mehr
auf die Mineralsalze als Nährstoffe der Pflanzen legte, zunächst großen Widerspruch, sowohl seitens der Praktiker als auch der Vertreter der alten Schule der Chemie. Vor allem erfuhr die Bedeutung der Nährsalze und die Notwendigkeit, dieselben dem durch mehrere Ernten erschöpften Boden durch Düngung wieder zuzuführen, heftige Gegnerschaft. Gegenüber den «Mineralstofflern», den Anhängern Liebigs, stand das Lager [* 2] der «Stickstoffler», die den Boden an Mineralstoffen für unerschöpflich hielten und den Ertrag der Felder vorzugsweise durch Zufuhr stickstoffreicher Stoffe zu heben suchten.
Die Wage
[* 3] des Kampfes schwankte längere Zeit, zumal als
Lawes und
Gilbert zu Rothamstead in England mit den Resultaten ihrer
Versuche auf die letztere Seite traten. Allein mit überzeugender
Schärfe wies Liebig die Nichtigkeit
dieser Ergebnisse nach, und von diesem Augenblicke an fiel ihm der jetzt nicht mehr bestrittene
Sieg zu. Auf seiner Seite
standen als Kampfgenossen: Wiegmann und Polstorff mit ihren
Untersuchungen über die Pflanzenaschen, Salm-Horstmar über
das Leben der Haferpflanze, Knop und
Stohmann mit ihren
Untersuchungen über die Kulturen von
Pflanzen
in wässerigen Lösungen der Nährstoffe u. a.
Gleichzeitig mit Liebig hatte auch der franz. Naturforscher
Boussingault (s. d.)
sich auf das Gebiet der Agrikulturchemie begeben und darauf um so Ausgezeichneteres geleistet, als er nicht bloß
Gelehrter, sondern auch praktischer Landwirt war, der sein Gut Bechelbronn im Elsaß als
Musterwirtschaft
selbst leitete. Ihm verdankt die Wissenschaft der Agrikulturchemie gleichfalls einen
Teil ihrer
Begründung. Liebig wies auch zuerst der
Berücksichtigung des
Stoffwechsels im Körper der Haustiere seine Berechtigung innerhalb der
Lehren
[* 4] der Agrikulturchemie an. Seine
«Tierchemie»
(Braunschw. 1842: 3. Aufl. 1847) war der Ausgangspunkt
einer Reibe höchst wertvoller
Arbeiten von
Haubner,
Henneberg,
Stohmann,
Regnault, Reiset, namentlich aber von
Bischoff, Voit
und
Pettenkofer, die durch die Konstruktion des großen Respirationsapparats genaue
Beobachtungen über den physiol. Chemismus
im Tierkörper ermöglichten.
Ihre Forschungen waren überhaupt die
Ursache, daß sich die der neuesten Zeit mit Vorliebe der
Tierchemie
zugewendet und die Einwirkung der Futterstoffe
[* 5] auf das produktive Leben der Haustiere zu einer ihrer
Hauptaufgaben gemacht
hat. Die vielen Einwände, die der Liebigschen Schule von seiten der Praktiker entgegengehalten wurden, trieben
Meister und
Jünger der neuen Schule zu selbstthätigen Forschungen auf dem landwirtschaftlichen Gebiete an, die
auf der sog. Liebigshöhe bei Gießen
[* 6] begonnen wurden und deren Resultat das Grundwerk
Liebigs ist: «Die Naturgesetze des
Feldbaues» (Braunschw. 1862, den 2.
Tl. seiner
«Chemie in ihrer
Anwendung auf
Agrikultur u. s. w.» bildend). In demselben faßte
er die fundamentale
Lehre
[* 7] der Agrikulturchemie im Bereiche der von ihm aufgestellten 50
Thesen zusammen, welche die bisherige
Art der Bodenproduktion als eine Raubwirtschaft darstellen, deren Ergebnisse in vielen
Ländern klar zu
Tage liegen, während
er gleichzeitig in einer besondern «Einleitung» die Geschichte seiner
Lehre giebt und deren Gegner auf das überzeugendste
zurückweist. Die auch auf dem Wege systematischer experimenteller Untersuchungen vorgebende landwirtschaftliche Praxis
hat seine
Theorie durchaus bestätigt, so daß dieselbe gegenwärtig allgemein anerkannt ist.
Die wichtigsten Organe der Agrikulturchemie sind heute die Landwirtschaftlichen Versuchsstationen (s.d.). Lehrstühle der Agrikulturchemie finden sich an allen landwirtschaftlichen Akademien und einer Reihe von deutschen Universitäten (Bonn, [* 8] Breslau, [* 9] Halle, [* 10] Göttingen, [* 11] Greifswald, [* 12] Leipzig, [* 13] München), [* 14] an einzelnen Technischen Hochschulen, die landwirtschaftliche Abteilungen haben (z. B. München und Zürich) [* 15] und an den landwirtschaftlichen Hochschulen in Berlin [* 16] und Wien. [* 17]
Die Litteratur der Agrikulturchemie ist eine außerordentlich umfangreiche, sowohl an das gesamte Gebiet umfassenden wie an nur einzelne Teile behandelnden Werken. Hervorzuheben sind außer Liebigs oben erwähnter Schrift: Stöckhardt, Chemische [* 18] Feldpredigten (4. Aufl. 1856);
Boussingault, Die
Landwirtschaft in ihren
Beziehungen zur
Chemie, Physik und
Meteorologie;
Henneberg und Stohmann, Beiträge zur Begründung einer rationellen Fütterung der Wiederkäuer [* 19] (1860-64);
Agrikulturchemie Mayer, Lehrbuch der Agrikulturchemie (2 Tle. und Anhang, 3. Aufl. 1886; Tl. 1 in 4. Aufl., 1895): E. Heyden, Lehrbuch der Düngerlehre;
E. Wolff, Aschenanalysen aller land- und forstwirtschaftlich wichtigen Produkte (2 Bde., 1871 u. 1880);
ders., Praktische Düngerlehre (11. Aufl. 1889);
B. Sachße, Lehrbuch der Agrikulturchemie (1888);
C. Weber, Leitfaden für den Unterricht in der landwirtschaftlichen Chemie (1895).
Neue Untersuchungen bringt namentlich die Zeitschrift «Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen, redigiert von Nobbe. Organ für naturwissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiete der Landwirtschaft» (Bd. 1-45, Berl. 1859-95) und im «Centralblatt für von M. Fleischer. Eine zusammenfassende Übersicht über sämtliche einschlagende Forschungen giebt alljährlich der «Jahresbericht über die Fortschritte der Agrikulturchemie».