Haupt-184 hindernis der Kulturentwicklung in den betreffenden
TeilenA.s bilden. Ob es möglich sein wird, die Negersklaven
auf den afrik. Plantagen ohne weitere Übergangs- und Zwischenstufe sogleich zu freien
Arbeitern zu machen, ist eine vielumstrittene
Frage praktischer
Kolonialpolitik.
Religion. Das
Christentum, das vor Mitte des 7. Jahrh. über ganz Nordafrika
verbreitet war, hat sich nur in
Abessinien und bei den Kopten
[* 2]
Ägyptens erhalten. Der Erfolg der im 16. Jahrh. unternommenen
Christianisierungsversuche in Oberguinea,
[* 3] am
Kongo, in Loango und
Angola war bereits im 17. Jahrh. wieder vertilgt. In neuester
Zeit hat unter dem Schutz franz. Waffen
[* 4] der
Katholicismus an der Nordküste wieder Fuß gefaßt, und in
Algier ist 1867 ein Erzbischof eingesetzt worden. Im tropischen und südlichsten
TeilA.s hat das
Christentum in neuester Zeit
durch die europ.
Niederlassungen und Kolonisationsbestrebungen bedeutend an räumlicher
Ausdehnung
[* 5] gewonnen. In Südafrika
[* 6] waren unter einer eingeborenen
Bevölkerung
[* 7] von 4½ Mill. 1888 auf 502 evang. Missionsstationen 456 europ.
und 91 eingeborene Missionare thätig und wurden 344835 Getaufte gezählt, während die röm.
Kirche hier etwa 2000 Eingeborene für sich gewonnen hatte. (Vgl. Merensky, Der gegenwärtige
Stand der evang. Mission in Südafrika,
Berl. 1891.) Die Missionsunternehmungen in Ostafrika sind meist neuesten Ursprungs, und hier kann
von Erfolgen noch nicht die Rede sein. In
Uganda am Victoria
[* 8]
Njansa, wo die Church mission gute Aussichten
hatte, wurde durch die Mohammedaner und das Eindringen der röm. kath.
Mission große Verwirrung angerichtet, wie überhaupt der Wettkampf zwischen den
Evangelischen und
Katholischen der Sache nicht
förderlich ist. Die Zahlenangaben über die religiösen Verhältnisse sind noch sehr unsicher und beruhen
zum
Teil auf bloßen
Annahmen. Man schützt das Verhältnis der Mohammedaner zu den
Heiden wie ¼ zu fast ¾, rechnet 1 Mill.
Juden, 1/8 M.
Hindu und etwa 3½ Mill.
Christen, darunter allerdings die beträchtliche Zahl europ. Einwanderer, besonders im
Süden.
Der Hauptfeind des
Christentums ist der
Islam, der im ganzen Norden
[* 9] herrscht und sich seit dem 7. Jahrh.
mit den siegreich vordringenden
Arabern unter den Eingeborenen der
Berberei, des größten
Teils der
Sahara, der Nilländer,
des ganzen
Sudan und der
Küsten des
Roten und
IndischenMeers verbreitet hat. Der
Islam tritt hier noch mit
gewaltigem
Fanatismus auf, namentlich im
Sudan, wo er unter blutigen Kämpfen immer weiter um sich greift. Im ganzen übrigen
A. herrscht heidn.
Glaube in der Form des Fetischismus (s. d.) und der
Ahnenverehrung (s. d.). Der
Tierdienst (s. d.) ist ziemlich weit verbreitet,
ebenso die Verehrung von
Bäumen und Berggipfeln. Formell ist der heidn.
Kultus besonders an der Westküste
ausgebildet, wo auch die eigentliche Heimstätte der geschnitzten Götzenbilder in Gestalt von menschlichen
[* 1]
Figuren
und Teufelsfratzen ist. Bei vielen heidn. Negerstämmen ist
Beschneidung üblich. Eine außerordentlich wichtige Rolle im
Leben der Eingeborenen spielen die meist über einige mediz.
Kenntnisse verfügenden Fetischpriester und Zauberer, die bei jeder wichtigen Unternehmung hinzugezogen
werden, um dieselbe vorzubereiten und ihren Erfolg zu sichern. Zu ihren Hauptfunktionen gehört der Verkehr mit den Geistern
der Abgeschiedenen, denen großer Einfluß auf die Geschicke der Lebenden beigelegt
wird; als Regenmacher haben sie oft mehr
Ansehen und Macht als die Häuptlinge. Eine noch höhere
Stellung nehmen an der Westküste die Priester
der großen unsichtbaren
Geister ein, die im Gegensatz zu den erwähnten Zauberern eine erbliche Priesterkaste bilden und
deren Hauptthätigkeit in der Veranstaltung von Gottesurteilen und der Darbringung der Opfer besteht.
Menschenopfer kommen
namentlich bei Totenfeiern und Begräbnissen der Häuptlinge vor, in einigen
Reichen des Westens werden
noch hier und da
Hunderte von Sklaven und Gefangenen hingeschlachtet.
und
Kolonien (vgl. unten die
Tabellen). Von dem Gesamtflächenraum (29 Mill. qkm) kommen auf die Staaten und
Reiche einheimischen oder türk.-arab. Ursprungs und die europ.
Kolonien zusammen etwa 18 Mill. qkm. Der übrige
Teil des Erdteils (11 Mill. qkm) zerfällt in eine Unzahl
von Gebieten vereinzelter
Stämme, die keine größern und stärker zusammengefügten polit. Organisationen besitzen. Auch
in den eigentlichen Negerreichen und in den sog. Interessensphären der europ.
Kolonisationen waltet die patriarchalische Zersplitterung in eine Menge von Häuptlingsschaften vor; die polit.
Einheit offenbart sich nur in
Zahlung von
Tribut und in einem etwas mehr gesicherten friedlichen Nebeneinanderleben.
Der fortwährende Kriegszustand nimmt zu, je weiter man von der
Küste und den festern Organisationen in die Gebiete der zerstückelten
Völkerstämme tritt. I. Zu den einheimischen Negerreichen gehören an der Guineaküste die Republik
Liberia;
[* 10]
im
Innern des Kontinents, im Bereiche der Seen,
Unjoro.
II. Die StaatentürkischenoderarabischenUrsprungs sind fast alle zur Zeit der arab.
Völkerwanderung nach dem Westen durch das Schwert des
Islam erobert oder gegründet worden. An den Gestaden
des Mittelmeers
[* 11] fanden die mohammed. Heerscharen uralte Staatengebilde vor, die sie mit
ihrem
Geist und ihrer Kultur erfüllten; im
Süden der
Sahara gewannen sie nur allmählich die Herrschaft über die heidn. negerhafte
Bevölkerung. Das in neuester Zeit entstandene
Reich des
Mahdi am obern
Nil ist weniger ein
Staat als eine
fanatische
Theokratie zu nennen. Zu diesen Staaten gehören
Ägypten
[* 12] (ohne
Nubien,
Kordofan u.s.w.),
Tripolis,
Marokko,
[* 13] das kopt.
christl.
Abessinien; das
Reich des
Mahdi in
Nubien,
Darfur,
Kordofan und am
Nil aufwärts bis zu den Grenzen
[* 14] von
Unjoro, die Sudanstaaten
Bornu,
Bagirmi und
Wadai.
III. Die europäischenKolonien sind fast sämtlich aus Handelsunternehmungen hervorgegangen. Vereinzelten
Faktoreien folgten größere Gruppen von
Niederlassungen; diesen eine städtische, dann eine staatliche
Verwaltung. Mit dem
Beginn der achtziger Jahre des 19. Jahrh. trat ein Wettkampf der einzelnen Nationen untereinander
ein, um ein möglichst großes
Stück der politisch machtlosen
LänderA.s zu erwerben.Da man die endlos
weiten Gebiete nicht sofort kolonisieren konnte, aber sich die Möglichkeit dazu für eine wenn auch noch so ferne Zukunft
zu sichern trachtete, so kam man auf internationalen Konferenzen zu dem Aushilfsmittel, an die bestehenden
Niederlassungen
an der
Küste oder auch im
Binnenland weit in das
Innere sich erstreckende sog. «Interessensphären»
oder «Protektorate» (im weitesten
Sinne)
¶
mehr
an-185 zusetzen. In ihnen konnte zuweilen sofort der Wille der europ. Macht im Interesse des
Handels und namentlich in der Ausbeutung von Mineralschätzen sich geltend machen; in den meisten Fällen aber wirkte
der europ. Einfluß nur langsam, nach Maßgabe der Verträge mit Häuptlingen oder der Entfaltung von Machtmitteln. Demnach
läßt sich die Bedeutung einer europ. Niederlassung nur durch die Heranziehung seiner «Interessensphäre»
richtig würdigen; aber da die Protektorate koloniale Schöpfungen neuester Zeit sind, so kann ihr wirklicher Wert noch nicht
endgültig richtig beurteilt werden.
Auch die Endziele der einzelnen Staaten in Bezug auf ihre Kolonialpolitik sind nur in großen, vielfach
verschleierten Zügen erkennbar. Das Streben des mächtigsten Kolonialstaates, Englands, tritt am deutlichsten und in selbstbewußter
Energie hervor: merkantile Ausbeutung des ganzen Nilgebietes vom Victoria-Njansa bis Ägypten mit Beihilfe der ostafrik. Unternehmungen;
Beherrschung des Seeverkehrs zwischen A. und Indien;
Alle übrigen engl. Kolonisationen, wie die all der Westküste, erscheinen
von wesentlich geringerer Bedeutung. Frankreich drängt von seiner befestigten Stellung in den Mittelmeerländern und in Senegambien
nach vollständiger Beherrschung des Innern von Nordwestafrika und von hier aus nach einer Verbindung mit seinen Besitzungen
am Golf von Guinea; auch trachtet es in etwas phantastischer Weise danach, einen Zusammenhang seiner wenig ergiebigen Besitzungen
am Kongo und Ogowe mit den reichen Ländern am Tsadsee auf einem Binnenweg anzubahnen.
Der Kongostaat
[* 16] hofft durch Ausnutzung des ungeheuern und meist schiffbaren Flußnetzes alle vorhandenen
Naturprodukte des äquatorialen Westafrika in seinen Handelsverkehr zu ziehen. Das Deutsche Reich
[* 17] verfolgt in den Palmölländern
Togo und Kamerun hauptsächlich Handelsinteressen und beginnt zur Steigerung derselben mit Umsicht die Erschließung des Hinterlandes
bis zum Niger und Binue, in zweiter Linie mit der Anlage von Plantagen im Küstengebiet; in Ostafrika gedenkt
es durch Sicherung der Karawanenstraßen und Vernichtung des Sklavenhandels die Aus- und Einfuhr zu heben und dadurch die
Prosperität der großen Ländermasse zu beleben.
Auch erwartet es, vielleicht zu sanguinisch, reichen Ertrag aus den Unternehmungen von Pflanzergesellschaften. Gesteigerte
Aufmerksamkeit widmet es jetzt der Festigung der Zustände in dem der europ. Einwanderung
klimatisch sehr günstigen Südwestafrika. Für Portugal
[* 18] haben seine Kolonien nur einen Scheinwert; seiner Kolonialpolitik fehlt
die materielle Kraft.
[* 19] Italiens
[* 20] Bestrebungen gehen darauf aus, nicht nur Handelsstationen all der östl. Somalküste
zu errichten und vor allem die Schätze Abessiniens nach dem einzigen, in seinem Besitz befindlichen Hafen
von Massaua
[* 21] zu leiten, sondern auch durch die Schutzherrschaft über dieses Land künftig die Einwanderung seiner überschüssigen
Bevölkerung zu ermöglichen.
Die europ. Kolonien haben gegenwärtig (1895) einen Flächeninhalt von ungefähr 14 Mill. qkm und einen jährlichen Warenumsatz
voll etwa 1550 Mill. M. Wert.
Zu ihnen gehören:
1) Die englischen Besitzungen mit ungefähr 3 Mill. qkm und einem Warenumsatz von etwa 750 Mill. M.;
sie bestehen aus Kronkolonien,
Protektoraten
und einer selbständigen Kolonie. – Die Kronkolonien mit über 1 Mill. qkm und einem Warenumsatz von 98 Mill.
M. sind: in Nordwestafrika und an der Guineaküste Britisch-Senegambien oder Gambia, Sierra Leone, Goldküste,
Lagos;
2) Die französischen Besitzungen mit über 2 Mill. qkm und einem Warenumsatz von etwa 450 Mill. M.: am Mittelländischen
MeereAlgerien mit der Schutzherrschaft über Tunis bis südlich zur Linie Sav (Niger)-Tsadsee: am RotenMeereObok;