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und viele brit. Offiziere wurden ermordet. Die entmutigten brit. Anführer, namentlich der altersschwache Elphinstone, suchten nun Rettung durch Unterhandlungen. Mit Akbar und den afghan. Häuptlingen kam ein Vertrag zu stande, wonach die Briten gegen sicheres Geleit, Transport- und Lebensmittel für den Rückzug ganz Afghanistan [* 2] räumen sollten. Darauf hin verließ die brit. Armee Kabul, um sich durch den Chaibarpaß nach Indien zu wenden. Indes blieb die Lieferung von Lebensmitteln aus und die fanatischen Stämme des Landes fielen über den Zug her.
Das brit. Heer, 16000 Köpfe, erlag der Kälte oder den Waffen [* 3] der Afghanen. Die brit.-ind. Regierung unter Lord Ellenborough schien neuen Kämpfen abgeneigt. Doch zog General Nott von dem in brit. Gewalt gebliebenen Kandahar gegen Ghasni, das er besetzte und zerstörte. Nach Kabul war indes General Pollock durch den Chaibarpaß vorgedrungen und vereinigte sich dort mit Nott Mitte September. Der Zerstörung auch dieses Platzes folgte die Zerstreuung der Scharen Akbars und die Befreiung der gefangenen Engländer.
Die brit. Feldherren traten im Dezember den Rückzug an und gingen im Siegesbewußtsein so weit, den gefangenen Dost Muhammad freizulassen. Aus Hindustan zurückkehrend und von den Verhältnissen daselbst unterrichtet, wurde derselbe in Kabul als Rächer der Stammehre empfangen und befestigte zunächst seine Herrschaft. Schon 1846 ging er ein Bündnis mit den Sikh (s. d.) ein. Doch vernichtete die Schlacht vom die Macht seiner Bundesgenossen. Dost Muhammad besaß bis 1850 nur die Provinzen Kabul und Dschalalabad; bis 1855 eroberte er Ghasni, Kandahar und Girischk, 1856 Balch und Chulm, bis 1858 die Distrikte von Achschi, Schibergan, Andchui, Maimene und Sistan, 1861 Kundus und Badachschan.
Zur Sicherung seiner Eroberungen hatte er mit der brit.-ind. Regierung ein Schutz- und Trutzbündnis abgeschlossen, in dem er als Emir von Afghanistan anerkannt wurde. Als Anfang 1862 ein pers. Heer die afghan. Grenze bedrohte und Sultan Ahmed Chan von Herat, auf Anstiften der Perser, gegen Farrah und Kandahar vorrückte, rief Dost Muhammad die Hilfe der Engländer in Indien an, säuberte die Grenze und zog vor Herat, das nach langer Belagerung in seine Gewalt fiel. Ahmad Chan war kurz vorher gestorben und Dost Muhammad starb bald nachher (29. Mai) im 92. Lebensjahre, Herat blieb in den Händen der Afghanen.
Dost Muhammad hatte seinen Sohn Scher Ali Chan zum Nachfolger bestimmt; ihm wurde jedoch von seinen Verwandten die Würde streitig gemacht und er sah sich nach der Niederlage bei Schekabad außer stande, vorderhand seine Ansprüche weiter zu verteidigen. Hierauf wurde Scher Alis ältester (Halb-) Bruder, Afsal Chan, aus dem Gefängnisse geholt, in Kabul zum Emir erhoben und Februar 1867 von der brit.-ind. Regierung anerkannt. Nach seinem Tode (Okt. 1867) riß Scher Alis anderer (Halb-) Bruder, Mehemmed Asim Chan, die Emirwürde an sich, und Abd ur-Rahman Chan, der Sohn Afsals, ging als Gouverneur nach Balch. Inzwischen wurde Scher Ali von seinem Sohne Jakub Chan, Gouverneur von Herat, und sonstigen Anhängern unterstützt, so daß er nunmehr 17000 Mann und 18 Kanonen ins Feld stellen konnte, mit denen er Kandahar einnahm. Er eroberte Ghasni und Kabul. Asim Chan, der bisher die Emirwürde in Kabul an sich gerissen, floh nach Balch.
Mitte Dez. 1868 schlug Scher Ali den Abd ur-Rahman bei Bamian, so daß dieser sich nach Balch zurückziehen mußte, und im Jan. 1869 seinen Halbbruder Asim und Abd ur-Rahman bei Ghasni, so daß sie Schutz auf brit. Gebiete suchen mußten. Der Prätendent Asim Chan starb im Okt. 1869; Abd ur-Rahman suchte indes dem Scher Ali in den Nachbarländern Feinde zu erwecken, während ein von Jakub gegen seinen Vater mit Hilfe der altnationalen Partei, der die Reformbestrebungen Scher Alis verhaßt waren, erregter Aufstand mit der Eroberung Herats durch Scher Ali endete. Später fand zwar eine scheinbare Ausgleichung zwischen Jakub und seinem Vater statt; als jedoch im Herbst 1874 Jakub zur endgültigen Schlichtung der Streitigkeiten nach Kabul kam, wurde er sofort verhaftet, sehr bald indes frei gelassen und ein abermaliger Ausgleich geschlossen. Ein neuer Aufstand zu Gunsten Jakubs fand 1875 statt, wurde aber von Scher Ali unterdrückt. Jakub wurde gefangen gesetzt, Ende 1877 aber wieder entlassen.
Die Engländer hatten sich lange von jeder Einmischung in die innern Angelegenheiten A.s fern gehalten; ihre Politik nahm erst eine bestimmte Richtung wegen der Fortschritte des russ. Einflusses in Centralasien an, als Scher Ali seine Herrschaft fest begründet hatte. Ende März 1869 veranstaltete der brit. Generalgouverneur von Indien, Lord Mayo, zu Ambala eine Zusammenkunft mit Scher Ali, die dessen Anerkennung als Herrscher A.s besiegelte und an die sich Bündnisverträge knüpften.
Die nächste Folge davon war, daß Ende 1869 zwischen Scher Ali und dem Emir von Buchara (Musaffer Eddin) der Streit um die turkestan. Grenzgebiete gütlich beigelegt wurde, indem man den obern Amu als die Grenzscheide zwischen und Buchara annahm. Seitdem Rußland thatsächlich auch in Buchara herrscht, bildet Afghanistan die freilich weite Schranke, welche die beiden europ.-asiat. Großmächte England und Rußland noch voneinander scheidet. Durch Vereinbarung zwischen der russ. und engl. Regierung, insbesondere durch die engl. Depesche vom und die russische vom wurde die Nordgrenze A.s so festgesetzt, daß Badachschan mit Wachan, die Distrikte Kundus, Chulm, Balch, Achschi, Siripul, Maimene, Schibergan und Andchui zu Afghanistan gehörten.
Gegen Ende des Russisch-Türkischen Krieges von 1877 und 1878, als Großbritannien [* 4] geneigt schien, seine bisher neutrale Haltung aufzugeben, und bereits Truppen aus Indien nach dem Mittelmeer herangezogen hatte, erschien im Frühjahr 1878 eine russ. Gesandtschaft in Kabul, wo sie von Scher Ali mit den höchsten Ehren empfangen wurde. Der brit. Vicekönig von Indien, Lord Lytton, ordnete im August desselben Jahres ebenfalls eine Gesandtschaft nach Kabul ab, doch wurde dieselbe im Chaibarpasse zurückgewiesen. England rüstete sich deshalb zum Kriege. Am wurde dem afghan. Kommandanten von Ali Masdschid, einem Sperrfort im Chaibarpasse, ein Ultimatum zur Übermittelung an Emir Scher Ali übergeben, und am 20. Nov., nach Ablauf [* 5] der für die Beantwortung gestellten Frist, den brit. Truppen der Befehl zum Einrücken nach Afghanistan erteilt. Dies geschah in drei Kolonnen mit zusammen 41000 Mann und 144 ¶
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Geschützen. Bei der Besetzung Dschalalabads (20. Dez.) durch die Pischawarkolonne unter S. J. Browne erfuhr man, daß Emir Scher Ali 13. Dez. Kabul verlassen und sich nach dem nördlichen Afghanistan begeben hätte. Hier starb er zu Mesar-i-scherif. In Kabul war Scher Alis Sohn Jakub zum Emir ausgerufen worden. Am 31. März wurde die Vorhut der Pischawarkolonne unter General Gough in der Richtung auf Kabul in Marsch gesetzt und erreichte nach leichtem Gefecht 6. April Gandamak, wo 8. Mai Emir Jakub erschien, veranlaßt durch das Vorrücken der beiden andern engl. Kolonnen, und nach längern Verhandlungen mit dem polit. Bevollmächtigten, Major Cavagnari, daselbst den Frieden abschloß. Die Kurumkolonne unter General Roberts hatte am die von den Afghanen geräumte Festung [* 7] Kurum besetzt und 2. Dez. die Stellung der Afghanen am Paiwarpaß genommen. Am 26. Dez. hielt Roberts einen von den benachbarten Stammfürsten besuchten Darbar in Kurum ab, bei dem sich dieselben fast sämtlich der brit. Regierung unterwarfen. Im April begannen die Vorbereitungen für den weitern Vormarsch, aber der Friede von Gandamak beendete vorläufig auch hier die Operationen. Die Quettakolonne unter General D. Stewart besetzte während des Krieges Kandahar, Kelat-i-Gildschi und Girischk am Hilmend ohne Widerstand.
In dem Friedensvertrag gestattete der Emir die Zulassung eines ständigen brit. Residenten in Kabul, sowie die unbeschränkte Zulassung brit.Waren in ganz Afghanistan, sicherte die Verbesserung der vorhandenen Straßen sowie die Einrichtung einer Telegraphenlinie zwischen Kabul und Kurum zu und verpflichtete sich, keine Beziehungen zu andern Mächten zu unterhalten. England erkannte Jakub als Emir an, versprach sofortige Räumung des besetzten Landes mit Ausschluß der Gebiete von Kurum, Pischin und Sibi sowie des Chaibarpasses, die in brit. Besitze verbleiben sollen (die sog. «wissenschaftliche Grenze», die nach Angabe von Lord Beaconsfield für Indiens Sicherheit unentbehrlich, aber auch ausreichend ist), und Zahlung einer beträchtlichen Rente, durch die man Jakubs Einfluß im Innern zu festigen gedachte. Der Vertrag wurde 30. Mai vom Vicekönig von Indien ratifiziert, und schon 1. Juni begann der Rückmarsch der brit. Truppen hinter die neue Grenze, doch behielt man vorläufig noch Kandahar besetzt.
Am traf die brit. Gesandtschaft unter Major Cavagnari in Kabul ein und wurde vom Emir anscheinend mit Wohlwollen empfangen. Am 18. Aug. trafen 3 afghan. Regimenter aus Herat ein, forderten ihren rückständigen Sold und bedrohten die brit. Gesandtschaft; gleichzeitig reizten Priester das Volk auf, 3. Sept. wurde das Gesandtschaftsgebäude durch 12 Regimenter angegriffen, wobei die gesamte Gesandtschaft nach tapferm Widerstande umkam. Die Nachricht von diesem Gemetzel veranlaßte in England und Indien große Aufregung; man beschloß, schleunigst Kabul zu besetzen und die Schuldigen zu bestrafen.
Zunächst hatte man nur die im Kurumthale befindlichen Truppen unter General Roberts zur Verfügung, deren Vorhut am Schutargardanpaß, 20 km von Kabul, stand; doch fehlte es auch diesen an den erforderlichen Feldtrains. Erst 24. Sept. konnte der Einmarsch nach Afghanistan beginnen; bis zum 2. Okt. war die Operationskolonne in Kuschi, wo 27. Sept. auch Emir Jakub im brit. Lager [* 8] eintraf, rückte dann nach Tschehar Aßja, 7½ km vor Kabul, wo man auf afghan. Truppen stieß, die 6. Okt. mit Verlust fast der gesamten Artillerie in die Flucht geschlagen wurden.
Kabul wurde 8. Okt. beschossen und am 9. Okt. besetzt. Man fand große Vorräte an Waffen und Munition, nahm in der Nähe der Stadt den ganzen Artilleriepark, entwaffnete die Bevölkerung und bestrafte einen Teil der an der Ermordung der brit. Gesandtschaft Schuldigen. Nach der Einnahme von Kabul vereinigte General Roberts seine Hauptmacht in einem befestigten Lager bei Scherpur. Am 23. Dez. schlug und zerstreute er die ihn bedrohenden afghan. Scharen. Tags darauf wurde Kabul wieder besetzt, und am 25. traf die Brigade Gough von Gandamak her dort ein und besetzte die Citadelle von Kabul, Bala Hissar.
Emir Jakub, dessen unentschiedenes, wenn nicht treuloses Verhalten teilweise Schuld trug an der Ermordung der brit. Gesandtschaft, wurde in Indien interniert; General Roberts übernahm vorläufig die gesamte obere Leitung der militär. und polit. Angelegenheiten in Afghanistan. In Kandahar, wo General Primrose kommandierte, hatte sich die Bevölkerung ruhig verhalten. In Balch hatte Abd ur-Rahman Chan, in Herat Ejjub Chan die Herrschaft an sich gerissen. Die brit. Regierung verhandelte mit den angesehensten Stammfürsten, um die Einsetzung eines Herrschers mit genügendem Anhang im Lande herbeizuführen, doch fand sich keine geeignete Person. Da indessen eine längere Besetzung von Kabul und Kandahar mit bedeutenden Kosten verbunden war und die Herstellung eines dauernden Friedens ausschloß, so trat man schließlich mit Abd ur-Rahman in Verhandlungen ein.
Dieser zog den Abschluß jedoch geflissentlich in die Länge und näherte sich an der Spitze eines 10000 Mann starken Heers von Balch her der Hauptstadt Kabul. Am wurde Abd ur-Rahman in Kabul auf einem von General Roberts berufenen Darbar afghan. Fürsten, auf dem er persönlich nicht erschienen war, zum Emir von Afghanistan ausgerufen. Die brit. Regierung gab den Anspruch, in Kabul eine ständige Gesandtschaft zu unterhalten, auf, versprach die Räumung des ganzen Landes, einschließlich des im Frieden von Gandamak erworbenen Kurumthals und die Zahlung einer jährlichen Rente von 12 Lakh Rupien (nach ind. Nominalwert = 2309434,56 M., nach dem 1891er Londoner Kurs = 1620000 M.), wogegen Abd ur-Rahman sich nur verpflichtete, mit keiner fremden Regierung in polit. Verbindung zu treten. Diese Bedingungen verdankte der Emir seiner zögernden Politik und dem Wunsche der brit. Regierung, den afghan. Krieg so rasch als möglich zu beendigen.
Ejjub Chan, der Beherrscher Herats, ein Bruder des abgesetzten Emir Jakub und erbitterter Feind der Engländer, hatte inzwischen seine Streitmacht auf 20000 Mann gebracht. Zur Sicherung gegen dies Heer war von Kandahar General Burrow nach Girischk am Hilmend mit 2500 Mann brit. und ebensoviel afghan. Truppen des Statthalters von Kandahar entsendet worden. Am 16. Juli forderte Ejjub Chan die Stämme des mittlern Afghanistan, unter denen er zahlreiche Anhänger besaß, zur Erhebung auf. Gleichzeitig sammelte sein Schwiegervater Mir Baba, Chan von Badachschan, bewaffnete Scharen im nordöstl. Afghanistan, auch regten sich die kriegerischen Gebirgsvölker längs der ganzen Ostgrenze. Britischerseits glaubte man an keine ernste Gefahr. Da erschien unvermutet Ejjub Chan 24. Juli an der ¶