mehr
238
der Hyksos: um 1700);
3) das neue Reich (Dynastie 18–21: 1600–1150 V. Chr. [Dynastie 18: 1000–1400, Dynastie 19: 1400–1270, Dynastie 20: 1270–1150, Dynastie 21: 1150–950]);
4) Epoche der libyschen Herrschaft (Dynastie 22: 950–750 v. Chr.); die Herrschaft der Äthiopen und Assyrer (728–663);
5) Spätzeit (Dynastie 26–31: 663–331 v. Chr.: Dynastie 26: 663–525).
3) Urgeschichte. In der Zeit, in der die Ägypter mit ihren Denkmälern zum erstenmal als histor. Volk uns entgegentreten, ist ihre Kulturentwicklung beinahe abgeschlossen. Sie haben eine ausgebildete Staatsverfassung, eine fast fertige Kunst, eine vollständig entwickelte Schrift und Litteratur. Die religiösen Anschauungen sind zu einem systematischen Abschluß gekommen. Wie lange Zeit das Volk zu diesen Errungenschaften gebraucht hat, ist unbekannt, nur durch Vermutungen kann man an einzelnen Stellen das Dunkel der ägypt. Urgeschichte erhellen.
Das Wichtigste ist, daß das Land ursprünglich kein einheitliches Reich bildete, sondern in zwei Staaten geteilt war, den Norden [* 2] und den Süden, deren Grenze sich oberhalb Memphis befunden hat. Die Einigung scheint (in welcher Weise, wissen wir nicht) von Oberägypten ausgegangen zu sein; wenigstens spielt in histor. Zeit im Ceremoniell (Titulatur des Königs: König von Ober- und Unterägypten) das Oberland die erste Rolle. Der Staat zerfiel in eine Reihe kleiner Fürstentümer, die ursprünglich wohl unabhängig waren, dann aber zu Gunsten des Einheitsstaates ihre Selbständigkeit aufgegeben hatten und zu Provinzen (Gauen) herabgesunken waren.
Ganz war übrigens auch in histor. Zeit bei den Gauen und Fürsten das Gefühl ihrer einstigen Unabhängigkeit nicht geschwunden; wann auch immer die Kraft [* 3] des Reichsoberhaupts erlahmte, machten sie sich selbständig und trieben ihre eigene Politik. Von dieser Urgeschichte weiß natürlich die histor. Zeit nichts. Sie nimmt an, daß Ä. vor der Herrschaft der irdischen Könige von den Göttern beherrscht worden sei. Herodot spricht von drei Göttergeschlechtern, die nacheinander geherrscht haben und deren Folge und Zeit von den Priestern angegeben wurden.
Auch Manetho führt mehrere Götterdynastien auf. Aus seiner Erzählung geht ferner hervor, daß diese drei Götterherrschaften wirklich als regierende Dynastien, wie die der menschlichen Könige, von der Tradition aufgefaßt wurden. Ähnlich setzt die einheimische Überlieferung, wie sie im Turiner Königspapyrus vorliegt, an den Anfang der Geschichte eine lange Götterherrschaft. Zuerst habe Ptah, [* 4] der Gott von Memphis, regiert; ihm sei der Sonnengott Re gefolgt. Dann kommen Schu, der Kreis [* 5] des Osiris, [* 6] Thot, Anubis [* 7] und andere Gottheiten. Ihnen folgten Halbgötter, die als «Diener des Horus» [* 8] bezeichnet werden und den Übergang zur histor. Zeit bilden. – Zur Annahme eines prähistor. Steinzeitalters, das verschiedene Gelehrte (vgl. Mook, Ä.s vormetallische Zeit, Würzb. 1880) auch für Ä. angenommen haben, liegen keine hinreichenden Gründe vor.
4) Das alte Reich. Als ersten ägypt. König, der möglicherweise auch die Einigung des Staates vorgenommen hat, nennen sowohl die Denkmäler als auch die Listen Manethos den Menes. Er stammte aus Thinis, der Nachbarstadt von Abydos in Oberägypten und soll die Hauptstadt des alten Reichs, Memphis, und den Tempel [* 9] ihres Hauptgottes Ptah gegründet haben. Seine Regierungszeit (Dynastie 1) ist um 3180 v. Chr. (nach Ed. Meyer) anzusetzen.
Die Dynastie des Menes soll nach Manethos Angabe 253 Jahre regiert haben; ihr folgten zwei Dynastien, über die beglaubigte Nachrichten nicht vorliegen. Von Denkmälern aus dieser Zeit sind zu nennen: die große Sphinx [* 10] von Giseh (s. Tafel: Ägyptische Kunst I, [* 1] Fig. 1), die vielleicht sogar in die prähistor. Zeit gehört, jedenfalls aber schon zur Zeit des Königs Cheops (Dynastie 4) vorhanden war; die Stufenpyramide von Sakkara, die wahrscheinlich das Grab des Königs Zoser (Dynastie 3) ist; auch die Pyramiden von Dahschur (etwas südlich von Memphis am Rande der Libyschen Wüste), sowie einige Reste von Privatgräbern gehören vermutlich in die dritte Dynastie.
Mit überraschender Fülle entfaltet sich aber mit einem Mal das ägypt. Leben in den zahlreichen Denkmälern der vierten Dynastie. Ihr und der sich anschließenden fünften gehören die großen Pyramiden von Giseh mit den vielen umliegenden, teils aufgebauten, teils in den Fels gehauenen Privatgräbern an. Die von Manetho und den griech. Schriftstellern genannten Erbauer dieser Pyramiden fanden sich auf den Bausteinen und Sarkophagen aufgezeichnet und bildeten so die ältesten und wichtigsten Vergleichungspunkte zwischen den Manethonischen Königslisten und den Denkmälern.
Der erste König der vierten Dynastie ist Snofru; er ist auch der erste Herrscher, von dessen Thaten gleichzeitige Denkmäler berichten. Er hat die Beduinen der Sinaihalbinsel besiegt und hier die ägypt. Herrschaft befestigt, wenn nicht überhaupt begründet. Sein Grabmal ist die in der Nähe der Fajumoase gelegene Pyramide von Meidmu, die aus drei aufeinander gesetzten viereckigen Türmen mit abgeschrägten Seiten besteht. Von seinen Nachfolgern sind Chufu (Cheops, s. d.), Chafré (Chephren, s. d.) und Menkere (Mykerinos, s. d.) durch ihre Pyramiden bekannt.
Von kriegerischen Thaten dieser Könige ist uns nichts überliefert. Ihre Regierungszeit war wohl eine friedliche, so daß die Kräfte des Landes ganz auf jene Riesenbauten verwendet werden konnten. Auch von den Herrschern der fünften Dynastie ist wenig bekannt. Bestattet sind sie wahrscheinlich in den Pyramiden von Abusir (nördlich von Memphis). Der letzte König ist Unis, dessen Grab eine Pyramide von Sakkara ist. Zu den Herrschern der sechsten Dynastie, deren Pyramiden ebenfalls bei Sakkara liegen, gehört Pepy II., der im sechsten Lebensjahre den Thron [* 11] bestiegen haben und 100 J. alt geworden sein soll, demgemäß also die längste Regierungszeit in der Geschichte gehabt hätte.
Nach der sechsten Dynastie tritt eine Zeit des Verfalls ein, aus der nur wenig Denkmäler erhalten geblieben sind. Das Königtum, das in Unterägypten seinen Sitz hatte, scheint an Macht Einbuße erlitten und der Staat sich in kleine Fürstentümer zersplittert zu haben, die einander oft befehdeten.
5) Das mittlere Reich. Die Reorganisation des Staates ging vom Süden aus. Ein oberägypt. Geschlecht übernimmt die Führung des Landes und führt für Ä. eine zweite Blütezeit herauf. Das Land erreicht jetzt seinen Gipfelpunkt an Macht und Wohlstand. Zahlreiche, durch das ganze Nilthal zerstreute Denkmäler bezeugen dies. Im Innern wurde die Verwaltung reorganisiert und die gelockerten Rechtsverhältnisse wieder befestigt. Kunst und Litteratur blühten auf und entfalteten sich so, daß das mittlere Reich als ihre klassische Periode gilt. Zu dieser Zeit wurde wohl auch die Libysche Oase Fajum durch die künstliche Hereinleitung eines Nilarms mit dem ¶
mehr
Nil-239 thale verbunden und zu einer der fruchtbarsten Provinzen des Landes umgeschaffen. Einer der Herrscher dieser Epoche, Amenemhét III. (um 1900 v. Chr.), war es auch, der hier das große Wasserreservoir, den See Möris (s. d), den Riesenbau des Labyrinths (s. d.) anlegte und am Eingange des Fajum, bei dem Dorfe Hawara, sich seine Grabpyramide erbaute. Auch nach außen hin hat die 12. Dynastie ihre Macht entfaltet. Vor allem ist ihr die schon in früherer Zeit versuchte Unterwerfung Nubiens, des südl. Grenzlandes, gelungen.
Bei dem Dorfe Semneh, 60 km oberhalb des Katarakts von Wadihalfa, wurde von Usertesen III. (um 1950 v. Chr.) die Grenze des Reichs festgesetzt und durch zwei Festungen geschützt. Auch mit Syrien und Südarabien hatte das Reich in jener Epoche Beziehungen, die aber mehr friedlicher Art waren und die Förderung des Handels bezweckten. Die Residenz der Könige des mittlern Reichs war in Mittelägypten, im Fajum, und wahrscheinlich auch in Oberägypten, in Theben. Die Bauthätigkeit während der 12. Dynastie war überaus groß; es findet sich fast keine größere Ruinenstätte in irgend einem Teile des Landes, die nicht Trümmerreste aus jener Blüteepoche aufweist.
Unter der 13. Dynastie sank die Macht des Reichs von ihrer Höhe herab. Es traten wiederum innere polit. Wirren ein, die das Land von neuem zerrütteten. Dazu kam ein äußerer Feind. Das asiat. Hirtenvolk der Hyksos (s. d.) fiel von Nordosten her in Ä. ein und unterwarf sich zunächst das Delta [* 13] und von hier aus Unterägypten mit der Hauptstadt Memphis. Die Residenz der Hyksoskönige war die Festung [* 14] Auaris (ägypt. Ha(t)-ware), die im östl. Delta in der Nähe von Tanis gelegen war.
Während die Fremden in Unterägypten herrschten, scheinen die Nachkommen der einheimischen Könige in Oberägypten ihre Selbständigkeit behauptet zu haben. Einen tiefgehenden Einfluß haben die Hyksos auf Ä. wohl nicht ausgeübt. Nachdem sie einmal das Land unterjocht hatten, haben sie sich der überlegenen Civilisation der Besiegten unterworfen und die alte Verwaltung bestehen lassen. Nur die Verehrung ihrer Heimatsgötter behielten sie bei. Um 1600 v. Chr. gelang es dem oberägypt. Königshause, das in Theben residierte, das Joch der Fremdherrschaft von Ä. abzuschütteln. Der Befreiungskampf dauerte lange Zeit. König Ra'seknen nahm ihn auf, und erst seinem Enkel Amosis gelang es, das Hauptbollwerk der Hyksos, die Stadt Auaris, zu nehmen und ihre Macht endgültig zu brechen.
6) Das neue Reich. Mit Amosis beginnt das neue Reich und damit die Epoche der Großmacht Ä., in der seine Könige, die Amenophis und Thutmosis, ihre siegreichen Waffen [* 15] nach Nubien und Syrien trugen und mit den entfernten Herrschern Kleinasiens in enge polit. Beziehungen traten. Diese Veränderung der äußern Stellung Ä.s hatte auch eine tiefgehende Umgestaltung des Volkslebens zur Folge. Durch die Tribute der fremden Staaten flossen ungeheure Reichtümer ins Land, besonders nach der Reichshauptstadt Theben.
Großartige Denkmäler erstanden, und das Gefühl der gesicherten, rasch wachsenden Macht durchdrang überall die Werke jener Zeit, die noch heute bewundert werden. Nach der Vertreibung der Hyksos wurden zunächst die innern Verhältnisse neu befestigt und geordnet; mit der Macht der lokalen Gaufürsten war es jetzt für immer vorüber. Eine streng einheitliche Verwaltung wurde eingeführt. Nach außen hin wandten sich die ägypt. Waffen zunächst nach Nubien, das während der Hyksosherrschaft dem Reiche verloren gegangen war und nun zurückerobert wurde.
Dann wurden Syrien und Palästina [* 16] zu ägypt. Provinzen gemacht. Vor allem war es König Thutmosis III. (1503–1449 v. Chr.), eine der glanzvollsten Erscheinungen der ägypt. Geschichte, der in zahlreichen Feldzügen ganz Syrien südlich vom Amanus und westlich vom Euphrat dem ägypt. Reiche sicherte. Fernere Staaten, wie Cypern, [* 17] Cilicien, Assyrien und Babylonien, warben um seine Freundschaft und schickten Tribute. Sein dritter Nachfolger Amenophis III. und dessen Sohn Amenophis IV. hielten den unter ihrem Vorgänger angebahnten Verkehr mit den Großmächten, besonders Naharina (einem Staate am obern Euphrat), Assyrien und Babylonien aufrecht.
Der Fund von El-Amarna (s. d.), der einen Teil der ägypt. Staatsarchive enthält, hat den diplomat. Briefwechsel dieser Könige mit den Herrschern der erwähnten Staaten bewahrt und uns interessante Einblicke in ihre gegenseitigen Beziehungen gewährt. So erfährt man, daß Amenophis III. und auch sein Sohn und Nachfolger Prinzessinnen von Naharina zu Gemahlinnen hatten und so auch ein Band [* 18] naher Verwandtschaft zwischen den Königshöfen am Nil und Euphrat geknüpft war.
Unter Amenophis IV. geriet die ägypt. Oberherrschaft in Syrien bereits ins Schwanken; im Norden drangen die Hethiter vor und suchten ihre Macht auszubreiten; im Süden richteten die Chabiri, in denen wohl die Hebräer zu sehen sind, Angriffe gegen die ägypt. Garnisonen und besonders gegen die Stadt Jerusalem. [* 19] Unter den Nachfolgern Amenophis' IV. ist dann die ägypt. Herrschaft in Syrien verloren gegangen. Die Schuld an diesem Rückgang der ägypt. Macht tragen innere Wirren, die an den Namen Amenophis' IV. anknüpfen und in dem Versuche, die alte ägypt. Religion zu reformieren, gipfelten.
Amenophis IV. nämlich hatte sich mit beispielloser Energie entschlossen, an Stelle der unzähligen ägypt. Götter, die in den verschiedenen Städten des Landes verehrt wurden und in denen man überall Sonnengötter sah, die Verehrung eines einzigen Gottes, der Sonnenscheibe, [* 20] einzuführen. Mit Gewalt verbreitete er den neuen Kultus. Die alten Götter wurden von jeder Verehrung ausgeschlossen und ihre Bilder und Namen in allen Tempeln des Landes zerstört. Am meisten verfolgte er den Ammon, [* 21] dessen Dienst zu seiner Zeit den mächtigsten Aufschwung genommen hatte. Er veränderte infolgedessen auch seinen eigenen Namen Amenophis (Amenhotp), weil in ihm der Name des verhaßten Gottes vorkam, in Chuniten, «Glanz der Sonnenscheibe»; die alte Hauptstadt Theben, die ihn mit ihren Heiligtümern überall an Ammon erinnerte, verließ er und baute sich bei dem heutigen El-Amarna (in Mittelägypten) eine neue Residenz, die er «Horizont [* 22] der Sonnenscheibe» nannte und mit zahlreichen prächtigen Bauten ausschmückte.
Die neue Religion hat aber ihren Gründer nicht lange überlebt. Als Chuniten gestorben war, waren seine Nachfolger nicht im stande, den reaktionären Angriffen der alten Priesterschaft Widerstand zu leisten. Sie sagten sich vom Kultus der «Sonnenscheibe» wieder los und kehrten zur orthodoxen Religion zurück. Wie einst Amenophis IV. die alten Götter verfolgt hatte, so wurde jetzt das Andenken an ihn und seinen Gott überall vernichtet und seine junge Residenz mit den Kultusstätten der Sonnenscheibe dem Erdboden gleichgemacht. Ammon bestieg wieder als «Götterkönig» ¶