mehr
doch geht keine derselben über das 15. Jahrh. zurück. Durch die in Afghanistan [* 2] stets in hoher Blüte [* 3] stehende pers. Litteratur ist die eigentlich afghanische in ihrem Wachstum stark beschränkt worden.
Handel und Industrie sind in Kabul, Kandahar und andern größern Städten sehr entwickelt, besonders das Kunstgewerbe. Den Verkehr zwischen Ostindien [* 4] und Centralasien besorgen die sog. Lohani-Kaufleute, Povinda oder Käufer genannt. Diese bewaffneten, auf ihrem Zuge durch Zölle und Abgaben vielfach beschwerten Handelsleute überwinden schwierige Gebirgspässe und räuberische Stämme, wenn sie, von Buchara ausgehend, sich zu großen Karawanen vereinigen.
Zweimal im Jahre versuchen sie die Reise aus den Wüsten Bucharas durch die Pässe des Paropamisus, die Gildschi-Hochebenen und die Pässe der Suleimankette bis zum Pandschab. Hier angekommen, lassen sie ihre Kamele [* 5] und Waffen [* 6] zurück und gehen mit ihren Ballen auf der Eisenbahn,Dampfschiffen u.s.w. nach Kalkutta, [* 7] Karatschi, Bombay [* 8] u. s. w., zuweilen selbst bis nach Assam und Birma. Von Ostindien bringen sie Zeuge aller Art, Töpfer- und Metallwaren, Indigo, [* 9] Brokat, Zucker, [* 10] Gewürze, Thee, Cochenille, Ammoniak, Pferde, [* 11] Kamele, Krapp, Teppiche, Droguen, Münzen, [* 12] Kupfer, [* 13] Perlen, Draht, [* 14] Goldborte, Opium (obwohl für Rußland streng verboten) u. s. w. Der Wert des Povinda-Handels beläuft sich jährlich auf 30300000 M.
Entdeckungsgeschichte. Über die frühere Zeit s. Asien. [* 15] In der neuesten Zeit wurde Afghanistan namentlich in seiner östl. Hälfte bekannter durch die Forschungsreisen und Aufnahmen von Offizieren und Topographen, welche 1878 und 1879 den englischen in Afghanistan vorrückenden Heersäulen folgten;
Tanner unternahm einen Ausflug zu den Sija-posch-Kafir;
Scott bestimmte von dem 4760 m hohen Sikaram, dem höchsten Gipfel des Sefid-Koh, aus zahlreiche Spitzen des Hindukusch. Am eingehendsten wurde das Gebiet zwischen dem Indus und Kandahar untersucht;
viele Irrtümer berichtigte hier Gore, welcher das Thal [* 16] Pischin beschrieb: Campbell besuchte das Thal Schorawak im SW. und das Tobaplateau im N. von Pischin;
Roger bewerkstelligte eine Aufnahme von Kandahar;
die Straße Kandahar-Girischk, der beste Landweg zwischen Indien und Persien, [* 17] wurde von Kapitän Beavan untersucht.
Die Geographie des nordwestlichen A.s wurde durch die Arbeiten der von 1884 bis 1887 thätigen russ.-brit. Grenzkommission unter Sir Peter Lumsden bereichert. Die geolog. Durchforschung beendete Griesbach 1889. Die Ergebnisse sind zusammengefaßt in der 1891 erschienenen vierblättrigen Karte (1: 520640), die ein ganz neues Bild des Landes entwirft.
Geschichtliches. Die Afghanen treten erst sehr spät in die Geschichte klar erkennbar ein. Zwar erscheint ihr Name schon in den Paktyern (Puchtun) des Herodot; ihr jetziges Gebiet wird zum Teil mit dem Vaekereta des Avesta gemeint sein, ebenso mit den Bezeichnungen der alten Geographen Drangiana und Ariana. Aber es ist zweifelhaft, ob Stämme der heutigen Bewohner schon damals in diesen Grenzen [* 18] saßen. Von nahen Beziehungen zu Indien zeugen noch heute die buddhistischen Kolosse von Bamian.
Zuerst werden die Afghanen bestimmt genannt in den Kriegszügen des Mahmud von Ghasni. Die Nachwanderungen fanden indes sehr langsam statt, und noch im 14. Jahrh. saßen einzelne Stämme außerhalb der jetzigen Grenzen. Später noch wohnten die Kafir massenhaft in Ostafghanistan, wie damals wahrscheinlich auch die Tadschik in Westafghanistan als herrschender Stamm. Die Zeit der pers.-mongol. Herrschaft öffnete den kriegerischen Stämmen den Weg ins Land; doch sammelten sie sich erst um die Mitte des 18. Jahrh. zu geschlossenem Auftreten und durchzogen unter Mahmud und Aschref siegreich ganz Persien.
Unter Nadir Schah waren sie den Persern wieder unterthan. Als nach dessen Tode (1747) in Persien selbst Unruhen ausbrachen, benutzte Ahmad Schah (s. d.) die Gelegenheit, das Joch der Perser abzuwerfen, und begründete die Dynastie der Durrani oder Abdali; vor seinem Tode erstreckte sich das Reich vom Oxus bis zum Meere und von Nischapur in Chorassan bis Sirhind im Pandschab. Auch Kaschmir [* 19] war ihm unterthan. Er baute Kandahar wieder auf. Sein Sohn Timur starb 1793 und dessen zweiter Sohn Siman bestieg den Thron. [* 20]
Seinen Bruder Mahmud, der in Herat residierte, nötigte er, auf pers. Gebiete Schutz zu suchen. Doch bald verbanden sich Fath Chan (engl. Futeh Chan), Oberhaupt des mächtigen Geschlechts der Bariksai, und Mahmud gegen Siman, setzten sich in Besitz von Kandahar und vertrieben 1800 Siman, der, geblendet, in Ludiana den Schutz der brit.-ind. Regierung fand. Nach kurzem Zwischenregiment seines Bruders Schudscha ul-Mulk bestieg Mahmud zum zweitenmal den Thron. Durch die Hinrichtung seines Bundesgenossen Fath Chan zog er sich den Haß der Bariksai zu und mußte 1823 abermals die Regierung niederlegen. Er starb 1829 in Herat, das allein noch in seinem Besitze geblieben war.
Mit ihm brach die Durrani-Monarchie, die 76 Jahre bestanden, zusammen. Das Reich ging, mit Ausschluß Herats, an die Bariksai über; in Kabul gelangte Dost Muhammad, in Kandahar Kohan Dil, in Pischawar Sultan Muhammad zur Herrschaft. An der Spitze stand der älteste der drei Brüder, Dost Muhammad, als Chan von Kabul. Im Osten geriet dieser in Kampf mit Lahaur; im Westen wurde Herat von Persien mit Krieg überzogen. Am erklärte der brit. Generalgouverneur von Indien, Lord Auckland, [* 21] den Krieg, da Dost Muhammad den brit. Alliierten Randschit Singh unrechtmäßig bekämpft und Schudscha Schah als rechtmäßiger Thronerbe Englands Schutz angerufen habe.
Ein anglo-ind. Heer von 12000 Mann und 40000 Köpfen Lagergefolge überschritt den Indus, im März mit Verlusten den Bolanpaß, 7. April den Kodschakpaß und gelangte 25. April nach Kandahar, wo Schudscha Schah von seinem Reiche förmlich Besitz ergriff. Am 22. Juli wurde Ghasni besetzt und 7. Aug. zog der Schah mit der brit. Hauptmacht in Kabul ein. Dost Muhammad, in hilfloser Lage jenseit des Oxus, gab sich zwar den Engländern gefangen, aber sein Sohn Akbar trat an die Spitze einer Verschwörung, an die, trotz aller Anzeichen, weder der brit. Kommissar Alex. Burnes noch Macnaughten, der brit. Minister am Hofe zu Kabul, glaubten. Macnaughten bezahlte mit engl. Gelde den königl. Hofhalt Schudscha Schahs sowie die Beamten und kirrte die Häuptlinge durch Geld, so daß Afghanistan dem ind. Schatze jährlich fast 27 Mill. M. kostete. Sobald aber den Häuptlingen die fernern Geldzahlungen entzogen wurden, brach der Sturm los. Am erhob sich das ganze Land gegen die meist in Kabul stationierten 8000 Mann europ. Truppen und Sipahi; Burnes, Macnaughten ¶
mehr
und viele brit. Offiziere wurden ermordet. Die entmutigten brit. Anführer, namentlich der altersschwache Elphinstone, suchten nun Rettung durch Unterhandlungen. Mit Akbar und den afghan. Häuptlingen kam ein Vertrag zu stande, wonach die Briten gegen sicheres Geleit, Transport- und Lebensmittel für den Rückzug ganz Afghanistan räumen sollten. Darauf hin verließ die brit. Armee Kabul, um sich durch den Chaibarpaß nach Indien zu wenden. Indes blieb die Lieferung von Lebensmitteln aus und die fanatischen Stämme des Landes fielen über den Zug her.
Das brit. Heer, 16000 Köpfe, erlag der Kälte oder den Waffen der Afghanen. Die brit.-ind. Regierung unter Lord Ellenborough schien neuen Kämpfen abgeneigt. Doch zog General Nott von dem in brit. Gewalt gebliebenen Kandahar gegen Ghasni, das er besetzte und zerstörte. Nach Kabul war indes General Pollock durch den Chaibarpaß vorgedrungen und vereinigte sich dort mit Nott Mitte September. Der Zerstörung auch dieses Platzes folgte die Zerstreuung der Scharen Akbars und die Befreiung der gefangenen Engländer.
Die brit. Feldherren traten im Dezember den Rückzug an und gingen im Siegesbewußtsein so weit, den gefangenen Dost Muhammad freizulassen. Aus Hindustan zurückkehrend und von den Verhältnissen daselbst unterrichtet, wurde derselbe in Kabul als Rächer der Stammehre empfangen und befestigte zunächst seine Herrschaft. Schon 1846 ging er ein Bündnis mit den Sikh (s. d.) ein. Doch vernichtete die Schlacht vom die Macht seiner Bundesgenossen. Dost Muhammad besaß bis 1850 nur die Provinzen Kabul und Dschalalabad; bis 1855 eroberte er Ghasni, Kandahar und Girischk, 1856 Balch und Chulm, bis 1858 die Distrikte von Achschi, Schibergan, Andchui, Maimene und Sistan, 1861 Kundus und Badachschan.
Zur Sicherung seiner Eroberungen hatte er mit der brit.-ind. Regierung ein Schutz- und Trutzbündnis abgeschlossen, in dem er als Emir von Afghanistan anerkannt wurde. Als Anfang 1862 ein pers. Heer die afghan. Grenze bedrohte und Sultan Ahmed Chan von Herat, auf Anstiften der Perser, gegen Farrah und Kandahar vorrückte, rief Dost Muhammad die Hilfe der Engländer in Indien an, säuberte die Grenze und zog vor Herat, das nach langer Belagerung in seine Gewalt fiel. Ahmad Chan war kurz vorher gestorben und Dost Muhammad starb bald nachher (29. Mai) im 92. Lebensjahre, Herat blieb in den Händen der Afghanen.
Dost Muhammad hatte seinen Sohn Scher Ali Chan zum Nachfolger bestimmt; ihm wurde jedoch von seinen Verwandten die Würde streitig gemacht und er sah sich nach der Niederlage bei Schekabad außer stande, vorderhand seine Ansprüche weiter zu verteidigen. Hierauf wurde Scher Alis ältester (Halb-) Bruder, Afsal Chan, aus dem Gefängnisse geholt, in Kabul zum Emir erhoben und Februar 1867 von der brit.-ind. Regierung anerkannt. Nach seinem Tode (Okt. 1867) riß Scher Alis anderer (Halb-) Bruder, Mehemmed Asim Chan, die Emirwürde an sich, und Abd ur-Rahman Chan, der Sohn Afsals, ging als Gouverneur nach Balch. Inzwischen wurde Scher Ali von seinem Sohne Jakub Chan, Gouverneur von Herat, und sonstigen Anhängern unterstützt, so daß er nunmehr 17000 Mann und 18 Kanonen ins Feld stellen konnte, mit denen er Kandahar einnahm. Er eroberte Ghasni und Kabul. Asim Chan, der bisher die Emirwürde in Kabul an sich gerissen, floh nach Balch.
Mitte Dez. 1868 schlug Scher Ali den Abd ur-Rahman bei Bamian, so daß dieser sich nach Balch zurückziehen mußte, und im Jan. 1869 seinen Halbbruder Asim und Abd ur-Rahman bei Ghasni, so daß sie Schutz auf brit. Gebiete suchen mußten. Der Prätendent Asim Chan starb im Okt. 1869; Abd ur-Rahman suchte indes dem Scher Ali in den Nachbarländern Feinde zu erwecken, während ein von Jakub gegen seinen Vater mit Hilfe der altnationalen Partei, der die Reformbestrebungen Scher Alis verhaßt waren, erregter Aufstand mit der Eroberung Herats durch Scher Ali endete. Später fand zwar eine scheinbare Ausgleichung zwischen Jakub und seinem Vater statt; als jedoch im Herbst 1874 Jakub zur endgültigen Schlichtung der Streitigkeiten nach Kabul kam, wurde er sofort verhaftet, sehr bald indes frei gelassen und ein abermaliger Ausgleich geschlossen. Ein neuer Aufstand zu Gunsten Jakubs fand 1875 statt, wurde aber von Scher Ali unterdrückt. Jakub wurde gefangen gesetzt, Ende 1877 aber wieder entlassen.
Die Engländer hatten sich lange von jeder Einmischung in die innern Angelegenheiten A.s fern gehalten; ihre Politik nahm erst eine bestimmte Richtung wegen der Fortschritte des russ. Einflusses in Centralasien an, als Scher Ali seine Herrschaft fest begründet hatte. Ende März 1869 veranstaltete der brit. Generalgouverneur von Indien, Lord Mayo, zu Ambala eine Zusammenkunft mit Scher Ali, die dessen Anerkennung als Herrscher A.s besiegelte und an die sich Bündnisverträge knüpften.
Die nächste Folge davon war, daß Ende 1869 zwischen Scher Ali und dem Emir von Buchara (Musaffer Eddin) der Streit um die turkestan. Grenzgebiete gütlich beigelegt wurde, indem man den obern Amu als die Grenzscheide zwischen und Buchara annahm. Seitdem Rußland thatsächlich auch in Buchara herrscht, bildet Afghanistan die freilich weite Schranke, welche die beiden europ.-asiat. Großmächte England und Rußland noch voneinander scheidet. Durch Vereinbarung zwischen der russ. und engl. Regierung, insbesondere durch die engl. Depesche vom und die russische vom wurde die Nordgrenze A.s so festgesetzt, daß Badachschan mit Wachan, die Distrikte Kundus, Chulm, Balch, Achschi, Siripul, Maimene, Schibergan und Andchui zu Afghanistan gehörten.
Gegen Ende des Russisch-Türkischen Krieges von 1877 und 1878, als Großbritannien [* 23] geneigt schien, seine bisher neutrale Haltung aufzugeben, und bereits Truppen aus Indien nach dem Mittelmeer herangezogen hatte, erschien im Frühjahr 1878 eine russ. Gesandtschaft in Kabul, wo sie von Scher Ali mit den höchsten Ehren empfangen wurde. Der brit. Vicekönig von Indien, Lord Lytton, ordnete im August desselben Jahres ebenfalls eine Gesandtschaft nach Kabul ab, doch wurde dieselbe im Chaibarpasse zurückgewiesen. England rüstete sich deshalb zum Kriege. Am wurde dem afghan. Kommandanten von Ali Masdschid, einem Sperrfort im Chaibarpasse, ein Ultimatum zur Übermittelung an Emir Scher Ali übergeben, und am 20. Nov., nach Ablauf [* 24] der für die Beantwortung gestellten Frist, den brit. Truppen der Befehl zum Einrücken nach Afghanistan erteilt. Dies geschah in drei Kolonnen mit zusammen 41000 Mann und 144 ¶