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war der Grund zur völligen Unterwerfung der Provinz Konstantine gelegt und die planmäßige Erwerbung des Binnenlandes überhaupt begonnen.
Während Valée die franz. Herrschaft im Osten des Landes zu befestigen suchte, unterwarf sich Abd el-Kader im Westen alle Stämme südlich von seinem Gebiet bis an die Wüste. Darauf brach er im Nov. 1839 gegen die unvorbereiteten Franzosen los, deren Vernichtung er seinen Stammesbrüdern als heilige Sache empfahl. Wiewohl Valée über ein Heer von 70000 Mann verfügte, mußte er sich gegen Abd el-Kader doch auf die Verteidigung beschränken, und die Herrschaft der Franzosen ward noch einmal in Frage gestellt.
Ein günstiger Umschwung trat erst ein, als General Bugeaud das Generalgouvernement übernahm. Sein System bestand darin, einesteils durch unaufhörliche Razzias gegen die einzelnen Stämme den Gegner zu ermüden, andernteils in größern Expeditionen die Kerntruppen des Emirs aufzureiben. Nachdem das Heer auf mehr als 80000 Mann gebracht war, fielen Tekedempt, des Emirs fester Hauptsitz, und 30. Mai Mascara in die Gewalt der Franzosen. Noch entscheidender wurde der Herbstfeldzug, in dem Saida, Abd el-Kaders letzte Festung, [* 2] in Bugeauds Hände fiel. Im Jan. 1842 wurde ein Zug nach dem allein noch Widerstand leistenden marokk.
Grenzgebiete unternommen und dabei 30. Jan. die Stadt Tlemsen erobert. Durch weitere Erfolge ward die Macht Abd el-Kaders fast vernichtet, und dieser sah sich gezwungen, auf marokk. Gebiet zu entweichen. Schon hielt man die Unterwerfung des Landes für beendigt, als Abd el-Kader plötzlich im Sommer 1842 in A. erschien und den Franzosen Niederlagen beibrachte. Zwar wurde er gezwungen, bald wieder auf marokk. Gebiet überzutreten, doch predigte er dort den heiligen Krieg, sammelte zahlreiche Streitkräfte und wußte es selbst dahin zu bringen, daß ein marokk.
Heer Ende Mai 1844 im Felde erschien. Bugeaud brachte jedoch den Marokkanern 14. Aug. die entscheidende Niederlage am Isly (s. d.) bei, während eine franz. Flotte unter dem Prinzen von Joinville Tanger und Mogador bombardierte. Unter Englands Vermittelung kam 10. Sept. ein Friede mit Sultan Abd ur-Rahman zu stande, in dem dieser sich zur Verfolgung Abd el-Kaders verpflichtete. Dennoch fiel letzterer 1845 abermals in A. ein und stachelte aufs neue die Kabylenstämme zu Aufständen an, die nur unter blutigen Kämpfen und durch die unermüdliche Thätigkeit der sog. «afrikanischen» Generale (Lamoricière, Cavaignac, Changarnier, Pélissier, Bedeau, Saint-Arnaud, Bosquet, Jussuff u. s. w.) niedergeschlagen werden konnten.
Während dieses kleinen Krieges suchte Bugeaud und seine Nachfolger Bedeau und der Herzog von Aumale die franz. Herrschaft im Innern zu befestigen. Am 1. Sept. trat neben das Militärregiment in jeder der drei Provinzen (Algier, Oran und Konstantine) eine Civildirektion mit einem Beirat unter Vorsitz des Direktors. Der östl. Teil der Kolonie kam in dieser Zeit fast ganz zur Ruhe, während die südl. Grenzen [* 3] durch Streifzüge über das Gebirge hinaus ausgedehnt wurden. Abd el-Kader, in Marokko [* 4] selbst von den Truppen des Sultans bekämpft, mußte sich im Dez. 1847 mit dem Rest seiner Streiter auf franz. Gebiet flüchten und dort 22. Dez. ergeben. Er wurde nach Frankreich gebracht.
Die Februarrevolution von 1848 lähmte für einige Zeit in A. die weitere Entwicklung der franz. Herrschaft. General Cavaignac (s. d.), seit Generalgouvorneur von A., hielt die zum Abfall geneigten Stämme mit Erfolg nieder. Unter dem Generalgouvernement Pélissiers (seit Mai 1851) wurde dem General Saint-Arnaud das Kommando gegen die Zuaven (s. d.) in Großkabylien übertragen, der in einem kurzen Feldzuge (26 Gefechte) seine Aufgabe löste. Im Oktober brach ein neuer Aufstand aus, den Pélissier durch Verbrennen von 29 Dörfern dämpfte.
Nach dem Staatsstreiche vom 2. Dez. sandte Ludwig Napoleon den General Randon nach A., der die Kolonie vom bis verwaltete und sich um die Befestigung und Ausdehnung [* 5] der franz. Herrschaft große Verdienste erwarb. Im Dez. 1852 nahmen Pélissier und Jussuff die Oase Laghuat im Süden A.s in Besitz, während sich fast um dieselbe Zeit im äußersten Süden der mächtige Stamm der Beni Msab unter franz. Schutz stellte. Die Jahre 1853 und 1854 füllten Expeditionen gegen die Kabylen aus.
Ein Feldzug, 1854 von Laghuat aus gegen aufständische Araber im Süden unternommen, hatte die Unterwerfung der Oasenlandschaften von Tugurt und Wadi Suf zur Folge. Die nächsten Jahre dehnten die franz. Oberherrlichkeit auch über die Ulad Sidi Scheich und die Oase Wargla ans. Die Franzosen gewannen seitdem einen gewissen Einfluß auf die Tuaregstämme im nördl. Teile der mittlern Sahara und öffneten sich damit die Straßen für den Handel nach dem Innern Afrikas.
Daher wurden auch im Auftrage der franz. Regierung die angrenzenden Gebiete der Sahara (s. Duveyrier) gründlich erforscht und wiederholte Versuche eingeleitet, Karawanenverbindungen mit Timbuktu und dem Senegal herzustellen. Eine großartige Expedition unter Randon gegen die Stämme Großkabyliens führte 1856 und 1857 zu deren völliger Unterwerfung. Durch die Dekrete vom 24. Juni und wurde A. unter ein besonderes Ministerium gestellt, dessen Chef Prinz Napoleon, seit der Graf von Chasseloup-Laubat wurde. Am hob aber Napoleon III. dies Ministerium wieder auf und ersetzte es durch ein absolut gebietendes Generalgouvernement, das Marschall Pélissier erhielt. Diesem wurden ein Vicegouverneur, ein Generaldirektor für Civilsachen, ein Ministerium für Justiz-, Schul- und Kultusangelegenheiten und ein Staatsrat von 30 Mitgliedern beigegeben.
Mit Ausnahme einiger unbedeutenden Aufstände unter den Eingeborenen genoß nun A. völliger Ruhe bis zum Jahre 1864. Im Anfang dieses Jahres brach aber wegen der Verurteilung eines angesehenen Arabers zu Stockstreichen bei dem Stamme der Ulad Sidi im Süden von Oran ein Aufstand aus, doch hatten noch vor Ende des Jahre ^[richtig: Jahres] 1864 die meisten Stämme ihre Unterwerfung angekündigt. Während dieser Vorgänge war im Mai Pélissier gestorben und Marschall Mac-Mahon im September an seine Stelle getreten. Im Mai 1865 besuchte Napoleon III. A. und erließ eine Proklamation an die Araber, in der er die Aufrechterhaltung ihrer Nationalität und ihres Grundbesitzes versprach. Die Araber erblickten darin nur ein Zeichen der Schwäche und Unfähigkeit der franz. Regierung, und 1865 brach ein Aufstand in der Provinz Oran aus. Im Okt. 1865 und im März 1866 fiel Si-Hamed ibn Hazam über die den Franzosen treu gebliebenen Stämme her, wurde aber beide Male zurückgedrängt. Anfang 1867 schlugen die Franzosen die Araber bei Goléa ¶
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gänzlich. Der Rest des Jahres 1867 und die beiden folgenden Jahre verliefen ruhig.
Der Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges veranlaßte neue Aufstände, namentlich da die franz. Regierung seit Anfang Juli 1870 den größern Teil ihrer sogenannten afrik. Armee nach Frankreich zog. An Stelle Mac-Mahons trat als interimistischer Generalgouverneur der General Durieu. Als sich vollends im September die Kunde von der Zertrümmerung des franz. Heers unter den Stämmen des Südens verbreitete, schien den Eingeborenen der Zeitpunkt gekommen, das franz. Joch abzuwerfen.
Die begonnene Erhebung wurde aber bei der Wachsamkeit Durieus keine allgemeine. Die republikanische Regierung zu Paris [* 7] suchte die alger. Frage durch Verleihung der von den europ. Bewohnern gewünschten bürgerlichen Freiheiten zu lösen. Hiernach trat an die Stelle des militär. Verwaltungsapparats durch Dekret vom ein Civilgouverneur, der die drei Provinzen durch seine Präfekten verwalten lieh. Ein jährlich im Oktober zu berufendes Beratungskomitee, aus den Präfekten, dem Erzbischof, dem militär. Befehlshaber u. s. w. gebildet, sollte unter dem Vorsitz des Gouverneurs das allgemeine Budget der Kolonie beraten. An Stelle Durieus wurde Lallemand Befehlshaber aller Streitkräfte, Henri Didier Civilgouverneur. Das Mittel half aber wenig. Noch ehe Didier ankam, hatte sich in den größern Städten A.s die Aufregung gesteigert und zu Ausschreitungen geführt. In der Stadt Algier bildete sich eine Art von revolutionärer Commune, die den Präfekten zur Abdankung zwang.
Die Zwistigkeiten unter der europ. Bevölkerung [* 8] A.s fanden aber ein ziemlich schnelles Ende, als die mohammedanische zum offenen Aufstande überging. Anfang 1871 erhoben sich in der Kabylie die beiden Scheichs El-Mokrani und Ben Ali Scherif, die namentlich durch die ihnen bisher von der franz. Regierung gewährten Ehrenbezeigungen und Jahresgehalte zu hohem Ansehen gelangt waren. Ihnen schloß sich alsbald El-Hadad, das Haupt des Ordens Sidi Abd er-Rhaman El-Talebi, an, wodurch dem Aufstande ein hervorragend religiöser Charakter aufgedrückt wurde. Im Frühjahr 1871 war fast ganz A. in den Händen der Empörer; mehrere Küstenstädte, wie Dellys, Dschidschelli und Scherschel, waren eng umschlossen und hatten nur noch zur See Verbindung mit Algier.
Erst die Beendigung des Deutsch-Französischen Krieges und die Besiegung der Commune ermöglichten es den Franzosen, wieder energisch zum Angriff überzugehen und die Aufständischen im Laufe des Sommers 1871 zu unterwerfen. Der neue Gouverneur, Viceadmiral de Gueydon, sowie sein Nachfolger, Divisionsgeneral Chanzy (seit Juni 1873), vermochten seitdem nur unter schwierigen Verhältnissen die franz. Herrschaft in ihrem frühern Umfang aufrecht zu erhalten. 1873 wurde in A. die allgemeine Wehrpflicht mit einigen Abweichungen von dem für Frankreich erlassenen Gesetz (Verkürzung der Dienstzeit u. s. w.) eingeführt, im folgenden Jahre auch Territorialtruppen (Landwehr) errichtet und 1879 Albert Grévy, der Bruder des Präsidenten der Republik, zum Civilgeneralgouverneur von A. ernannt.
Noch im selben Jahre mußte ein neuer Aufstand unterdrückt werden. Man konnte die Araberstämme zwar bewältigen, aber nicht mit der Fremdherrschaft versöhnen. Als die Expedition nach Tunis (s. d.) die franz. Regierung nötigte, die Provinz von Truppen zu entblößen, machte im April und Mai 1881 der mächtige Stamm der Ulad Sidi Scheich im Süden von Oran unter Führung des Bu Amena von der Wüste verheerende Raubzüge in die Kolonie. Wiederholt wurden franz. Transporte aufgehoben und schwächere Truppenabteilungen überfallen; bald schlossen sich mehrere arab. Stämme dem Aufstande an, so daß die franz. Regierung veranlaßt war, Verstärkungen (33000 Mann) aus Frankreich zu senden. Mehrere höhere Offiziere, denen man Mangel an Energie schuld gab, wurden ihrer Stellen entsetzt, General Saussier erhielt den Oberbefehl. Erst im Oktober begannen die Operationen gegen Bu Amena von dem zum Depotplatze eingerichteten Géryville aus, der Aufstand wurde bald gedämpft, und als vollends ein neuer Vertrag mit dem Bei 1882 das Protektorat Frankreichs über Tunis in eine Annexion verwandelte, ward dadurch auch der Besitz A.s gesicherter.
Litteratur. Über die ältere Geographie und die Geschichte A.s handeln: Jaqut, Descriptio Al-Magrebi (Hg. von Goeje, Leid. 1860);
Mac Carthy, Algeria Romana (Algier 1858);
Rabusson, De la géographie du nord de l'Afrique (Par. 1856);
Ibn Chaldun, Histoire des Berbères (in arab. Sprache; [* 9] mit franz. Vorwort hg. vom Baron de Slane, 2 Bde., Algier 1847-51; französisch von demselben, 4 Bde., ebd. 1852-56);
Grammont, Histoire d'Alger sous la domination turque 1515-1830 (Par. 1857);
Ault-Dumesnil, Relation de l'Expédition de l'Afrique en 1830 et de la conquête d'Alger (2. Aufl., ebd. 1869);
Nettement, Histoire de la conquête d'Alger (2. Aufl., ebd. 1871);
Grammont, Relations entre la France et la régence d'Alger au 17me Siècle (ebd. 1882);
Rousset, L'Algérie de 1830 ü. 1840. Les commencements d'une conquête (2 Bde., ebd. 1887);
ders., La conquête de l'Algérie (ebd. 1889).
Unter den zahlreichen Werken über die neuere Geographie, Statistik u. s. w. des Landes sind hervorzuheben die Schriften von Daumas: Le [* 10] Sahara algérien (Par. 1845), Le grand désert (mit Chancel, 3. Aufl., ebd. 1861), La Kabylie (ebd. 1857), und Mœrs et coutumes de l'Algérie (4. Aufl., ebd. 1864); sodann das offizielle Tableau de la situation de établissements français d'Algérie d., seit 1838 jährlich) und das ebenfalls offizielle Werk: Exploration scientifique de l'Algérie pendant les années 1840-42 (31 Bde., ebd. 1844);
neuerdings ein Grand annuaire commercial, industriel ect. de l'Algérie et de la Tunisie (seit 1884);
von Maltzan, Drei Jahre im Nordwesten von Afrika [* 11] (4 Bde., 2. Aufl., Lpz. 1868);
ders., Sittenbilder aus Tunis und A. (ebd. 1869);
Hanoteau und Letourneux, La Kabylie (3 Bde., Par. 1873);
Bainier, Géographie commerciale de l'Algérie (Mars. [* 12] 1874);
Sautayra, Législation de l'Algérie: Lois, ordonnances, décrets et arrêtés (Par. 1878);
Mercier, Le cinquantenaire d'une colonie;
l'Algérie en 1880 (ebd. 1880);
B. Schwarz, A. nach 50 Jahren franz. Herrschaft (Lpz. 1881);
Vignon, La France dans l'Afrique du Nord, Algérie et Tunisie (Par. 1887);
Roland, Hydrographie et Orographie du Sahara algérien (im «Bulletin de la Société de Géographique de Paris», 1886; Kobelt, Reiseerinnerungen aus A. und Tunis (Franks. a. M. 1885);
Gaffarell, L'Algérie, Histoire, conquête et colonisation (Par. 1882);
Rinn, Marabouts et Khonan;