Abtritt, Appartement, Klosett, Privet, Retirade, der Ort zur Aufnahme der menschlichen Entleerungen innerhalb größerer
oder besonders zu diesem Zweck errichteter kleiner Baulichkeiten. Die richtige Einordnung des in den
Grundriß namentlich der Wohnhäuser bildet eine der schwierigsten Aufgaben des Baumeisters. Zunächst muß auf die Lage des
Abort besondere Rücksicht genommen werden. Zu beachten ist:
1) Der Abort ist nicht zu weit von den eigentlichen Wohnräumen entfernt anzulegen;
2) muß er vor allem gut erleuchtet und gut ventiliert sein, da nur so
vollkommene Reinlichkeit
zu erreichen ist;
3) muß er hinreichend geräumig sein, damit der Benutzer sich frei in ihm bewegen kann;
4) muß er aus Materialien hergestellt sein, die dem zerstörenden Einfluß der menschlichen Abfallstoffe sowie den
sich aus diesen entwickelnden Gasen widerstehen. In der Abortzelle befindet sich die eigentliche Aborteinrichtung,
die aus dem Abortbecken und Abortsitz besteht. Letzterer ist ein Kasten meist von Holz, in dessen oberer Platte sich ein
kreis- oder ovalförmiger Ausschnitt, die Abortsbrille, befindet. Diese ist durch einen Deckel verschließbar zu machen, damit
das Entweichen übler Gerüche in die Abortzelle und weiter in das Haus vermieden wird.
Das Abortbecken, das den Zweck hat, von der breitern Brille zum Abfallrohr überzuführen, besteht meist aus emailliertem
Eisen oder glasiertem Porzellan, d. h. aus glattem, der Beschädigung wenig ausgesetztem Material. Der Reinlichkeit halber
müssen, wenn möglich, Spülungen des Beckens mit Wasser geschehen. Diese Wasserklosetts treten in Frankreich
schon 1750 unter dem Namen lienx à l'anglaise auf, wurden 1775 dem Uhrmacher Alexander Cummming für England patentiert.
Man unterscheidet 1) eine dauernde Spülung, welche nur bei reichlichem Wasservorrat eingerichtet werden kann, dafür
aber die größte Sicherheit für Geruchlosigkeit bietet;
2) eine Spülung nach jedesmaliger Benutzung, entweder durch die betreffende Person oder selbstthätig;
3) eine Spülung in bestimmten Zwischenräumen, die namentlich in öffentlichen Gebäuden (Schulen, Bahnhöfen) rätlich ist.
Um die aus dem Abfallrohre aufsteigenden Gerüche abzuschließen, was durch den Abtrittsdeckel nie vollständig möglich ist,
wird der Verschluß durch eine mit Wasser gefüllte Pfanne besorgt, welche ein Hebel oder ein Gegengewicht
von unten gegen den Beckenmund hebt. Neuer ist der Verschluß durch eine Klappe, welche so balanciert ist, daß sie bei größerm
Gewicht niederschlägt, sich aber schließt, wenn nur noch ein Rest Wasser im Becken sich befindet.
Von besonderm Wert sind die Verschlüsse mittels Siphon (s. d.). Auch für die Desinfektion der Abfallstoffe
ist thunlichst schon im A. zu sorgen, indem man gleich zur Spülung eine Desinfektionsflüssigkeit benutzt oder nach der
Wasserspülung dieselbe in geringern Mengen in das Becken führt. Auch trockne Erde, Asche u. dgl. wird zur Desinfektion verwendet.
Für Orte, in denen eine Kanalisation noch nicht besteht, oder für Kranke hat man tragbare Abort (Zimmerklosetts)
konstruiert, bei denen Vorkehrungen gegen die Verbreitung des Geruchs besonders nötig sind. Die Lüftung der Abort geschieht
am einfachsten durch ein aus dem Abfallrohr über das Dach hinaussteigendes Rohr (Stankrohr), in welchem eine ständige Luftbewegung
die Gase nach oben entführt.
Litteratur. C. Möllinger, Handbuch der zweckmäßigen Systeme von Abtritt-Senkgruben und Sielanlagen (2.
Aufl., Halle 1867);
Abort Müller, Die Ziele und Mittel einer gesundheitlichen und wirtschaftlichen Reinhaltung der Wohnungen (Dresd.
1869);
F. Liger, Fosses d'aisances, latrines, urinoires er vidanges (Par. 1875);
Petermann, Die Anlage wasserdichter Abtrittsgruben
(2 Tle., Stuttg. 1871-77);
Abort Lorenz, Abtritts- und Senkgrubenanlagen (Reichenberg 1878);
Friedrich, Das
Friedrichsche Desinfektionsverfahren (Lpz. 1881);
R. Klette, Abortsanlagen (ebd. 1881);
Handbuch der Architektur, Tl. 3, Bd. 5 (Darmst.
1883).