mehr
in großen Krümmungen den östl. Hauptteil des Landes von O. nach W. (43 km) und nimmt alle Gewässer auf, so die Flämigsbäche Döllitzbach, Rössel, Ruthe, links bei Wallwitzhafen die Mulde mit dem Kapen und die Saale. Letztere ist schiffbar, durchschneidet das östl. Hauptstück von S. nach N. (33 km) und empfängt rechts den Grenzfluß Fuhne mit Ziethe, links die Harzflüsse Wipper mit Eine und Bode mit Selke. Das Tiefland der Elbe und Mulde ist vielfach von Spuren abgestorbener Flutungen durchsetzt. Die Ufer der Elbe, Saale und Mulde sind eingedämmt (143 km Deiche). Mineralquellen, namentlich eisenhaltige, bei Alexisbad, Gernrode (Suderode), Zerbst [* 2] und Coswig. (S. Karte: Provinz Brandenburg [* 3] u. s. w., beim Artikel Brandenburg.)
Klima. [* 4] Auf den vier Beobachtungsstationen (Ballenstedt im Harz 203,2, Bernburg [* 5] 71,9 m im Vorlande des Harzes, Dessau [* 6] 61,1 m in der Elb-Muldeniederung, Zerbst 70,6 m am Elbknie am Vorlande des Flämings) wurden 1884 z. B. beobachtet: Temperatur am Erdboden: 9,42, 11,56, 11,65, 9,42 °C. im Jahresmittel;
Niederschläge: 523,5, 673,9, 663,7, 727,3 mm. Gewitter: 38, 44, 39, 36 Stück;
Hageltage: 3, 4, 1, 2;
herrschende Winde: [* 7] S. und W., W. und NW., W. und O., W. und SW.
Bevölkerung. [* 8] Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1890: 271 903 E. gegen 1885: 248 160 E., d. i. eine Zunahme von 9,6 Proz. Auf 1 qkm kommen 119 E. Es gab (1890) 33 533 Wohnstätten, darunter 33 085 bewohnte Wohnhäuser [* 9] und 62 585 Haushaltungen (57 380 Familienhaushaltungen von zwei und mehr Personen). Auf eine Wohnstätte kamen 8,19, auf eine Haushaltung 4,35 E. Die Bevölkerung verteilt sich (1890) auf 22 Städte (2 Mittel-, 4 Klein- 16 Landstädte), 247 Dörfer und 143 Gutsbezirke.
Auf eine Stadt kamen 6986, auf ein Dorf 439 und auf einen Gutsbezirk durchschnittlich 69 E. Hauptstadt ist Dessau (s. d.). Von der Bevölkerung waren (1890) 134 071 männl., 137 892 weibl.;
verheiratet 92 585;
unter 15 J. alt 45 053 männl., 44 932 weibl.;
über 70 J. 2705 männl. und 3335 weibl.;
produktiv und 15-70 J. 61,52 Proz.;
unproduktiv 38,45 Proz. Dem Religionsbekenntnis nach waren (1890) 261 215 Evangelische, 8875 Katholiken, 281 andere Christen, 1580 Israeliten.
Geboren in Anhalt [* 10] 78,56 Proz.; im übrigen Deutschen Reiche 21,25 Proz. Geburten durchschnittlich (1885-88) jährlich 9721, 1889: 10 100, Sterbefälle 5906, 1889: 6042, Eheschließungen 2257, 1889: 21,71;
überseeisch ausgewandert 101 (1885: 113, 1886: 82, 1887: 92, 1888: 101, 1889: 67).
Land- und Forstwirtschaft. Im W. und O. des Herzogtums herrscht die Forstwirtschaft, in der Mitte mehr die Landwirtschaft vor. Die gesamte landwirtschaftlich benutzte Bodenfläche beträgt 1613 qkm; davon sind landesfiskalisch 42 Domänen und 5 Grundstücke von 215,47 qkm; herzoglich 18 Domänen und 5 Grundstücke von 106,08 qkm. Der Rest ist Privatbesitz. Der Bodenverteilung nach sind Acker und Garten [* 11] 61,86 Proz., Forsten und Holzungen 23,97, Wiesen 6,96, Weiden und Hutungen 1,49, Unland 0,73, Haus- und Hofräume 1,22, Gewässer, Straßen und Wege 3,71 Proz. An Haustieren gab es 1892: 17 360 Pferde, [* 12] 5 Esel, 59 985 Stück Rindvieh, 110 107 Schafe, [* 13] 72 506 Schweine, [* 14] 30 620 Ziegen, ferner 5512 Bienenstöcke. Über den durchschnittlichen jährlichen Anbau und Ernteertrag sowie über den Durchschnittswert der Ernte [* 15] in dem Jahrzehnt von 1878 bis 1887 giebt folgende Tabelle Auskunft:
Fruchtarten | qkm | Tonnen | Durchschnittswert M. | per Tonne M. | |
---|---|---|---|---|---|
Weizen | 76,29 | 18 746,46 | 3469971 | 185,1 | |
Roggen | 298,10 | 41 415,79 | 6469147 | 156,2 | |
Gerste | 224,09 | 46 399,66 | 7331146 | 158,0 | |
Hafer | 142,43 | 24 455,84 | 3700169 | 151,3 | |
Erbsen | 12,21 | 2244,08 | 543293 | 242,1 | |
Kartoffeln | 185,13 | 213 718,80 | 10408105 | 48,7 | |
Zuckerrüben | 178,67 | 480 769,70 | 9615394 | 20,0 | |
Samenrüben | 17,51 | 3743,50 | - | - |
Obst- und Gemüsebau blühen. Außerdem werden bedeutende Flächen mit Klee, Esparsette und Luzerne, Lupinen und Buchweizen (im Nordosten) bebaut 74 qkm). Die Waldflächen A.s bestehen aus: Kronforsten 199,69 qkm, Staatsforsten 208,51, Staatsanteilforsten 5,49, Stiftungsforsten 2,19, Genossenschaftsforsten 1,26 und Privatforsten 122,77 qkm, zusammen 540,21 qkm. Davon 479,58 qkm Hochwald. Von 100 qkm Wald sind: Kiefern 57,97 (meist im Osten), Tannen und Fichten 10,35 (im Westen A.s), Eichen 9,48, Buchen 6,62 qkm. Das übrige sind Birken, Erlen, Espen, Weiden u. s. w. 1887/88 brachten 234,11 qkm fiskalische Waldfläche 82 469 Festmeter Holz. [* 16] Die Gesamteinnahme ans Holz-, Jagd- und Nebennutzungen betrug 744 710 M.; Ausgabe 298 929, Reinertrag 445 891 M. Abgeschossen wurden in den fiskalischen Forsten 1388: Rotwild 98 Stück, Damwild 68, Schwarzwild 78, Rehe 173, Hasen 531 (Privatjagden bedeutend mehr), Enten [* 17] 40, Schnepfen 6, Fasanen 167, Rebhühner 226, Füchse 138, Wildkatzen 5, Marder [* 18] 17, Iltis [* 19] 26, Wiesel [* 20] 10 und Raubvögel [* 21] 171 Stück;
Biber kommen vereinzelt vor.
Bergbau. [* 22] An Feld zum Abbau sind verliehen: 10 qkm auf Koch- und Steinsalze, namentlich Kali-, Magnesia- und Borsalze (Kreis [* 23] Bernburg);
36,9 qkm auf Kupferschiefer (Kreis Bernburg und Cöthen): [* 24] 75 qkm auf Blei-Silbererze;
51 qkm auf Flußspat [* 25] (Kreis Ballenstedt);
12 qkm auf Eisenstein;
242,5 qkm auf Braunkohlen.
Auch wird reichlich ausgebeutet Sandstein, Kalkstein, Gips, [* 26] Schwerspat, Thon, Ocker, Kieselgur (bei Coswig), vereinzelt Gold [* 27] und Torf.
Industrie und Handel. 1887 waren in Anhalt im Betrieb: 12 Braunkohlenwerke (Frose, Mühlingen, Edderitz, Gerlebogk, Groß-Weisand, Coswig u. s. w.), 2 Salzbergwerke (Leopoldshall, fiskalisch, und Solvayhall), 1 Erzbergwerk (Privatbesitz bei Neudorf);
11 Salinen, 1 Hütte für Blei-Silbererze (im Harz), 13 Werke für Eisengußwaren und 1 Werk für Schweißeisen.
Gefördert wurden: 928 598 t Braunkohlen zu 2 634 142 M., 480 039 t Steinsalz zu 187 033 M., 64 488 t Kainit zu 1 005 821 M., 215 272 t andere Kalisalze zu 2 836 352 M., 2930 t. Bittersalze zu 26 278 M., 30 t Boracit zu 11 400 M., 1537 t Blei-Silbererze zu 133 735 M. Die Salinen gewannen: 46 986 t Chlorkalium zu 6 424 098 M., 12 659 t Chlormagnesium zu 151 621 M., 3922 t schwefelsaures Kali zu 556 626 M., 2752 t schwefelsaure Kalimagnesia zu 215 622 M., 3926 t Glaubersalz zu 166 521 M., 9858 t schwefelsaures Magnesia zu 137 088 M. und 500 t Alaun [* 28] zu 59 600 M. Die Hütte für Blei-Silbererze erbeutete 720,96 t Blei, [* 29] 1347 kg Silber, 0,22 kg Gold. Die Werke für Eisengußwaren fertigten 7613 t Gußprodukte. 29 Hauptbetriebe des Berg-, Hütten- und Salinenwesens beschäftigten 1882 im Jahresdurchschnitt 2796 Personen, die Stein- und Erdenindustrie in 241 ¶
mehr
Hauptbetrieben 2068 Personen. Die 31 Zuckerfabriken (im Kreise [* 31] Bernburg und Cöthen) mit 5394 Arbeitern verarbeiteten von 1877 bis 1888 jährlich durchschnittlich 501 860 t Rüben, gewannen 49 389 t Rohzucker uud 12 012 t Melasse. Die Raffinerien verarbeiteten 13 067 t Melasse und 2408 t Rohzucker zu 7309 t Feinzucker. Die 72 Brauereien verbrauchten im Durchschnitt jährlich 4161 t Getreide [* 32] und brauten 229 658 hl Bier. 38 Brennereien erzielten 19 543 hl Branntwein. 12 Tabakpflanzer ernteten durchschnittlich auf 109 ha Fläche 2123 kg getrocknete Blätter für 130 029 M. Die Textilindustrie (940 Hauptbetriebe) fertigt Wollgarne, Tuche, Spitzen, Gold- und Silbertressen (in Zerbst); eingeführt werden: Kohlen, Roheisen, Steinöl, Bauholz und Kolonialwaren;
ausgeführt: Zucker, [* 33] Spiritus, [* 34] Kartoffeln, Gerste, [* 35] Malz, Mehl, [* 36] Tuche, Tapeten, Rouleaux und Salze, Chemikalien und Düngeprodukte.
Den Geldverkehr vermitteln die Reichsbanknebenstellen in Dessau und Bernburg, die Landesbank in Dessau und zahlreiche Bankhäuser und Vorschußkassen. Sitz der Handels- und Gewerbekammer für das Herzogtum ist Dessau.
Verkehrswesen. Anhalt wird von drei Haupteisenbahnlinien (1889: 247,57 km; der Magdeburg-Leipziger, der Berlin-Anhalter, der Magdeburg-Halberstädter, s. d.) und deren Zweigbahnen durchschnitten (s. Deutsche Eisenbahnen). [* 37] Auf den 39 anhalt. Stationen sind im Betriebsjahr 1888/89 1 449 560 Fahrkarten verkauft, 55 206 t Stückgüter, 1 212 091 t Wagenladungen angekommen und 49 641 t Stückgüter und 1 120 219 Wagenladungen abgegangen. An Wasserstraßen (Elbe und Saale) bestehen 76 km, an Kunststraßen 823,65 km. Der Verkehr auf Elbe und Saale belief sich (1887) auf 120 Schiffe [* 38] anhält.
Schiffseigner, darunter 106 von Holz, 5 von Eisen, [* 39] 9 von Holz und Eisen, mit einer Tragfähigkeit von 25 003 t. In Wallwitzhafen kamen 1888 an: 12 Dampfer und 48 Segelschiffe mit 7009 t Güter zu Berg, 518 Dampfer und 713 Segelschiffe mit 126 865 t Güter zu Thal. [* 40] Abgegangen sind 108 Dampfer und 330 Segelschiffe mit 62 556 t Güter zu Thal, 422 Dampfer und 76 Segelschiffe mit 642 t Güter zu Berg. Die 116 Posthilfsstellen (6 mit Telegraphenbetrieb), 32 Postagenturen, 17 Postämter dritter, 5 zweiter und 4 erster Klasse (sämtlich mit Telegraphen- und Fernsprechbetrieb) gehören zum Oberpostdirektionsbezirk Magdeburg. [* 41]
Verfassung und Verwaltung. Träger [* 42] der höchsten Staatsgewalt ist der Herzog; ihm zur Seite steht der Landtag mit beratender und beschließender Wirksamkeit. Derselbe hat das Recht, die Tilgung der Staatsschulden zu überwachen, die jährlichen Staatshaushaltsrechnungen zu prüfen und den Hauptfinanzetat festzustellen. Ohne seine Einwilligung darf an der Staatsverfassung und am Staatseigentum nichts verändert werden. Die Zusammensetzung des Landtags beruht auf der Landschaftsordnung von 1859 und den Abänderungsgesetzen von 1871, 1872, 1873, 1874, 1876, 1891, 1895. Der Landtag besteht aus 36 Mitgliedern; zwei ernennt der Herzog, die übrigen werden von den Staatsangehörigen gewählt, und zwar 8 von den meistbesteuerten Grundbesitzern, 2 von den meistbesteuerten Handel- und Gewerbetreibenden, 14 von den übrigen Wahlberechtigten der Städte und 10 von denen des platten Landes.
Wähler ist jeder Anhaltiner, der das 25. Lebensjahr überschritten hat, die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt, nicht unter Kuratel steht, sich nicht im Konkurs befindet oder öffentliche Armenunterstützung empfängt, die Befähigung zu den Gemeindewahlen besitzt und seit mindestens 6 Monaten seinen Wohnsitz im Herzogtum hat. Die Landtagsperiode ist sechsjährig. Die Abgeordneten empfangen Diäten. Oberste Staatsbehörde ist das herzogl. Ministerium; ihm liegt die Oberaufsicht und Leitung der gesamten Verwaltung ob. Nach landesherrlicher Verordnung vom werden die gesamten Geschäfte des Staatsministeriums von einem verantwortlichen Minister geführt, dem vortragende Räte beigegeben sind. Anhalt führt im Bundesrat eine Stimme; die zwei Reichstagswahlkreise sind: Dessau-Zerbst (Abgeordneter: Rösicke, liberal), Bernburg (Friedberg, [* 43] nationalliberal). In Hinsicht auf die innere Landes- und Polizeiverwaltung ist das Herzogtum in Kreise geteilt, an deren Spitze die herzogl. Kreisdirektoren stehen. Das Herzogtum zerfällt (1890) in folgende Kreise:
Kreise | qkm | Wohnstätten | Einwohner | Einwohner pro qkm |
---|---|---|---|---|
Dessau | 424,59 | 6935 | 65626 | 155 |
Cöthen | 343,13 | 6229 | 47931 | 140 |
Zerbst | 802,97 | 6557 | 47105 | 59 |
Bernburg | 396,91 | 8957 | 82444 | 208 |
Ballenstedt | 326,76 | 4855 | 28857 | 88 |
Die Kreise bilden nach der Kreisordnung von 1870 Kommunalverbände mit den Rechten einer Korporation, der die Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten und das Besteuerungsrecht zusteht. Ähnlich ist die Gemeindeverwaltung eingerichtet. Die Organe der Kreiskorporationen sind: der Kreisdirektor, der Kreistag und der Kreisausschuß, ähnlich zusammengesetzt wie der Landtag. Den exekutiven Dienst der Kreispolizei versieht die herzogl. Jägerbrigade. Die Militärverhältnisse A.s sind durch die mit Preußen [* 44] 1867 und 1873 abgeschlossenen Militärkonventionen geregelt.
Danach stellt Anhalt das anhält. Infanterieregiment Nr. 93 zum 4. Armeekorps (7. Division). Garnisonen: Dessau, Bernburg, Zerbst. Die Rechtspflege üben 11 Amtsgerichte und 1 Landgericht (Dessau) als erste Instanz. Zweite Instanz ist das preuß. Oberlandesgericht in Naumburg [* 45] anhalt S., dritte ist das Reichsgericht. Zur Sühneverhandlung wirken 123 Friedensrichter. Die Finanzverwaltung besorgt die herzogl. Finanzdirektion zu Dessau. Derselben sind seit 1874 sämtliche Geschäfte übertragen, die der vormaligen herzoglich anhält.
Regierung, Abteilung für Finanzen und für Domänen und Forsten, zugewiesen waren. Die Verwaltung der indirekten Steuern besorgt die herzoglich anhält. Zolldirektion in Magdeburg. In Dessau ist ein Hauptsteueramt, in Wallwitzhafen eine Zollabfertigungsstelle eingerichtet mit den Befugnissen eines zollvereinsstaatlichen Hauptsteueramtes mit Niederlagsrecht. Der Hauptfinanzetat 1895/96 zeigt in eigner Einnahme 12 560000 M., darunter: Domanialverwaltung 3 060 375, Steuerverwaltung 2 788 769, von Bergwerken 4 752 905, Sporteln und Nebeneinnahmen 1 154 307, in eigner Ausgabe 12 560000, darunter allgemeine Staatsverwaltung 2 362 500 M. (2 159 784 M. Matrikularbeiträge), Staatsschuldenverwaltung 177000 M., Verwaltung des Innern 32 002 19 M., Justizverwaltung 788 250 M., Finanzverwaltung 3 571 368 M., Kultus 162 673 M., Bauwesen 390 617 M., Pensionen 540 036 M., Renten 353 742 M. An die Reichshauptkasse werden ¶