mehr
zu gute kommenden Wißbegierde, zu zerstören, und die damalige ärztliche Wissenschaft verlangte noch keine speciellern
anatom. Kenntisse. Als das Bedürfnis dazu fühlbarer ward, suchte man sich mit der Zergliederung
von
Tieren, namentlich
Hunden und
Affen,
[* 2] zu behelfen; es bildete aber auch die tierische Anatomie
dann noch die
Basis, als man,
wie kaum zu zweifeln, zu
Alexandria wenigstens eine Zeit lang selbst menschliche Anatomie
praktisch trieb, obschon sicher nicht
in der
Weise, wie dies jetzt zu geschehen pflegt. Herophilos aus
Chalcedon und Erasistratos aus
Keos (um 300
v. Chr.) werden
als so eifrige Anatomen gerühmt, daß sie nach des
Celsus
Bericht selbst lebende Verbrecher seciert haben
sollen. Doch schon Galen (131 n. Chr.) läßt darüber in Ungewißheit, wie er seine
anatom. Kenntnisse gewann.
Die
Araber wie ihre Nachfolger begnügten sich mit den Angaben Galens, bis endlich Mondino de Luzzi, Professor zu
Bologna, 1306 und 1315 zuerst
zwei menschliche
Leichname öffentlich zergliederte und, auf eigene Untersuchungen gestützt, das erste
Lehrbuch der Anatomie
des
Menschen schrieb, welches fast zwei Jahrhunderte hindurch als
Kanon galt. Erst im 16. Jahrh. wurde Galens
Autorität nach hartem Kampfe gänzlich gestürzt durch die Bemühungen eines
Vesalius (1543), Custachio, Colombo,
[* 3] Fallopia,
Fabricius ab Aquapendente, Varoli u. a., denen man eine Reihe glänzender
Entdeckungen verdankt.
Rüstig schritt man im 17. Jahrh. fort auf der betretenen
Bahn, zumal da Harveys Entdeckung des
Blutkreislaufs (1619) ein ganz
neues Leben in die
Physiologie gebracht hatte und das Mikroskop
[* 4] auch den feinern
Bau des menschlichen und tierischen Organismus
zugänglich machte. Die
Lymphgefäße entdeckte Aselli (1622); die drüsigen Organe fanden in Wharton
ihren genauern Erforscher, während
Malpighi, Leeuwenhoeck,
Swammerdam und der noch ins folgende Jahrhundert hinüberragende
Ruysch durch Anwendung des Mikroskops und Einspritzungen in die
Gefäße die feinere Anatomie
weit über ihre Vorgänger hinausführten.
Wie bisher, so zeichneten sich auch im 18. Jahrh. besonders Italiener (Pacchioni, Valsalva, Morgagni, Santorini, Mascagni, Cotunni) auf diesem Gebiete aus. Ihnen würdig zur Seite standen in Frankreich Winslow, Lieutaud, Bicq d'Azyr und Bichat; in England Cowper, Cheselden, Hunter, Cruikshank, Monro und Bell; in den Niederlanden Boerhaave, Albin, Camper, Sandifort. Auch Deutschland [* 5] trat durch Haller sowie durch die beiden ältern Meckel auf glänzende Weise aus dem Dunkel hervor, um im 19. Jahrh. den ersten Rang einzunehmen.
Auf der Grenzscheide der beiden Jahrhunderte finden sich die
Namen eines Sömmering, Lodar,
Blumenbach, Hildebrandt, Reil,
Tiedemann,
Bock
[* 6] und Seiler, welche fast sämtlich noch in enger
Verbindung mit der praktischen
Medizin standen, daher auch diese
durch ihre anatom. Forschungen förderten.
In dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrh. begann indessen wie
überall in der Wissenschaft so auch hier eine
Trennung, der zufolge der Anatom und Physiolog seinen eigenen Weg ging, fast
unbekümmert um die praktische
Medizin, so daß diese wenig
Vorteil von den glänzenden Entdeckungen zog, welche jene machten,
und die Anatomen selbst fast nur die mikroskopische Anatomie
ausbildeten.
Jedoch machte sich die
Notwendigkeit der
Verbindung beider Wissenschaften sehr bald wieder geltend durch das seit neuerer Zeit
mit besonderm Eifer betriebene
Studium
der pathologischen Anatomie
, welche durch die bahnbrechenden Forschungen von Rokitansky,
Virchow, Cohnheim,
Klebs u. a. die wichtigste Grundlage der neuern
Medizin geworden ist. Nachdem die mikroskopische
Anatomie
längere Zeit fast ausschließlich die Thätigkeit der Anatomen in
Anspruch genommen, haben sich neuerdings einzelne deutsche
Naturforscher auch der gröbern Ä. wieder zugewandt.
Litteratur. Von Lehrbüchern der Anatomie
sind hauptsächlich zu nennen die von
Hyrtl,
Henle,
Meyer, Hoffmann,
Krause, Hollstein, Luschka,
Geqenbaur,
Hartmann,
Birch-Hirschfeld, Orth; ferner die ältern von
Meckel, Hildebrandt und
Arnold; von den französischen die
von Cruveilhier und Sappey.
Ein Verzeichnis der wichtigsten ältern und neuem Werke über Anatomie
enthält
Hyrtl's «Lehrbuch der
Anatomie
des
Menschen» (20. Aufl.,
Wien
[* 7] 1889).
Von anatom. Bilderwerken sind am bekanntesten die von Weber, Arnold, Froriep, Bock, Henke, Henle, Heitzmann, Braune, Rüdinger, Obst, von Bardeleben. Unter den Zeitschriften sind hervorzuheben die von Hofmann und Schwalbe herausgegebenen «Jahresberichte über die Fortschritte der und Physiologie»; Archiv für und Entwicklungsgeschichte (hg. von His und Braune); Virchows Archiv für pathologische und Physiologie (Berl. 1847 fg.). Die Bedürfnisse des Künstlers berücksichtigen: Harleß, Lehrbuch der plastischen Anatomie (2. Aufl. von Hartmann, Stuttg. 1876);
Froriep, Anatomie für Künstler (Lpz. 1880);
Duval, Anatomie artistique (Par. 1881);
Langer, der äußern Formen des menschlichen Körpers (Wien 1884);
Roth, Plastisch-anatom. Atlas [* 8] zum Studium des Modells und der Antike (2. Aufl., Stuttg. 1886);
Brücke, [* 9] Schönheit und Fehler der menschlichen Gestalt (Wien 1891);
C. Schmidt, Wegweiser für das Verständnis der Anatomie beim Zeichnen nach der Natur und der Antike (3. Aufl., Tüb. 1894).