234 pflügt noch düngt, so fallen doch die Ernten viel reichlicher aus als in Unterägypten. Obschon in A. die
Bauern (Fellah)
den wichtigsten
Teil der
Bevölkerung
[* 2] ausmachen, so lebte doch hier, soweit die Geschichte zurückreicht, der ackerbautreibende
Stand stets in strenger und drückender Abhängigkeit. Früher war das Verhältnis desBauers in Ä. wie
in jedem andern mohammed.
Staate das des Pächters zum Grundherrn, wobei die
Steuer die
Stelle des Pachtschillings vertrat und
zugleich der Grundsatz festgehalten wurde, daß bei regelmäßiger Bezahlung der
Steuer die
Pacht nicht aufgekündigt werden
konnte.
Mehemed Ali jedoch machte 1817 durch sein berüchtigtes Monopolsystem denBauer zu dem elend bezahlten
Tagelöhner der Regierung, indem er nicht nur die an und für sich schon sehr hochgestelltenAbgabenin natura von den
Bauern
bezahlen ließ, sondern sie auch noch zwang, alles, was sie ernteten, an die Regierung zu dem von ihr selbst festgestellten
Preise zu verkaufen. Daneben hatte der
Bauer ungemessene Frondienste und wurde mit der größten
Strenge
zu den Kanalbauten angehalten.
Hierzu trat die
Aushebung zu dem vom Fellah aufs höchste verabscheuten Kriegsdienste im Landheere oder auf der Flotte.
Die erste
Erleichterung war die Erlaubnis, die Grundsteuer in
Geld bezahlen zu dürfen. Allmählich sah man sich auch
genötigt, dem europ. Einflusse nachzugeben und das Monopolsystem aufzuheben, so daß unter
Said Pascha der Fellah seine Erzeugnisse völlig frei verkaufen durfte. Durch die Maßnahmen
MehemedAlis gestalteten sich
in Ä. auch die Verhältnisse des Grundbesitzes anders als in andern mohammed.
Ländern.
Der Pascha zog wegen rückständiger
Steuern nicht nur die Erblehen und Familiengüter und die für wohlthätige
Zwecke bestimmten
Güter ein, sondern nahm auch die zahlreichen, von ihren Bebauern verlassenen
Gründe für sich in
Anspruch.
Es entstanden so die
Tschiftliks oder Privatgüter des Pascha und seiner Familienglieder, die, allmählich eine große
Ausdehnung
[* 3] erlangend, durch einen eigenen
Diwan verwaltet wurden. 1878 wurde der fast ein Viertel alles kulturfähigen
Landes umfassende Grundbesitz des Chediv und seiner Familie in Staatsdomänen verwandelt, die den europ.
Mächten für die verschiedenen
Anleihen verpfändet wurden.
Einen großen
Teil dieser Ländereien verpachtete man an
Unternehmer, die die Bezahlung der fälligen
Steuern übernahmen und
das Land weiter an Eingeborene verpachteten; einen kleinen
Teil verpachtete man unmittelbar an Eingeborene,
aber ein beträchtlicher
Teil liegt aus
Mangel an
Arbeitskräften brach. Die um die Dörfer herumliegenden kleinen
Parzellen,
die von Fellahs bewirtschaftet werden, machen mit dem Gemeindebesitz ungefähr die Hälfte alles Kulturlandes aus;
die von
den Fellahs der Regierung zu zahlenden
Abgaben belaufen sich ungefähr auf ein Fünftel des Bodenertrags;
dabei sind die Fellahs nicht Eigentümer des von ihnen bewirtschafteten
Bodens, sondern nur
Pächter der Regierung;
durch Bezahlung
der sechsfachen
Abgaben können sie sich jedoch in den erblichen
Besitz des
Landes setzen.
Ein großer
Teil kulturfähigen
Landes
gehört als
Wakuf den Moscheen und Schulen, den jetzt die engl. Regierung für die
Occupationskosten mit
Beschlag belegt hat. Der Viehstand belief sich (Ende 1878) auf: 8741
Pferde,
[* 4] 147739 Kühe, 80587 Ochsen
und
Büffel, 320047 Schafe
[* 5] und
Ziegen, 26871 Kamele,
[* 6] 87882 Esel und
Maultiere.
Die IndustrieÄ.s ist unbedeutend.
Kairo
[* 7] hat etwa 500 Webstühle
[* 8] für halbseidene
Stoffe
und 1000 für Baumwollzeuge. Man fertigt grobe Baumwollstoffe für die
Soldaten, halbwollenen, stets blau gefärbten
Stoff
für die Fellahweiber, Fesmützen und Schuhzeug. Von Belang ist auch die Indigofärberei und die Gerberei. Gutes Saffianleder,
Posamentierarbeiten, Strohmatten und Binsenkörbe liefert die Hauptstadt gleichfalls; Wolldecken und grobe
Tücher das
Fajum.
Die ehemals bedeutende Linnenfabrikation in Oberägypten hat aufgehört. Ebenso sind die meisten der von
Mehemed Ali gegründeten
Regierungsfabriken eingegangen; die Fabrik roter
Mützen zu Fuah ist im
Verfall. Bei
Giseh besteht eine Fabrik, in der aus Viehmist
Ammoniak bereitet wird. Auch der
Schiffbau in
Kairo, wo sich zugleich eine
Stückgießerei befindet, ist
nennenswert. Zucker
[* 9] wird hauptsächlich auf den Besitzungen des Vicekönigs,namentlich in
Minjeh, Roda und Erment, fabriziert
und raffiniert.
Handel. Seit die Regierung unter
Abbas Pascha und Said Pascha die
MonopoleMehemedAlis aufgegeben hat, hat sich
der Handel des
Landes in außerordentlicher
Weise gehoben. Die gesamte Wareneinfuhr und der bei weitem größte
Teil der
Ausfuhr geht durch den
Hafen von
Alexandria. Der
Großhandel ist fast ganz in den
Händen der Europäer, während die Eingeborenen
den Vertrieb der Waren im Innern besorgen. Im
Ausfuhrhandel sind zahlreiche
Christen und Mohammedaner beschäftigt, die den
Bauern die Produkte in den Dörfern abnehmen und an die Exporthäuser abliefern.
Ausgeführt wurden (1893) für 8525971 ägypt. Pfd.
Baumwolle,
[* 10] 1840381 Pfd. Baumwollsamen, 700802 Pfd. Zucker, 687978 Pfd.
Bohnen, für 83965 Pfd. Weizen; ferner Felle, Straußfedern, Elfenbein,
Datteln, Büffelhörner,
Wachs,
Kaffee, Sodaasche,
Gummi,
Henna,
Weihrauch, Schafwolle, Leinen,
Perlmuscheln, Rosenöl, Natron,
Opium, Pfeffer, Sennesblätter, Sämereien, Matten, Salpeter,
Tamarinden, Schildpatt, Safran,
Lumpen, Botargo (Fischrogen), Binsenkörbe,
Eisen,
[* 11] Flachs,
Knochen,
[* 12]
Ölkuchen,
Schwefel (den man neuerlich am
RotenMeere bei Jemsah und Ranga gewinnt). Eingeführt wurden (1893) für 1320852 ägypt. Pfd.
Baumwollgewebe, für 404847 Pfd.
Steinkohlen, 342960 Pfd.
Eisen und Eisenwaren, 183384 Pfd. Mehl,
[* 13] 133767 Pfd. Baumwollgarn,
für 399632 Pfd. Blättertabak, 67479 Pfd.
Käse; außerdem
Droguen, Harze, Fette, Öle,
[* 14] Kupfer,
[* 15]
Bauholz,
Quecksilber,
Stahl, Waffen,
[* 16] rote
Mützen, Holz,
[* 17]
Tauwerk,
Glasperlen, Nägel,
[* 18] Glaswaren, Medikamente, Fayence,
[* 19]
Teer und
Pech, Möbel,
[* 20] Papier,
Blei,
[* 21] Kartoffeln, Gemüse, gesalzenes Fleisch, Quincailleriewaren, Seidenwaren, griech.
Seide,
[* 22] Seife, Schuhe und Lederwaren, Zucker, Schwefel, Lichte,
Draht,
[* 23] Cigarren, trockne
Früchte, Marmor und
Steine, Wein
und Liqueur. Der Gesamthandel betrug (in ägypt. Pfund):
Der Transithandel betrug 1891: 1002690 ägypt. Pfd. Die Handelsflotte
bestand 1884 aus 1500 Schiffen, darunter 40 Nildampfer und 16 Dampfer auf dem Roten und Mittelländischen
Meere; im Hafen von Alexandria liefen ein (1891) 2163 Schiffe
[* 25] mit 1,80 Mill. t, aus 2158 Schiffe mit 1,75 Mill. 5. Die türk.
und engl. Flagge herrscht vor. Alexandria ist der einzige bedeutende HafenÄ.s. Es nahm an der Einfuhr teil
mit 6764448, an der Ausfuhr mit 11662411 Pfd. Der Handel von Sues und Damiette ist jetzt unbedeutend; meist besuchen nur Schiffe
aus Syrien den dortigen Hafen. Wichtig ist im RotenMeere der kleine Platz Kosseïr, der den Verkehr auf der zum Nil führenden
Karawanenstraße vermittelt.