Altertümer, die aus vorcolumbischer Zeit stammenden
Denkmäler, die Reste des Hausgeräts,
der gewerblichen und künstlerischen Erzeugnisse der eingeborenen Nationen
Amerikas. In Betracht kommen namentlich die Gebiete,
in welchen in vorcolumbischer Zeit eine höhere
Civilisation oder wenigstens eine Art Halbkultur sich entwickelt hatte. Das
sind das Mississippithal und die östlich desselben gelegenen Gebiete (s. Mounds
[* 5] und Moundbuilders),
die Territorien Neumexiko und
Arizona (s. Pueblo-Indianer,Casas-Grandes),
Centralamerika (s. Mexikanische
[* 6] Altertümer, Maya,
[* 7] Nicaragua,
[* 8]
Darien), die Hochländer der heutigen
Vereinigten Staaten
[* 9] von Columbia
[* 10] (s.
Chibcha) und
Peru,
[* 11]
Bolivia
[* 12] und
Chile (s. Peruanische
[* 13]
Altertümer).
Weitaus in den meisten dieser Gebiete handelt es sich um Gegenstände, die ein jahrhundertelanges Liegen in der Erde vertragen,
ohne gänzlicher Zerstörung anheimzufallen. Aus den Mounds des Mississippithals sind schöne irdene
Gefäße, aus
Speckstein geschnitzte
Tabakspfeifen,
Knochen- und Perlmutterschmucksachen und einzelne wenige auch aus Kupfer
[* 14] bekannt geworden (s.
Tafel: Amerikanische Altertümer I,
[* 1]
Fig. 1-9). Die Hauptmasse der neuamerik.
Altertümer sind gröbere
und feinere dekorierte
Gefäße. In Mexiko
[* 15] und den angrenzenden centralamerik.
Staaten haben sich herrliche Bauwerke mit
Skulpturen erhalten und eine Fülle an Gegenständen aus
Stein,
Thon und Muschelschale,
auch einige feinere
Stücke inTürkis-und Federmosaik (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 10-23; II,
[* 1]
Fig.
1-3, 4).
Costa-Rica (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 5), der Isthmus und Columbia (s.
Taf. II,
[* 1]
Fig. 6-10) haben eine Menge goldener Geräte und Schmucksachen
[* 16] geliefert.
Unter den peruan. Altertümern (s. Taf. II,
[* 1]
Fig.
11-23) sind in erster Linie bemerkenswert und seit alter Zeit bekannt die schön verzierten und originell geformten
Vasen.
[* 17]
Der Umstand, daß es in den Küstengebieten Perus fast nie regnet, hat zur Folge gehabt, daß in den
dortigen Gräberfeldern die vergänglichsten und zerstörbarsten Gegenstände unzerstört sich erhalten haben, und in neuerer
Zeit vorgenommene systematische
Ausgrabungen haben eine überwältigende Fülle derselben zu
Tage gefördert, schön gewebte
und verzierte
Stoffe, Hausgerät aller Art, Nahrungsmittel,
[* 18]
Mais und
Bohnen und in wohlverspundeten
Gefäßen Reste von Getränk.
Am reichsten an Amerikanische sind das
Peabody-Museum in
Cambridge (Massachusetts), das Nationalmuseum in
Washington
[* 19] und die ethnogr. Museen von
Berlin,
[* 20]
London
[* 21] und
Paris.
[* 22]
Litteratur.Hauptwerke sind: Squier und Davis, Ancient Monuments of the Mississippi Valley (Neuyork
[* 23] 1848);
Kingsborough, Mexican
Antiquities (9 Bde., Lond. 1831-18):
Humboldt und
Bonpland, Vues des Cordillères et Monuments des peuples indigènes de l'Amerique (2 Bde.,
mit 69
Tafeln);
Stephens, Incidents of travel in
CentralAmerica, Chiapas and
Yucatan (2 Bde., Neuyork 1841);
ders., Incidents
of travel in
Yucatan (2 Bde., ebd. 1843);
Kunst. Die ersten Regungen, einer der europäischen verwandten Kunstthätigteit
zeigten sich in
Amerika bald nach der Eroberung durch die
Spanier zunächst in der
Baukunst.
[* 25] Den im Barockstil errichteten Kirchenbauten
ist eine kräftige Massenwirkung und
Sinn für
Größe und Raumbildung ebenso eigentümlich, als der überreiche Schmuck und
die derbe
Bildung im einzelnen. Nach dem festungsartig schwerenBau von
San Francisco zu
Tula (1540-61) entstand
die Kuppelkirche zu Merida (1598 vollendet) und die gewaltige
Kathedrale von Mexiko (1573-1056), deren Haupttürme bis zu 60 m
Höhe ansteigen.
Die stark barocke
Parochialkirche zu
Lagos, die 1649 geweihte
Kathedrale zu Puebla und die
Kirche zu
Chihuahua (1789 vollendet)
zeigen weitere Fortbildungen der span. Kunstweise. Doch tritt allmählich,
besonders im 18. Jahrd., die überreiche Dekoration mehr zurück, während die großartige Raumentfaltung blieb.
Beispiele
hierfür bieten an Francisco und das Sagrario Metropolitano zu Mexiko sowie die
Kathedrale zu
Leon. Auch im Profanbau wurden
stattliche Werke geschaffen: der Palacio Nacional aus dem J. 1692, mit über 200 m Frontlänge, das
Ayuntamiento
(1720-24) die Mineria (1797-1813) zu Mexiko sind
Beweise von der formal zwar oft unsichern, aber großsinnigen Schaffensweise
der dortigen Künstler. In
Südamerika
[* 26] sind die stattlichen
Kirchen zu
Cuzco (1537 begonnen), in Rio
[* 27] de Janeiro,
Bahia,
[* 28]
Buenos-Aires,
Lima,
[* 29] Santiago (dort namentlich die mächtige 1647-1748 errichtete
Kathedrale) zu erwähnen. Die
Baukunst
jener
Länder ist aber noch zu wenig bekannt, als daß ein klares
Bild der
Entwicklung gegeben werden könnte.
Die nach Nordamerika
[* 30] verpflanzte Kunst, von England und den
Niederlanden beeinflußt, strebte mehr praktischen als künstlerischen
Zielen nach. Auch hier gingen die span. Katholiken mit ihrem
Beispiel voraus.
In den neumerik.
Städten,
wie z. B.
Santa Fé, finden sich früher als in den prot. Landesteilen Bauten, die auf durchbildete Gestaltung
Anspruch erheben.
Der
Süden folgt auch in der Folge mehr den Anregungen kath.
Länder. Die 1792-94 errichtete
Kathedrale von Neuorleans zeigt
eine Mischung franz. Klassicismus mit got.
Anklängen. Ihr gegenüber steht im Norden
[* 31] die
Christ-Church in
Philadelphia
[* 32] (1727 vollendet), welche sich an die Bauten des
Christopher Wren in
London anlehnt und das
State-House zu
Boston
[* 33] wie das
White-House zu
Washington, beide mehr Zweck- als Schmuckbauten
im
Sinn des holländ. Schaffens.
Im 19. Jahrh. wirkten die verschiedenen Kunstschulen Europas, von dem
Strom der Einwanderer getragen,
auf
Amerika. Die bescheidene Kunst der «old colonial-times» konnte diesen
Einflüssen nicht
¶
mehr
widerstehen. Zunächst war es der engl. Klassicismus, der in AmerikaBoden faßte. Sein Hauptwerk ist das großartige Kapitol
zu Washington (1793 begonnen; s. Tafel: Amerikanische Kunst I,
[* 34]
Fig. 7), mit seinen mächtigen korinth. Säulenhallen und der
bis zu 90 m aufsteigenden Kuppel, ferner das Patent-Office zu Washington, das Custom-House zu Boston und zu
Neuyork, die Münze zu Philadelphia und andere meist profane Bauwerke. Früh trat mit diesem Stil die ebenfalls von England
beeinflußte RomantischeBaukunst in Wettbewerb, welche namentlich im Kirchenbau eine Reihe großer und künstlerisch bedeutender
Werke ins Leben rief.
Das anwachsende Bedürfnis in neu emporblühenden Großstädten gab dem künstlerischen Schaffen immer
neue Aufgaben. Die 1858 begonnene St. Patricks-Kathedrale zu Neuyork zeigt im Stil der Hochgotik einen mächtigen, aber in den
Formen etwas magern Bau. Die Trinity-Church, Thomas-Church und andere Neuyorker Bauten des engl. Architekten Upjohn gehören
derselben Kunstweise an. Die räumlich minder bedeutende, aber künstlerisch höher stehende All-Saints
Cathedral in Albany (s. Taf. 1,
[* 34]
Fig.
[* 35] 1) zeigt dagegen schon das Zurückgreifen auf
die Frühgotik und die roman. Stilarten, welche in der Folge der amerik.
Baukunst eigen blieb. Durchgebildete roman. Kunstweise zeigen die Holy Communion-Church
in Philadelphia, die merkwürdige Centralanlage der Trinity-Church zu Boston und die New Old South-Church
daselbst mit ihrem an ital. Vorbilder mahnenden Turm.
[* 36] Im Profanbau haben die romantischen Stilweisen eine besondere Pflege
gefunden. Das Parlamentshaus zu Ottawa (Canada), das State-Capitol zu Hartford (Connecticut), die Bibliotheken zu Burlington
(Vermont) und Woburn (Massachusetts), das Alleghany-CountyCourt-House zu Pittsburgh, das Art-Museum zu Cincinnati, die dem Palazzo
ducale zu Venedig
[* 37] nachgebildete Nationalakademie und das got. Naturhistorische Museum zu Neuyork, sowie
zahlreiche andere Bauten zeugen vom Reichtum und vom Kunstsinn des Landes.
Minder glücklich erscheint Amerika in der Verwendung der Renaissance. Zwischen einer massigen und einer in den Einzelheiten
zu schüchternen Formgebung schwankend, haben die Architekten nur selten das rechte Maß zu finden gewußt.
Monumentale Anlagen, wie das State-Capitol zu Albany (Neuyork), erscheinen oft in der Gruppierung fast mittelalterlich schwer,
andere, wie die New City-Hall zu Philadelphia, welche die in Amerika sehr beliebten Formen des Louvre aufnimmt, gehäuft und
überladen; der riesige Turm dieses Bauwerkes ist der höchste der Welt.
Die Stadthallen, Bibliotheken, Bahnhöfe,
[* 38] Museen, Theater
[* 39] u. s. w., räumlich vielfach die größten der Welt, zeigen ebenso
wie die Schlösser, Villen und Stadthäuser alle Stile Europas in oft rücksichtsloser Mischung, die zwar europ. Empfinden
widerspricht, oft aber von einer wahrhaft fruchtbaren Unbefangenheit zeugt; in ihnen kommen der Wohlstand und die freien
gesellschaftlichen Formen des Landes in anmutigster Weise künstlerisch zum Ausdruck. Das Berkshire Apartmenthouse
zu Neuyork mit seinen 9 Stockwerken und ein Landhaus zu Neuport, Rhode-Island (s. Taf. I,
[* 34]
Fig. 3 u. 4), mögen als charakteristische
Beispiele des Profanbaues aufgeführt werden. In den kleinern Werken wie in denen des Kunstgewerbes zeigt sich
eine künstlerische Selbständigkeit und Feinheit der Empfindung, welche hoffen läßt, daß es Amerika gelingen werde, sich
einst stilistisch, Europa
[* 40] gegenüber, selbständig
zu machen.
Die BildnereiAmerikas, von der sich die ersten Spuren seit 1800 nachweisen lassen, begann eine höhere künstlerische Durchbildung
erst in der Mitte des Jahrhunderts zu erlangen. Die beiden Meister H. Powers und H. Greenough, welche
im Lande selbst die Anregung zu ihrer Kunst fanden, gingen früh nach Rom,
[* 41] wo sie sich, gleich den zeitgenössischen engl.
Bildhauern, eng an Canova und Thorwaldsen anschlossen. Mehr Eigenart wahrten sichThomas Crawford (1814-57) und Erasmus Dow Palmer
(geb. zu Pompey, Neuyork, 1817), welchen dafür ein gewisser Mangel an Schule anhaftete. Die jüngere
Richtung, der sich auch Powers zugesellte, nahm die dem Renaissancegeschmack zuneigende Richtung der Italiener und Franzosenauf und steigerte sie bis zu einem scharf ausgeprägten Realismus. J. Ward, J. Boyle, John Donoghue (s. Taf. I,
[* 34]
Fig. 6), St.
Gaudens (s. Taf. I,
[* 34]
Fig. 2) entwickelten in dieser
Richtung eine Kunstweise, die trotz einzelner nationaler Züge, namentlich eines scharfen Erfassens individueller Eigentümlichkeiten
im Porträt, doch die europ. Herkunft nicht verleugnet.
Ebensowenig ist dies bei den unter deutschem Einfluß gebildeten Künstlern, W. H. Rinehart, M. I. Ezekiel, E. Keyser u. a.
der Fall, während W. W. Story (s. Taf. 1,
[* 34]
Fig.
[* 35] 5), J. R. Rogers undL. Bebisso sich dem ital.
Geschmacke nahe hielten. Im allgemeinen hat sich namentlich seit dem Bürgerkriege eine großartige Thätigkeit in Amerika
entfaltet. Der Hoffnung aber, daß ein selbständiger Stil im Schaffen zu stande kommen werde, steht die
Vorliebe der Amerikaner selbst für die Werke der Alten Welt gegenüber der einheimischen Kunst bisher hinderlich entgegen.
Reicher gestaltet sich die Geschichte der amerik. Malerei; anfangs von England beeinflußt, konnte sie schon zu Ende
des 18. Jahrh. zwei hervorragende Kräfte, B. West (s. Taf. 11,
[* 34]
Fig.
1) und John Singleton Copley, an das Mutterland abgeben, während ihr in J. Trumbull ein selbständiger,
im großen schaffender Künstler erhalten blieb, dem sich neben geringern Kräften G. C. Stuart als trefflicher Bildnismaler
anschloß. Doch blieb auch auf diesem Gebiet Amerika im wesentlichen der entlehnende Teil. Während es in der ersten Hälfte
des 19. Jahrh. England war, dessen Anregungen die Vereinigten Staaten beherrschten, trat seit 1841 durch
den Einfluß E. Leutzes (s. Taf. II,
[* 34]
Fig. 2) ein Umschwung zu Gunsten der
Düsseldorfer Schule ein. Amerikanische Bierstadt vertritt diese noch in der Landschaftsmalerei. Im Laufe der sechziger und siebziger
Jahre fand dann die moderne PariserRichtung allgemeinern Anklang.
Obgleich am die Society of AmericanArtists gegründet, ferner Akademien nach europ. Muster (namentlich in Philadelphia)
eingerichtet wurden, blieb es doch die Regel, daß die amerik. Maler ihre Studien in Europa machten. Doch entfaltete sich die
Tiermalerei durch Beard, PeterMoran und Poore, die Landschaftsmalerei durchThomas und PeterMoran (s. Taf.
II,
[* 34]
Fig. 3), die
[* 34]
Figurenmalerei durch J. G. Brown zu ansehnlicher Höhe; als Porträt-und Genremaler ist W. Chase (s. Taf.
II,
[* 34]
Fig. 5) hervorzuheben. Die neuesten amerik. Schöpfungen von F. Amerikanische Bridgman (s. Taf. II,
[* 34]
Fig. 4), H. Mosler, Ch.
Sprague Pearce, E. Lord Weeks u. a. unterscheiden sich wenig von denen
der modernsten Pariser Kunst. Auch ließ man der Aquarellmalerei eine umfassende Pflege zu teil werden. Es fehlt aber auch
¶