(grch., ursprünglich Anathema, eigentlich
Weihgeschenk [s. d.], bei den Griechen besonders eine irgend einem
Gotte dargebrachte und im
Tempel
[* 4] niedergelegte Gabe), in der biblischen
Sprache
[* 5] als
Übersetzung des hebr. cherem soviel wie
«Gebanntes», d. h. etwas Gott unwiderruflich
oder unlöslich
(3 Mos. 27, 28). zum Eigentume
Geweihtes. GebanntePersonen mußten sterben, gebannte
Städte
wurden mit allem Lebendigen, was darin war, verbrannt; gebanntes Vieh, Grundstücke und andere Besitztümer fielen meist
dem Heiligtume, d. h. den Priestern, zu.
Bei den spätern
Juden bezeichnet cherem einen schärfern
Grad der
Exkommunikation.
Im
NeuenTestament kommt in der Bedeutung von etwas, das dem ewigen Verderben geweiht ist, vor, daher anathematisieren,
dem ewigen Verderben preisgeben.
Hieran schloß sich der ältere kirchliche Sprachgebrauch, besonders in der gegen
Ketzer und Übertreter der Kirchengesetze
ausgesprochenen Formel: «Anathema esto», d. h.
sei verflucht oder dem göttlichen Strafgericht preisgegeben. Das Anathema wurde von
Synoden und Päpsten verhängt; es bewirkte
dieTrennung vom «Leibe der
Kirche», und da außerhalb der
Kirche niemand selig werden konnte, zugleich
die ewige Verdammnis, wenn der
Sünder sich nicht rechtzeitig bekehrte. Das Anathema wurde daher im Mittelalter mit dem sog.
großen
Bann (s.
Kirchenbann) gleichbedeutend und von der
Exkommunikation oder dem kleinen
Bann unterschieden.
(grch.), Zinseszins. Das Deutsche
[* 6] Handelsgesetzbuch berechtigt den
Kaufmann, welcher mit einem andern
Kaufmann
im Kontokorrent (s. d.) steht, von dem beim Rechnungsabschluß gezogenen Überschuß
(Saldo)
Zinsen vom
Tage des
Abschlusses zu fordern, wenngleich darunter
Zinsen begriffen sind (Art. 291). Dies wurde durch Handelsgewohnheitsrecht
ausgedehnt auf das Kontokorrent eines
Kaufmanns mit einem Nichtkaufmann, auf alle Kontokorrentverhältnisse
auch unter Nichtkaufleuten in
Bremen,
[* 7]
Frankfurt
[* 8] a. M. und
Sachsen-Meiningen.
Sonst ist es nach Gemeinem
Recht verboten, von rückständigen
Zinsen wieder
Zinsen zu nehmen sowohl in der Form, daß die erstern
als besonderes
Kapital festgestellt werden (Anatocismus separatus), als daß sie zumKapital geschlagen
werden (Anatocismus conjunctus). Die gezahlten Zinseszinsen kann der Schuldner auf das
Kapital anrechnen, event. zurückfordern.
Aufgehoben ist dieses Verbot in Lübeck,
[* 9]
Frankfurt a. M. und
Österreich.
[* 10] In
Bayern
[* 11] und
Württemberg
[* 12] ist das Verbot in
Bezug auf
vertragsmäßige Festsetzung der Verzinslichkeit verfallener Zinseszinsen aufgehoben.
Nach
Preuß. Allg. Landr. I, 11, §. 819 und nach Sächs.
Bürgerl. Gesetzb. §. 680 ist es nur gestattet,
einen wenigstens zweijährigen Zinsrückstand zum verzinslichen
Kapital zu erheben, nach
Code Napoléon schon den einjährigen
Zinsrückstand. Nach franz. Gerichtsgebrauch kann das auch vorbedungen werden, nicht nach
preuß. und sächs.
Recht.
Nach franz.
Recht dürfen von der Zeit der Klagerhebung an
Verzugszinsen der
geklagten
Zinsen gefordert und zugesprochen werden, nach Allg.
Landrecht seit der Rechtskraft des
Urteils. Nach dem
Entwurf eines
Bürgerl. Gesetzb. für das
Deutsche Reich §. 249 sollen
Verzugszinsen
von gesetzlichen
Zinsen nicht entrichtet, von
Zinsen aus einem Rechtsgeschäft seit der Klagerhebung gezahlt werden. Die im
voraus getroffene Abrede, daß fällig werdende
Zinsen wieder
Zinsen tragen sollen, ist für nichtig erklärt.
Dagegen soll die nachträgliche Vereinbarung von
Zinsen aus Zinsrückständen gelten (§. 358).
Eisenbahn, s.
Osmanisches Reich, ^[= Memalik i Osmanije, oder Türkei, Großsultanat (Kaiserreich), umfaßt einen Teil der Balkanhalbinse ...]
[* 13] Eisenbahnen.
(grch.), Zergliederungskunde, die
Lehre
[* 14] vom
Bau der organischen Wesen. Sofern dieselbe
Anweisung giebt zur Untersuchung dieses
Baues, die Methoden, Handgriffe und technischen
Mittel der Untersuchung lehrt, nennt
man sie praktische Anatomie; sofern sie sich nur mit den Ergebnissen der Untersuchung befaßt, d. h.
den bereits erforschten
Bau schildert, beurteilt, unter verschiedenen
Gesichtspunkten erörtert oder vergleicht,
heißt sie theoretische Anatomie. Letztere kann man daher als «Zergliederungskunde»
der erstern als «Zergliederungskunst» gegenüberstellen.
Endlich nennt man auch den Ort selbst, wo Anatomie getrieben wird, anatom.
Präparate gemacht oder vorgezeigt werden, «Anatomie»; passender ist dafür
die Bezeichnung Präpariersaal und
AnatomischesTheater.
[* 15]
Früher richteten sich die anatom. Untersuchungen fast ausschließlich
auf den
Menschen, und nur sofern menschliche
Leichen nicht zur
Verfügung standen, auf Säugetiere als Notbehelf. Man verstand
daher und versteht auch noch unter Anatomie vorzugsweise die Anatomie des
Menschen
(Anthropotomie). Später beschäftigte sich die Wissenschaft
auch mit dem
Bau derTiere, nicht bloß aus Notbehelf, sondern um ihrer selbst willen. So entstand die
tierische Anatomie oder Zootomie.
Endlich untersuchte man auch den innern
Bau derPflanzen, und es entwickelte sich die
Pflanzenanatomie
oder Phytotomie.
Das viele Gemeinsame, welches zunächst der
Mensch und die Wirbeltiere, weiterhin alle
Tiere unter sich in ihrem gröbern oder
feinern
Bau haben, führte zur wissenschaftlichen Betrachtung der
Ähnlichkeiten und Unterschiede dieses
Baues, und es entstand so die vergleichende Anatomie. Von ihr in
Verbindung mit der Paläontologie und der
Entwicklungsgeschichte sind
die wichtigsten Stützen für die unsere Zeit so lebhaft beschäftigende
Abstammungslehre teils schon geliefert, teils noch
zu erwarten.
Die Entdeckung des Mikroskops brachte die Erkenntnis, daß auch das dem bloßen
Auge
[* 16] gleichartig Erscheinende
noch einen feinern, sehr verwickelten
Bau haben kann, und man unterschied nun die mit solchen feinern Strukturverhältnissen
beschäftigte Wissenschaft als mikroskopische Anatomie, Histologie oder Gewebelehre. (S. Gewebe,
[* 17] anatomisch.) Die
Änderungen im
Bau der organischen Wesen, wie
sie derGang
[* 18] ihrer
Entwicklung aus einfachem
Keime bis zum vollendeten
Wachstum mit sich bringt, sind der Gegenstand der
Entwicklungsgeschichte (s. d.). Dieselbe wird samt der Gewebelehre als allgemeine
und im Gegensatze hierzu die systematische Anatomie als specielle oder deskriptive Anatomie bezeichnet. Die
meisten
¶
mehr
Krankheiten sind begleitet von gröbern oder feinern Veränderungen in der Lagerung oder Struktur verschiedener Organe und
ihrer Gewebe, und sofern die Anatomie dies erforscht, heißt sie pathologische Anatomie.
Die Anatomie des gesunden Menschen teilt sich weiterhin, je nach der Methode, die sie befolgt, in die systematische und die topographische.
Die systematische Anatomie untersucht und beschreibt die Teile in einer Ordnung, die auf die Ähnlichkeit
[* 20] in
dem Bau und den Verrichtungen derselben Rücksicht nimmt und daher diejenigen nebeneinander stellt, welche im Körper selbst
zu gewissen gemeinschaftlichen Zwecken in Verbindung stehen (d. h. ein System von Teilen bilden). Bei dieser Behandlungsweise,
welche vorzüglich zum Studium der Physiologie vorbereitet, pflegt man die in folgende sechs Lehren
[* 21] abzuteilen:
Die topographische Anatomie unterscheidet am Körper teils nach den durch Einschnitte, Gelenke, Scheidewände u. dgl. natürlich
gegebenen Grenzen,
[* 26] teils mit Hilfe gewisser in Gedanken gezogener Linien größere und kleinere Abteilungen oder Gegenden (Regionen)
und beschreibt die in jeder derselben neben-, unter- und ineinander liegenden Abschnitte der oben erwähnten
Systeme von außen nach innen zu. Man teilt dabei den Körper in den Stamm und die Gliedmaßen. Der Stamm besteht aus dem Kopfe
und dem Rumpfe; der Rumpf zerfällt in Hals, Brust und Bauch;
[* 27] die Gliedmaßen sind teils Brustglieder oder Arme, teils Bauchglieder
oder Beine. An jedem dieser Hauptteile unterscheidet man nun wieder verschiedene Abteilungen und Unterabteilungen.
Diese der Gegenden nennt man, da ihre Kenntnis vorzüglich für den operierenden Chirurgen wichtig ist, auch die chirurgische
Anatomie Topogr. Präparate nennt man diejenigen, an welchen die einzelnen Gewebssysteme (Muskeln, Arterien, Venen, Nerven und Knochen)
in ihrer Lage zueinander sämtlich dargestellt sind. Zu den topogr. Präparaten gehören auch die an gefrorenen Kadavern gewonnenen
Durchschnitte. Auch die Anatomie für bildende Künstler ist wesentlich topographisch; sie hat vorzugsweise die Oberfläche
des Körpers, die Abhängigkeit ihrer Form von den unterliegenden Teilen und insbesondere von den Muskeln in ihren
verschiedenen Spannungszuständen, endlich die allgemeinen Größenverhältnisse der einzelnen Körperteile untereinander
in Betracht zu nehmen.
Die praktische Anatomie ging in ihrer geschichtlichen Entwicklung der theoretischen stets voraus. Erst als man jene allgemeiner
zu betreiben begann, bildeten sich allmählich bestimmte Regeln über das Verfahren bei der Zergliederung, d. h. es entstand
eine Technik der Anatomie, doch versuchte man erst im 17. Jahrh. den Gegenstand in besondern
Schriften zu behandeln. Gegenwärtig haben Anatomen wie Hyrtl, Budge, Meyer, Henke, Lauth auch diesen praktischen Bedürfnissen
in besondern Lehrbüchern Rechnung getragen.
Dennoch aber wird jetzt wie früher das meiste dem mündlichen Unterricht durch den eigens dazu. angestellten
Prosektor überlassen. Gewöhnlich unterscheidet man in der anatom. Technik die Sektionen und das Präparieren. Sektion
nennt
man die kunstgerechte Öffnung der drei großen Höhlen des menschlichen Körpers, verbunden mit der Untersuchung der in ihnen
befindlichen Eingeweide und Teile. Das Präparieren besteht in der kunstgerechten Trennung der einzelnen Teile voneinander, so
daß sie ihrer Gestalt wie ihrer Lage nach deutlich unterschieden werden können; das auf diese Weise Dargestellte nennt man
anatomisches Präparat, so daß man von Knochen-, Muskel-, Gefäß- und Nervenpräparaten spricht.
Das Präparieren der Knochen geschieht durch Entfernung sämtlicher Weichteile, durch Kochen, Macerieren und Bleichen. Werden
sämtliche Knochen wieder durch Draht
[* 28] in die natürliche Lage zu einem Ganzen verbunden, so entsteht das
künstliche Skelett,
[* 29] während das natürliche Skelett durch Beibehalten der natürlichen Verbindungsmittel, der Bänder, gebildet
wird. Zur bessern Darstellung der Gefäße, namentlich in ihren feinern Verzweigungen, bedient man sich gewöhnlich der Injektionen
oder Einspritzungen von gefärbten und erhärtenden Flüssigkeiten in die Gefäße, worauf man die letztern
mit dem Messer
[* 30] von den umgebenden Muskeln und Weichteilen isoliert. In neuerer Zeit bedient man sich auch noch einer andern
Präparation der Gefäße; man injiziert dieselben mit einer Masse, die sich in einer ätzenden Flüssigkeit nicht löst, während
die übrigen Körperbestandteile sich darin sämtlich auflösen (Korrosionspräparate). Um diejenigen
Präparate, deren Anfertigung viel Zeit und Mühe erfordert, oder die seltene Abweichungen vom normalen Bau und interessante
krankhafte Veränderungen der Körperteile darstellen (pathol. Präparate), behufs des Vortrags der Anatomie möglichst in
ihrer natürlichen Form aufzubewahren, trocknet man sie an der Luft oder durch Bestreichen mit Holzessig
und überzieht sie dann mit einem durchsichtigen Firnis (trockne Präparate); oder man bringt sie in Flüssigkeiten, durch
die sie vor der Fäulnis geschützt werden, wie Alkohol von 50 bis 90°, Carbolsäure, Sublimatlösung u. dgl., oder behandelt
sie mit der Wickersheimerschen Flüssigkeit (s. d.). Solche Präparate, in besondern
Schränken und Zimmern aufgestellt, bilden die anatomischen (oder pathol.) Sammlungen oder Museen. Da
es unmöglich ist, alle Teile in ihrer Integrität aufzubewahren, da namentlich Farbe und feine Faserungen stets verloren gehen,
so hat man es mit Glück versucht, sie durch die plastische Kunst nachzubilden, und zwar aus Holz
[* 31] oder Elfenbein, wie das
Gehörorgan, oder aus Wachs (Wachspräparate) oder Papiermaché. Mit allgemeinerm Nutzen und verhältnismäßig
geringerm Kostenaufwand wandte man aber längst die Zeichenkunst
[* 32] zu anatom. Darstellungen an. Solche Abbildungen, die man
anatomische Tafeln nennt, hatte bereits Aristoteles gefertigt und seinen (verlorenen) anatom. Schriften beigegeben. Im 16. Jahrh.
beschäftigten sich die größten Maler, wie Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael, Tizian, Dürer, mit
solchen Zeichnungen.
Geschichtliches. Die außerordentliche Wichtigkeit der Anatomie als Wissenschaft für den Arzt wie für den Physiologen und Naturforscher
hatte man schon frühzeitig erkannt, wenn es sich auch niemals mit Gewißheit ermitteln lassen wird, wer zuerst genauere
anatom. Studien, zumal an menschlichen Leichnamen, machte. Im Altertume verhinderten lange Zeit religiöse
Ansichten, die tote Hülle des Menschen, selbst zur Befriedigung einer edeln, dem Lebenden
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