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Geschützen. Bei der Besetzung Dschalalabads (20. Dez.) durch die Pischawarkolonne unter S. J. Browne erfuhr man, daß Emir Scher Ali 13. Dez. Kabul verlassen und sich nach dem nördlichen Afghanistan [* 2] begeben hätte. Hier starb er zu Mesar-i-scherif. In Kabul war Scher Alis Sohn Jakub zum Emir ausgerufen worden. Am 31. März wurde die Vorhut der Pischawarkolonne unter General Gough in der Richtung auf Kabul in Marsch gesetzt und erreichte nach leichtem Gefecht 6. April Gandamak, wo 8. Mai Emir Jakub erschien, veranlaßt durch das Vorrücken der beiden andern engl. Kolonnen, und nach längern Verhandlungen mit dem polit. Bevollmächtigten, Major Cavagnari, daselbst den Frieden abschloß. Die Kurumkolonne unter General Roberts hatte am die von den Afghanen geräumte Festung [* 3] Kurum besetzt und 2. Dez. die Stellung der Afghanen am Paiwarpaß genommen. Am 26. Dez. hielt Roberts einen von den benachbarten Stammfürsten besuchten Darbar in Kurum ab, bei dem sich dieselben fast sämtlich der brit. Regierung unterwarfen. Im April begannen die Vorbereitungen für den weitern Vormarsch, aber der Friede von Gandamak beendete vorläufig auch hier die Operationen. Die Quettakolonne unter General D. Stewart besetzte während des Krieges Kandahar, Kelat-i-Gildschi und Girischk am Hilmend ohne Widerstand.
In dem Friedensvertrag gestattete der Emir die Zulassung eines ständigen brit. Residenten in Kabul, sowie die unbeschränkte Zulassung brit.Waren in ganz Afghanistan, sicherte die Verbesserung der vorhandenen Straßen sowie die Einrichtung einer Telegraphenlinie zwischen Kabul und Kurum zu und verpflichtete sich, keine Beziehungen zu andern Mächten zu unterhalten. England erkannte Jakub als Emir an, versprach sofortige Räumung des besetzten Landes mit Ausschluß der Gebiete von Kurum, Pischin und Sibi sowie des Chaibarpasses, die in brit. Besitze verbleiben sollen (die sog. «wissenschaftliche Grenze», die nach Angabe von Lord Beaconsfield für Indiens Sicherheit unentbehrlich, aber auch ausreichend ist), und Zahlung einer beträchtlichen Rente, durch die man Jakubs Einfluß im Innern zu festigen gedachte. Der Vertrag wurde 30. Mai vom Vicekönig von Indien ratifiziert, und schon 1. Juni begann der Rückmarsch der brit. Truppen hinter die neue Grenze, doch behielt man vorläufig noch Kandahar besetzt.
Am traf die brit. Gesandtschaft unter Major Cavagnari in Kabul ein und wurde vom Emir anscheinend mit Wohlwollen empfangen. Am 18. Aug. trafen 3 afghan. Regimenter aus Herat ein, forderten ihren rückständigen Sold und bedrohten die brit. Gesandtschaft; gleichzeitig reizten Priester das Volk auf, 3. Sept. wurde das Gesandtschaftsgebäude durch 12 Regimenter angegriffen, wobei die gesamte Gesandtschaft nach tapferm Widerstande umkam. Die Nachricht von diesem Gemetzel veranlaßte in England und Indien große Aufregung; man beschloß, schleunigst Kabul zu besetzen und die Schuldigen zu bestrafen.
Zunächst hatte man nur die im Kurumthale befindlichen Truppen unter General Roberts zur Verfügung, deren Vorhut am Schutargardanpaß, 20 km von Kabul, stand; doch fehlte es auch diesen an den erforderlichen Feldtrains. Erst 24. Sept. konnte der Einmarsch nach Afghanistan beginnen; bis zum 2. Okt. war die Operationskolonne in Kuschi, wo 27. Sept. auch Emir Jakub im brit. Lager [* 4] eintraf, rückte dann nach Tschehar Aßja, 7½ km vor Kabul, wo man auf afghan. Truppen stieß, die 6. Okt. mit Verlust fast der gesamten Artillerie in die Flucht geschlagen wurden.
Kabul wurde 8. Okt. beschossen und am 9. Okt. besetzt. Man fand große Vorräte an Waffen [* 5] und Munition, nahm in der Nähe der Stadt den ganzen Artilleriepark, entwaffnete die Bevölkerung und bestrafte einen Teil der an der Ermordung der brit. Gesandtschaft Schuldigen. Nach der Einnahme von Kabul vereinigte General Roberts seine Hauptmacht in einem befestigten Lager bei Scherpur. Am 23. Dez. schlug und zerstreute er die ihn bedrohenden afghan. Scharen. Tags darauf wurde Kabul wieder besetzt, und am 25. traf die Brigade Gough von Gandamak her dort ein und besetzte die Citadelle von Kabul, Bala Hissar.
Emir Jakub, dessen unentschiedenes, wenn nicht treuloses Verhalten teilweise Schuld trug an der Ermordung der brit. Gesandtschaft, wurde in Indien interniert; General Roberts übernahm vorläufig die gesamte obere Leitung der militär. und polit. Angelegenheiten in Afghanistan. In Kandahar, wo General Primrose kommandierte, hatte sich die Bevölkerung ruhig verhalten. In Balch hatte Abd ur-Rahman Chan, in Herat Ejjub Chan die Herrschaft an sich gerissen. Die brit. Regierung verhandelte mit den angesehensten Stammfürsten, um die Einsetzung eines Herrschers mit genügendem Anhang im Lande herbeizuführen, doch fand sich keine geeignete Person. Da indessen eine längere Besetzung von Kabul und Kandahar mit bedeutenden Kosten verbunden war und die Herstellung eines dauernden Friedens ausschloß, so trat man schließlich mit Abd ur-Rahman in Verhandlungen ein.
Dieser zog den Abschluß jedoch geflissentlich in die Länge und näherte sich an der Spitze eines 10000 Mann starken Heers von Balch her der Hauptstadt Kabul. Am wurde Abd ur-Rahman in Kabul auf einem von General Roberts berufenen Darbar afghan. Fürsten, auf dem er persönlich nicht erschienen war, zum Emir von Afghanistan ausgerufen. Die brit. Regierung gab den Anspruch, in Kabul eine ständige Gesandtschaft zu unterhalten, auf, versprach die Räumung des ganzen Landes, einschließlich des im Frieden von Gandamak erworbenen Kurumthals und die Zahlung einer jährlichen Rente von 12 Lakh Rupien (nach ind. Nominalwert = 2309434,56 M., nach dem 1891er Londoner Kurs = 1620000 M.), wogegen Abd ur-Rahman sich nur verpflichtete, mit keiner fremden Regierung in polit. Verbindung zu treten. Diese Bedingungen verdankte der Emir seiner zögernden Politik und dem Wunsche der brit. Regierung, den afghan. Krieg so rasch als möglich zu beendigen.
Ejjub Chan, der Beherrscher Herats, ein Bruder des abgesetzten Emir Jakub und erbitterter Feind der Engländer, hatte inzwischen seine Streitmacht auf 20000 Mann gebracht. Zur Sicherung gegen dies Heer war von Kandahar General Burrow nach Girischk am Hilmend mit 2500 Mann brit. und ebensoviel afghan. Truppen des Statthalters von Kandahar entsendet worden. Am 16. Juli forderte Ejjub Chan die Stämme des mittlern Afghanistan, unter denen er zahlreiche Anhänger besaß, zur Erhebung auf. Gleichzeitig sammelte sein Schwiegervater Mir Baba, Chan von Badachschan, bewaffnete Scharen im nordöstl. Afghanistan, auch regten sich die kriegerischen Gebirgsvölker längs der ganzen Ostgrenze. Britischerseits glaubte man an keine ernste Gefahr. Da erschien unvermutet Ejjub Chan 24. Juli an der ¶
0175a Politische Übersichtskarte von Afrika [* 7] ¶
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Spitze von 12000 Mann am Hilmend, worauf General Burrow von Girischk nach Kuschk-i-Nachud zurückging. Ejjubs Vorhut besetzte 26. Juli Maiwand und wurde am folgenden Tage von General Burrow angegriffen. Die inzwischen eingetroffene Hauptmacht Ejjub Chans unter Facharulla Chan brachte den Engländern eine vollständige Niederlage bei; die Trümmer des brit. Heers stoben nach Kandahar. Ejjub Chan rückte vor Kandahar, welches General Primrose mit 3650 Mann besetzt hielt, und begann 11. Aug. die Belagerung. Am 18. Aug. wurde ein großer Ausfall der Engländer zurückgeschlagen; die Festung war reichlich mit Lebensmitteln versehen, doch konnte ihr zunächst nur von Kabul her Entsatz gebracht werden.
General Roberts beschloß daher, mit seinen verfügbaren Feldtruppen von Scherpur nach Kandahar zu marschieren, und legte diesen Marsch (512 km) in der kurzen Zeit vom 7. Aug. bis 2. Sept. zurück. Nach dem Eintreffen bei Kandahar wurde unverzüglich, 3. Sept., das Heer des Ejjub Chan in starker Stellung am Argandab angegriffen und geschlagen. Ejjub Chan floh mit der Reiterei, begleitet von allen Stammfürsten, nach Herat, und begann dort sofort die Reorganisation seiner Truppen. Nachdem die Räumung ganz A.s durch engl. Truppen vollzogen, drang Aug. 1881 Ejjub Chan von Herat über Girischk nach Kandahar und bemächtigte sich dieses Platzes. Abd ur-Rahman rückte ihm entgegen, schlug ihn 22. Sept. und zog 30. Sept. in Kandahar ein.
Nach einer abermaligen Niederlage bei Schaflan und dem Verluste Herats floh Ejjub Chan nach Persien. [* 9] Abd ur-Rahman war nun Herr von ganz Afghanistan. Seine Lage wurde indessen durch den polit. Gegensatz zwischen Rußland und Großbritannien [* 10] immer schwieriger, namentlich als Rußland Merw besetzt hatte. Rußland beanspruchte alles Land bis Sulfikar am Heri Rud, Chaman-i-Baid am Kuschk, Bala Murghab am Murghab und Kabarmank. Zu Beginn des Jahres 1885 rückten russ. Truppen in das streitige Grenzgebiet ein und schlugen unter General Komarow 30. März bei Taschkepri oder Pul-i-Kuschti am Kuschkflusse 5000 Afghanen, worauf sie Pendschdeh am linken Ufer des Murghab, 35 km oberhalb von der Kuschkmündung, in Besitz nahmen.
Die brit. Regierung hielt Herat für bedroht und begann zu rüsten, doch kam es nicht zum Kriege. Eine Kommission brit. und russ. Offiziere bereiste das Grenzgebiet und steckte die Grenze zwischen Russland [* 11] und Afghanistan bis zum Herbst 1886 ab, wobei Rußland Pendschdeh und fast alles beanspruchte Gebiet erhielt. Das russ.-afghan. Grenzprotokoll wurde in Petersburg [* 12] unterzeichnet. Herat und mehrere Punkte im nördlichen Afghanistan wurden mit Hilfe brit. Ingenieure stark befestigt, auch stellte die brit. Regierung eine aus dem Industhale durch den Bolanpaß nach Quetta führende Bahn her und kann so schnell eine beträchtliche Streitmacht nach Kandahar vorschieben.
Ejjub machte 1887 den vergeblichen Versuch, in Herat einen Aufstand zu erregen und ergab sich darauf den Engländern, die ihn in Rawalpindi als Staatsgefangenen halten. Einen Aufstand der Hasara warf der Emir 1892 nieder. Gleichzeitig entstanden durch Vorgehen des Emirs in den afghan.-ind. Grenzgebieten Schwierigkeiten mit der ind. Regierung, die Nov. 1893 durch Verhandlungen mit einer engl. Gesandtschaft in Kabul befriedigend geregelt wurden. Wegen des Afghanistan bedrohenden Vorrückens der Russen auf dem Pamir [* 13] gelangte es 1895 zu einer Verständigung zwischen England und Rußland.
Litteratur. Raverty, Notes of Afghanistan and part of Baluchistan (Lond. 1881);
Walker, [* 14] Afghanistan, its history and our dealings with it (2 Bde., ebd. 1883 - 85);
Hué, Les Russes et les Anglais dans l' A. (Par. 1885);
Rodenbough, Afghanistan and the Anglo-Russian dispute (Lond. 1885);
Roskoschny, und seine Nachbarländer (Lpz. 1885);
Kaye, History of the war in Afghanistan (3 Bde., 4. Aufl., Lond. 1890);
Forbes, The Afghan wars 1839 - 42 and 1878 - 80 (ebd. 1891).