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dient sie in zahllosen Fällen dazu, auf ein allgemeines, gesetzmäßiges Verhalten, auf das man bisher nicht achtete, aufmerksam
zu machen. In allen nicht streng begründeten Wissenschaften (z. B. Grammatik, philol. Kritik und Hermeneutik, praktische
Heilkunde), vollends im gemeinen Leben ist sie die geläufigste Schlußart. Ihr Gebiet erweitert sich, je mehr man
sich dem in der Erfahrung gegebenen Einzelnen nähert, wobei zugleich ihre Unsicherheit eine Schranke findet an der beständig
wiederholten Berichtigung durch weitere Erfahrung.
der Empfindung nennt man die Verwandtschaft, die zwischen Empfindungen verschiedener Sinne zu bestehen scheint, z. B. zwischen
tiefen Tönen und dunkeln Farben, zwischen Kälte und Wärme einerseits und gewissen Farbentönen andererseits.
Über Analogie im zoologisch-morphologischen Sinne s. Ähnlichkeit.
In der evangelischen Theologie bezeichnet der Schrift den Grundsatz, daß undeutliche Aussprüche der Schrift nach deutlichen
zu erklären sind. Während die kath. Kirche die Erklärung der Schrift nach der kirchlichen Tradition fordert, behauptet die
evang. Kirche, daß die Schrift aus sich selbst zu erklären sei. Dabei wird vorausgesetzt, daß ein wirklicher
Widerspruch in der Bibel nicht vorkommen könne; es handle sich nur um scheinbare Widersprüche, die stets aus der Betrachtung
des Gesamtinhalts ihre Lösung fänden. Die ältern Protestanten stellten einen nach ihrer Meinung aus der Schrift geschöpften
kurzen Inbegriff der christl. Lehre unter dem Namen der Analogie des Glaubens auf, als Maßstab für die Erklärung
dunkler Stellen.
In der Rechtswissenschaft dient die Analogie dazu, Lücken der Gesetzgebung auszufüllen. Die Auslegung sucht bei Unklarheit oder
bei Inkorrektheit des Ausdrucks eines Gesetzes den richtigen Sinn, also das zu ermitteln, was der Gesetzgeber
hat sagen wollen. Die Analogie geht über den Inhalt des Gesetzes hinaus. Enthalten die Gesetze für einen gegebenen Fall keine
Bestimmung, so wendet der Richter oder die zur Entscheidung berufene Behörde die für einen ähnlichen Fall getroffene Bestimmung
an, wenn der Grund dieser letztern Bestimmung auch für den nicht entschiedenen Fall zutrifft.
Das ist die Gesetzesanalogie. Ihre Berechtigung beruht darin, daß keine menschliche Gesetzgebung alle Kombinationen möglicher
Rechtsfälle im voraus übersehen kann, und daß das Rechtsleben immer wieder neue Verhältnisse erzeugt, welche der Urheber
des frühern Gesetzes nicht kannte. Bestimmungen zum Schutze von Telegraphenleitungen werden angewendet auf die
später erfundenen Telephonleitungen; Bestimmungen über die Klagen wegen Verletzung des Eigentums an Sachen werden, wenn
sie dem Grunde nach passen, auf Klagen wegen Verletzungen des geistigen Eigentums angewendet, soweit für diese ausreichende
Bestimmungen nicht getroffen sind.
Die analoge Anwendung ist ausgeschlossen, wenn das Gesetz eine klare Bestimmung dahin getroffen hat,
daß es über seinen Sinn hinaus nicht angewendet werden soll. Diese Bestimmung wird vielfach in dem §. 2 des Deutschen Strafgesetzbuchs
gefunden, daß eine Handlung nur dann mit Strafe belegt werden kann, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung
begangen wurde (nulla poena sine lege). Doch würde dadurch nur ausgeschlossen, daß Handlungen nach
einem Gesetz bestraft werden dürfen, wenn sie den von diesem aufgestellten Thatbestand
nicht erfüllen. Es wird aber nicht
ausgeschlossen, daß Strafmilderungs- oder Strafschärfungsgründe, welche das Gesetz für ein Vergehen oder Verbrechen aufgestellt
hat, analog bei einem ähnlichen Vergehen und Verbrechen innerhalb des hier geordneten Strafmaßes angewendet
werden.
Die Analogie gilt für das gesamte Rechtsgebiet des öffentlichen wie des Privatrechts, für das materielle Recht wie für die das
Verfahren betreffenden Rechtsgebiete. Sie ist auch grundsätzlich nicht ausgeschlossen bei Gesetzen, welche die Natur
von Ausnahmebestimmungen haben. Nur darf die Anwendung nicht über den Grund der Ausnahmebestimmungen hinausgehen.
Findet sich eine ähnliche gesetzliche Bestimmung nicht, so hat der Richter oder die Behörde das, was dem Fall am angemessensten
ist, zu suchen. Sie werden sich hier von dem durch die Praxis geübten und durch die Kenntnis des ganzen Rechtssystems geleiteten
Rechts- und Billigkeitsgefühl bestimmen lassen. Diese Entscheidung aus der Natur der Sache hat man auch
Rechtsanalogie genannt. Auf ihr beruht die Weiterbildung des gesetzlichen Rechts durch die Praxis. Der Deutsche Entwurf sagt
für analog rechtsähnlich.
eine Sprachform, die nicht durch eine rein lautmechanische (lautgesetzliche) Fortbildung, sondern
dadurch zu stande gekommen ist, daß eine andere Sprachform, die im Bewußtsein mit ihr verbunden (associiert)
ist, auf sie eingewirkt hat. Dieser Vorgang heißt auch Formübertragung, Formassociation. So ist z. B.
«wir sangen» statt «sungen»
(mhd. sungen) nach dem Singular «sang» gebildet, «Geburtsjahr»
statt «Geburtjahr» nach «Lebensjahr»
u. dgl. -
Vgl. Osthoff, Das physiol. und psychol.
Moment in der sprachlichen Formenbildung (in der «Sammlung
gemeinverständlicher Vortrage», hg. von Virchow und Holtzendorff, Heft 327, Berl. 1879); F. Masing, Lautgesetz und Analogie
in der Methode der vergleichenden Sprachwissenschaft (Petersb. 1883); Wheeler, Analogy and the scope of its application
in language (Ithaka, N.-Y., 1887).
Eine besondere Art der Analogiewirkung ist die Volksetymologie (s. d.).
(grch.), Menschen, die des Lesens und Schreibens unkundig sind. Statist. Erhebungen über die Zahl der Analphabeten sind
von hervorragender Bedeutung für die Beurteilung des Bildungszustandes eines Volks und werden in den meisten Kulturstaaten
veranstaltet. Auf Grund ihrer bisherigen Ergebnisse läßt sich die größere oder geringere Verbreitung der elementaren
Kenntnisse des Lesens und Schreibens in den einzelnen Ländern mit einiger Sicherheit beurteilen. Schwierigkeiten verursacht
die Begriffsbestimmung insofern, als die Anforderungen an diejenigen, welche nicht unter die Klasse der Analphabeten zu rechnen sind,
örtlich verschieden bemessen werden. Zur Feststellung der Zahl der Analphabeten hat man drei Methoden eingeschlagen,
die direkte Zählung, die Ermittelung gelegentlich der Rekrutenaushebungen und die gelegentlich der Eheschließungen.
analphabeten. Die Ergebnisse der Volkszählungen leiden hinsichtlich der Analphabeten ganz besonders unter dem Mangel an Einheitlichkeit und Genauigkeit
des Erhebungsverfahrens, weshalb die folgenden Zahlen mit Vorsicht aufzunehmen sind. Es gestaltete sich das Prozentverhältnis
der Analphabeten im Alter von über 6 und 10 Jahren für die gleichalterige männliche und weibliche Bevölkerung:
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Länder |
Zählungsjahr |
Alter über |
Prozent männl. Geschlecht |
Prozent weibl. Geschlecht |
Prozent männl. und weibl. Geschl.
|
Belgien |
1880 |
6 Jahr |
31,38 |
37,18 |
34,28 |
Irland |
1881 |
" |
22,20 |
25,20 |
23,70 |
Italien |
1881 |
" |
54,56 |
69,32 |
61,94 |
Österreich |
1890 |
" |
38,96 |
41,38 |
40,19 |
Ungarn-Siebenbürgen |
1880 |
" |
44,45 |
52,88 |
48,75 |
Kroatien, Slawonien und Fiume |
1880 |
" |
67,62 |
79,63 |
73,65 |
Finland |
1880 |
10 J. |
2,13 |
1,68 |
1,90 |
Frankreich |
1872 |
" |
28,08 |
34,66 |
31,39 |
Preußen |
1871 |
" |
9,50 |
14,73 |
12,17 |
Vereinigte Staaten von Amerika weiße Bevölkerung |
1880 |
8,59 |
10,22 |
9,39 | |
Vereinigte Staaten von Amerika schwarze Bevölkerung |
1880 |
67,32 |
72,70 |
70,00 | |
b. Das Prozentverhältnis der Analphabeten bei Rekrutenaushebungen war 1881:
Serbien 79,31, Rußland 79,04, Ungarn 50,80, Italien 47,74, Österreich 38,90, Belgien 15,99, Frankreich 14,91, Holland 10,4, Schweiz
2,50, Deutsches Reich 1,59, Schweden 0,39, Dänemark 0,36.
Für einige deutsche Staaten brachten die jüngsten Jahrgänge folgendes Ergebnis:
|
1888/89 |
1889/90 |
1890/91 |
1891/92 |
1892/93 |
1893/94 |
Preußen |
0,94 |
0,78 |
0,82 |
0,69 |
0,59 |
0,37 |
Bayern |
0,03 |
0,05 |
0,03 |
0,01 |
0,03 |
0,03 |
Sachsen |
0,01 |
0,01 |
0,07 |
0,01 |
0,01 |
0,04 |
Württemb. |
0,03 |
0,01 |
0,04 |
0,03 |
0,04 |
0,01 |
Elsaß-Lothr. |
0,26 |
0,33 |
0,23 |
0,35 |
0,30 |
0,14 |
Für das ganze Deutsche Reich gestaltete sich das Prozentverhältnis: 0,60, 0,51, 0,54, 0,45, 0,38, 0,24, wonach also die
Zahl der Analphabeten im Heere immer mehr zurückgeht.
In Preußen zeichnen sich aus durch eine hohe Analphabetenziffer die stark poln. Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen,
doch hat sich die Zahl der Analphabeten auch hier neuerdings stark vermindert, und zwar 1883/84 bis 1893/84 in Ostpreußen
von 6,58 auf 0,76, in Westpreußen von 7,38 auf 2,25 und in Posen von 8,89 auf 1,26 Proz. Auch in den
obengenannten fremden Staaten ist die Zahl der Analphabeten unter den Rekruten im Laufe der Jahre ununterbrochen weiter zurückgegangen.
c. Bei Eheschließungen ermittelt man die Zahl derer, die die Heiratsurkunde nicht unterzeichnen können. Unter 100 Eheschließenden
waren in:
|
England |
Schottland |
|
überhaupt |
männl. |
weibl. |
überhaupt |
männl. |
weibl. |
1852 |
37,6 |
30,5 |
44,6 |
- |
- |
- |
1862 |
28,5 |
23,7 |
33,2 |
15,18 |
10,01 |
20,55 |
1872 |
22,9 |
19,4 |
26,3 |
15,48 |
10,44 |
20,52 |
1882 |
15,2 |
13,2 |
17,1 |
10,00 |
6,85 |
13,16 |
1890 |
7,0 |
7,2 |
8,3 |
5,2 |
3,9 |
6,4 |
|
Frankreich |
Rumänien | |
|
überhaupt |
männl. |
weibl. |
überhaupt |
männl. |
weibl. |
1862 |
35,90 |
28,54 |
43,26 |
- |
- |
- |
1872 |
28,69 |
22,64 |
34,75 |
87,9 |
82,7 |
93,1 |
1882 |
18,50 |
14,39 |
22,62 |
86,3 |
79,6 |
93,0 |
|
Irland |
Italien | |
|
überhaupt |
männl. |
weibl. |
überhaupt |
männl. |
weibl. |
1872 |
38,20 |
34,6 |
41,8 |
65,75 |
56,22 |
75,28 |
1882 |
27,65 |
25,6 |
29,7 |
57,45 |
46,68 |
68,90 |
Soweit
die vorstehenden Zahlen einen Schluß auf den Bildungsgrad der Völker zulassen, ist derselbe am geringsten in den slaw.
Bändern und bei den Schwarzen der Vereinigten Staaten von Amerika. Die roman. und magyar. Länder sowie Österreich, Holland
und Großbritannien nehmen eine Mittelstellung ein. Auf der höchsten Stufe stehen die übrigen german. Länder, die Weißen
der Vereinigten Staaten von Amerika und der finn. Stamm.
Vgl. neben den statist.
Veröffentlichungen der Staaten, besonders Italiens,
Mischler, über in der «Statistischen Monatsschrift», 12. Jahrg. (Wien 1886).
Die Notariatsordnungen, sowie die Gesetze über die Aufnahme von Verhandlungen, welche der nicht streitigen
Rechtspflege angehören, enthalten zumeist besondere Vorschriften darüber, wie zu verfahren sei, wenn Analphabeten eine
Urkunde ausstellen wollen. Nach dem Preuß. Allg. Landr. I, 5, §§. 171 fg. und Anhang §. 5 müssen Analphabeten ihre Verträge, welche
der schriftlichen Form bedürfen, gerichtlich aufnehmen lassen. Fast alle geltenden Rechte enthalten ferner
besondere Vorschriften über die Errichtung letztwilliger Verfügungen seitens der Analphabeten. Im Gemeinen Rechte wird die Zuziehung
eines Unterschriftszeugen bei Errichtung der Verfügung vor sieben Zeugen (sog. octavus subscriptor) verlangt; ähnlich bestimmt
der Code civil Art. 977, 978 (den Analphabeten ist das sog. mystische
Testament versagt) und das Sächs.
Bürgerl. Gesetzb. §. 204 (für die Errichtung vor fünf Zeugen); das Preuß. Allg. Landr. 1,12, §§. 113 fg. verlangt sogar
die Zuziehung von zwei glaubwürdigen Männern mit näher bezeichneten Eigenschaften. Das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §§.
580, 581 bestimmt, daß derjenige, welcher nicht schreiben kann, in Gegenwart der drei Zeugen das Handzeichen
beisetzen müsse, und daß dem, welcher nicht lesen kann, der Aufsatz von einem der Zeugen in Gegenwart der beiden andern
vorzulesen sei.
Nach der Civilprozeßordn. §. 381 machen Privaturkunden vollen Beweis dafür, daß die in denselben enthaltenen Erklärungen
von den Ausstellern abgegeben sind, sofern sie unterschrieben oder mittels gerichtlich oder notariell
beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind. Eine der letztern gleiche Vorschrift enthält die Deutsche Wechselordnung Art. 94. Die
Vollmacht muß nach §. 76 der Civilprozeßordnuug auf Verlangen des Gegners gerichtlich oder notariell beglaubigt werden;
dies genügt also auch für die Vollmacht seitens eines Analphabeten.