251 allmählich beseitigt werden sollte, wurde eine internationale Liquidationskommission eingesetzt, die aus
Vertretern der
europ. Großmächte bestand und zunächst ein Liquidationsgesetz ausarbeitete. Der Chediv
unterzeichnete dieses Gesetz, sowie 29. Dez. ein Dekret, in dem das ägypt.
Budget für 1881 auf 8419000 ägypt. Pfd.
Einnahme und 8308000 ägypt. Pfd.
Ausgabe (also 111000 ägypt. Pfd. Überschuß) festgestellt wurde.
Die Zustände schienen nun einigermaßen konsolidiert zu sein, als plötzlich in
Kairo
[* 2] ein Militäraufstand ausbrach.
Mehrere Regimenter umzingelten den Abdin-Palast, die Residenz des Chediv, und forderten die Entlassung des Ministeriums Riaz,
die Gewährung einer
Verfassung und dieVermehrung des
Heers auf 18000 Mann. Der Chediv bewilligte diese
Forderungen im wesentlichen und betraute Scherif Pascha (s. d.) mit der
Bildung eines neuen
Kabinetts. Die Aufregung im
Lande
wuchs indes so gewaltig, daß der Chediv Anfang 1882 eine Notabelnversammlung berief, die, obwohl nur zur
Beratung bestimmt,
doch bei der Regierung die
Berufung eines neuen
Kabinetts durchsetzte, dessen Präsidentschaft
Mahmud Barudi übernahm, während
Arabi als Kriegsminister der eigentliche Leiter war.
Dieser versprach, allen internationalen Verpflichtungen nachzukommen, suchte aber nach Möglichkeit den Einfluß der Fremden
zu beseitigen. Da diese Unabbängigkeitsgelüste die Interessen Englands und
Frankreichs zu beeinträchtigen drohten, so schickten
diese Mächte eine Flotte in das Mittelmeer ab, die 20. Mai vor
Alexandria erschien. Nunmehr wagte der Chediv seinen Kriegsminister
abzusetzen; die Nationalpartei aber erzwang sofort seine Wiedereinsetzung, und 11. Juni kam ein großer
Aufstand in
Alexandria
zum
Ausbruch.
Zahlreiche Europäer wurden von der fanatisierten Menge ermordet und auch der engl.
Konsul verwundet, während die Flotte sich mit bloßen
Demonstrationen begnügte. Als aber
Arabi die Befestigungen von
Alexandria
verstärkte, vermehrte England seine Seemacht, und 11. und 12. Juli bombardierte
AdmiralSeymour (s.
Alcester) die Stadt, die nun
von rohem Gesindel unter Niedermetzelung der europ. Bewohner geplündert und in
Brand gesteckt wurde.
Das völkerrechtswidrige
Bombardement war politisch erfolglos; mehr als je sahen die Ägypter nur in
Arabi ihr
Heil, und so
schritt England unter dem Vorwand, den
Sueskanal
[* 3] schützen zu müssen, zu weiterm kriegerischem Vorgehen gegen die Aufständischen.
Arabi wurde von Ismailia aus im Rücken seiner
Aufstellung gefaßt und geriet,13. Sept. bei
Tel el-Kebir entscheidend
geschlagen, in Kriegsgefangenschaft. Noch im September war ganz Ä. unterworfen, und der Chediv wurde von den Siegern nach
Kairo zurückgeführt. England suchte nun die
VerwaltungÄ.s in seine
Hände zu bringen und es war sein erstes,
Frankreich seines
Anteils an der Finanzkontrolle zu berauben. Aber die islamitisch-nationale
Bewegung hatte sich inzwischen
dem fernen
Süden mitgeteilt und brachte in den Sudanprovinzen unter einem energischen Führer, der sich den
Titel«Mahdi» beilegte,
einen
Aufstand zu Wege.
Bald war bis auf wenige
Städte mit ägypt.
Besatzung das ganze Land abgefallen. Die Kämpfe der Engländer gegen die Mahdisten
hatten keinen Erfolg; im Laufe des Jahres 1886 wurden diese Gebiete aufgegeben, nur im äußersten
Süden
behauptete noch der zum Gouverneur der
Äquatorialprovinz ernannte
Emin Pascha (s. d.) im
Namen des Chediv sein Gebiet, bis
er im
Frühling 1889 seine
Stellung aufgeben mußte. (S. auch
Mahdi und
Sudan.) So sehr diePforte, von
Rußland
und
Frankreich unterstützt, auch darauf drang, daß England einen bestimmten Zeitpunkt der völligen Räumung
Ä.s angeben
solle, so lehnte dies doch jede bestimmte Erklärung darüber ab. Konferenzen
Sir Drummond
Wolffs mit dem türk. Bevollmächtigten
Mukhtar Pascha und der Regierung des Chediv in
Kairo seit 1885 verliefen ohne Ergebnis.
Den
Vorschlag Englands, unter gewissen
Vorbehalten binnen 5 Jahren seine
Truppen aus Ä. zurückzuziehen, lehnte die
Pforte,
welche diesen Zeitraum für zu lang hielt, im April 1887 ab. Eine 22. Mai in
Konstantinopel
[* 4] unterzeichnete engl.-türk. Übereinkunft,
wonach die engl.
Truppen nach 3 Jahren Ä. räumen sollten, verwarf schließlich derSultan, über den
inzwischen wieder entgegengesetzte Einflüsse das Übergewicht gewonnen hatten, und seitdem begann England die
Hand
[* 5] um so
fester auf das Land
zu legen.
Schon früher
(Frühling 1885) hatte es im Einverständnis und unter
Bürgschaft der Großmächte
zur Ordnung der ägypt. Finanzverhältnisse eine
Anleihe von 9 Mill. Pfd. St. aufgenommen; im Okt. 1887 wurde
mit
Frankreich ein
Abkommen über unbedingte
Neutralität des
Sueskanals geschlossen, und im Dez. 1889 auf engl.
Antrieb beschlossen,
die Fronarbeiten in ganz Ä. aufzuheben.
Der Chediv
Tewfik starb Ihm folgte sein ältester Sohn
Abbas Pascha, der sich als ein minder gefügiges Werkzeug
der Engländer zeigte.
Ohne deren Befragen entließ er im Jan. 1893 plötzlich den bisherigen Premierminister
Mustapha Fehmi und ersetzte ihn durch einen Gegner der engl.
Verwaltung, Fakhri Pascha. Auf ein
Ultimatum des engl. Gesandten
Lord
Cromer mußte er jedoch diese Ernennung zurückziehen, und der England genehme Riaz Pascha wurde Premierminister. Dieser
nahm aber schon im April 1894 seine Entlassung, worauf
Nubar Pascha Ministerpräsident wurde. Eine neue Organisation des Ministeriums
des Innern im Nov. 1891 ermöglichte auch in diesem den engl. Einfluß.
Von Werken über das alteÄ. ist zuerst die durch die ägypt. Expedition
Bonapartes veranlaßte Description de l'Égypte (Par. 1809–13; neue Ausg., 26 Bde.,
1821–30) zu nennen; das Werk behandelt außer dem
Altertum auch die Neuzeit und die Naturgeschichte des
Landes.
Hieran schließen
sich die Monumentenwerke von
Gau,
Young,
Cailliaud und in neuerer Zeit: Rosellini, Monumenti dell' Egitto e della Nubia (9 Bde.,
Pisa
[* 6] 1832–44);
Champollion, Monuments del'Égypte et de laNubie (4 Bde., Par. 1835–45);
Perring, The Pyramids ofGiseh (3 Bde., Lond. 1839–42);
Brugsch, Recueil des monuments égyptiens (Bde. 1
u. 2, Lpz. 1862–63; Bd. 3–6
von Dümichen u. d. T. Geogr.
Inschriften altägypt.
Denkmäler, ebd. 1865–85);
ders., Die Flotte einer ägypt. Königin (edd. 1868);
Mémoires publiés¶
mehr
252 par les membres de la mission archéologique française au Caire, sous la direction de M. Maspero, Grébaut, Bouriant
(bis jetzt 5 Bde., Par.);
über die Ausgrabungen, die die engl. Gesellschaft «EgyptExploration Fund» in den letzten Jahren
in Ä. veranstaltet hat, berichten die verschiedenen von Naville, Petrie, Gardner verfaßten Memoirs oftheEgyptExploration Fund (Lond.);
Maspero, Historie ancienne des peuplesde l'orient (Par. 1875; neue Aufl. 1894 fg.; deutsch Lpz.
1877);
Erman, Ä. und ägypt. Leben im Altertum (2 Bde., Tüb. 1885–87);
Lumbroso, Recherchessur l'économie politique de l'Égypte sous les Lagides (Par. 1870).
Über das mittelalterliche und neuere
Ä. Geographie: Die jetzigen Zustände Ä.s schildern, außer zahlreichen Reisebeschreibungen (Pococke,
Norden,
[* 9] Niebuhr, Denon, Burckhardt, Belzoni, Russegger, Lepsius u.s.w.): Lane, An account of the manners and customs of the modernEgyptians (2 Bde., Lond. 1886; 5. Aufl., 2 Bde.,
1871; deutsch von Zenker, 2. Aufl., 3 Bde., Lpz.
1856);
Gay-Lussac, Carteélémentairede l'Égypte in 1:1500000 (Par. 1889).
– Neuere
Geschichte: Paton, A history of the Egyptian revolution, from the period of the Mameluks to the death ofMehmet-Ali (2. Aufl., 2 Bde.,
Lond. 1869);
Weil, Geschichte des Abbâsidenchalifats in Ä. (2 Bde., Mannh.
1860–62);
Quatremère, Historie des sultans Mameloucks (aus dem Arabischen des Makrizi, 2 Bde., Par.
1837–41);
Mengin, Histoire de l'Égypte sousMéhémed-Ali (2 Bde., ebd. 1823);