erstern gehört der große Ameisenbär oder
Ameisenfresser
(MyrmecophagajubataL., s.
Tafel: Zahnarme Säugetiere I,
[* 1]
Fig. 1), der
Yurumi
der Brasilianer, ein über meterlanges, abenteuerlich gestaltetes
Tier. Der kleine
Kopf ist langgestreckt mit walzenförmiger
Schnauze, völlig zahnlosen
Kiefern und sehr kleiner Mundspalte, aus der eine wurmförmige, klebrige
Zunge hervorgeschnellt
werden kann. Die muskulösen Vorderbeine enden in mächtige, sichelförmige Grabkrallen, die beim
Gehen
seitlich eingeschlagen werden. Der Körper ist mit dichtem, straffem
Haar
[* 2] bekleidet, das sich aus dem Rücken verlängert
und eine sich nach hinten vergrößernde Mähne bildet, die auf dem fast körperlangen
Schwanze als ein kolossaler Haarwedel
sich entwickelt. Die Färbung, durch
Binden und Streifungen auf hellem und dunkelm
Grunde ausgezeichnet,
variiert bei den einzelnen Exemplaren.
Der große Ameisenbär bewohnt die tropischen
UrwälderSüdamerikas und nährt sich, einsam umherschweifend, vorzugsweise von
Termiten,
[* 3] deren feste Erdbauten und Hügel er mit den Krallen der Vorderbeine aufreißt, um dann die zu Tausenden zur
Verteidigung ihrer Wohnung hervorstürzenden
Insekten
[* 4] mit seiner leimrutenartig wirkenden Wurmzunge einzuschlürfen. Auch
Ameisen und andere kleine
Insekten dienen ihm zur Nahrung. Sonst harmlos, kann er, wenn angegriffen, durch seine gewaltige
Körperkraft zu einem gefährlichen Gegner werden.
Der große Ameisenbär wird zuweilen nach Europa
[* 5] herübergebracht und hält sich bei geeigneterVerpflegung oft
mehrere Jahre. Als Futter giebt man ihm geschabtes Rindfleisch, einen steifen Brei aus Maizena in
Milch, rohe
Eier
[* 6] und
Ameiseneier.
Der Preis ist ziemlich hoch und beträgt für ein
Tier von mittlerer
Größe etwa 800 M. Eine kleinere, nur bis 60 cm lange
Art ist der
Tamandua
(MyrmecophagatetradactylaL.), die kleinste der 23 cm messende zweizehige oder kleine
Ameisenbär
(MyrmecophagadidactylaL.,Tafel: Zahnarme Säugetiere I,
[* 1]
Fig. 3); beide sind Baumtiere, welche sich langsam kletternd
und mit dem Wickelschwanz sichernd umherbewegen. Der erstere findet sich von Mexiko
[* 7] bis
Paraguay,
[* 8] der zweizehige dagegen nur
im äquatorialen
Südamerika.
[* 9]
(MyrmecobiusWaterh.,) eine eigentümliche, nur in einer Art bekannte Form von
Beuteltieren, durch den
Zahnreichtum ihres Gebisses (52), die wurmförmige, nach Art der
Ameisenbären verwendete
Zunge und langen, buschigen
Schwanz
charakterisiert. Die Weibchen haben keinen
Beutel,
[* 10] sondern die Zitzen liegen frei. Der Ameisenbeutler (Myrmecobius fasciatusWaterh., s.
Tafel:
Beuteltiere
[* 11] II,
[* 1]
Fig. 2) ist ein mit dem 18 cm langen
Schwanze 43 cm messendes
Tier, das auf dem Rücken
schwarzbraun, mit 7-9 weißen Querstreifen, an der Unterseite gelbgrau ist. Es bewohnt das südwestl.
Australien
[* 12] und ernährt
sich von
Gliedertieren, besonders von
Ameisen.
(richtiger
Ameisenpuppen), wertvolles Futter für
Stubenvögel,
[* 13] kostbares Junggeflügel, besonders Fasanen,
auch Fische
[* 14] u. a. Aquarientiere, werden in großen Waldungen vom April bis
August massenhaft eingesammelt. Deutsche
[* 15] Ameiseneier sind
besser als russische, weil reiner und sorgfältiger gesammelt. Die Ameiseneier kommen anfangs frisch, dann «geschwellt»
oder «abgeschreckt, d. h. schwach betrocknet, und
zuletzt auf
Darren im
Backofen völlig getrocknet, in den
Handel. Das unbefugte Sammeln der Ameiseneier ist zwar
durch Reichsgesetz nicht verboten,
doch haben einzelne
Bundesstaaten
(Bayern,
[* 16] Art. 125 des Polizeigesetzes vom Preußen
[* 17] droht Geldstrafe an, bis 100 M. oder 4 Wochen Haft; ähnlich
Württemberg,
[* 18] beide
Mecklenburg,
[* 19] Oldenburg,
[* 20]
Sachsen-Coburg-Gotha,
Lippe-Schaumburg) darauf bezügliche gesetzliche Bestimmungen.
(EchidnaCuv.), eine zur Ordnung der Monotremen oder Kloakentiere gehörige Gattung von Säugetieren, plumpe,
auf der Oberseite mit einem dichten Stachelkleide versehene Geschöpfe, deren
Kopf in einen dünnen, walzenförmigen Schnabel
sich verlängert, an dessen
Spitze die kleine, enge Mundspalte sich öffnet. Ans derselben kann eine wurmförmige
Rollzunge hervorgeschnellt werden, welche im
Verein mit den großen Krallen der kurzen
Beine jene
Anpassung an die
Ameisen- und
Termitennahrung wiederholt, welche auch die
Ameisenbären und Schuppentiere zeigen. Von den bekannten
Arten bewohnt eine die
Gebirgsgegenden im Südosten
Australiens, eine zweite Neusüdwales und Tasmania, und eine neuerdings entdeckte große Art
(Proëchidna Bruyni Gerv.), mit in dichtem schwarzen Pelze versteckten
Stacheln, Neuguinea.
Alle sind nächtliche, in der Erde grabende
Tiere, die auf der tiefsten
Stufe der Organisation unter allen
Säugetieren stehen.
Über ihr Eierlegen s. Kloakentiere.
(Formikation,Myrmecismus), ein kriebelndes Gefühl in der
Haut,
[* 21] wie wennAmeisen
darüber liefen, weist, wenn es oft oder dauernd eintritt, auf eine
Störung im
Nervensystem hin.
Durch Druck auf einen Nervenstamm
wird es in dem Hautgebiete hervorgerufen, welches der gedrückte
Stamm mit
Nervenfasern versieht;
daher auch das Kriebelgefühl
an sog. eingeschlagenen Gliedern.
Die vollkommenen
Insekten, auch
Ameisenjungfern genannt, gleichen
bis auf die ziemlich langen, keulenförmigen Fühler den Libellen;
die gedrungen gebauten Larven graben an Waldwegen
im Sande trichterförmige Fallgruben, auf deren
Grunde sie bis auf den
Kopf eingegraben auf abstürzende
Insekten, besonders
Ameisen, lauern.
oder
myrmekophile Pflanzen.
Schon seit längerer Zeit kennt man eine Anzahl von
Pflanzen, die durch ihre
Beziehungen zu manchen Ameisenarten biologisch eine besondere
Stellung einnehmen. Diese
Beziehungen bestehen darin, daß
jene
Pflanzen in eigentümlich ausgebildeten Organen ganzen
Kolonien von
Ameisen eine Wohnstätte, in den meisten Fällen auch
Vorteile für die
Ernährung darbieten und jedenfalls selbst aus der Beherbergung dieser
Tiere irgendwelchen Nutzen ziehen.
Ein derartiges Zusammenleben von
Tieren und
Pflanzen war als lehrreiches
Beispiel für die Erscheinung der
Symbiose (s. d.)
oder des
Mutualismus (s. d.) geeignet, zahlreiche nähere
Beobachtungen und Untersuchungen sowohl biologischer wie auch histologischer
Natur zu veranlassen. Unter den hierauf bezüglichen
Arbeiten sind besonders die von
Beccari,
Treub undSchimper¶
mehr
hervorzuheben. Es hat sich herausgestellt, daß die Ameisenpflanzen nicht etwa zu einer bestimmten systematisch eng
begrenzten Pflanzengruppe gehören, sondern daß sich unter ihnen Vertreter der verschiedensten Familien vorfinden. Demgemäß
zeigt auch der Bau sowie die morphologische Stellung der die Ameisen beherbergenden Organe mannigfache Verschiedenheiten. Die
meisten Ameisenpflanzen gehören zur Familie der Rubiaceen und zwar zu den Gattungen Myrmecodia und Hydnophytum, die
zusammen nahezu 50 Arten umfassen; außerdem finden sich myrmetophile Gewächse in den Familien der Urticaceen,
[* 23] Euphorbiaceen,
[* 24] Myristicaceen, Verbenaceen, Leguminosen;
[* 25] selbst unter den Palmen
[* 26] kennt man mehrere. Am auffallendsten tritt diese Symbiose zwischen
Tier und Pflanze bei den Rubiaceengattungen hervor, die infolgedessen auch am eingehendsten untersucht
worden sind. Die Arten der Gattungen Myrmecodia und Hydnophytum sind epiphytisch wachsende kleine strauchartige Pflanzen mit
unscheinlichen Blüten und gegenständigen Blättern. Die Samen
[* 27] von Myrmecodia echinata (s. Tafel: Ameisenpflanzen,
[* 22]
Fig. 3) besitzen
eine klebrige Hülle von Schleim, mit welcher sie an Zweigen u. s. w. haften bleiben.
Bald nach der Keimung schwillt das hypocotyle Glied
[* 28] (Fig. 3 A) zu einem wasserreichen Knollen
[* 29] an und in dessen Innern bildet
sich nach einiger Zeit ein Hohlraum, die sog. erste Galerie; ob die Entstehung derselben von der Mitwirkung der Ameisen abhängig
ist, ist nicht ganz sichergestellt. Beccari nimmt all, daß die durch Ameisen erfolgten Verwundungen die
Veranlassung zur Bildung dieser Galerie geben, ja nach ihm soll sogar ein allmähliches Vertrocknen und Absterben des Knollens
eintreten, wenn nicht durch derartige Verwundungen ein Reiz zum weitern Wachstum der Anschwellung ausgeübt worden sei.
Nach andern erfolgt die Bildung der ersten Galerie spontan und diese tritt dann mit der Außenwelt durch
eine gleichfalls spontan entstehende Öffnung
[* 22]
(Fig. 3A, o) in Verbindung; wahrscheinlich ist es aber, daß wenigstens diese
Öffnung auf die Mitwirkung der Ameisen zurückzuführen ist. Jedenfalls werden die übrigen Galerien mit ihren Öffnungen,
die in dem immer größer werdenden Knollen (Fig. 3 B) in reichlicher Anzahl sich entwickeln, durch die
Thätigkeit der Ameisen bedingt.
Das entstandene Labyrinth
[* 22]
(Fig. 3 C) von Gängen stellt nun die Behausung zahlreicher Ameisen dar, die ihrem Wirte in zweifacher
Hinsicht Vorteile bieten. Einmal gewähren sie Schutz gegen Angriffe anderer Tiere, indem sie bei jeder Berührung der Pflanze
aus ihrem Schlupfwinkel hervorkommen und dieselbe verteidigen; zweitens bewirken sie durch den fortwährenden Reiz ein üppiges
Wachstum des Knollens, der bei diesen oft großer Trockenheit ausgesetzten epiphytischen Pflanzen als eine Art Wasserreservoir
anzusehen ist.
Auch dürften die Ameisen in anderer Weise zur Ernährung nicht unwesentlich beitragen, indem der reichliche Detritus
wenigstens zum Teil als Nährstoff für die Wirtspflanze nutzbar gemacht wird. Allerdings ist es gelungen, diese Ameisenpflanzen unter
Entfernung der sie bewohnenden Ameisen in Gärten zu kultivieren, doch befinden sie sich dann unter ganz andern Lebensbedingungen
als in der freien Natur, da in der Regel die Gefahr des Austrocknens wegfällt, es können deshalb jene
Versuche nicht beweisen, daß die Ameisenpflanzen keinen Vorteil aus den sie bewohnenden Tieren ziehen.
Von den in genannten Rubiaceen am häufigsten vorkommenden Ameisenarten
sind besonders Iridomyrmex cordata und Crematogaster
deformatus zu erwähnen. Bei andern Ameisenpflanzen dienen meist nicht Knollenbildungen, sondern hohle Stengelorgane
oder in Dornen umgewandelte Blattpartien zur Beherbergung der Ameisen. So finden sich bei verschiedenen
Arten der Gattung Acacia, z. B. bei Acaciacornigera Willd.,
sphaerocephala Schlchdl.
[* 22]
(Fig. 1), dornenartig ausgebildete Nebenblätter, die etwas angeschwollen
und im Innern ausgehöhlt sind. In diesen wohnen die Ameisen und verteidigen die Wirtspflanze gegen eine andere schädliche
Ameisenart, welche die Blätter zerbeißt.
An den Spitzen der einzelnen Blättchen finden sich Drüsen, die einen zuckerhaltigen Saft absondern und wahrscheinlich zur
Anlockung der Ameisen dienen
[* 22]
(Fig. 1a). Wird diese Pflanze kultiviert und der Zutritt von Ameisen verhindert, so werden jene
Dornen nicht so stark verdickt als in der freien Natur unter Mitwirkung der Tiere. Bei einer Palmengattung,
Korthalsia, dienen die blasig erweiterten Blatttüten den Ameisen als Wohnstätte, während bei einer andern Palme,
[* 30] CalamusamplectusBecc., sich die beiden untersten Fiedern eines jeden Blattes handförmig um den Stamm legen und der hierdurch entstehende Zwischenraum
die Behausung der Ameisen bildet. Bei Cecropia adenopus Miq.
[* 22]
(Fig. 2) aus der Familie der Urticaceen wohnen die Ameisen innerhalb der hohlen und meist etwas erweiterten Internodien, welche
kleine Öffnungen nach außen zeigen
[* 22]
(Fig. 2c). An dieser Pflanze bieten die Ameisen noch den Vorteil, daß sie dieselbe von
verschiedenen Schildläusen säubern, die von ihnen in die Höhlungen der Zweige geschafft und dort wegen
ihrer Säfte gezüchtet werden. (S. Cecropia.)
Litteratur. Treub, Annales du jardin botan. de Buitenzorg, Bd. 3 (1883);
Beccari, Pianti opitatrici, ossia piante formicarie
della Malesia e della Papuasia (Flor. 1881 u. 1885; übersetzt von Penzig, Lpz. 1886);
Delpino, Funzione mirmecofila nel regno
vegetale (2 Tle., Bologna 1886-88);