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245 die Baugeschichte des großen Tempels von Karnak ein deutliches Bild. Er war von dem Könige Usertesen I. (12. Dynastie) um 2100 v. Chr. vermutlich an der Stelle eines ältern Tempels für den thebanischen Lokalgott Ammon [* 2] gegründet worden. Er hatte nur kleine Dimensionen, Säle aus Kalk- und Sandstein und granitne Thüren; Pfeiler mit sechs glatten Flächen schmückten sein Inneres. Nachdem noch einzelne Könige der 12. Dynastie an dem Gebäude hatten arbeiten lassen, blieb es bis zum Beginn der 18. Dynastie in dem alten einfachen Zustande. Da ließ Thutmosis I. vor dem Tempel [* 3] mehrere neue Räume anlegen (Kammern, einen Hof, [* 4] Kapellen und drei Pylonen); jeder seiner Nachfolger ahmte sein Beispiel nach, so daß der Tempel schon um das Ende der 18. Dynastie alle bis dahin in Ägypten [* 5] ausgeführten Bauten an Umfang weit übertraf.
Doch die Herrscher der 19. Dynastie gingen noch weiter. Sie erbauten einen Säulensaal und einen Pylonen in noch nie dagewesenen Größenverhältnissen. Der Säulensaal hatte eine Länge von 50 m bei einer Breite [* 6] von 100 m, und bestand aus einem mit 12,23 m hohen Säulen [* 7] geschmückten Mittelgange und zwei niedrigern Seitenräumen, deren Dach [* 8] von 122 Säulen getragen wurde. Zur Anlage eines Hofs und Pylonen, die das Gesamtgebäude abschlössen, kamen die Pharaonen der 19. Dynastie nicht mehr.
Sie wurden erst mehrere Jahrhunderte später von den Herrschern der 22. Dynastie vollendet. Neue Anbauten wurden noch von dem Äthiopen Tirhaka und den Ptolemäern in Angriff genommen, aber nicht mehr zum Abschluß gebracht. Im J. 27 wurde ein Teil des Tempels durch Erdbeben [* 9] zerstört und das Riesenbauwerk blieb für immer unvollendet. – Unter den Tempelbauten des neuen Reichs nehmen nächst dem großen Tempel von Karnak die Prachtgebäude von Abydos, Luksor, Gurna und Medinet-Habu, sowie die Felsenbauten von Abu Simbel (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 1] Fig. 8), Sebua und Derr die ersten Stellen ein.
Einfach im Grundrisse und deshalb ein gutes Beispiel für die ägypt. Tempelanlagen überhaupt ist das Heiligtum, das die Könige der 20. Dynastie südlich von Karnak dem Gotte Chons erbaut haben (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 1] Fig. 6, 7). Durch ein zwischen zwei Pylonen gelegenes Hauptthor kam man in einen von einer doppelten Säulenreihe eingefaßten Hof und von diesem durch eine Pforte in einen dreischiffigen Säulensaal. Hinter diesem liegt das eigentliche «Gotteshaus».
Seinen Mittelpunkt bildet
das Allerheiligste, das von rechteckiger Form, an den beiden Schmalseiten offen und von dem übrigen
Gebäude durch einen 3 m breiten
Gang
[* 10] getrennt ist; rechts und links von ihm liegen dunkle Gemächer, hinter
ihm eine kleine von vier
Säulen getragene
Halle,
[* 11] in die sieben andere Zimmer münden. Die
Tempel der Ptolemäerzeit weichen
in der
Anlage nur wenig von den ältern ab. Hierher gehören u.a. der
Tempel von Edfu (s.
Tafel:
Ägyptische Kunst I,
[* 1]
Fig. 3)
und
Dendera, mit den auch sonst vorkommenden
Säulen, deren
Kapital mit dem
Kopf der Göttin Hathor
[* 12] verziert
ist (s.
Tafel:
Ägyptische Kunst II,
[* 1]
Fig. 3), sowie die malerische Tempelanlage auf der
Insel
Philä (s.
Tafel:
Ägyptische Kunst
I,
[* 1]
Fig. 2). Auch im Profanbau
(Paläste, Festungsanlagen) hat sich die ägypt.
Baukunst
[* 13] bewährt.
Skulptur und Malerei. Die uns aus ägypt.
Tempeln und Gräbern erhalten gebliebenen
Statuen und Reliefs
waren fast sämtlich bemalt. Nur von Natur gefärbte
Steine,
wie Granit,
Basalt, Diorit,
Serpentin, scheinen bisweilen dem Gesetze
der Polychromie nicht unterworfen gewesen zu sein; dagegen wurden Sandstein, Kalkstein und Holz
[* 14] ausnahmslos farbig behandelt,
und wenn man einmal unbemalten Denkmälern aus diesem Material begegnet, so ist entweder durch Zufall
bei ihnen die
Farbe verloren gegangen oder die betreffenden
Arbeiten sind unvollendet geblieben. Im allgemeinen sind in Ä.
Bild
hauer und
Maler ohne einander kaum denkbar.
Die Anfänge der ägypt. Bild
hauerei und Zeichenkunst
[* 15] fallen in die vorhistor. Zeit.
In ihr hat sich auch jene eigentümliche Art der Zeichnung entwickelt, die durch alle Zeit hindurch, mit wenigen Ausnahmen,
sich erhalten hat und das an Perspektive gewöhnte
Auge
[* 16] bei den ägypt. Reliefs und Malereien so sehr befremdet. Man zeichnet
nämlich die Füße und
Beine von der Seite,
Brust, Schultern und
Hände aber von vorn; den
Kopf wiederum
von der Seite, das
Auge hingegen von vorn.
Die früher viel vertretene
Annahme, daß die Zeichnung des menschlichen Körpers nach bestimmten Proportionsgesetzen, den
sog.
Kanones der
Proportionen, denen als Einheit der menschliche Fuß zu
Grunde lag, vor sich gehen mußte, läßt sich auf
Grund der uns überkommenen Werke nicht erweisen und muß als unhaltbar aufgegeben werden. Die Blütezeit der ägypt.
Skulptur (Rundbild
werke und Reliefs) fällt in das alte
Reich und zwar in die fünfte Dynastie. Aus vorhistor.
Zeit ist uns an Statuen nichts erhalten. Vielleicht gehört in diese Epoche der kolossale Sphinx [* 17] von Giseh (s. Tafel: Ägyptische Kunst I, [* 1] Fig. 1), der bereits zur Zeit des Cheops existiert hat. Er ist aus dem lebendigen Felsen gehauen und zeigt trotz seiner gegenwärtigen Verstümmelung einen gewaltigen Ausdruck von Kraft [* 18] und Größe. Es müssen schon viele Jahrhunderte vergangen sein, bis die Kunst zu diesem Grade von Reife und Vollkommenheit gelangt ist. Das Hauptgewicht wird im alten Reiche bei den Statuen auf die Wiedergabe des Gesichts gelegt.
Der übrige Körper wird meist konventionell behandelt. Unter den Meisterwerken aus dieser Blüteepoche sind die bekanntesten:
die
Statue des auf dem
Boden hockenden Schreibers im Louvre und die stehende
Statue des sog. Dorfschulzen
(Schech el-Beled) in dem ägypt. Museum in
Giseh bei
Kairo.
[* 19] (S.
Tafel:
Ägyptische Kunst III,
[* 1]
Fig. 1.) Die
Skulptur des mittlern
Reichs schließt sich eng an die des alten
Reichs sowohl in der Behandlung des Materials als auch in Zeichnung und
Komposition
an. Doch halten die meisten Werke dieser Epoche einen
Vergleich mit den Meisterwerken der frühern Zeit
nicht aus. Zu den bessern
Arbeiten dieser Zeit zählt die
[* 1]
Figur eines priesterlichen
Beamten,
Namens Tetu, im
Berliner
[* 20] Museum
(ihr
Kopf ist auf
Tafel:
Ägyptische Kunst II,
[* 1]
Fig. 5 abgebildet
), und die sitzende
Statuette
eines Mannes, die sich ebenda
befindet (s.
Tafel:
Ägyptische Kunst II,
[* 1]
Fig. 9). In eine etwas spätere Zeit (13. Dynastie) gehört der schöne
Sphinx aus Rosengranit im Louvre, der aus
Tanis stammt (s.
Tafel:
Ägyptische Kunst III,
[* 1]
Fig. 7).
Das neue
Reich, aus dem uns die
meisten ägypt.
Skulpturen, die zum großen
Teil dekorativen Zwecken gedient haben, erhalten sind, bedeutet
einen Rückschritt in der Kunst, obgleich es auch in dieser Zeit nicht an hervorragenden Werten fehlt. Gewöhnlich haben
die Künstler auf eine genaue Wiedergabe des Porträts
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ver-246 zichtet und ihre Hauptkraft auf die Darstellung des Kostüms, der Haartracht, des Schmuckes und der weiten, faltigen
Gewänder, die in jener Zeit Mode sind, verwendet. (S. Tafel: Ägyptische Kunst III,
[* 21]
Fig. 17 und auch
[* 21]
Fig. 8, wo auf dem Sargdeckel
der Verstorbene in der Tracht seiner Zeit abgebildet
ist.) Nach der 20. Dynastie verfiel die Kunst noch
mehr, bis sie gegen das Ende der äthiop. Dynastie wieder belebt wurde und in der scyth. Periode, in der man wieder auf die
Vorbilder
des alten Reichs zurückgriff, eine kräftige Nachblüte feierte.
In den Anfang dieser Periode gehört die in Giseh befindliche Statue der Königin Amenerdas (s. Tafel: Ägyptische Kunst III, [* 21] Fig. 5); in das 4. bis 3. Jahrh. v. Chr. der lebenswahr gehaltene Porträtkopf eines Mannes im Berliner Museum (s. Tafel: Ägyptische Kunst II, [* 21] Fig. 4). Auch für die ägypt. Reliefdarstellungen fällt die Blüte [* 22] in das alte Reich, in dem die Künstler namentlich bei der Darstellung der Tiere durch die richtige Beobachtung der Natur und die Frische der Auffassung Bewundernswertes geleistet haben. – Die Malerei hat sich nur selten von der Skulptur getrennt. Wo dies geschehen, ist wohl lediglich der Kostenpunkt die Veranlassung gewesen, daß man sich statt des teuern Reliefs mit der billigern, auf einen Bewurf von Nilschlamm aufgetragenen Malerei begnügt hat.
In der Zeichnung zeigt die Malerei dieselben Eigentümlichkeiten bei der Wiedergabe des menschlichen Körpers wie das Relief.
(S. Tafel: Altägyptische Malerei; die
[* 21]
Figur links auf dem einem Grabe der 20. Dynastie entstammenden, jetzt im Berliner Museum
befindlichen Stuckbilde
ist die Königin Nefretere, die rechts ihr Gemahl Amenophis I.; beide wurden in
späterer Zeit als Ahnen der Könige des neuen Reichs verehrt; zu beiden Seiten Ornamente,
[* 23] gleichfalls aus den Gräbern des
neuen Reichs.) Die Zahl der Farben, über die die ägypt. Maler verfügten, ist ziemlich groß; wir besitzen Paletten aus
der Zeit des neuen Reichs, in denen 14–16 verschiedene Farben vertreten sind.
Die erforderlichen Stoffe lieferte meist die Erde; so bereitete man Weiß aus Gips, [* 24] der mit Eiweiß oder Honig gemischt wurde, Gelb aus Ocker oder Schwefelarsenik, Rot aus Ocker oder Zinnober, [* 25] Blau aus zerriebenem Lapislazuli oder Kupfervitriol, schwarz aus zerstampften verkohlten Tierknochen. Die Farben wurden in Säckchen aufbewahrt und mit Wasser angelegt, das mit etwas Tragantgummi versetzt war. Zum Auftragen bediente man sich eines Rohrstengels oder eines mehr oder weniger starken Haarpinsels.
3) Kunstgewerbe. Nicht minder bewundernswert und großartig, wenn auch weniger allgemein anerkannt sind die Leistungen der alten Ägypter auf dem Gebiete des Kunsthandwerks. Schon frühzeitig hat der Geschmack am Schönen und die Liebe zum Luxus alle Gesellschaftsschichten durchdrungen. Der Ägypter liebte es, sowohl in seinem irdischen als auch in seinem «ewigen» Hause wertvolle Amulette und Kleinodien, sorgfältig gearbeitete Möbel [* 26] und zierliche Geräte um sich zu haben.
Was man auch benutzte, sollte, wenn auch nicht aus kostbarem Material, so doch in reinen Formen gearbeitet sein. Wo man auch ägypt. Gebrauchsgegenständen begegnet, überall muß man den fein ausgeprägten Geschmack in der Form und Ornamentik bewundern. Die Formen und Ornamente sind entweder der Architektur entlehnt, z. B. Griffe in Säulenform, Kasten in Gestalt von Tempelfaçaden, oder, wie in der Töpferei, Flechterei und Weberei, [* 27] der Technik selbst entsprungen.
Häufig hat das Kunstgewerbe Nachbild
ungen von Pflanzen und Tieren, und zwar fast immer der für den besondern Zweck geeignetsten
verwendet, indem man entweder dem Gegenstande selbst die Form von Tieren, Pflanzen u. s. w. gab, oder sie
mit Darstellungen aus dem Naturleben verzierte. Es giebt Schälchen in Form von Enten,
[* 28] Gazellen oder Fischen; runde Teller sind
mit Fischen und Lotosblumen verziert; ein Becher
[* 29] aus Fayence
[* 30] zeigt Sumpfvögel und ihr Nest in einem Dickicht, ein Löffelgriff
eine nackte Frau, die Guitarre spielt, an andern Gegenständen befinden sich Elfenbeinarbeiten (s. Tafel:
Ägyptische Kunst III,
[* 21]
Fig. 2–4, 6, 10–16). –
Vgl. Perrot und Chipiez, Geschichte der Kunst im Altertum.
Ä. (deutsch von Pietschmann, Lpz. 1884); Maspero, Archéologie égyptienne (Par. 1887: deutsch: «Ägypt. Kunstgeschichte», von Steindorff, Lpz. 1889); Catalogue des monuments et inscriptions de l'Égypte antique (Bd. 1, Wien [* 31] 1893).
4) Schrift. Litteratur. Wissenschaft. Eine vollständig ausgebildete
Schrift findet sich schon auf den ältesten erhaltenen
Monumenten, und mit Sicherheit darf man der Tradition Glauben schenken, daß die Schrift schon unter der Regierung des Menes,
also im Beginn histor. Zeit, im Gebrauche war. Über das Schriftsystem s. Hieroglyphen. Die hohe Ausbildung
aller Kulturzweige und Künste, wie sie sich schon in der dritten und vierten Dynastie kundgiebt, berechtigt auch zu der
Annahme, daß sich schon in den ersten Dynastien die Anfänge einer mannigfaltigen Litteratur gebildet hatten, die sich
bald vermehrte und zu Tempelarchiven und Bibliotheken führte.
Über solche Aufzeichnungen sind aber die Ägypter wohl schwerlich hinausgekommen. Ihre chronol. Berechnungen beruhten auf gewissen astron. Kenntnissen, die sie sich schon frühzeitig angeeignet hatten. Den Ägyptern kam in dieser Beziehung die Natur selber entgegen. Der wolkenlose Himmel [* 32] erleichterte die Beobachtung der Gestirne, und das regelmäßige Eintreten der Nilschwelle gab ihnen den natürlichen Anfang eines festen Jahres. Im Anfang ihrer Geschichte fiel hiermit ein anderes Phänomen zusammen, der heliakische Aufgang des hellsten Fixsterns Sirius, von den Ägyptern Sothis genannt.
Dieser Frühaufgang des Sirius trat während des ganzen Zeitraums der ägypt. Geschichte jedes Jahr fast genau nach 365¼ Tagen wieder ein und gab ihnen daher ein mit dem Julianischen identisches, astronomisch festes Sternenjahr, nach welchem sie ihr bürgerliches Jahr von 365 Tagen durch die vierjährige Einschaltung eines Tags bequem und genau regulieren konnten, da sich beide Kalender alle vier Jahre um einen Tag verschoben und nach einer Sothisperiode von 4mal 365 = 1460 Julianischen oder 1461 ägypt. Civiljahren wieder zu dem gemeinschaftlichen Anfange zurückkehrten.
Der erste Tag des etwas kürzern wahren tropischen Sonnenjahres und der durchschnittliche Anfang des davon abhängigen Nilschwellens hatten sich während dieser langen Periode nur um 11 Tage verschoben. Die Ägypter waren es auch, welche den Fixsternhimmel zuerst in Sterngruppen zerlegten und diese mit Namen von Sternbildern belegten. Sie teilten den Himmelsäquator in 36 Dekane oder 360 Grade und verzeichneten die allnächtlichen Aufgänge zu jeder der 12 Nachtstunden von 14 zu 14 Tagen das ganze Jahr hindurch. Mehrere Exemplare solcher Sterntafeln sind noch erhalten. Auch in der Geometrie ¶