polit. Partei in
Deutschland,
[* 2] die die Interessen der Landwirte im öffentlichen Leben vertritt. Die Agrarier behaupten,
daß die neuere Gesetzgebung überwiegend dem Geldkapital zu gute gekommen sei, den Grundbesitz und die
Landwirtschaft dagegen
geschädigt habe. Sie traten zuerst bei den Wahlkämpfen 1874, jedoch noch ohne Erfolg hervor. Die in
Berlin
[* 3] 22. bis tagende konstituierende Versammlung
«DeutscherSteuer- und Wirtschaftsreformer» nahm ein Programm
in neun Punkten an, in dem namentlich gefordert wurde: Beseitigung der Doppelbesteuerung, die in der
Grund-,
Gebäude- und
Gewerbesteuer liege;
Hinsicht schlossen sich die der konservativen Partei an; die frühere freihändlerische
Richtung wich Ende der siebziger
Jahre schutzzöllnerischen Neigungen. Der Einfluß der Agrarier machte sich besonders 1879, 1885 und 1887 bei
der Einführung und
Erhöhung der Getreide-, Vieh- und Holzzölle geltend. In letzter Zeit ist der
Bund der Landwirte (s.
Landwirtschaftliche Vereine)
der Mittelpunkt der agrarischen Bestrebungen geworden, die sich neuerdings besonders gegen die Politik der Handelsverträge
und auf Verstaatlichung des Getreidehandels richten.
s.
Agrargesetzgebung, ^[= Im alten Rom, das, aus einem kleinen Bauernstaat hervorgegangen, zuletzt unter anderm auch daran ...] Dorfsystem, Grundeigentum, Hofsystem.
d. i. politisch Mißvergnügte, nannte man im 18. Jahrh. in
Spanien
[* 4] die Edelleute, welchen die auf den
Thron
[* 5] gelangten
Bourbonen die
Anerkennung und Verleihung vonTiteln
und Würden versagten, weil sie das Interesse der Habsburger begünstigt hatten oder heimlich noch begünstigten.
Denselben
Namen legte man zur Zeit Ferdinands VII. den Teilnehmern an einem von der päpstl.
Partei begünstigten
Aufstande bei, der
1826-28 die Herstellung des äußersten Absolutismus in
Kirche und
Staat bezweckte.
die von den franz. Handelsgerichten als Parteivertreter
besonders zugelassenen
Personen ohne amtlichen Charakter und ohne ausschließliche Berechtigung.
Gnäus Julius, röm. Staatsmann und Feldherr, geb. 39 n. Chr.
zu
Forum
[* 6] Julii (Fréjus), machte 59 in Britannien seinen ersten Feldzug mit und erhielt 64 eine Quästur inKleinasien; 68 erlangte
er die
Prätur und schloß sich im folgenden Jahre Vespasian an, der ihm erst den
Befehl über eine
Legion in Britannien, dann,
nachdem er ihn in den Patricierstand erhoben, 73 die
ProvinzAquitanien übertrug, die er drei Jahre hindurch verwaltete. Im
J. 76 zum Konsul ernannt, ging er 77 als Konsularlegat nach Britannien, wo er die Herrschaft der
Römer
[* 7] befestigte und bis an das caledon. Hochland erweiterte, das er eben unterwerfen wollte, als ihn 94 der argwöhnische
Kaiser
Domitian abberief.
Agricola starb 93 n. Chr. Sein Schwiegersohn
Tacitus (s. d.) schrieb seine Lebensgeschichte.
Georg, eigentlich
Bauer, Mineralog, geb. zu
Glauchau,
[* 8] 1518-22 Rektor der Schule
zu
Zwickau,
[* 9] studierte dann in
Leipzig
[* 10] und
Italien
[* 11]
Medizin und ließ sich 1527 als
Arzt zu Joachimsthal in
Böhmen
[* 12] nieder. 1531 nach
Chemnitz
[* 13] übergesiedelt, widmete er sich ganz der Bergbaukunde, erhielt von Kurfürst
Moritz ein Jahrgeld und freie Wohnung,
wurde späterStadtphysikus und
Bürgermeister in
Chemnitz, wo er starb. Agricola war der erste systematische
Mineralog
Deutschlands.
[* 14] Die morpholog.
Kennzeichen berücksichtigend, unterschied er einfache und zusammengesetzte
Mineralien
[* 15] und teilte die erstern in Erden, Konkretionen,
Steine und Metalle. Dieses
System blieb die Grundlage aller fernern mineralog.
Arbeitenbis in das 18. Jahrh. hinein. Unter den
SchriftenA.s sind die wichtigsten: «De ortu et causis subterraneorum»
(Bas. 1546
u. 1558),
«De re metallica» (ebd. 1530
u. 1561; deutsch als «Bergwerksbuch», ebd. 1557
u. 1621) und
«De mensuris et
ponderibus Romanorum atque Graecorum» (ebd. 1533
u. 1550). Seine «Mineralog.
Schriften» wurden vonLehmann
(4 Bde.,
Freiberg
[* 16] 1806-13),
sein «Bergmannus oder Gespräche über den
Bergbau»
[* 17] von Schmidt (ebd. 1806) übersetzt. -
Vgl.
Becher,
[* 18] Die Mineralogen
Georg Agricola zu
Chemnitz im 16., und Agricola G. Werner zu
Freiberg im 19. Jahrh. (ebd. 1819);
Jacobi, Der Mineralog
Georg und sein Verhältnis zur Wissenschaft seiner Zeit (Werdau
[* 19] 1889).
Joh., eigentlich Schnitter, nach seiner Vaterstadt
«Magister von Eisleben»
[* 20]
(Magister Islebius) genannt, prot.
Theolog, geb. seit 1515 in Wittenberg
[* 21] bei
Luther, dessen Tischgenosse er ward, begleitete ihn 1519 zur
Leipziger
Disputation. Er richtete 1525 in
Frankfurt
[* 22] a. M. den prot. Gottesdienst ein und wurde 1525
Lehrer und Pfarrer
zu Eisleben, 1536
Docent zu Wittenberg, wo ein schon früher begonnener theol. Streit mit
Melanchthon zu gehässigem
Ausbruch
kam (s.
Antinomismus).
Diese
Händel trieben ihn 1538 nach
Berlin, wo ihn Joachim II. zum Hofprediger ernannte; er beteiligte sich unbegreiflicherweise
am
Augsburger Interim von 1548 und starb zu
Berlin Neben vielen theol.
Schriften danken wir
ihm
die erste hochdeutsche Sprichwörtersammlung, die anfangs (Hagenau
[* 23] 1529) 300, später (ebd. 1537; seitdem oft gedruckt) 750 Nummern
umfaßte und mit freimütig reformatorischen, doch nicht immer passenden
Auslegungen in Prosa versehen war. Eine weitere Folge
von 500 «gemeinen deutschen Sprichwörtern» (1548)
schöpfte er zumeist aus
Hugo von
Trimbergs (s. d.) «Renner».
-
Joh. Friedr., Orgelspieler und Musikschriftsteller
des 18. Jahrh., geb. zu Dobitschen
im Altenburgischen, gest. als königl. Kapellmeister
in
Berlin. Agricola war
Schüler von S.
Bach und kam 1750 in den Dienst
Friedrichs d. Gr. Er hat mehrere
Opern, viele Instrumentalsachen
und auch einige Kirchenstücke geschrieben. Praktisch wichtig blieb seine
Übersetzung von Tosis «Anleitung zur Singekunst»
(Berl. 1757),
die er mit guten Anmerkungen versah. Auch
Adelungs¶
mehr
«Musica mechanica organistica», die er nach des Verfassers Tode herausgab (2 Bde., Berl. 1767-68),
verdankt ihm gute Zusätze. Seine Gattin Benedetta Emilia Molteni (geb. zu Modena, gest. um 1780 zu Berlin) wirkte
1761-72 als Sängerin an der ItalienischenOper zu Berlin.
Martin, Musiker und Musikschriftsteller des Reformationszeitalters, geb. um 1486 zu
Sorau,
[* 25] seit 1510 Musiklehrer in Magdeburg,
[* 26] erhielt daselbst 1526, nach Einführung der Reformation, die Stelle eines Kantors
und Musikdirektors und starb In denKirchenMagdeburgs führte er den deutschen Choral ein, war auch einer der ersten,
die in Deutschland die Tabulatur mit den jetzt üblichen Noten vertauschten. Seine Schriften sind sämtlich
musik-pädagogischen Inhalts und für die Kunde der damaligen Musik sehr schätzbar. Namentlich gilt dies von seiner «Musica
instrumentalis» (Wittenb. 1529 u. 1542; andere Bearbeitung, ebd. 1545),
in der die Instrumente in guten Holzschnitten abgebildet
sind. Sonst sind zu nennen: «Eine kurze deutsche Musika» (Wittenb. 1528),
«Rudimenta musices» (ebd. 1534),
«Musica choralis» (ebd. 1532) und «Musica
figuralis» (ebd. 1532).
Rudolf (eigentlich Roelef Huisman), Humanist, geb. 1443 zu Laflo bei Groningen, studierte in Löwen
[* 27] und Paris,
[* 28] ging etwa 1473 nach Italien, wo er 7 Jahre, namentlich in Ferrara,
[* 29] humanistischen Studien oblag. Die Eleganz,
mit der er lateinisch und selbst griechisch sprach, machte ihn so berühmt, daß Ercole von Este u. a. ihn an Italien zu fesseln
suchten. Aber der Wunsch, Deutschland durch humanistische Wissenschaft auf die geistige Höhe Italiens
[* 30] zu heben, zog ihn 1480 ins
Vaterland zurück. 1483 berief ihn sein Studienfreund Joh. von Dalberg (s. d.)
nach Heidelberg.
[* 31]
Mit ihm unternahm er 1485 eine Romreise; bald nach der Rückkehr, starb er zu Heidelberg. A.s Bedeutung lag mehr
in überwältigender Persönlichkeit, die er nach Petrarcas Vorbild harmonisch ausbildete, als in seinen Schriften (darunter
z. B. «De inventione dialectica libb. III.»),
die Alardus (2 Bde., Köln
[* 32] 1539) herausgab.
Außer lateinisch und griechisch konnte Agricola französisch, italienisch und sogar hebräisch. Er war auch Maler und trefflicher
Musiker; die Orgel in der St. Martinskirche zu Groningen ist sein Werk. -