Nation. Während das russ.
Volk mächtig von dem religiösen Elemente des griech. Kampfes ergriffen wurde, verdammte
der
Kaiser die
Erhebung als Empörung, verleugnete die Gunst, die er früher den griech. Bestrebungen
erwiesen, und beschränkte sich auf Ermahnungen an die
Pforte. Der
Tod seiner einzigen, heißgeliebten natürlichen Tochter,
die furchtbareÜberschwemmungPetersburgs 1824, wobei er sich sogar persönlichen Gefahren aussetzte,
endlich die Schrecken einer russ.-poln. Verschwörung gegen das Haus
Romanow trugen nicht wenig bei, seinen Gemütszustand
vollends zu verdüstern.
Körperlich leidend und voller Lebensüberdruß, trat er Mitte Sept. 1825 mit seiner kranken Gemahlin eine
Reise in die Krim
[* 2] an, wo letztere Genesung finden sollte und er selbst sich der Zurückgezogenheit hingeben wollte. Dort
wurde er plötzlich von einem
Fieber ergriffen und starb 1. Dez. zu
Taganrog, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Kurz
vor seinem
Tode erfuhr er noch die Einzelheiten jener Verschwörung, mit deren Bekämpfung sein
Bruder und Nachfolger
Nikolaus I. die Regierung beginnen mußte. -
Vgl. Rabbe, Historie d'
Alexandre I (2 Bde., Par. 1826);
GräfinChoiseul-Gouffier, Mémoires historiques sur l'empereur
Alexandre et la cour de Russie (ebd. 1829);
II. Nikolajewitsch,
Kaiser von
Rußland (1855-81), geb. 29. (17.) April 1818 als Sohn des
KaisersNikolaus I.
Seine Erzieher waren die Obersten
Mörder und
Kawelin, Leiter seiner
Studien der Dichter Shukowskij. Ferner standen
StaatsratGrimm und
Admiral Lütte ihm in seinen Jünglingsjahren zur Seite. 1846 bereiste den Nordosten des europ.
Rußlands und einen
TeilSibiriens, wo er die Milderung des Loses der polit. Verbannten von 1825 zu bewirken wußte. Im letzten
Jahrzehnt der Regierung des
KaisersNikolaus ward während dessen
Reisen dem
Cäsarewitsch die Regentschaft mehrmals anvertraut,
auch wurden ihm nach 1848 verschiedene Missionen an die
Höfe von
Berlin,
[* 3]Wien
[* 4] u. s. w. aufgetragen.
Vom militär. Specialdienst zog sich Alexander bei reiferm
Alter fast ganz zurück. Als Nachfolger seines
Vaters bestieg er 2. März
während des Krimkrieges den
Thron.
[* 5] Nach der Unterzeichnung des dritten
Pariser Friedens (s. d.) verkündete der
Kaiser
in
Moskau
[* 6] das «alle geistigen und materiellen Kräfte entwickelnde»
Friedensprogramm seiner Regierung. Eine Umgestaltung des Ministeriums folgte, und Fürst Gortschakow übernahm an
StelleNesselrodes
das Staatskanzleramt. Noch
vor der Krönung in
Moskau machte Alexander einen Besuch in Warschau
[* 7] (22. Mai), wobei er den Adelsmarschällen
Amnestie und Verwaltungsreformen verhieß;
dann folgte ein gegen
Österreich
[* 8] demonstrativer Besuch in
Berlin(29. Mai). Bei der Krönung selbst wurde ein
Manifest (Cirkular vom 2. Sept.) erlassen, welches die
Auflösung der
Heiligen Allianz (s. d.)
bestätigte. Zu
Sardinien
[* 9] und Napoleon III. bahnte Alexander nähere
Beziehungen an. Mit letzterm hatte er zu
Stuttgart
[* 10] eine Konferenz, deren Erfolg indes durch das Zusammentreffen mit dem
Kaiser von
Österreich in
Weimar
[* 11] (1. Okt.)
abgeschwächt wurde.
Bald nach der Rückkehr
A.s nach
Petersburg
[* 12] begannen die Maßregeln zur Emancipation der Leibeigenen; sie erfolgte dann
und daran schlossen sich die weitern socialen
Reformen, deren vornehmster
Träger
[* 13] der Minister des Innern
Walujew (seit 1861)
war. Die Reorganisation der
Armee begann 1862, als
General D.
Miljutin das Kriegsministerium übernahm.
Ebenso wurde die Marine außerordentlich gehoben. Die
Trennung der Justiz von der
Verwaltung wurde vorbereitet
(Ukas vom
eine Justizreform nach modernen Grundsätzen eingeführt. Die
Budgets und Jahresabrechnungen wurden veröffentlicht, doch
bestand für deren Richtigkeit keine öffentliche
Kontrolle. Ein vom 13. (1.) Jan. 1864 datierter
Ukas
bereitete eine ständige
Teilnahme der
Bevölkerung
[* 14] an der
Verwaltung vor, indem er die Einführung von
Provinzial-(Gouvernements-
und Kreis-)Institutionen anbefahl, welche die ökonomischen Interessen der Provinzialbevölkerungen beraten sollten.
Von den europ. Verwicklungen in
Italien
[* 15] hielt sich Alexander äußerlich fern; doch begünstigte seine Politik
Österreichs Isolierung, und im Aug. 1862 erfolgte die
AnerkennungItaliens.
[* 16] In Mittelasien wurden die Eroberungen fortgesetzt,
andere Erwerbungen durch wissenschaftliche Expeditionen angebahnt, mit
China
[* 17]
Verträge (Nov. 1860) abgeschlossen, welche den
Besitz der
Küste der Mandschurei sicherten. Der Kaukasuskrieg war 1859 durch die Gefangennahme des Imam Schamyl so
gut wie beendet.
Der poln.
Aufstand von 1863 wirkte, obgleich die Gefahr einer Intervention der Westmächte und
Österreichs mit Entschiedenheit
russischerseits abgewandt wurde, noch jahrelang auf den
Gang
[* 18] der Regierung
A.s ein. Dem Einflüsse der nationalen Partei gelang
es, das in
Litauen und
Polen befolgte Russifizierungssystem zum leitenden Princip zu machen und auf
Finland
und die Ostseeprovinzen auszudehnen, ebenso wurden dem russ.
Liberalismus gegenüber die
Zügel straffer angezogen.
Als die
Moskauer Adelskorporation um Einführung einer Repräsentativverfassung bat, verkündigte in einem Reskript vom
daß das
Recht der
Initiative bei allen
Reformen ausschließlich ihm selbst zustehe und mit der ihm von
Gott verliehenen autokratischen Gewalt unzertrennlich verbunden sei. Der mißlungene
Mordversuch gegen den
Kaiser durch Dimitrij
Karakasow führte zu einer umfassenden Untersuchung gegen die geheimen Gesellschaften.
Trotz aller strengen Maßregeln breiteten sich jedoch die
Geheimbünde immer weiter aus (s. Nihilisten). Die traditionelle
Politik desKaisersNikolaus I., welche darauf abzielte, alle fremden Nationalitäten des
Reichs möglichst
zu russifizieren, kam immer mehr zur Geltung. Am gewaltsamsten verfuhr man in den westruss. Gouvernements und in
Polen. Wegen
der Maßregeln gegen die kath.
Kirche daselbst kam es zu Streitigkeiten mit der päpstl. Kurie, worauf Alexander die diplomat.Beziehungen
mit
¶
mehr
dem Papste abbrach und auch das Konkordat von 1847 aufhob. Nachmals, Juni 1869, verbot die russ. Regierung, als
die einzige in Europa,
[* 20] den kath. Bischöfen ihres Reichs das von Pius IX. berufene Konzil zu besuchen. Im Winter 1867/68 wurde
der der Nationalpartei besonders verhaßte Minister des Innern Walujew entlassen und durch den General
Timaschew ersetzt.
Seit der Beendigung des poln.-litauischen Aufstandes konnte Rußland nach außen wieder entschiedener auftreten. Nach der Unterwerfung
der Kaukasusgebiete wurden die Chanate Chokand und Buchara 1864-68 fast vollständig erobert. Im allgemeinen in den Fragen
der auswärtigen Politik zurückhaltend, suchte Alexander während des Dänisch-DeutschenKrieges zu vermitteln;
ebenso beschränkte er sich bei den Vorgängen während der J. 1866-68 (bezüglich Rumänien,
[* 21] Montenegro,
[* 22] Serbien, Candia) auf
diplomat.
Intercessionen und auf die Teilnahme an den Konferenzen. Auch während des Krieges zwischen Preußen
[* 23] und Österreich 1866 verharrte
in einer neutralen, aber entschieden preußenfreundlichen Haltung. Das freundschaftliche Verhältnis
zu Preußen zeigte sich gelegentlich des gleichzeitigen Besuchs, den und König Wilhelm I. zur Zeit der Pariser Weltausstellung
Juni 1867 dem Kaiser Napoleon III. abstatteten. In Paris
[* 24] wurde der Zar durch Demonstrationen zu Gunsten Polens beleidigt, und
ein poln. Flüchtling, Anton Berezowski, machte 6. Juni einen Mordversuch auf ihn.
Nach seiner Rückkehr besuchte Alexander die Ostseeprovinzen und sprach in Riga
[* 25] 27. Juni die Mahnung aus: «Man solle nicht vergessen,
daß diese Gouvernements einen unzertrennbaren Teil der großen russ. Familie bildeten». Gleichzeitig wurden dort Maßregeln
zur Durchführung der russ. Amtssprache getroffen. Während des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland
[* 26] 1870 bethätigte
Alexander seine schon früher vielfach gezeigten Sympathien für Deutschland durch Ordensverleihungen an die deutschen
Heerführer und durch Ernennung des Kronprinzen und des Prinzen FriedrichKarl vonPreußen zu russ. Feldmarschällen, obgleich
die öffentliche Meinung Rußlands entschieden zu Frankreich neigte.
Noch vor Beendigung des Deutsch-FranzösischenKrieges wurde eine radikale Umgestaltung der russ. Militäreinrichtungen,
insbesondere die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Angriff genommen und bis zum Sommer 1874 der Hauptsache nach durchgeführt.
In der europ. Politik Rußlands trat seit 1872 eine wesentliche Veränderung ein: durch Vermittelung des Berliner
[* 27] Kabinetts trat
Rußland zu der Österreich-Ungarischen Monarchie in ein verändertes Verhältnis, dem zunächst durch
die Berliner Dreikaiser-Konferenz vom Sept. 1872 Ausdruck gegeben wurde.
Nachdem Kaiser Wilhelm im Mai 1873 in Petersburg eine glänzende Aufnahme gefunden, besuchte der Zar im Juni desselben Jahres
Wien, um im Jan. 1874 den Gegenbesuch KaiserFranzJosephs zu empfangen. Um die Besorgnisse Englands vor russ. Absichten auf Afghanistan
[* 28] zu beschwichtigen, sandte Alexander im Febr. 1873 den Grafen Schuwalow nach London,
[* 29] dem es auch gelang, die Verlobung
des Herzogs von Edinburgh mit der Großfürstin Marie, der einzigen Tochter A.s, zu vermitteln, und im Mai machte in England
einen Besuch.
Durch den wachsenden Einfluß der panslawistischen Partei im Beamtentum und in der Armee sah sich der
Kaiser genötigt, in die orient. Verhältnisse mit bewaffneter Hand
[* 30] einzugreifen. Zwar
mahnte Alexander die sich gegen die Pforte erhebenden
Fürsten von Serbien und Montenegro zum Frieden, suchte auch bei einer Begegnung mit KaiserFranzJoseph auf Schloß Reichstadt
in Böhmen
[* 31] Österreich über die AbsichtenRußlands zu beruhigen, doch wurde die Unterstützung
der das Osmanische Reich bekriegenden Staaten durch russ. Geld und russ. Freiwillige zugelassen. Dabei sprach der Kaiser sein
Bedauern über die bedrängte Lage der Christen in der Türkei
[* 32] aus und gab zu verstehen, daß er gesonnen sei, das Schicksal
der Glaubensgenossen endgültig zu bessern. Die drohende Haltung des engl.
Ministeriums veranlaßte Alexander zu einer sehr kriegerischen Ansprache an den Adel zu Moskau. Unmittelbar darauf erfolgte
die Mobilisierung von sechs Armeekorps.
Das Scheitern der Konferenz zu Konstantinopel
[* 33] ergab für Rußland den Kriegsfall, und im April 1877 ging Alexander nach
Bessarabien, von da mit den vorrückenden Truppen durch Rumänien nach Bulgarien, wo er während der bedrängten Lage der russ.
Armee im Juli bis September sein Hauptquartier zu Gorni-Studen hatte. Erst nach der erfolgten Übergabe von Plevna
brach der Kaiser nach Petersburg auf, wo er 22. Dez. eintraf. Die während des Krieges durch die patriotische
Begeisterung zurückgehaltene nihilistische Bewegung trat jetzt wieder stärker hervor und schreckte zuletzt selbst vor Mordanschlägen
gegen den Kaiser nicht zurück; so wurde Alexander 14. (2.) April 1879 vor dem Winterpalais zu Petersburg durch Solowjew angefallen,
der aus nächster Nähe mehrere Revolverschüsse auf ihn abfeuerte, ohne jedoch zu treffen.
Nunmehr wurden strengste Maßregeln gegen den Nihilismus ergriffen. Am 3. Sept. erfolgte in der russ.
Grenzstadt Alexandrowo eine Zusammenkunft A.s mit dem DeutschenKaiser, um die infolge der seit Sommer 1879 eingeschlagenen Politik
des DeutschenReichs eingetretene Erkaltung der Beziehungen beider Höfe zu heben. Noch zweimal unternahm
die nihilistische Verschwörung ein Attentat auf den Kaiser, zunächst 1. Dez. während der Reise des Zaren von Livadia
nach Moskau durch Sprengung des unterminierten Schienenwegs, sodann durch eine 17. (5.) Febr. 1880 im Winterpalais verursachte
Explosion.
Zwar war in beiden Fällen das eigentliche Ziel dieser Verbrechen nicht erreicht, aber es gelang nicht,
die Urheber dieser Attentate zu entdecken. Unter solchen Verhältnissen feierte der Kaiser2. März sein 25jähriges
Regierungsjubiläum. Tief erschüttert, hatte er bereits 24. (12.) Febr. einen großen Teil seiner Machtvollkommenheiten einer
Exekutivbehörde übertragen, an deren Spitze Loris-Melikow mit fast diktatorischer Gewalt gestellt wurde,
um die Ordnung des Staates wiederherzustellen.
Kurz nach dem Tode der Kaiserin vermählte sich Alexander 31. (19.) Juli 1880 mit einer Fürstin Dolgorukij (s. d.),
die von ihm bereits mehrere Kinder hatte und nach der Vermählung den Titel Fürstin Jurjewskaja annahm. Nachdem die nihilistischen
Agitationen längere Zeit geruht hatten und besonders durch die Maßregeln Loris-Melikows fast unterdrückt
zu sein schienen, wurde der Zar zu Petersburg 13. (1.) März 1881 das Opfer eines Attentats, welches bei seiner Heimfahrt von
einer Parade mittels Explosionsbomben ausgeführt wurde. Die Vorbereitung umfassender innerer Reformen und die Verfassungspläne,
die in der letzten Zeit
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