Vereine, die fern von jedem polit. und konfessionellen Parteistandpunkt das Volk über die Gefahren des Alkoholismus zu belehren und
sein sittliches Gefühl durch Verbreitung von Aufklärung, Wissen und Bildung zu fördern suchen, ist als eine wesentliche Grundbedingung
für die wirksame Bekämpfung der Trunksucht zu bezeichnen. In dieser Beziehung sind die Bestrebungen des
«Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke» sowie des «österreichischen Vereins gegen Trunksucht» mit Freuden
zu begrüßen. Darüber ist jedoch nicht zu vergessen, daß überall dort, wo Proletariat und Massenarmut herrschen, die
Fürsorge für Beschaffung gesunder Wohnungen, guter und billiger Nahrungsmittel, insbesondere solcher Getränke, die als
Ersatz für den Branntwein dienen (gutes billiges Bier, Kaffee, Thee), die Errichtung gut geleiteter Volksküchen
u. dgl. die wirksamsten Waffen gegen die Trnnksucht darstellen.
Von den seitens des Staates gegen den Alkoholismus zu ergreifenden Maßregeln haben weder das Verbot des Branntweinhandeis, wie dies
von einzelnen Staaten von Nordamerika versucht wurde, noch die hohe Besteuerung des Branntweins die Trunksucht
zu vermindern vermocht. Dagegen dürften sich die neuerdings angeregte strenge Überwachung des Kleinhandels mit Spirituosen,
die Verminderung der Schankkonzessionen und der Schankstätten, die gesetzliche Verantwortlichkeit des Schankwirts für alle
Folgen der Trunkenheit, zu der er verholfen, und die unnachsichtliche Bestrafung aller öffentlichen Trunkexcesse als
entschieden wirksame Mittel bewähren. Mit der Verminderung der Schankstätten hat man recht gute Erfahrungen in Göteborg
gemacht, wo eine Aktiengesellschaft die Schankstätten ankauft und sie ganz uneigennützig, ausschließlich im Sinne der Mäßigkeit
verwaltet (s. Gotenburger Ausschanksystem). Nicht minder wünschenswert erscheint die Errichtung
staatlicher Besserungsanstalten für Gewohnheitstrinker, sog. Trinkerasyle (s. d.).
Im J. 1891 wurde dem Deutschen Reichstage der Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Mißbrauch geistiger
Getränke, vorgelegt, wonach für Trunksüchtige eine Entmündigung sowie auch die Unterbringung in eine Trinkerheilanstalt
in Aussicht genommen wurde. Doch gelangte der Entwurf, der viel Widerspruch fand, nicht zur Beratung im Plenum.
Litteratur. Huß, Chronische Alkoholskrankheit (aus dem Schwedischen von Gerh. van dem Busch, Stockh. 1852);
Baer, Der Alkoholismus, seine Verbreitung und seine Wirkung auf den individuellen und socialen Organismus (Berl. 1878);
Stursberg, Die
Bekämpfung der Völlerei, insbesondere auf dem Wege der Gesetzgebung (Düsseld. 1877);
Rosenthal, Bier und Branntwein und
ihre Bedeutung für die Volksgesundheit (Berl. 1881);
Tilkowsky, Der Einfluß des Alkoholmißbrauchs
auf psychische Störungen (Wien 1883);
Stark, Der Kampf wider die Trunksucht (Frankf. 1885);
Mitteilungen zur Bekämpfung der
Trunksucht (später: Volksgesundheit, hg. von Böhmert u. a., 11. Jahrg., Dresd. 1894);
Baer, Die Trunksucht und ihre Abwehr (Wien
1890);
Martius, Handbuch der deutschen Trinker- und Trunksuchtsfrage (Gotha 1891);
Schmitz, Mäßigkeit
oder Enthaltsamkeit? (Bonn 1894);
Larsen und Trier, Über den und seine Wirkungen (aus dem Dänischen von Fransen, Wien 1895).
Alkoholmesser, ein Instrument zur Ermittelung des Gehalts an absolutem (wasserfreiem) Alkohol in dem
stets
wasserhaltigen Weingeist und Branntwein. Es ist eine gläserne Senkwage (s. Aräometer), die, in eine
jener Flüssigkeiten gebracht, um so tiefer einsinkt, je größer der Alkoholgehalt derselben ist. Den Eintauchungspunkt
beobachtet man auf einer im dünnen, rohrformigen Halse des Instruments befestigten Skala, deren Teilstriche mit Zahlen beschrieben
sind, die ohne weiteres den Alkoholgehalt in Prozenten abzulesen gestatten.
Das Trallessche Alkoholometer giebt Volum- oder Maßprozente, das gegenwärtig von den deutschen Behörden benutzte
Richtersche Alkoholometer hingegen Gewichtsprozente an. Weingeist von 80 Proz. Tralles enthält also in 100 Volumen 80 Volumen absoluten
Alkohol; 80 Proz. nach Richter bedeuten aber 80 kg absoluten Alkohols in 100 kg des untersuchten Weingeistes; beides ist darum
nicht eins und dasselbe, weil der absolute Alkohol ein viel geringeres specifisches Gewicht hat als das
Wasser.
Die Angaben des Alkoholometer sind nur bei derjenigen Temperatur richtig, für welche die Skala konstruiert ist (die sog. Normaltemperatur,
bei Tralles 15 °C). Bei höherer Temperatur sinkt der Alkoholometer tiefer ein, bei niederer weniger tief; deshalb pflegt in
dem Alkoholometer selbst ein kleines Thermometer (Thermoalkoholometer) eingeschlossen zu sein, das die Temperatur des in Prüfung genommenen
Weingeistes oder Branntweins anzeigt. Im Deutschen Reiche müssen die beim Handelsverkehr gebrauchten Alkoholometer geaicht und zum Zeichen
ihrer Richtigkeit gestempelt sein. Bei Flüssigkeiten, die neben Alkohol und Wasser auch noch andere Körper enthalten,
ist der Alkoholgehalt auf andere Weise zu ermitteln, durch Destillation einer bestimmten Menge derselben und durch Prüfung
des seiner Menge nach gekannten Destillates oder durch das Ebullioskop (s.d.), das Vaporimeter (s.d.) und das Dilatometer (s. d.).
Über die steueramtliche Ermittelung des Alkoholgehalts s. Biersteuer und Branntweinsteuer.
(vom arab. «al-kobba, Gemach), ein
zum Schlafen bestimmter Raum, der das Licht nicht unmittelbar von außen, sondern mittels Glasthüren oder Fenster erst wieder
aus andern Räumen erhält. Das Wort hatte bei den Mauren die Bedeutung von Schlafgemach oder Nebenzimmer, ging dann in das
Spaniscbe (alcoba) und in die übrigen roman. Sprachen (ital. alcóva,; frz. alcóve) über. Aus dem
Altfranzösischen, wo das Wort aucube lautete und die Bedeutung von Zelt noch teilweise gewahrt hatte, war es durch Wolfram
von Eschenbach in der Form êkube schon einmal in das Mittelhochdeutsche eingeführt worden. Die Marquise von
Rambouillet, deren Hotel d'O zu Paris (erbaut 1610) auf die Gestaltung der Schloßbauten jener Zeit großen Einfluß hatte,
gab dann dem chambre d' alcôve, oder Chambre de lit, das später in keinem fürstl. Schloß fehlen durfte, die maßgebende
Einrichtung. Die beiden Räume neben dem Alkoven (ruelles) wurden breiter ausgebildet, der Alkoven vom
Nebenraum durch ein Schmuckgitter getrennt und das Ganze prächtig dekoriert. Das Lever (s. d.) fand im A. statt, so daß
dieser ein für die Etikette nötiger Raum wurde. Noch heute sind die in Frankreich üblicher als bei uns. In England und Deutschland
hat man sie fast überall aufgegeben.
(Alcuinus, eigentlich Alchuine, verderbt aus Alhwin, d. i. Tempelfreund, auch mit
mehr
noch stärkerer Latinisierung Albinus genannt), vertrauter Ratgeber und Lehrer Karls d. Gr., durch Geist, Kenntnisse und wissenschaftlichen
Einfluß vielleicht der bedeutendste Gelehrte des 8. Jahrh., stammte aus vornehmem angelsächs.
Geschlecht. Geboren um 785, erhielt er gründlichen Unterricht in der Schule von York, deren Leitung er später übernahm.
Auf einer Reise nach Rom wurde er mit Karl d. Gr. bekannt und kam auf dessen Einladung 782 mit einigen Schülern
ins Frankenreich. Er erhielt zum Unterhalt die Einkünfte zweier Klöster, betrachtete aber England stets als seine Heimat
und ging 790 dorthin zurück, zugleich mit einer Botschaft Karls an König Offa. 793 folgte er einer neuen
Einladung Karls, erhielt das berühmte Martinskloster in Tours zur Leitung und blieb daselbst Abt bis zu seinem Tode 19. Mai 804. In
diesem Kloster richtete Alkuin eine Schule ein nach dem Muster von York, er selbst aber leitete bis 801 die Hofschule, in der sich
die angesehensten Hofleute mit Karl und seinen Töchtern vereinigten. Alkuin hieß in diesem Kreise Flaccus,
Karl selbst David oder Salomo, seine Töchter Delia u. s. w. Auch in polit.
Angelegenheiten wurde Alkuin zu Rat gezogen, so in dem Streite Karls gegen die von Rom begünstigte Bilderverehrung. Alkuin ist wohl
ohne Zweifel der Verfasser der in dieser Angelegenheit unter Karls Namen geschriebenen Carolini libri (s. d.).
Die Bedeutung A.s liegt nicht in Weiterbildung der Wissenschaft, sondern darin, daß er das Wissen des Altertums in das Reich
Karls d. Gr. verpflanzte. Außer vielen theol. Werken hinterließ er mehrere für den Unterricht in den Anfangsgründen der
Philosophie, Mathematik, Rhetorik und Grammatik bestimmte, meist aus Boethius und Isidorus Hispalensis kompilierte
Schriften, sowie Gedichte und eine große Anzahl Briefe. Unter seinen Schülern sind hervorzuheben Hrabanus Maurus und Haymo,
der nachmalige Bischof von Halberstadt. Eine Ausgabe der Werke A.s lieferte Froben (Albini s. Alcuini opera, 2 Bde.,
Regensb. 1778; wiederholt in Migne, «Patrologiae
cursus completus. Patres latini», Bd. 100 u. 101, Par. 1851),
seiner Briefe Jaffé in der «Bibliotheca rerarum
germanicarum», Bd. 6: «Monumenta
Alcuina» (Berl. 1873). -
Vgl. Lorentz, A.s Leben (Halle 1829);
Monnier, Alcuin et Charlemagne (Par. 1861);
Werner, und sein
Jahrhundert (Wien 1881).