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Assuan bis über den 25.° nördl.
Br. nach
El-Kab herab und besonders bei der
Stromenge von Selseleh liegen die ausgedehntesten
Steinbrüche eines festen, fein- und gleichkörnigen Sandsteins, der das vortreffliche Material zu den großartigen Tempelbauten
der
Ramessiden bildete. Die berühmten Königsgräber von
Theben sind in die libyschen Kalkfelsen eingehauen,
die dicht über der obersten Kreide
[* 2] liegen, und die Pyramiden bei
Kairo
[* 3] sind aus dem festern Nummulitenkalksteine der
Brüche
bei Maassarah und Turra auf dem gegenüberliegenden Nilufer erbaut.
Ein anderer, im
Altertum häufig verarbeiteter und geschätzter
Stein ist der orient. Kalkalabaster, der vorzüglich im
ArabischenGebirge gegenüber vom alten Memphis bei
Heluan und außerdem auf der Ostseite von
Minjeh (Minia) und
Siut
(dem alabastrites mons des
Ptolemäus) gebrochen und noch zu
MehemedAlis Zeit daselbst verarbeitet wurde. Von andern
Mineralien
[* 4] ist das besonders im
Thal
[* 5] der Natronseen südlich von
Alexandria gefundene Natron zu erwähnen. Auch viel Kochsalz, Salpeter
undAlaun
[* 6] wird gewonnen; an einigen Orten tritt
Erdöl
[* 7] zu
Tage, wie beim
Dschebel Sēt am
RotenMeere.
Nach Steinkohlenlagern ist häufig, aber immer vergeblich geforscht worden, obgleich die Formation an einer
Stelle der östl.
Wüste, im
WadiArabah, zu
Tage tritt; dagegen hat man 1850 Schwefellager am
RotenMeere auf der Halbinsel
Dschemsah unter 27° 42' nördl.
Br., 290 km von
Sues, entdeckt. Auch die im
Altertum und von den
Arabern ausgebeuteten Goldminen
wurden beim
Dschebel Ollagi in
Nubien und die Smaragdminen beim
Dschebel Sebara neuerdings wieder gefunden, lohnen aber jetzt
die Betriebskosten nicht mehr. Der
Topas
[* 8] kam von derInsel Topasion im
RotenMeere, der
Saphir von der dort
befindlichen
Insel Safirene.
Die im ganzen arme
PflanzenweltÄ.s zählt 1300
Arten, einschließlich der angebauten und verwilderten
Species, von denen nur 50 ausschließlich auf Ä. beschränkt sind, wenn man den Sinai nicht mitrechnet. Der
Flora der Wüste
steht die des Nilthals, die vorzugsweise Ackerflora ist, fast unvermittelt gegenüber.
Jene bildet einen
Teil der sich durch ganz Nordafrika vom
Senegal bis nach
Arabien und über Südpersien und
Beludschistan bis an den Indus ausdehnenden
Region, die durch die Kultur der Dattelpalme am besten charakterisiert wird.
Viele Eigentümlichkeiten zeigt die
Flora derOasen und des längs der
Küste zwischen dem Golf von Solum
und
Abukir sich erstreckenden Kalksandsteins, die sich von der von
Kyrenaika deutlich unterscheidet. Die für Ä. charakteristischen
Bäume sind die wahrscheinlich im
Altertume aus Südarabien eingeführte
Sykomore, die hier nirgends wild auftritt, die Nilakazie
(AcacianiloticaDcl.), zwei
ArtenTamarisken, in Oberägypten die Dumpalme
(HyphaenethebaicaL.), die erst
im südl.
Nubien wild auftritt. Im ganzen hat Ä. 20
Arten von Wild- und Zierbäumen, 25 von Fruchtbäumen und 67 verschiedene
Feldpflanzen. – Was den Bodenbau betrifft, so ist Ä. mehr als irgend ein
Land der Erde auf diesen angewiesen, worin
eine teilweise Erklärung für die frühzeitige Kultur des
Volks zu suchen ist.
Vermöge seiner Mittelstellung zwischen drei
Weltteilen und als Übergangsgebiet sehr verschiedener klimatischer Zonen, das
bei Völkerverschiebungen seit uralter Zeit als Völkerbrücke diente, hat Ä. eine sehr große Mannigfaltigkeit der Bodenerzeugnisse
auszuweisen. Von der 25769
qkm großen Gesamtkulturfläche des
Landes waren 1887 20,3 Proz. mit Weizen,
11,2 Proz. mit
Mais, 8,5 Proz. mit Gerste,
[* 9] 7,2 Proz. mit Durrha
(Sorghum) und 2,5 Proz. mit
Reis bebaut.
Unter den Hülsenfrüchten wird vor allem die Saubohne (Faba), 12,3 Proz., und die Linse
[* 10] (2,5
Proz.) angebaut; weniger Kichererbsen (0,5 Proz.),
Lupinen und Lubiabohnen (Vigna sinensisEndl.). Grünfutter
für die Viehzucht
[* 11] liefert fast ausschließlich der ägypt. Klee mit 15,2 Proz.
des
Areals; griech. Heu (2,1 Proz.) und Luzerne spielen keine große
Rolle. Der früher sehr einträgliche Tabakbau ist seit dem J. 1889 durch Steuermaßregeln unmöglich gemacht worden.
Sehr ausgebreitet, vor allem im Delta,
[* 12] ist die Baumwollkultur mit 14,1 Proz.
des Gesamtareals, deren Jahresproduktion bereits 9 Mill. Pfd. St. beträgt. Die Zuckerproduktion
Ä.s ist nicht bedeutend, nur 1,2 Proz. der gesamten Kulturfläche ist mit
Zuckerrohr bestanden; überhaupt ist die Kultur
von
Baumwolle
[* 13] und
Zuckerrohr in Ober- und Mittelägypten fast unmöglich, da deren Vegetationsperiode gerade in
die Überschwemmungszeit fällt und in Ermangelung genügender
Kanalisation es unmöglich ist, das Wasser abzuleiten und günstiger
zu verteilen, wie es in Unterägypten der Fall ist. An eigentümlichen Gemüsen, die in besonderer Menge gezogen werden,
sind zu erwähnen: Bamien (Hibiscus esculentusL., eine unreif benutzte Kapselfrucht; badingān
(Solanumesculentum Dun.),
Colocasiaknollen, meluchia (Chorchorus olitoriusL.), das wie
Spinat genossen wird;
eigentümliche blutrote
Karotten, sehr milde weiße
Rettiche, deren
Blätter man ißt, und in großer Formenauswahl
Melonen und Kürbisse.
Bereits im
Altertum galt Ä. als das
Land derZwiebeln und des Lauches, die auch noch heute in reichem
Maße den Eingeborenen zur
Nahrung dienen und massenhaft nach England ausgeführt werden. Unter den Fruchtbäumen, unter denen alle südeurop. Formen
vertreten sind, herrschen im Delta Orangen und Citronen und im Nilthal die
Feigen vor; Dattelpalmen zählte man 1887 in Unterägypten
1097552, in Oberägypten 2355122
Stück,
Pfirsiche und
Aprikosen giebt es massenhaft, aber von geringer
Güte, indes Granatäpfel,
Feigen und
Oliven vorzüglichster Art sind. Mitteleurop. Obstsorten gedeihen in Ä. nicht, und die
wenigen
Äpfel,
Birnen und Pflaumen sind unschmackhaft.
Auch
die TierweltÄ.s ist verhältnismäßig arm; am zahlreichsten in
Bezug auf
Arten sind die Fische
[* 14] vertreten.
Der
Nil ist reich an Fischen, besonders Welsen, Karpfenarten,
Aalen, elektrischen Hechten u.s.w. Unter
den Reptilien zeichnen sich die
Krokodile
[* 15] aus, die früher in Unterägypten und im
Fajum, jetzt aber nur noch bis
Theben zu
treffen sind. Giftige Schlangen
[* 16] und Frösche
[* 17] sind auch häufig. Ebenso war früher das Nilpferd häufig bis ins Delta herab,
wahrend es jetzt erst in
Dongola vorkommt.
Die größern reißenden
Tiere sind wegen des
Mangels an Wäldern und der Nahrungslosigkeit der Wüste selten. Doch scheint
es, daß auch diese in frühern
Zeiten tiefer herabkamen als jetzt, da sich auf den alten Monumenten öfter Jagden, namentlich
Löwenjagden, abgebildet finden. Hyäne, Fuchs,
[* 18] Schakal,
Ichneumon und Hase
[* 19] sind häufig; tiefer in der
Wüste sind Gazellen, und besonders auf den höhern Plateaus
Steinböcke oft zu treffen, während das Mähnenschaf in der
Arabischen Wüste sehr selten ist. Zahlreich sind die
Raubvögel;
[* 20] auch sieht man in großen
¶
mehr
231 SchwärmenStörche, Wachteln, Tauben
[* 22] u. s. w. Der im Altertum in ganz Ä. so häufige und wegen seiner Heiligkeit geschonte
Ibis ist jetzt sehr selten und hat sich nach dem Süden zurückgezogen. An Skorpionen, Heuschrecken,
[* 23] Mosquitos und andern schädlichen
Insekten
[* 24] ist kein Mangel, ebensowenig an Mistkäfern, darunter die Pillenkäfer oder Skarabäen
[* 25] der Alten.
Die ehemals berühmte Bienenzucht
[* 26] ist jetzt unbedeutend. Schmarotzerwürmer sind bei den Bewohnern sehr häufig.
Das allgemeinste Nutztier ist der Esel, von größter Wichtigkeit auch das einhöckerige Kamel, welches jedoch seine Bedeutung
erst in neuern Zeiten erlangt hat und selbst in den Städten in großer Anzahl zu finden ist. Das Pferd
[* 27] kommt auf den ältesten Monumenten noch nicht vor; es erscheint erst im «NeuenReiche» und wurde wahrscheinlich aus Vorderasien
eingeführt; es ward jedoch im Altertum, nach den Monumenten zu urteilen, nur zum Ziehen, nie zum Reiten gebraucht.
Neben der einheimischen Rasse findet man das Dongolapferd und das syrische (türk.
Beigir); besonders geschätzt ist das syr. Anezi. Am höchsten steht jedoch das seit MehemedAlis Kriegszügen in Arabien bekannte
Nedschdi, das schönste, edelste und tüchtigste aller Pferde.
[* 28] Für die Veredelung des Pferdes geschieht in Ä. selbst sehr
wenig. Maultiere sind in den größern Städten häufig. Hornvieh ist zahlreich vertreten, besonders schöne
Stiere, eine Hauptstütze des Ackerbaues.
Sehr verbreitet ist auch der Büffel, der gleich dem Stiere zur Arbeit verwendet wird, aber von der seit Mitte der sechziger
Jahre wütenden Rinderpest verschont blieb. Schaf
[* 29] und Ziege sind in Ä. durch besondere Rassen vertreten, von denen die der
Ziege sich durch einen rechtwinklig gewachsenen Nasenrücken auszeichnet. Selten fehlen bei einer Bauernwohnung
dürftige Gänse, kleine und meist unschmackhafte Hühner,
[* 30] Enten
[* 31] und vortreffliche Trut- und Perlhühner. Die Hühner werden noch
jetzt, wie schon im Altertum, hier und dort in Brütöfen ausgebrütet.