A.s als eines für sich bestehenden Territoriums. Er hinterließ fünf Söhne, von denen zwei in den geistlichen Stand traten, die übrigen des Vaters Besitzungen teilten. Heinrich II. nahm Aschersleben und den Harz und ist der Stammvater der 1315 erloschenen Ascherslebener Linie. Bernhard erhielt Bernburg und Ballenstedt und stiftete die ältere Bernburger Linie, die bis 1468 bestand.
Siegfried bekam Dessau, Cöthen, Coswig und Roßlau und begründete die (alte) Zerbster Linie, die 1307 die Herrschaft Zerbst, 1370 die Grafschaft Lindau [* 15] an sich brachte und sich 1396 in zwei Zweige teilte: anhalt die Albrechtsche Linie zu Zerbst, die 1526 erlosch, nachdem 1508 die beiden letzten Sprossen (Magnus und Adolf II.) von der Regierung zurückgetreten waren;
b. die Siegmundsche Linie zu Dessau, in welcher der Stamm fortlebte.
Die Wiedervereinigung aller anhalt. Lande erfolgte 1570 unter Joachim Ernst (gest. 1586) von der Siegmundschen Linie. Dieser gab eine neue Landesordnung und legte dadurch den Grund zur spätern Verfassung der anhalt. Länder. Er hatte sieben Söhne, von denen fünf ihn überlebten und sich 1603 dergestalt in das väterliche Erbe teilten, daß Johann Georg Dessau, Christian Bernburg und den Harz, Rudolf Zerbst und Ludwig Cöthen erhielt, während August für 300000 Thlr. auf seine Ansprüche verzichtete, unter dem Vorbehalte, daß beim Aussterben einer der vier andern Linien er oder seine Nachkommen in deren Anteil treten sollten.
Dieser Vorbehalt trat 1665 in Kraft, [* 16] wo Augusts Söhne den erledigten cöthenschen Anteil bekamen. Von den vier fürstl. Linien (Anhalt-Dessau, Anhalt-Cöthen, Anhalt-Bernburg und Anhalt-Zerbst) starb zuerst (1793) mit Friedrich August die Zerbster aus; ihr Land fiel an die übrigen drei Linien, die es 1797 teilten. Während des Dreißigjährigen Krieges hatten sich die Fürsten dahin geeinigt, daß das Land nach außen als untrennbares Fürstentum durch den jeweiligen Senior des Gesamthauses vertreten werden solle (Senioratsreceß von 1635 und Übereinkunft von 1669). Um fernere Landesteilungen zu verhüten, führten die Fürsten seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. nach und nach das Erstgeburtsrecht ein. Das Haus Bernburg erhielt 1806 durch Kaiser Franz II. die Herzogswürde; 1807 traten alle Häuser als souveräne Fürsten, Dessau und Cöthen ebenfalls unter Annahme des Herzogstitels, dem Rheinbunde, 1815 dem Deutschen Bunde bei. Nach dem Vorgange Bernburgs schlossen sich 1828 auch Dessau und Cöthen dem Zollvereine an.
Anhalt-Cöthen fiel, nachdem Fürst Ludwig, der Mitbegründer der Fruchtbringenden Gesellschaft (s. d.), 1650, und sein Sohn, Wilhelm Ludwig, 1665, gestorben waren, an die Söhne des bei der Teilung zurückgetretenen Fürsten August (s. oben), Leberecht und Emanuel. Leberecht starb 1669, Emanuel 1670; letzterm folgte sein nachgeborener Sohn Emanuel Leberecht, der 1692 die Regierung antrat. Sein Sohn und Nachfolger Leopold starb 1728 ohne männliche Erben. Dessen Bruder August Ludwig folgte 1755 sein ältester Sohn Karl Georg Leberecht.
Der zweite Sohn, Friedrich Erdmann, stiftete 1765 durch Erwerbung der Herrschaft Pleß in Oberschlesien, die er zu einer Sekundogenitur bestimmte, die Nebenlinie Anhalt-Cöthen-Pleß. Karl Georg Leberecht fiel als österr. Generalfeldmarschall-Lieutenant 1789 vor Semlin. Sein Sohn August Christian Friedrich, gest. 1812, führte 1810-11 die franz. Verfassung und den Code Napoléon ein und belastete sein Land durch arge Mißregierung derartig, daß es unter seinen Nachfolgern Ludwig (1812-18), Ferdinand (aus der Linie Anhalt-Cöthen-Pleß), der 1825 zur kath. Kirche übertrat, und unter dessen Bruder Heinrich (seit 1830) in immer größere Finanznot geriet.
Erst durch den 1845 aus Preußen [* 17] berufenen Geheimrat von Goßler konnte mit Hilfe der Agnaten und durch Moratorienerteilung gegen die Staatsgläubiger eine Wiederherstellung der Ordnung bewirkt werden. Heinrich starb 1847 ohne Leibeserben. Im Einvernehmen mit Bernburg ging die Regierung einstweilen auf den Senior, den Herzog von Anhalt-Dessau, über. 1848 wurde ein vereinigter Landtag für die Herzogtümer Dessau und Cöthen eingerichtet. Daneben behielt jedes noch seinen besondern Landtag, der aber auch aus den für den vereinigten Landtag gewählten Abgeordneten bestand. Durch Vertrag vom wurde Cöthen mit Dessau vereinigt.
In der Linie Anhalt-Dessau hatte der Stifter Johann Georg I. (gest. 1618) seinen ältesten Sohn, Johann Kasimir, zum Nachfolger. Dessen Sohn, Johann Georg II. (1660-93), baute zu Nischwitz das Schloß Oranienbaum, das er, wie auch das daneben entstandene Städtchen, nach seiner Gemahlin, Henriette Katharina von Oranien, nannte. Ihm folgte sein Sohn Leopold I. (s. d.), «der alte Dessauer». Dessen erstgeborener Sohn, Wilhelm Gustav, durch heimliche Ehe mit einer Bauerstochter der Ahnherr der Grafen von Anhalt, starb vor des Vaters Tode, so daß diesem sein zweiter Sohn Leopold II. (s. d.) Maximilian folgte, der sich gleich seinen Brüdern Dietrich, Moritz und Eugen in preuß. Militärdiensten auszeichnete, aber schon 1751 starb.
Sein Nachfolger war sein Sohn Leopold III. (s. d.) Friedrich Franz. Ihm folgte 1817 sein Enkel Leopold IV. (s. d.) Friedrich, gest. 1871, der nach dem Aussterben der bernburgischen Linie, 1863, ganz in seiner Hand [* 18] vereinigte und den Titel «Herzog von Anhalt» annahm. Von der Bewegung 1848 blieb das Land nicht unberührt. Von ihr getragen, suchte sich das Ministerium Habicht-Koppe zu behaupten; die von ihm vorgelegte Verfassung erhielt die landesherrliche Bestätigung.
Aber bald trat die Reaktion ein, deren Träger [* 19] das Ministerium Plötz wurde und die sich in der erfolgten Aufhebung der Verfassung und dem Vorbehalte des Erlasses eines im feudalen Geiste gehaltenen Grundgesetzes kundgab. Dazu erhob die Ritterschaft der altanhalt. Stände 1850 beim Bundestage Protest gegen alle Neugestaltungen und kam um Wiederherstellung ihrer Rechte ein. Auf die deshalb vom Bunde 1854 ergangene Aufforderung setzten sich die Regierungen von Anhalt-Dessau und Anhalt-Bernburg mit den noch vorhandenen Mitgliedern der anhält. Gesamtlandschaft ins Einvernehmen. Daraus ging die auch vom Bernburger Landtage angenommene, in Kraft gesetzte Landschaftsordnung für ganz Anhalt hervor.
Der Stifter der Linie Anhalt-Bernburg, Christian I. (gest. 1630), wurde im Dreißigjährigen Kriege durch Friedrich V. von der Pfalz zum Statthalter von Prag [* 20] ernannt, mußte aber dafür 1620 nach der ¶